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DIE RÖMISCHE REPUBLIK IM GESCHICHTSBILD DER ...

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<strong>DIE</strong> <strong>RÖMISCHE</strong> <strong>REPUBLIK</strong><br />

<strong>IM</strong> <strong>GESCHICHTSBILD</strong> <strong>DER</strong> SPÄTANTIKE<br />

Zum Umgang lateinischer Autoren des<br />

4. und 5. Jahrhunderts n.Chr.<br />

mit den exempla maiorum<br />

Inaugural-Dissertation<br />

zur<br />

Erlangung der Doktorwürde<br />

der Philosophischen Fakultäten der<br />

Albert-Ludwigs-Universität<br />

zu Freiburg i.Br.<br />

vorgelegt von<br />

Andreas Felmy<br />

aus Münster/Westf.


dissertation.de<br />

Verlag im Internet<br />

Sonderausgabe des Werkes mit der ISBN-Nummer: 3-89825-209-4<br />

Erstgutachter: Prof. Dr. Jochen Martin<br />

Zweitgutachterin: Prof. Dr. Linda-Marie Günther<br />

(München)<br />

Sprecher des Gemeinsamen<br />

Ausschusses der Philosophischen<br />

Fakultäten I–IV: Prof. Dr. Bernd Kortmann<br />

Tag der Promotion: 05.02.1999<br />

Univ. Freiburg, Diss., D 25<br />

dissertation.de<br />

Verlag im Internet<br />

Fritschestr. 68<br />

10 585 Berlin<br />

E-Mail: dissertation.de@snafu.de<br />

URL: http://www.dissertation.de


Inhalt<br />

Vorwort 6<br />

1. Einleitung 9<br />

2. Die untersuchten Autoren 25<br />

Panegyrici Latini — Q. Aurelius Symmachus — Claudius<br />

Claudianus — Ammianus Marcellinus — Breviarien:<br />

Eutropius, Festus, Aurelius Victor / De viris illustribus —<br />

Historia Augusta — Macrobius<br />

Die christliche Literatur: Ambrosius — Prudentius —<br />

Augustinus — Orosius — Hieronymus<br />

3. Exempla und Geschichte 35<br />

3.1 Die exempla maiorum und die römische Auffassung<br />

von Geschichte 35<br />

3.2 Die besondere Rolle von Exempla in der lateinischen<br />

Literatur der Spätantike 42<br />

3.3 Das Gewicht von Exempla aus der römischen<br />

Republik im Vergleich zu anderen Bereichen der<br />

Geschichte 54<br />

3.4 Römische Geschichte und Exempla zwischen<br />

Abwertung und Tradition: das Beispiel Augustin 65<br />

3.5 Mythologie und Geschichte im Exemplum 78<br />

4. Die Exempla aus der römischen Republik in der<br />

lateinischen Literatur der Spätantike 85<br />

4.1 Frühe und mittlere Republik – eine „mythische“ Zeit<br />

des Werdens 88<br />

4.1.1 Brutus: Garant der Republik? 88<br />

Lucius und Marcus Brutus — L. Brutus und das Consulat<br />

— L. Brutus: Hinrichtung der Söhne — Lucius oder<br />

Marcus Brutus? — L. Brutus: Der Freiheitskämpfer —<br />

L. Brutus: Prototyp des Tyrannengegners — Ein einhelliges<br />

Bild?


Die christliche Literatur: Konventionell: L. Brutus, der<br />

Consul — Ein neuer Gesichtspunkt: L. Brutus und die<br />

Affäre um Tarquinius Collatinus — L. Brutus: Hinrichtung<br />

der Söhne — M. Brutus — L. und M. Brutus: Die<br />

Keuschheit der Frauen und die römische Tradition<br />

4.1.2 Camillus: Sieger über die Gallier und<br />

zweiter Gründer Roms 125<br />

Retter und zweiter Gründer Roms — Die Gerechtigkeit<br />

des Ehrenmannes Camillus und die Ungerechtigkeit seiner<br />

Mitbürger — Bezwinger der Gallier — Nachruhm<br />

Die christliche Literatur: Der Sieg über die Gallier im<br />

Spiegel der christlich-heidnischen Auseinandersetzung<br />

— Anerkennung für den Römer Camillus — Ungerechtigkeit,<br />

Nachsicht und Liebe zum irdischen Vaterland<br />

4.1.3 Regulus: Opfergang nach Karthago 160<br />

Armut, die nicht schändet — Ein Sieg noch in der Niederlage<br />

— Der Sinn von Regulus’ Leiden<br />

Die christliche Literatur: Die Regulusbilder Augustins —<br />

Regulus: Ein römischer „Märtyrer“?<br />

4.1.4 Die Scipionen: Aufstieg zur Weltmacht 186<br />

Die Scipionen: Überwinder des metus Punicus — Ein<br />

neuer Scipio Africanus: Der Feldherr Stilicho — Feldherr<br />

und Musenfreund — Religiosität — Bescheidenheit<br />

und das Problem des Sittenverfalls — Scipio: Ein Name<br />

bürgt für seine Träger<br />

Die christliche Literatur: Augustinus: Scipio zwischen<br />

Geschichte und Literatur — Hieronymus: Scipio und die<br />

Genealogie der römischen nobiles — Der Siegesbeiname<br />

Africanus — Orosius: Das Ende der Scipionen und die<br />

Krise der Republik<br />

4.2 Die späte Republik – Zeit zwischen „Mythos“ und<br />

„Geschichte“ 228<br />

4.2.1 Marius und Sulla: Die Zeit der Bürgerkriege 231<br />

Marius im Kerker von Minturnae — Der Sieg des Marius<br />

über die Cimbern und Teutonen — Die Überwältigung<br />

Iugurthas — Crudelitas — Ein neuer Typ von Heerführer<br />

— Bürgerkrieg: Der unbescholtene Marius — Die<br />

Proscriptionen<br />

Die christliche Literatur: Rom auf dem Tiefpunkt seiner<br />

Geschichte: Marius und Sulla bei Augustinus — Orosius:<br />

Die Unmöglichkeit des Bürgerkriegs im christlichen Imperium


4.2.2 Ausblick: Caesar und das Ende der Republik 265<br />

Caesar im Kontext der Bürgerkriege — Der Feldherr<br />

Caesar — C. Iulius Caesar als erster Kaiser — Caesar<br />

Augustus<br />

Die christliche Literatur: Caesar und Augustus bei<br />

Orosius — Clementia Caesaris — Caesar und Cato<br />

5. Zusammenfassung: Exempla als Medien römischen<br />

Geschichtsverständnisses in der Spätantike 281<br />

Anhang 289<br />

Abkürzungen 289<br />

Quellen und Literatur 294<br />

1. Textausgaben, Kommentare und Übersetzungen 294<br />

2. Literatur 305<br />

Register 325


Vorwort<br />

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die überarbeitete Fassung<br />

meiner Dissertation, die im Wintersemester 1998/99 vom Gemeinsamen<br />

Ausschuß der Philosophischen Fakultäten I–IV an der Albert-Ludwigs-<br />

Universität Freiburg angenommen wurde. Neuere, seit Mitte 1999 erschienene<br />

Literatur konnte nur noch selektiv eingearbeitet werden.<br />

Zu Dank verpflichtet bin ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

für die großzügige Förderung als Stipendiat im Rahmen des Graduiertenkollegs<br />

„Vergangenheitsbezug antiker Gegenwarten“, Freiburg, und<br />

dem Sprecher des Kollegs, Herrn Prof. Dr. Hans-Joachim Gehrke.<br />

Herr Prof. Dr. Jochen Martin hat die Entstehung der Arbeit aufmerksam<br />

begleitet. Mit seiner konstruktiven Kritik hat er mich immer wieder<br />

auf die, wie ich meine, richtigen Fährten geleitet. Ihm danke ich besonders<br />

für die anregenden Gespräche. Frau Prof. Dr. Linda-Marie Günther,<br />

Bochum / München, die das Thema ursprünglich angeregt hat, gilt mein<br />

ganz besonderer Dank. Sie hat mich immer wieder durch ihre große Anteilnahme<br />

am Fortgang der Arbeit, auch aus der Ferne, überrascht. Ihr<br />

großes Engagement war mir ein steter Ansporn. Gerne denke ich an die<br />

Arbeitsbesuche bei ihr und ihrem Mann, Herrn Dr. Wolfgang Günther,<br />

zurück.<br />

Herr Prof. Dr. Ulrich Eigler, Trier, gab mir freundlicherweise Gelegenheit,<br />

seine unveröffentlichte Habilitationsschrift einzusehen. Ich bin<br />

ihm dafür sehr dankbar. Herr Priv.-Doz. Dr. Eckhard Wirbelauer, Freiburg,<br />

hat das Manuskript in einer späten Phase der Arbeit gelesen und<br />

mich vor manchen Irrtümern bewahrt. Dafür sei ihm ganz herzlich gedankt.<br />

An dieser Stelle ist es Zeit, den Topos hinzuzufügen, daß die<br />

Fehler, die trotz aller Bemühungen der genannten Personen im Text verblieben<br />

sind, die meinen sind.<br />

Mein Bruder Stefan hat gemeinsam mit meinem Neffen ebenfalls das<br />

gesamte Manuskript einer genauen Prüfung unterzogen. Auch hier gilt<br />

das zuletzt Gesagte verbunden mit meinem herzlichen Dank. Danken<br />

möchte ich auch meinem alten Freund Alexander Seelos, der mich bei<br />

der Publikation kompetent beraten hat.


In der Abschlußphase der Dissertation waren mir Prof. Gehrke ein<br />

verständnisvoller Chef und Tilmann Robbe ein nachsichtiger Kollege bei<br />

der alltäglichen Arbeit für den Sonderforschungsbereich 541 „Identitäten<br />

und Alteritäten“. Auch dafür bin ich dankbar.<br />

Ein spätes, aber nicht minder herzliches Dankeschön geht an meine<br />

Eltern, die mich in den Jahren des Studiums unterstützt und damit einen<br />

ganz wesentlichen Grundstein für diese Arbeit gelegt haben.<br />

An vorderster Stelle steht indes der Dank an meine Frau Allison, die<br />

alles mit mir getragen und ihren Exemplahelden, wo es nur ging, unterstützt<br />

hat. Ihr sei daher die Arbeit gewidmet.<br />

München, im November 2000


1. Einleitung<br />

Geschichte ist nicht identisch mit Historiographie, gleich, ob diese modernem<br />

Verständnis entspricht oder nicht, und unabhängig davon, ob sie<br />

auch den Ansprüchen der Forschung genügen soll oder ob sie zum<br />

Zweck der Unterhaltung verfaßt ist. Geschichtsbilder definieren sich allenfalls<br />

zu einem geringen Teil über die Geschichtsschreibung oder Geschichtswissenschaft.<br />

Selbst ein ausgeprägtes Geschichtsbewußtsein bedarf<br />

nicht der wissenschaftlichen Fundierung, es wird darauf in vielen<br />

Fällen sogar bereitwillig verzichten.<br />

Hieran gilt es vorab in einer Arbeit zu erinnern, in der viel von Geschichte<br />

und dem Interesse an ihr, aber nur wenig von Geschichtsschreibung<br />

die Rede sein wird. Dem äußeren Anschein nach wird es darum<br />

gehen, wie sich Menschen in der Spätantike zur römischen Republik in<br />

Beziehung gesetzt haben. Dabei sollen uns generell alle Arten des Rückbezuges<br />

auf die römische Republik interessieren, sei dieser nun direkt<br />

oder eher indirekt geknüpft. Trotzdem wird keine Rezeptionsgeschichte<br />

angestrebt. Monographien dieses Zuschnitts verfolgen sinnvollerweise<br />

ein zeitliches Kontinuum, ohne zwischendurch Zeitabschnitte von nennenswerter<br />

Dauer zu übergehen. 1 Sie behandeln vor allem die Wandlungen<br />

im Bild von bestimmten Personen bzw. Ereignissen über die Zeiten<br />

hinweg. Auf ihre Ergebnisse kann selbstverständlich auch im Rahmen<br />

unserer Fragestellung zurückgegriffen werden. Doch geht es über einen<br />

lediglich rezeptionsgeschichtlichen Ansatz hinaus in dieser Untersuchung<br />

allgemein um das Geschichtsbild, das im römischen Reich im<br />

4. und 5. Jahrhundert existierte.<br />

Der Zeit der römischen Republik kommt im Rahmen dieses Geschichtsbildes<br />

eine Bedeutung zu, die sich mit der anderer Epochen der<br />

Geschichte nicht messen läßt. Die Kaiserzeit oder die Geschichte anderer<br />

Völker wurden demgegenüber stark vernachlässigt. Im Zentrum der<br />

1<br />

So z.B. die Arbeiten von Mix (1970), Christ (1994), Clarke (1981), aber auch<br />

Rieger (1991).<br />

Bei den Literaturangaben beschränke ich mich im Anmerkungsapparat im allgemeinen<br />

auf den Verfassernamen und das Erscheinungsjahr. Für die vollständigen<br />

bibliographischen Angaben sei auf das Quellen- und Literaturverzeichnis verwiesen.


10 1. Einleitung<br />

Arbeit stehen also nicht so sehr die kontinuierliche Tradierung und Rezeption<br />

geschichtlichen Wissens, sondern Vergangenheitsbezüge über<br />

die Jahrhunderte hinweg. 2 Die Zeit zwischen Augustus und Diocletian<br />

soll daher nur insoweit in den Blick genommen werden, als geklärt werden<br />

muß, welche Quellen der Spätantike überhaupt zur Verfügung gestanden<br />

haben und wie diese dann benutzt wurden.<br />

Mit „Geschichtsbild“ sind hier vor allem solche Vorstellungen gemeint,<br />

die sich eine Zeit von anderen, zurückliegenden Zeiten macht. Ein<br />

Geschichtsbild speist sich in erster Linie aus Ereignissen und Abläufen,<br />

die sich in der Vergangenheit ereignet haben oder an deren Historizität<br />

zumindest geglaubt wird. Insofern möchte ich den Begriff ausdrücklich<br />

von dem der Geschichtsphilosophie abgrenzen. Wichtig ist besonders,<br />

daß ein Geschichtsbild höchstens zum Teil von der Historiographie vermittelt<br />

wird und daß es wohl auch nicht vollständig von oben, auf dem<br />

Verordnungswege oder sogar durch Zwang, bestimmt und gelenkt werden<br />

kann. 3 Es ist demgemäß kein einheitliches, monochromes Bild, sondern<br />

ein Geschichtsbild nach diesem Verständnis setzt sich aus verschiedenen<br />

Farbtönen zusammen. Auf einer weiteren Ebene kann sich ein<br />

Bündel von Vorstellungen über die Geschichte dann zu einem regelrechten<br />

Geschichtsdenken ausweiten. Niedergang und Fortschritt etwa<br />

oder auch das christliche Providenzdenken können im engeren Sinn nicht<br />

mehr als Geschichtsbilder bezeichnet werden. Sie sind bereits als Bestandteile<br />

von Geschichtsdenken, wenn nicht gar einer Geschichtsphilosophie<br />

zu werten.<br />

2 Wenn sich Panegyriker auf eine frühere Zeit beziehen, handelt es sich „immer“<br />

um einen „Sprung in eine Vergangenheit, die keine unmittelbare Verbindung mit<br />

der Gegenwart hat“, so Portmann (1988) 206, s. auch ebd. 219.<br />

3 Ein Beispiel für das Scheitern solcher Bestrebungen in unserem spätantiken Untersuchungszeitraum<br />

war der Versuch, eine lateinische Panegyrik mit christlichen<br />

Inhalten zu etablieren (dazu unten in Kap. 3.4), obwohl die gelobten christlichen<br />

Kaiser im Grundsatz sicher an der Herstellung eines einheitlich christlichen Geschichtsbildes<br />

interessiert gewesen wären.


1. Einleitung 11<br />

Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen das 4. und 5. Jahrhundert. Die<br />

Hauptzüge dieser beiden Jahrhunderte seien kurz umrissen. Das Christentum,<br />

zu Beginn des 4. Jahrhunderts noch verfolgt, wurde ab 311 toleriert<br />

und setzte sich bis zum Ende des Jahrhunderts als Staatsreligion<br />

durch. Die höheren Beamten bekannten sich spätestens seit der Regierung<br />

Gratians mehrheitlich zum Christentum. 4 Die anhand dieser Personengruppe<br />

zu gewinnenden Zahlenverhältnisse lassen allerdings nicht<br />

ohne weiteres den Rückschluß auf den Anteil von Heiden und Christen<br />

in der Aristokratie, geschweige denn in der Gesellschaft insgesamt, zu. 5<br />

Von einer im großen und ganzen christlichen Gesellschaft kann ungefähr<br />

ab dem frühen 5. Jahrhundert ausgegangen werden, als sich zunehmend<br />

auch die weströmische Aristokratie in ihrer Mehrheit zum Christentum<br />

bekehrte. 6 Einer lückenlosen Christianisierung der gesamten Reichsbevölkerung<br />

sollte allerdings noch bis weit ins 6. Jahrhundert der Erfolg<br />

versagt bleiben. 7 Mit dem letzten Vertreter der constantinischen Dynastie,<br />

Iulian (361–363), gelangte zum letzten Mal ein Heide an die Spitze<br />

des Imperiums. Seine Person blieb auch nach dem frühen Tod im Kampf<br />

gegen die Perser heftig umstritten, was sich in einer Vielzahl von Quellen<br />

aus dem späteren 4. Jahrhundert widerspiegelt.<br />

Ein weiteres, andauerndes Problem im 4. Jahrhundert war der Druck<br />

auf die Grenzen im Osten wie im Westen, wobei sich allerdings das<br />

4 Zu diesem Ergebnis kam von Haehling (1978) 511f in einer breit angelegten prosopographischen<br />

Studie. Das darin vorgelegte Material hat Barnes (1995) 144 einer<br />

Revision unterzogen. Demzufolge waren heidnische Amtsträger (einschließlich<br />

der praefecti urbis), von kürzeren Unterbrechungen abgesehen, sogar schon<br />

seit Constantins Sieg über Licinius (316) in der Minderzahl.<br />

5 Barnes (1995) 144. Das gilt auch für die besonderen Verhältnisse in Rom, vgl.<br />

von Haehling (1978) 28ff. Es gilt zu bedenken, daß man es häufig nur mit „einer<br />

karrierebezogenen Konversion“ zu tun hat (ebd. 8).<br />

6 S. Av. Cameron (1994) 98, vgl. Martin (1995) 114, 118 u. Markus (1990) 30f.<br />

Brown (1961/72) zeigt, daß “the movement towards a respectable aristocratic<br />

Christianity” (ebd. 177) in Rom in eher ruhigen Bahnen verlief – abgesehen von<br />

der Phase, in die die aufsehenerregenden antiheidnischen Maßnahmen der Kaiser<br />

Gratian und Theodosius fielen, s. bes. ebd. 177–182. Einen entscheidenden Schub<br />

in Richtung einer vollständigen Christianisierung der Senatsaristokratie stellte<br />

hingegen Pelagius’ Wirken in Rom zwischen 390 und 410 dar, vgl. Brown<br />

(1968/72) 186–189, zusammenfassend dazu Martin (1995) 118.<br />

7 Beispiele hierfür bei Jones (1964/86) 938–943. Hierzu und zum gesamten Abschnitt<br />

vgl. auch Av. Cameron (1994) 73ff u. 94–99.


12 1. Einleitung<br />

Germanenproblem im Westen ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts<br />

wesentlich zuspitzte. Nach der Regierung Theodosius’ I. existierte im<br />

Westen nurmehr ein Schattenkaisertum. Die eigentliche Macht hielten<br />

Heermeister wie der Vandale Stilicho, Aëtius oder Ricimer in Händen,<br />

bis 476 Romulus Augustulus von Odoacer abgesetzt wurde und das Kaisertum<br />

im Westen ganz erlosch.<br />

Von besonderer Bedeutung für unser Thema sind die knapp achtzig<br />

Jahre von etwa 350 bis 430 n.Chr., die Zeit, in der die spätantike lateinische<br />

Literatur ihre Blüte erlebte. 8 In dieser Zeit kam es auch zu der Katastrophe<br />

von Adrianopel (378), zum Einbruch der Rheinfront (406/407)<br />

und vor allem zur Plünderung Roms im Jahre 410. Die großen Germaneneinbrüche<br />

in das Reichsgebiet fielen hauptsächlich schon in die<br />

christlichen Zeiten des Kaisers Theodosius und seiner Söhne, als sich das<br />

Christentum soeben endgültig als die im römischen Staat vorherrschende<br />

Religion durchgesetzt hatte. Entsprechende Schuldzuweisungen seitens<br />

der Anhänger der alten Kulte blieben nicht aus. Heiden wie sie machten<br />

die Abkehr von den althergekommenen Staatskulten für die Krise des<br />

Imperiums verantwortlich. Ein vorläufiger Kulminationspunkt war dabei<br />

der berühmte Streit um die Wiederaufstellung des Victoriaaltars im Senatsgebäude<br />

9 mit den beiden Hauptkontrahenten Symmachus und<br />

Ambrosius im Jahre 384.<br />

Da es Symmachus um die Bewahrung der alten Kulte ging, deren<br />

Pflege (bis vor kurzem) Rom zu seiner früheren Größe verholfen habe,<br />

mußte die Debatte zumindest streckenweise auf die römische Geschichte<br />

zurückkommen. Daß die Auseinandersetzung zwischen Heiden und<br />

Christen unter anderem mit historischen Argumenten geführt wurde, hat<br />

8 Zu dieser Periodisierung s. Fuhrmann (1994) 46 u. 51–55 (vgl. schon ders. [1967]<br />

75f) oder auch Döpp (1988) 20. Der Zeitraum ist im übrigen nahezu identisch mit<br />

der Lebenszeit von Augustin (354–430). Für die Kirchengeschichte sind es ungefähr<br />

die Jahre von 380 bis 430, die sowohl durch innerchristliche Debatten als<br />

auch durch die Auseinandersetzung zwischen Christen und Heiden (dazu unten<br />

im Text) den Charakter einer “watershed” annehmen, insbesondere im Westen, so<br />

Markus (1990) 19.<br />

9 Näheres dazu in der kommentierten Ausgabe der einschlägigen Texte von Symmachus<br />

(rel. 3) und Ambrosius (epist. 72 [17]; 73 [18]; Extra coll. 10 [57] – nach<br />

CSEL 82.3, in Klammern die herkömmliche Zählung nach der Mauriner Ausgabe)<br />

von Klein, Victoriaaltar (1971) sowie bei dems., Symmachus (1986). S.<br />

zuletzt Lipani (1996) u. Rebenich (1991). Die Texte auch bei Wytzes (1977).


1. Einleitung 13<br />

in erheblichem Maße mit dem do-ut-des-Charakter der römischen Religion<br />

zu tun. Die Götter waren demzufolge nur so lange bereit, die Sache<br />

des römischen Staates zu unterstützen, wie dieser ihnen Opfer darbrachte<br />

und die vorgeschriebenen Riten einhielt. Geschichte wurde so zum gewichtigen<br />

Argument in der Auseinandersetzung, die zwischen Heiden<br />

und Christen über die zeitgenössische Misere geführt wurde: „nur in dieser<br />

Epoche haben bedeutende Vertreter in Angriff und Verteidigung die<br />

entgegengesetzten Formen geschichtlicher Anschauung durchsichtig<br />

gemacht und voneinander abgegrenzt.“ 10 Da sich die Kontroversen über<br />

die römische Vergangenheit im wesentlichen auf den lateinischen Westen<br />

beschränkten, wird der Schwerpunkt der Arbeit auf diesem Reichsteil<br />

liegen.<br />

Die Ereignisse des Jahres 410 erschütterten den bis dahin bei Heiden<br />

und Christen gleichermaßen verbreiteten Glauben an die Ewigkeit Roms<br />

zwar schwer, doch nicht nachhaltig. Das Geschehen von 410 sorgte noch<br />

einmal für Vorwürfe von Heiden an die Adresse der Christen, wegen der<br />

Abkehr von den traditionellen Kulten hätten sie den Fall Roms zu verantworten.<br />

Augustin verfaßte daher in den Jahren 413 bis 426 die zweiundzwanzig<br />

Bücher von De civitate Dei. Diese beginnen als apologetische<br />

Schrift, schlagen dann allerdings rasch in eine prinzipielle Absage<br />

an jede Form von Rommythos, komme er in heidnischem oder christlichem<br />

Gewand einher, um und entwickeln schließlich eine Geschichtstheologie,<br />

die zwischen Welt- und Gottesstaat unterscheidet.<br />

Hier deutet sich ein grundlegend neues Geschichtsbild an, das die<br />

Heilsgeschichte völlig von der irdischen Geschichte, auch derjenigen<br />

Roms, losgekoppelt sieht. Durchsetzen konnte sich diese Sicht der Geschichte<br />

allerdings nicht. Der Glaube an die Ewigkeit Roms war auch<br />

nach 410 nicht erloschen, weder bei Heiden noch bei Christen. Nur wenige<br />

Jahre später waren sowohl Rutilius Namatianus als auch Orosius<br />

entschieden der Ansicht, daß Roms Fortbestand trotz des Gotensturmes<br />

auch weiterhin gesichert sei. 11<br />

10 Vittinghoff (1964) 530.<br />

11 Oros. hist. 2,3,3f; Rut.Namat. 1,129–140 (in deutlicher Anlehnung an Verg. Aen.<br />

1,278f), vgl. auch 2,55. Ja, Rom könne an erlittener Ungemach sogar noch wachsen<br />

(Rut.Namat. 1,140). Auch wenn Augustin in starkem Maße Luthers Zwei-<br />

Reiche-Lehre beeinflussen sollte, das Mittelalter stand nicht unter seinem Ein-


14 1. Einleitung<br />

Unser Untersuchungsgegenstand sind die Bezugnahmen auf die römische<br />

Republik, die in der Zeit der Spätantike vorgenommen worden sind.<br />

„Republik“ steht hier primär für eine Epoche der römischen Geschichte<br />

und nur mittelbar für eine bestimmte Regierungsform, wie sie in Rom<br />

nach Vertreibung der Könige und vor dem Principat des Augustus bestanden<br />

hat und welche überdies nie in einer schriftlichen Verfassung<br />

fixiert worden war. Bei den spätantiken Vergangenheitsbezügen, die uns<br />

hier beschäftigen werden, wird verhältnismäßig selten darüber reflektiert,<br />

daß sich eine gerade erwähnte Begebenheit unter den Bedingungen<br />

der republikanischen Verfassungsordnung zugetragen hat. 12<br />

Grundsätzlich drückt sich das Geschichtsbild einer Zeit nicht nur in<br />

ihren schriftlichen Zeugnissen aus. So finden sich Rückbezüge geschichtlicher<br />

Natur auch in den spätantiken Rechtskodifizierungen, im<br />

Kalenderwesen mit den Festtagen und Ären und in bildlichen Quellen. 13<br />

Dennoch werden in dieser Untersuchung nur literarische Quellen herangezogen.<br />

Das macht Sinn, weil in dieser Quellengattung Vergangenes<br />

nicht nur erwähnt wird, sondern weil nur in ihr das Verhältnis zur Geschichte<br />

hin und wieder bewußt von den Autoren reflektiert wird.<br />

Auch in der Namengebung kann ein bestimmtes Geschichtsbild zum<br />

Ausdruck kommen – man halte sich etwa die Häufigkeit der Namen<br />

Wilhelm oder Adolf heute und noch vor einem halben Jahrhundert vor<br />

Augen. Für unsere Untersuchung müßte die Frage bezüglich der Namengebung<br />

lauten: Inwiefern und mit welchen Namen wird in der Spätantike<br />

bei der Namengebung die Erinnerung an die Geschichte der römischen<br />

Republik wachgehalten? Eine entsprechende Untersuchung würde allerdings<br />

nur magere Ergebnisse hervorbringen. Die Prosopographie stellt<br />

nur insoweit ein Hilfsmittel dar, als wir aus ihr nur Informationen über<br />

die Häufigkeit oder Seltenheit eines Namens ziehen können. Über die<br />

Motive für einen Modenamen mit historischer Konnotation lassen sich<br />

aber auf dieser Basis keine verallgemeinerungsfähigen Aussagen tref-<br />

fluß, sondern ganz unter dem von Orosius’ Weltgeschichte, vgl. Mommsen<br />

(1959) 348 u. 326, s. auch Zwierlein (1978) 55.<br />

12 Die Bewertung der aus der Republik übernommenen staatlichen Institutionen<br />

durch spätantike Autoren ist nicht Gegenstand dieser Arbeit, dazu andernorts<br />

Verf. (1996); dort auch zu einigen Ausnahmen von der oben genannten Regel.<br />

13 Grundlegend zum Geschichtsbewußtsein der Spätantike Demandt (1982), bes.<br />

268ff, auf den ich mich im folgenden großenteils stütze.


1. Einleitung 15<br />

fen. 14 Zu bedenken ist vor allem, daß Namen wie z.B. Scipio und<br />

Camillus die Zugehörigkeit zu einer Seitenlinie der eigentlichen gens<br />

bezeichnen. Solche Namen drücken nur den Verwandtschaftsgrad aus,<br />

aber noch lange nicht ein Anknüpfen an das Vorbild eines berühmten<br />

Vorfahren. Auch Statuen kommen als Quelle kaum in Betracht. Ihre<br />

Aufstellung erfolgte nurmehr nach musealen Gesichtspunkten. Rekonstruierbare<br />

Bildprogramme, die womöglich eine bestimmte Sicht auf die<br />

Vergangenheit vermitteln sollten, lassen sich in der Spätantike jedenfalls<br />

nicht mehr erkennen, weder in Villen, noch auf öffentlichen Plätzen. 15<br />

Im Bereich der archäologischen Zeugnisse ist besonders auf die Kontorniaten<br />

hinzuweisen, Medaillons, die man sich zum neuen Jahr<br />

schenkte und auf denen eine breite Palette von Gestalten des Altertums<br />

erscheint – allerdings kaum solche aus der Zeit der römischen Republik,<br />

jedoch eine Vielzahl von Kaisern und Dichtern sowie die Dea Roma. Die<br />

Grundlage für eine Auseinandersetzung mit dieser Quellengattung stellt<br />

bis heute die von Andreas Alföldi besorgte Edition „Die Kontorniaten.<br />

Ein verkanntes Propagandamittel der stadtrömischen Aristokratie in<br />

ihrem Kampfe gegen das christliche Kaisertum“ (1942/43) dar. Alföldis<br />

These, die Kontorniaten hätten als antichristliches Propagandamaterial in<br />

den Kreisen der römischen Senatoren zirkuliert, ist aus verschiedenen<br />

14 In der Kaiserzeit löste sich das herkömmliche Namensystem mit Praenomen,<br />

Gentile und Cognomen auf, dadurch herrschte im 4./5. Jh. wieder Einnamigkeit<br />

vor, s. Ernst Fraenkel, s.v. Namenwesen, in: RE 16,2 (1935) Sp.1611–1670, hier:<br />

1662ff. Welche grundsätzlichen Schwierigkeiten Untersuchungen zur römischen<br />

Namengebung auch schon vor der Spätantike entgegenstehen, wird z.B. aus einer<br />

Studie über „Namenpaare“ von Solin (1990) ersichtlich: In Ermangelung erkennbarer<br />

Motive, die zu bestimmten Moden geführt haben könnten (ebd. 71ff), kann<br />

Solin nur darauf verweisen, „wie wenig die eigentliche ‚Bedeutung‘ bei der Namenwahl<br />

zählt. [...] sie griffen einfach zu üblichen Namen, die ihnen einfielen“<br />

(ebd. 80). Zu erkennen ist immerhin, „daß die Helden der Aeneis im ganzen keine<br />

sehr tiefen Spuren in der römischen Namengebung hinterlassen haben“. Wenn,<br />

dann war diese im allgemeinen eher von der griechischen Sage beeinflußt (ebd.<br />

25ff, das Zitat: 27).<br />

15 Möglich erscheint höchstens noch so etwas wie ein „Versatzstückensemble“, so<br />

Willers (1996) 185; s. ebd. auch 176–179 u. passim, vgl. Demandt (1982) 270.<br />

Sofern es in den Städten der Spätantike überhaupt noch Platz für neue Statuen<br />

gab, war der öffentliche Raum hier ganz auf die Person des Kaisers ausgerichtet,<br />

näher dazu Bauer (1996) 363f mit 75.


16 1. Einleitung<br />

Gründen nicht haltbar. 16 Unabhängig von der Bewertung seiner Argumente<br />

ist für die Zwecke unserer Untersuchung bemerkenswert, daß<br />

Alföldi sich bei der Interpretation des von ihm erstmals systematisierten<br />

Quellenmaterials offensichtlich in ganz erheblichem Maße auf literarische<br />

Zeugnisse angewiesen sah.<br />

Die literarischen Quellen des 4. und 5. Jahrhunderts sind für das<br />

Thema Geschichtsbild / Tradition bei weitem noch nicht ausgeschöpft,<br />

zumal das Traditionsbewußtsein, das in diesen Texten zum Ausdruck<br />

kommt, häufig nur auf den alleinigen Aspekt der „heidnischen Reaktion“<br />

und der sogenannten Romidee hin untersucht worden ist. Die Literatur<br />

zu diesem Thema ist unübersehbar, 17 und das nicht ohne Grund. Alles,<br />

was sich in antiken Quellen an konservativen Äußerungen über den mos<br />

maiorum, über die Staatsreligion, die Institutionen und anderes mehr finden<br />

läßt, wird oft sehr pauschal unter so schillernden Begriffe wie Romgedanke,<br />

Romidee, Romglauben oder Romideologie subsumiert. Im<br />

engeren Sinn kann aber nur von einem Glauben an die Ewigkeit der<br />

16 Die von Elisabeth Alföldi u.a. überarbeitete Neuausgabe „Die Kontorniat-<br />

Medaillons“ (1976/90), verzichtet denn auch auf den Untertitel. Der Textband<br />

enthält einen von Alan Cameron verfaßten Anhang über neuere Forschungen zum<br />

Thema, der auch kritische Stimmen ausführlich zu Wort kommen läßt (in: Alföldi<br />

II [1990] 63–74).<br />

Zum einen lassen nur einige Prägungen nach 391 eine antiheidnische Komponente<br />

erkennen. Auch sollten Kontorniaten mit dem Bildnis Neros weniger an<br />

den Christenverfolger als an den Veranstalter großzügig ausgestatteter Zirkusspiele<br />

erinnern, s. Lippold (1980) 94f. Zum anderen lassen eine günstige Fertigung<br />

aus Bronze, z.T. sogar in Gußtechnik, und die Häufigkeit von Motiven aus<br />

der Welt der Spiele und Wagenrennen darauf schließen, daß das Verschenken<br />

von Kontorniaten nicht zwingend ein Oberschichtenphänomen gewesen sein<br />

muß, das sich auf die (heidnischen) Senatorenkreise hätte beschränken müssen.<br />

Vgl. dazu jetzt bes. Mittag (1999), etwa 190–197 u. 226.<br />

17 Zuletzt Riedl (1995) (ausschließlich zu Claudian) u. Klein, Romidee (1986) (gekürzte<br />

Fassung von Klein [1985]), s. auch den Sammelband von Kytzler (Hg.)<br />

(1993) mit umfangreicher Bibliographie. Zu dem Idealbild einer „Romidee“ der<br />

Spätantike, an dem seit mehr als einem Jahrhundert gearbeitet wird – stellvertretend<br />

genannt seien Klingner (1927/65), (1941/65) und Buchheit (1966/71) –, s.<br />

den grundlegenden Aufsatz von Fuhrmann (1968). Daß Fuhrmann sich ebd. 538–<br />

542 kritisch mit älteren, meist deutschen Arbeiten zu ‚Romidee‘, ‚Römertum‘<br />

und dergleichen als einer „späte[n] Blüte romantischer Volksgeist-Theorien“<br />

(ebd. 541 Anm.31) auseinandersetzt, wird nur zu gern übersehen. Wichtig auch<br />

die Kritik von Thraede (1977) 91ff an einem einseitig geistesgeschichtlichen<br />

Blick auf die „Romidee“.


1. Einleitung 17<br />

Stadt Rom und der römischen Herrschaft die Rede sein. Der Rest ist<br />

Konservatismus oder Traditionalismus, ist Komplement, das schärfer, als<br />

es zumeist in der Forschungsliteratur geschieht, von dem unbestreitbaren<br />

Glauben an eine Roma aeterna 18 getrennt werden sollte. Wichtiger wäre<br />

es, die einzelnen Bestandteile der sogenannten Romidee deutlicher voneinander<br />

abzugrenzen und kritisch zu überprüfen, ob tatsächlich eine<br />

Idealisierung der römischen Vergangenheit vorliegt, die ein Ausdruck<br />

wie „Romidee“ suggeriert. 19<br />

In der Hauptsache richtet die Literatur des 4. und 5. Jahrhunderts den<br />

Blick auf vergangene Jahrhunderte in Gestalt von Exempla. Diese<br />

Exempla stellen das gleichsam einzige Fenster zur republikanischen<br />

Vergangenheit in der Geschichtserinnerung unseres spätantiken Untersuchungszeitraumes<br />

dar. Ihnen wird daher unser vorrangiges Interesse<br />

gelten. Neben diesen eher beiläufig eingestreuten Erwähnungen finden<br />

sich, soweit es den Bereich der literarischen Quellen betrifft, direkte Bezugnahmen<br />

auf die Republik nur noch in Breviarien und Chroniken,<br />

außerdem in den Historiae adversum paganos des Orosius sowie in<br />

Augustins De civitate Dei, ein Werk, das sich besonders in den Büchern<br />

2 und 3 systematisch mit der römischen und hier schwerpunktmäßig der<br />

republikanischen Geschichte auseinandersetzt.<br />

Wir haben es also mit einem eher bruchstückhaften Material zu tun.<br />

Auch wenn grundsätzlich zum Geschichtsbild einer jeglichen Zeit mehr<br />

gehört als nur das, was ihre Historiker über die Vergangenheit für überlieferungswürdig<br />

erachten, spiegelt das hier zur Anwendung kommende<br />

Verfahren, das Geschichtsbild einer Zeit ausschließlich aus beiläufigen<br />

und versprengten Äußerungen zu rekonstruieren, doch auch einen<br />

18 Hierzu ausführlich Mellor (1981), v.a. 1018–1028.<br />

19 Als Sammelbezeichnung für solche Emanationen des kulturellen Gedächtnisses<br />

scheint mir der neutralere Traditionalismusbegriff, wie ihn z.B. Rosen, Geschichtsdenken<br />

(1982) 3 u. passim verwendet, geeigneter. Dagegen kann es nicht<br />

Aufgabe der Forschung sein, im „Blick auf die gewaltige Synthese“ – die Romidee<br />

– und in „Liebe zu ihr“ zu verharren, auf daß dieses Konstrukt nicht noch<br />

mehr „zerstückt“ werde, wie Klingner (1927/65) 666 unverhohlen beklagt hat.<br />

Immerhin Ansätze zu einer differenzierenden Betrachtung der sog. Romidee nach<br />

mehreren Ebenen hin lassen neuerdings Brodka (1999), v.a. 9–12, ferner Riedl<br />

(1995) 550–554 und, mit Hinblick auf das 2./3. Jh., Unruh (1989) 1 erkennen;<br />

angemessen auch die Annäherung von Paschoud (1967) an das Thema des<br />

‘patriotisme romain’, vgl. ebd. v.a. 15 u. 18–21.


18 1. Einleitung<br />

Mangelzustand wider: In dem von uns untersuchten Zeitabschnitt gibt es<br />

niemanden, der sich bemüßigt gefühlt hätte, die Geschichte der römischen<br />

Republik für seine Zeit neu zu schreiben. Damit fehlt uns eine an<br />

sich wünschenswerte Kontrollinstanz, die Möglichkeit nämlich, die in<br />

den Quellen nur knapp gehaltenen Rückblicke auf die Zeit der römischen<br />

Republik mit den Ergebnissen und Positionen einer zeitgenössischen<br />

Historiographie zu vergleichen.<br />

Geschichtliche Exempla haben in der Spätantike insbesondere in der<br />

lateinischen Panegyrik Anwendung gefunden. Exempla aus dem Bereich<br />

der Mythologie sind schon seit Isokrates (436–338 v.Chr.), dem „Klassiker“<br />

der Panegyrik, ein Charakteristikum der Gattung. Wurde der Gelobte<br />

anfänglich in einer XZLPWNXNO mit mythischen Gestalten verglichen,<br />

deren Fähigkeiten und Leistungen er regelmäßig überbot, so wurden<br />

zunehmend auch geschichtliche Ereignisse in die Vergleiche einbezogen.<br />

Seit Claudian war sogar „die römisch-republikanische Geschichte<br />

nur mehr in dieser Funktion als Folie präsent“, so die Einschätzung<br />

von Reinhart Herzog. 20 Die Panegyrik hat vermutlich stark auf andere<br />

Gattungen in der Spätantike ausgestrahlt, und zwar sowohl formal als<br />

auch inhaltlich. Panegyrici gehörten nach einer Zeit, in der bedingt durch<br />

die schwere Krise des Reiches vor Diocletian knapp 50 Jahre lang keinerlei<br />

(überlieferte) Literatur geschaffen worden war, zu den ersten<br />

Stücken der lateinischen Literatur der Spätantike überhaupt. 21<br />

Die Auswahl von Reden, die unter dem Namen Panegyrici Latini firmiert<br />

und die in einer ersten Fassung Anfang des 4. Jahrhunderts in Gallien<br />

zusammengestellt worden war, diente zum einen als Muster vollendeter<br />

Redekunst. Diese Anthologie sollte ursprünglich Schulungszwecken<br />

dienen. Über den Bereich der gallischen Rhetorenschulen hinaus<br />

dürfte sie einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Rhetorik im ganzen<br />

Reich ausgeübt haben. 22 Zum anderen konnten die panegyrischen<br />

20 Herv. Fy; Herzog (1971) 178.<br />

21 S. dazu Fuhrmann (1994) 46. Die anonymen Panegyrici auf Maximian Pan.Lat.<br />

10 (2) und 11 (3) wurden 289 bzw. 291 gehalten.<br />

22 So hat Symmachus, der als größter Redner seiner Zeit galt, seine rhetorische<br />

Ausbildung in Gallien genossen. Spuren davon finden sich auch in seinen eigenen<br />

Panegyrici, s. MacCormack (1976) 69f. Die in der Sammlung Pan.Lat. enthaltenen<br />

Reden müssen sich schon vor ihrer Synthese großer Beliebtheit innerhalb der<br />

gallischen Schulen erfreut haben: “nearly all the panegyrists are in debt to their


1. Einleitung 19<br />

Lobreden zur Quelle für spätere Geschichtsschreiber werden – hier ist<br />

vor allem an Ammian zu denken. 23<br />

In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Abhandlungen erschienen,<br />

die sich eingehend mit der Panegyrik der Spätantike befassen. In der<br />

neueren Forschung besteht ohne Ausnahme Einigkeit darüber, daß Panegyrici<br />

nicht einfach als abstoßende Schmeichelei abgetan werden dürfen,<br />

sondern als sprechende, z.T. sogar äußerst diffizile Zeugnisse ihrer<br />

Zeit ernstgenommen werden müssen. An Glaubwürdigkeit mangelt es<br />

der Panegyrik jedenfalls, gleich wer der jeweilige Redner ist, nicht. Panegyriker<br />

mußten zwar loben und kräftig auftragen. Dennoch wäre es ihnen<br />

als Fauxpas angerechnet worden, hätten sie ihren Zuhörern, die<br />

meist selbst an den politischen Entscheidungen beteiligt waren, genau<br />

darüber nachträglich offene Lügen aufgetischt. 24<br />

Die Häufung geschichtlicher Vergleiche in den meisten Panegyrici,<br />

die mit Hilfe von Exempla angestellt werden, ist kaum zu übersehen.<br />

Dennoch sind in jüngster Zeit nur Werner Portmann und Charles E.V.<br />

Nixon näher auf diesen Aspekt eingegangen. Die meisten neueren Arbeiten<br />

zur spätantiken Panegyrik schenken den in den verschiedenen<br />

Lobreden enthaltenen Vergangenheitsbezügen nur wenig Aufmerksamkeit.<br />

Sie konzentrieren sich bevorzugt auf den zeremoniellen Rahmen, in<br />

dem diese Reden zum Lobpreis des regierenden Kaisers vorgetragen<br />

worden sind. Exempla werden dabei lediglich am Rande als Topik, als<br />

predecessors in the corpus” (Nixon / Rodgers, Pan.Lat. [1994] 6; Beispiele dafür:<br />

ebd. 6f Anm.19ff). Vgl. auch Nixon (1990) 3 und in: Pacatus: Panegyric to the<br />

Emperor Theodosius. Translated with an Introduction by Charles E.V. Nixon,<br />

Liverpool 1987, 2f (Einleitung). Die erwähnte erste Fassung der Panegyrici<br />

Latini (Anfang 4. Jh.) enthielt sieben Reden, Plinius’ Panegyricus auf Traian (100<br />

n.Chr.) und der Rest kamen erst später hinzu; zur Entstehung der Sammlung s.<br />

Konrat Ziegler, s.v. Panegyrikos, in: RE 18,2 (1949) Sp.559–589, hier: 572–575.<br />

23 S. unten 3.2.<br />

24 S. Fuhrmann (1994) 108, 128f, Uthemann (1997) 281 und v.a. Pabst, Symm. or.<br />

(1989) 31. Sie plädiert ausgehend von den Reden des Symmachus für eine Neuentdeckung<br />

des Panegyricus und seines Quellenwertes an sich (ebd. 36 sowie 25–<br />

40: Auseinandersetzung mit der älteren Forschung). S. auch Peter L. Schmidt, in:<br />

HLL 5 (1989) § 528, hier bes. S.161f. Weiters hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang<br />

die Studien von MacCormack (1975), (1976) (erweiterte Fassung)<br />

und (1981) sowie Portmann (1988), Nixon (1990), Müller-Rettig, Pan.Lat. 6 (7)<br />

(1990) und Mause (1994).


20 1. Einleitung<br />

festes rhetorisches Inventar des panegyrischen Herrscherlobes,<br />

berücksichtigt. 25<br />

Dies erstaunt nicht zuletzt deshalb, weil sich geschichtliche Exempla<br />

abgesehen von der Panegyrik auch in vielen anderen spätantiken Texten<br />

großer Beliebtheit erfreut haben. Ende der 60er Jahre war Henry E.<br />

Chambers bereits zu dem Urteil gelangt, daß sich aus den historischen<br />

Exempla bei dem griechischen Redner und Philosophen Themistios, aber<br />

auch bei den Autoren der Panegyrici Latini keine in sich geschlossene<br />

Vorstellung vom Gang der Geschichte ableiten lasse. 26 Portmann stimmt<br />

damit im Prinzip zwar überein, er kritisiert aber, Chambers habe wie<br />

viele andere den Kontext der bei den einzelnen Panegyrikern gegebenen<br />

Exempla vernachlässigt. In seiner Dissertation von 1988 versucht<br />

Portmann, dem durch eine möglichst kontextnahe Interpretation der einzelnen<br />

Exempla in allen Panegyrici der Spätantike abzuhelfen. Nur ist er<br />

dabei leider beim Umfeld des jeweiligen Einzelexemplums stehengeblieben.<br />

27 Charles E.V. Nixon hat sich in einem kurzen, wenngleich sehr<br />

anregenden Beitrag Gedanken über die grundsätzliche, über den einzelnen<br />

Text hinausweisende Funktion der durch Exempla hergestellten<br />

Vergangenheitsbezüge gemacht. Seine Überlegungen gründen allerdings<br />

nur auf Reden der Panegyriker aus diocletianischer und constantinischer<br />

Zeit. 28<br />

25<br />

Dies gilt besonders für die Arbeiten von MacCormack (1981) und Mause (1994).<br />

26<br />

Chambers (1968) 116f.<br />

27<br />

Gleichwohl stellt die Arbeit von Portmann ein ausgezeichnetes Hilfsmittel für<br />

jegliche künftige Beschäftigung mit der spätantiken Panegyrik dar, auch weil sie<br />

weitestgehend Vollständigkeit anstrebt. Zur Kritik an Chambers und zu seinem<br />

eigenen Vorgehen s. Portmann (1988) 13f.<br />

28<br />

Nixon (1990); auf die dort angestellten Überlegungen komme ich unten in Kap.<br />

3.2 sowie 4.2.2 zurück. S. auch die knappe Einführung von dems. (1983) zu den<br />

Rednern der Panegyrici Latini.


1. Einleitung 21<br />

Die vorliegende Arbeit, in der der Versuch unternommen wird, das Geschichtsbild<br />

des 4. und 5. Jahrhunderts aus dem Umgang der Zeitgenossen<br />

mit Exempla aus einer bestimmten Epoche, nämlich denen der römischen<br />

Republik, zu erschließen, soll sich freilich nicht ausschließlich auf<br />

die Panegyrik als Quelle stützen. Denn auch außerhalb dieser Gattung<br />

sind, wie schon erwähnt, geschichtliche Rückbezüge anzutreffen.<br />

Die Untersuchungen zur Panegyrik sind sich gelegentlich gar nicht so<br />

sicher bei der Auswahl dessen, was als panegyrisch zu gelten habe und<br />

was nicht mehr. So ist es nur konsequent, wenn Portmann, der sich mit<br />

„Geschichte in der spätantiken Panegyrik“ befaßt, nicht nur Claudians<br />

Panegyrici im engeren, formalen Sinne berücksichtigt, sondern auch die<br />

Epen und Invektiven dieses Dichters. Schließlich ist der einzige nennenswerte<br />

Unterschied zum Panegyricus der, daß die Invektiven und<br />

Epen nicht für einen bestimmten Festakt geschrieben worden sind. 29<br />

Schon dieses Beispiel erhellt, daß formale Kriterien hinsichtlich der<br />

Grenzen einer bestimmten Gattung nicht hilfreich sind, um eine Auswahl<br />

des im folgenden zu untersuchenden Materials zu treffen. Eine Untersuchung<br />

nach rein literaturwissenschaftlichen Kriterien zu einer bestimmten<br />

Gattung oder zu bestimmten Motiven in ihr (etwa dem Vergangenheitskolorit)<br />

wird hier nicht angestrebt. Doch kann es auch nicht Sinn<br />

und Zweck der Arbeit sein, wahllos alle Bezüge auf die römische Republik<br />

in der spätantiken Literatur zusammenzustellen und zu katalogisieren,<br />

soweit das nicht ohnehin bereits geschehen ist. 30 Umso mehr stellt<br />

sich das Problem einer sinnvollen Eingrenzung des zu untersuchenden<br />

Stoffes.<br />

Angestrebt ist ein Querschnitt durch verschiedene literarische Gattungen.<br />

Die Auswahl der im Mittelpunkt der Untersuchung stehenden<br />

29 Vgl. Portmann (1988) 17. Genau umgekehrt hinsichtlich der Werke Claudians<br />

entscheidet sich Mause (1994) 4. Auch unter den konkreten Bedingungen seiner<br />

Fragestellung („Die Darstellung des Kaisers in der lateinischen Panegyrik“) haben<br />

formale Argumente bei ihm zu sehr die Oberhand. Denn wie er selbst ebd. 4<br />

u. 18 einräumt, dienen Invektiven in einem nicht zu vernachlässigenden Maße<br />

auch dem Lob des oder der Herrschenden, die (im Falle Claudians sind das Honorius<br />

und Stilicho) Maßnahmen gegen die geschmähten Feinde ergreifen.<br />

30 Vgl. die vollständigen tabellarischen Übersichten von Portmann (1988) 316–347<br />

(Panegyrik allgemein), Nixon (1990) 30–33 (Panegyrici Latini ohne den Panegyricus<br />

des Plinius) u. Blockley (1975) 191–194 (für Ammian).


22 1. Einleitung<br />

Autoren soll unter der leitenden Fragestellung erfolgen, ob sich bei ihnen<br />

je nach individueller Ausgangslage – hier ist in besonderem Maße an den<br />

jeweiligen religiösen Hintergrund zu denken – unterschiedliche Perspektiven<br />

für die Beurteilung der republikanischen Vergangenheit Roms ergeben.<br />

Bei diesen ausgewählten Autoren bzw. Werken, die im folgenden<br />

Kapitel kurz vorgestellt werden, ist Vollständigkeit angestrebt, d.h.<br />

sämtliche Bezüge, die sich bei diesen Autoren der engeren Wahl auf<br />

wichtige Personen und Ereignisse aus der Zeit der Republik finden, sollen<br />

im weiteren Verlauf dieser Untersuchung ausnahmslos Berücksichtigung<br />

finden.<br />

Das bewußte Einbeziehen auch der lediglich belanglosen Vergangenheitsbezüge<br />

in die Erörterung soll das ganze Spektrum des spätantiken<br />

Umgangs mit Exempla vor Augen führen. Die Bandbreite des Exemplums,<br />

auf die gesondert in einem eigenen Kapitel eingegangen wird,<br />

reicht von der knappen Anspielung auf längst Bekanntes bis zur detailliert<br />

ausgebreiteten Anekdote. Exempla können zentrales Mittel einer<br />

Argumentation sein, sie können sich aber auch darauf beschränken, banale<br />

Parallelen zur Geschichte aufzuweisen, und durch die Lust zu fabulieren<br />

motiviert sein. Neben den Texten, die im Zentrum der Untersuchung<br />

stehen, werden, wenn auch nicht systematisch, weitere Werke der<br />

lateinischen Literatur der Spätantike berücksichtigt, und zwar bis zum<br />

Ende des Westreiches. Darüber hinaus werden auch Vergleiche mit den<br />

eher seltenen Äußerungen zeitgenössischer griechischer Autoren zur römischen<br />

Geschichte angestellt.<br />

Diese Quellen sollen sämtlich auf das ihnen zugrundeliegende Geschichtsbild<br />

hin befragt werden, und zwar einzeln, aber auch in ihrer Gesamtheit<br />

als Überlieferungsbestand, als Panorama des in der Spätantike<br />

möglichen Wissens über die römische Republik. Die wichtigsten leitenden<br />

Fragen, die uns dabei immer wieder beschäftigen werden, seien in<br />

aller Kürze genannt: Warum versuchten Redner, Dichter und andere<br />

Schriftsteller ihre Gelehrsamkeit gerade an Beispielen aus der Vergangenheit<br />

zu erweisen statt beispielsweise anhand von philosophischen<br />

Gedankenspielen? Was können die Urteile, die spätantike Autoren über<br />

die Republik fällen, aussagen über die Beurteilung ihrer eigenen Gegenwart<br />

und umgekehrt? Inwiefern und inwieweit haben sich diese Urteile<br />

gegebenenfalls seit Beginn der römischen Kaiserzeit geändert? Eine


1. Einleitung 23<br />

grundsätzliche Frage ist schließlich, weshalb man sich mehrheitlich gerade<br />

auf die Epoche der römischen Republik bezogen hat – Exempla aus<br />

der Kaiserzeit und aus dem nichtrömischen Bereich sind deutlich weniger<br />

präsent in der römischen Literatur. 31<br />

31 Was die quantitative Seite betrifft, bedarf es dazu keiner eigenen Nachforschungen.<br />

Das Überwiegen republikanischer gegenüber anderen Exempla ist evident,<br />

vgl. nur die in Anm.30 genannten tabellarischen Aufstellungen und Blockley<br />

(1975) 191–194 (Ammianus Marcellinus). Grundsätzlich zum Phänomen einer<br />

Fokussierung ganz auf die Republik unten 3.3.


2. Die untersuchten Autoren<br />

Im folgenden werden kurz die Autoren und Werke 1 vorgestellt, die in<br />

den Fallstudien in Abschnitt 4 ausführlich berücksichtigt und auf bestimmte<br />

Exempla aus der römischen Republik hin untersucht werden.<br />

Andere Texte aus dem zu untersuchenden Zeitraum wie etwa die<br />

Schriften von Iulian werden nur gelegentlich in die Untersuchung einbezogen.<br />

PANEGYRICI LATINI<br />

Aus der gallischen Sammlung Panegyrici Latini werden lediglich die<br />

beiden Stücke herangezogen, die in den von uns untersuchten Zeitraum<br />

ab Mitte des 4. Jahrhunderts fallen, die gratiarum actio des Mamertinus<br />

an Iulian für das ihm verliehene Consulat aus dem Jahr 362 (Pan.Lat.<br />

3 [11]) 2 und der Panegyricus des Pacatus für Theodosius von 389<br />

(Pan.Lat. 2 [12]). Die Rede des Claudius Mamertinus stellt in hohem<br />

Maße eine Abrechnung mit der Herrschaft Constantius’ II. dar – umso<br />

leuchtender die Gestalt Iulians: Unter ihm sei die Freiheit wiederhergestellt<br />

worden. 3 Auch Latinus Pacatus Drepantius rechnet ab, und zwar<br />

mit dem 388 geschlagenen Usurpator Maximus. Durch den Gebrauch<br />

entsprechend ausgewählter Exempla verleiht Pacatus der Rede, in der ein<br />

von Theodosius verkörpertes Herrscherideal formuliert wird, geradezu<br />

„republikanisches Kolorit“. 4<br />

1 Für den Überblick in diesem Kapitel wurden v.a. die folgenden Werke herangezogen,<br />

ohne daß darauf in jedem Einzelfall hingewiesen wird: HLL 5 (1989); von<br />

Albrecht (1994); Fuhrmann (1994); Robert Browning, in: CHCL II (1982) 683–<br />

773.<br />

2 Näher dazu Peter L. Schmidt, in: HLL 5 (1989) § 528.e, S.172 und Barbara<br />

Saylor Rodgers, in: Nixon / Rodgers, Pan.Lat. (1994) 386–392. Zur Person des<br />

Autors s. auch Wirbelauer / Fleer (1995).<br />

3 S. dazu bes. Blockley (1972) mit Pan.Lat. 3 (11),30,4.<br />

4 Lippold (1968) 230, s. auch passim; vgl. Nixon / Rodgers, Pan.Lat. (1994) 24.


26 2. Die untersuchten Autoren<br />

Q. AURELIUS SYMMACHUS<br />

Von Q. Aurelius Symmachus (ca. 345–402), der als der beste Redner<br />

seiner Zeit galt, sind acht panegyrische Reden aus der Regierungszeit<br />

von Valentinian I. und Gratian überliefert. 5 Darüber hinaus hinterließ er<br />

ein stattliches Briefcorpus. Die Qualifizierung als „stattlich“ kann allerdings<br />

nur für den zahlenmäßigen Umfang gelten. Bei den meisten<br />

Schreiben handelt es sich um kurze Billetts, die der Aufrechterhaltung<br />

eines Geflechts von Beziehungen dienten. 6 Berühmt ist Symmachus vor<br />

allem wegen des Streits um den Victoriaaltar. Als Stadtpräfekt hatte er<br />

384 eine Eingabe an Kaiser Valentinian II. abgefaßt, die dritte Relatio, in<br />

der er sich für die Wiederaufstellung der Victoriastatue im Senatsgebäude<br />

und überhaupt für die Erhaltung der heidnischen Staatskulte einsetzte.<br />

7 Noch zwanzig Jahre später nahm Prudentius mit dem Gedicht<br />

Contra Symmachum Stellung zu diesem Streit, der sich in der Folge zwischen<br />

Symmachus und Ambrosius entwickelt hatte. Doch sollte die<br />

Rolle des Symmachus als Führer der heidnischen Zirkel in Rom nicht<br />

überschätzt werden. 8 So ist der Symmachus, den die Saturnalia des<br />

Macrobius vorführen, im nachhinein idealisiert. 9 Im Gebrauch von geschichtlichen<br />

Exempla hält sich Symmachus stark zurück. 10<br />

5<br />

S. dazu die ausführlich kommentierte Ausgabe mit Übersetzung von Pabst,<br />

Symm. or. (1989).<br />

6<br />

In der Anordnung ist die Sammlung von 9 Büchern samt einem Buch mit amtlichen<br />

Relationes dem Briefwerk des Plinius angeglichen. Vgl. Fuhrmann (1994)<br />

261–268, Hooper / Schwartz (1991) 176–185 und ausführlich Matthews (1974).<br />

7<br />

Dazu mit Literatur oben Kap. 1.<br />

8<br />

Eine heidnische Parteiung um Symmachus und andere scheint sich nur zeitweilig<br />

in Reaktion auf die Maßnahmen der Kaiser Gratian und Theodosius gebildet zu<br />

haben, ansonsten gingen die heidnischen Adeligen in Rom eher ihrer eigenen<br />

Wege im Verborgenen, vgl. Brown (1961/72) 181. Nach dem Streit von 384<br />

scheint sich auch Symmachus’ Verhältnis zu Ambrosius wieder normalisiert zu<br />

haben, dazu MacLynn (1994) 263–275, der ihre Beziehungen unter dem Motto<br />

“Amicitia” abhandelt. Auch die Vorstellung von einem aus Heiden bestehenden<br />

‚Symmachuskreis‘ mit kulturellen Interessen geht wohl an der Realität vorbei, s.<br />

Al. Cameron (1984) 46 u. (1977) 1–7.<br />

9<br />

In seinen Briefen zeige sich Symmachus vielmehr als “a man of very limited<br />

culture”, so Al. Cameron (1984) 46.<br />

10<br />

Der Satz von Klein, Symmachus (1986) 60: „Ständig führt er die alten Vorbilder<br />

Numa, Metellus, Scipio, Sulla und Caesar im Munde“, trifft auf keinen der hier<br />

untersuchten Autoren so wenig zu wie gerade auf Symmachus und ist in dieser<br />

Verallgemeinerung zurückzuweisen. Von ‚ständigen‘ Anspielungen auf Persön-


2. Die untersuchten Autoren 27<br />

CLAUDIUS CLAUDIANUS<br />

Im Gegensatz dazu weist Claudius Claudianus († 404) eine Fülle an exemplarischen<br />

Vergangenheitsbezügen auf. Schon deshalb wird dieser<br />

wichtigste Vertreter der lateinischen Panegyrik in nachconstantinischer<br />

Zeit ausführlich in dieser Arbeit berücksichtigt. Seine Panegyrici sind<br />

ausschließlich in Versen geschrieben, daneben hat er auch Invektiven,<br />

mehrere Epen sowie kleinere Gedichte mit ebenfalls panegyrischen Zügen<br />

verfaßt. Claudian, der wie Ammian aus dem griechischen Teil des<br />

Reiches, aus Alexandria, stammte, hatte in den Jahren 394 bis 403 am<br />

Hof des Honorius geradezu die Stellung eines Hofredners inne. 11 Über<br />

Claudians Zugehörigkeit zum Christentum wurde viel diskutiert. Festgehalten<br />

werden kann aber nur, daß es keinen Einfluß auf ihn als Dichter<br />

hatte, sieht man einmal von dem Gedicht De salvatore (Claud. carm.min.<br />

32) ab. Auf eine nominelle Zugehörigkeit zum Christentum deuten ansonsten<br />

nur äußere Faktoren wie die Unterstützung des Dichters durch<br />

die christlichen Anicier und die Zugehörigkeit zum Hof. 12<br />

AMMIANUS MARCELLINUS<br />

Besonders zahlreich sind die Exempla in den Res gestae des Ammianus<br />

Marcellinus (ca. 330 – ca. 395). Das ist in seiner Gattung bemerkenswert,<br />

13 denn die Geschichtsschreibung vor diesem letzten großen<br />

lichkeiten der frührömischen und der republikanischen Zeit kann, was den privaten<br />

Briefwechsel des Symmachus anbelangt, kaum, was die offiziellen Verlautbarungen,<br />

die Reden und Relationes, anbetrifft, auf gar keinen Fall die Rede sein.<br />

11 S. dazu v.a. Al. Cameron (1970), vgl. auch die kurze Einführung von dems.<br />

(1974). Zu den einzelnen Werken Claudians und zu den historischen Umständen,<br />

unter denen sie geschrieben wurden, s. bes. Döpp, Claudian (1980).<br />

12 Vgl. Browning, in: CHCL II (1982) 709. Aug. civ. 5,26 (CCL 47, Z.27f) u. Oros.<br />

hist. 7,35,21 sehen in Claudian einen Heiden. Zur Diskussion s. Martin (1995)<br />

210 u. von Albrecht (1994) 1067.<br />

13 Blockley (1975) 163 bezeichnet Ammian sogar als “ the only surv<br />

i v i n g historian who makes large-scale use of exempla” (Herv. Fy). Das nur<br />

fragmentarisch überlieferte Geschichtswerk des griechisch schreibenden<br />

Eunapios legt den Schluß nahe, daß Ammian hierin nur einem allgemeinen Trend<br />

in der Geschichtsschreibung des 4. Jh.s folgte (s. ebd. 163f). Neumann (1987) 60<br />

widerspricht dem zwar im Hinblick auf die römischen Historiker früherer Epochen<br />

(namentlich auf Tacitus), kommt für Ammianus Marcellinus aber ebenfalls<br />

zu dem Ergebnis, daß der historische Vergleich bei ihm „bis zu einer an Manier


28 2. Die untersuchten Autoren<br />

lateinischen Historiker der Antike hatte in bezug auf Exempla lediglich<br />

eine dienende Rolle eingenommen. Ammian stellt sich wie Livius Geschichte<br />

als Exemplasammlung vor, geht aber den entscheidenden<br />

Schritt weiter, diese Geschichte selbst an früher gegebenen Exempla zu<br />

messen. 14 Griechischer Herkunft, wurde er um 330 in Antiochia geboren.<br />

Am Perserfeldzug des Kaisers Iulian hat er selbst teilgenommen. Die<br />

Begegnung mit dem Kaiser, der eine zentrale Rolle in seinem Werk einnimmt,<br />

löste ein wahres „Julianerlebnis“ 15 in ihm aus. Der miles<br />

quondam et Graecus (Amm. 31,16,9) lebte von ca. 380 bis zu seinem<br />

Tod, vermutlich im Jahr 395, in Rom und hat im letzten Jahrzehnt seines<br />

Lebens an den Res gestae gearbeitet. Erhalten sind nur die zeitgeschichtlichen<br />

Partien seines Geschichtswerks. Ammian hat mit seinen Res<br />

gestae jedoch an Tacitus angeknüpft und seine römische Geschichte mit<br />

dem Jahr 96 begonnen. 16 Erhalten sind die Bücher 14 bis 31, einsetzend<br />

mit dem Jahr 353.<br />

BREVIARIEN: EUTROPIUS, FESTUS, AURELIUS VICTOR / DE VIRIS ILLUSTRIBUS<br />

Die im 4. Jahrhundert überhaupt erst entstandene Breviarienliteratur hat<br />

sich vermutlich in erster Linie an die zahlreichen Funktionäre gerichtet,<br />

die seit constantinischer Zeit im Dienst des Kaisers aufgestiegen waren.<br />

Als Zielgruppe solcher Geschichtsabrisse darf man sich nicht Ignoranten,<br />

wohl aber Provinzbewohner vorstellen, die Nachhilfe in Sachen römischer<br />

Tradition benötigten. 17 Die Breviarien von Eutrop und Festus wurden<br />

(in dieser Reihenfolge) um 370 für Kaiser Valens angefertigt. 18<br />

grenzenden Weise ausgebildet“ ist (ebd. 61). Zu den Exempla bei Ammian vgl.<br />

auch Rosen, Ammianus (1982) 120ff.<br />

14 Vgl. Tränkle (1962) 24 mit Liv. praef. u. Amm. 30,8,9.<br />

15 So Demandt (1965) 133, ähnlich Blockley (1975) 167. Daß Ammian darob aber<br />

nicht seine Unabhängigkeit verlor, legt Momigliano (1974/98) 379–383 überzeugend<br />

dar.<br />

16 Zu Ammians Tacitusfortsetzung, die sich weitgehend auf sprachliche Mittel beschränkt,<br />

s. Bringmann (1973) 45 u. 54. Durch Einsetzen im Jahr 96 schließt<br />

Ammian zugleich auch an Sueton an, zu dem sich, was den stark biographischen<br />

Charakter der Res gestae betrifft, ebenfalls Berührungspunkte ergeben; hierauf<br />

machen Matthews (1983) 38 und von Albrecht (1994) 1131f aufmerksam.<br />

17 Dazu Browning, in: CHCL II (1982) 736. Brown (1989) 30 hat das Breviarium<br />

demgemäß als “most egregious product” der von dieser neuen Dienstaristokratie


2. Die untersuchten Autoren 29<br />

Eutropius behandelt die Zeit von der Stadtgründung Roms bis zum<br />

Tod Iovians 364 n.Chr. in zehn sehr kurzen Büchern. Dabei tritt „ein Interesse<br />

an funktionalisierbarem Geschichtswissen in den Vordergrund“. 19<br />

Rufius Festus verkürzte die Geschichte noch weiter und stellte die Eroberungen<br />

Roms nach Provinzen dar. Das Werk dürfte im Hinblick auf<br />

einen von Valens beabsichtigten Perserfeldzug verfaßt worden sein. 20 De<br />

viris illustribus ist in dem Ende des 4. Jahrhunderts zusammengestellten<br />

Corpus des Sextus Aurelius Victor enthalten, stammt aber nicht von diesem,<br />

sondern von einem unbekannten Verfasser und läßt sich bündig als<br />

„Exemplabiographie“ beschreiben, 21 die 86 Personen aus Königszeit und<br />

Republik kurz abhandelt. Zwei Fassungen des Werkes, das möglicherweise<br />

noch in der ersten Jahrhunderthälfte abgefaßt wurde, wurden<br />

wahrscheinlich um 370 miteinander verschmolzen. 22<br />

Alle drei Werke lenken den Blick wenigstens zum Teil noch einmal<br />

unmittelbar auf die römische Republik und nicht nur vermittelt über Exempla.<br />

Doch sind Exempla auch in den Breviarien „nichts Auffallendes“.<br />

23 Das von Aurelius Victor selbst verfaßte Breviarium über die<br />

Caesares von Augustus bis Iulian kann die Republik aufgrund des zeitlichen<br />

Rahmens nur in Form von Exempla berücksichtigen, was gelegentlich<br />

auch geschieht.<br />

HISTORIA AUGUSTA<br />

Die Historia Augusta wird hier nur als eine ergänzende Quelle, die Exempla<br />

enthält, Berücksichtigung finden, ohne daß der vom eigentlichen<br />

Thema ablenkenden Datierungsfrage allzuviel Beachtung geschenkt<br />

wird. Die Verfassernamen der einzelnen Kaiserbiographien sind fingiert,<br />

statt dessen ist die Sammlung das Werk eines einzigen anonymen Au-<br />

18<br />

getragenen und ganz am Leitbild der klassischen Kultur orientierten “‘successculture’”<br />

eingestuft.<br />

Vgl. Fuhrmann (1994) 113f.<br />

19<br />

Peter L. Schmidt, in: HLL 5 (1989) § 538, hier S.204.<br />

20<br />

Vgl. Schmidt, in: HLL 5 (1989) § 539.1, S.207–210.<br />

21<br />

Bendz (1939) 60, vgl. Fugmann (1990) 39.<br />

22<br />

S. Schmidt, in: HLL 5 (1989) § 532.3, S.187–190.<br />

23<br />

Schlumberger (1974) 159. Dabei überwiegen wie auch sonst Exempla aus der<br />

römischen Frühzeit und Republik (ebd.).


30 2. Die untersuchten Autoren<br />

tors. Auch sonst enthalten die Biographien vieles frei Erfundene. Wichtiger<br />

als die historische Wahrheit scheint dem Verfasser und seinem<br />

Publikum der Unterhaltungswert der von einem heidnisch-senatorischen<br />

Standpunkt aus geschriebenen, mit zahlreichen Anekdoten durchsetzten<br />

Viten zu sein. Mehrheitlich wird die Historia Augusta auf die Zeit nach<br />

360 datiert, 24 wobei viel für ein Abfassungsdatum um 400 25 spricht, nicht<br />

zuletzt wegen der in hohem Maße wahrscheinlichen Verwendung von<br />

Aurelius Victor und Eutrop. 26 Auch eine gewisse Nähe zu Claudian, die<br />

sich in der Ablehnung Constantinopels zeige, wurde beobachtet. Daß der<br />

Autor andererseits unbefangen über Ravenna schreibt und die Stadt noch<br />

nicht als Kaiserresidenz kennt, spricht für eine Abfassung zwischen 394<br />

und 404. 27<br />

MACROBIUS<br />

Ein Datierungsproblem ergibt sich auch für die Saturnalia des<br />

Macrobius. Die Rahmenhandlung des Dialogs spielt an den Saturnalien<br />

des Jahres 383. 28 Verfaßt wurde das Werk, je nachdem, mit welchem<br />

Träger des Namen Macrobius der Verfasser zu identifizieren ist, in der<br />

ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Alan Camerons Spätdatierung der<br />

Saturnalien auf kurz nach 431 wird weitgehend anerkannt. 29 Unabhängig<br />

24<br />

So z.B. Albrecht (1994) 1102f, Dihle (1989) 485–489 u. Browning, in: CHCL II<br />

(1982) 725 u. 918f, die sich nicht genauer festlegen möchten. Vgl. auch Johne<br />

(1976) 44 mit einem ausführlichen Überblick zur Forschungsdiskussion ebd. 11–<br />

46.<br />

25<br />

So Fuhrmann (1994) 116, Martin (1995) 116 („Vielleicht um 395“), Flach (1998)<br />

278 sowie Hofmann (1997) 416.<br />

26<br />

S. Klaus Peter Johne, s.v. Historia Augusta, in: DNP 5 (1998) Sp.637–640, hier:<br />

637, u. ders. (1976) 17. Anhänger einer Frühdatierung in diocletianisch-constantinische<br />

Zeit kommen deshalb auch kaum umhin, eine spätere Überarbeitung der<br />

H.A. einzuräumen, z.B. Momigliano (1954/98) 347f mit 325 u. Adolf Lippold,<br />

s.v. Historia Augusta, in: RLAC 15 (1991) Sp.687–723, hier: 718, 722, sowie<br />

ders. (1998) XI.<br />

27<br />

S. Johne (1976) 176f. Inzwischen ist Johne (1984) 634 aber, wie überhaupt Teile<br />

der Forschung (dazu Martin [1995] 210), auch einer späteren Datierung gegenüber<br />

aufgeschlossen, vgl. z.B. Flach (1998) mit ( 1 1985) 278.<br />

28<br />

Nicht 384 – hierin überzeugend Döpp (1978) 629.<br />

29<br />

Al. Cameron (1966) 36f u. passim, s. auch Dihle (1989) 453f; Browning, in:<br />

CHCL II (1982) 762ff, Demandt (1989) 22. Anders Döpp (1978) 628–631, der


2. Die untersuchten Autoren 31<br />

davon dient das Symposion aber auf jeden Fall der Idealisierung führender<br />

römischer Aristokraten in den 380er Jahren – vor allem Symmachus,<br />

Praetextatus und Nicomachus Flavianus. In dem umfangreichen Werk ist<br />

viel antiquarisches Material verarbeitet worden, das auch Rückschlüsse<br />

auf das Bild des Autors von der römischen Republik zuläßt.<br />

Die christliche Literatur:<br />

AMBROSIUS<br />

Ambrosius (ca. 339–397) war der erste lateinische Kirchenvater aus einem<br />

christlichen Elternhaus. Nachdem er eine weltliche Laufbahn eingeschlagen<br />

hatte, wurde er 374 überraschend zum Bischof von Mailand<br />

gewählt. Als Symmachus mit der dritten Relatio um die Wiederaufstellung<br />

des Victoriaaltars bat, griff Ambrosius frühzeitig in die Angelegenheit<br />

ein und beugte so einem Nachgeben des jungen Valentinian II. und<br />

seiner Ratgeber vor, das nach dem Tod Gratians durchaus im Bereich<br />

des Möglichen schien. 30 Ambrosius bezieht sich insgesamt nur selten auf<br />

die Geschichte der römischen Republik. Am Exemplum als wesentlichem<br />

Element der Argumentation hält er jedoch fest. So legte er mit De<br />

officiis ministrorum eine durchgehend christianisierte Neufassung von<br />

Ciceros De officiis für Kleriker vor, in der griechisch-römische Exempla<br />

fast vollständig durch solche aus der Bibel ersetzt sind. 31 Im ganzen geht<br />

Ambrosius freilich sehr viel unbefangener mit dem Erbe der klassischen<br />

Literatur um als etwa Hieronymus, der glaubte, sich permanent dafür<br />

entschuldigen zu müssen. 32 Als Prediger spielte Ambrosius eine wichtige<br />

Rolle für die Konversion Augustins.<br />

wieder für eine frühe Datierung (nach 402, vor 410) plädiert; einen Überblick zu<br />

den unterschiedlichen Datierungsansätzen gibt Martin (1995) 210.<br />

30<br />

Vgl. dazu Rebenich (1991) 54–57.<br />

31<br />

Näher dazu Davidson (1995), Krön (1997) 212–222, bes. 219–222, u. Becker<br />

(1994) 19–23.<br />

32<br />

Vgl. Christoph Markschies, s.v. Ambrosius von Mailand, in: LACL (1999) 13–<br />

22, hier: 14 u. Zelzer (1993) 156f. Hieronymus verstelle mit seiner Traumvision<br />

(dazu unten) den Blick hierauf. Auch Ambrosius könne mit Fug und Recht als<br />

Bewunderer der klassischen Schriftsteller gelten, nur lasse er, anders als Hieronymus,<br />

„nach guter alter Tradition diese Autoren nur indirekt anklingen“ (Zelzer,<br />

157 mit 150ff). Ebenso wie Symmachus ahmte Ambrosius in der Anordnung sei-


32 2. Die untersuchten Autoren<br />

PRUDENTIUS<br />

Aurelius Prudentius Clemens (* 348) ist für die Untersuchung besonders<br />

wegen seines Gedichts Contra Symmachum von Interesse, mit dem er<br />

402 noch einmal in zwei Büchern auf den Streit um den Victoriaaltar<br />

eingegangen ist, vermutlich aus Anlaß des Sieges über die Goten bei<br />

Pollentia. 33 Dabei hat Prudentius Ansätze, die schon in den unmittelbaren<br />

Reaktionen des Ambrosius erkennbar sind, zu einem „Modell, in<br />

dem vergilische Teleologie und die ‚Reichstheologie‘ eines Eusebios<br />

und Origines zusammenwirken“, zugespitzt. 34 Entsprechend positiv fallen<br />

die Bezugnahmen auf die römische Geschichte bei ihm aus.<br />

AUGUSTINUS<br />

Aurelius Augustinus (354–430) hat sich in seinem apologetischen und<br />

geschichtstheologischen Hauptwerk De civitate Dei (entstanden 413–<br />

426) ausführlich mit der Geschichte des republikanischen Rom<br />

auseinandergesetzt. Dem Umgang Augustins mit den exempla maiorum<br />

ist unten ein eigenes Kapitel (3.4) gewidmet. 35 Mehrfach auf die<br />

Republik kam der Bischof von Hippo auch noch einmal in der Kontroverse<br />

mit Iulian von Aeclanum zurück. Dieser hatte ihn offenbar wiederholt<br />

mit heidnischen Exempla konfrontiert. Nicht berücksichtigt werden<br />

in dieser Arbeit Augustins frühe Schriften De grammatica und De<br />

rhetorica, da die Echtheit der erhaltenen Auszüge fraglich ist. 36<br />

ner Briefsammlung Plinius d.J. nach – dies der Hintergrund für die neue Zählung<br />

des ambrosianischen Briefcorpus im CSEL –, dazu Zelzer (1987).<br />

33 S. Döpp, Prudentius (1980) u. unten 4.1.2. Die wenigen bekannten Daten zu Prudentius’<br />

Herkunft und Laufbahn stellt Palmer (1989) 20–31 zusammen.<br />

34 Döpp (1988) 47, vgl. auch Fuhrmann (1994) 80. Ausführlicher unten in Kap. 3.4.<br />

35 Dort wird auch die für unsere Fragestellung relevante Literatur eingegangen. Als<br />

hilfreich für den biographischen Hintergrund erweisen sich v.a. van der Meer<br />

(1958) und Brown (1975) – angesichts der unübersehbaren Fülle an Titeln ein<br />

notgedrungen subjektives Urteil.<br />

36 S. von Albrecht (1994) 1321 bzw. Fuhrmann (1997) 189; vgl. auch Aug. retract.<br />

1,6: De grammatica ist i.J. 427 gar nicht mehr in seiner Bibliothek vorhanden,<br />

das Buch De rhetorica war in der Mailänder Zeit über Anfänge nicht hinausgekommen.


2. Die untersuchten Autoren 33<br />

OROSIUS<br />

Von Orosius, der sowohl mit Augustinus als auch Hieronymus in Verbindung<br />

stand und in den Pelagianismusstreit wie in den Streit mit den<br />

Priscillianisten eingriff, 37 wird in dieser Arbeit nur seine Weltgeschichte<br />

in sieben Büchern berücksichtigt. Orosius verfaßte dieses Werk 417/18<br />

auf Anregung Augustins. In seiner Geschichtskonzeption, die einen Fortschritt<br />

in der Weltgeschichte auf die christliche Zeit im Schutze des Imperium<br />

Romanums hin erkennt, weicht Orosius indes grundlegend von<br />

den Vorstellungen seines „Lehrers“ ab. 38 Die römische Republik fällt<br />

allerdings noch stark unter das Verdikt, das bei Orosius alle Reiche und<br />

Epochen vor Christi Geburt betrifft.<br />

HIERONYMUS<br />

Sophronius Eusebius Hieronymus (345 – ca. 420) ist „der Philologe unter<br />

den lateinischen Kirchenvätern“. 39 In Rom war sein Lehrer der berühmte<br />

Grammatiker Donatus. Hieronymus faßte den Entschluß zur Askese<br />

und lebte in den 370er Jahren zeitweilig als Einsiedler in der syrischen<br />

Wüste. Die Jahre 382 bis 385 verbrachte er in Rom, wo er als Sekretär<br />

des Papstes Damasus mit der Neuübersetzung der Bibel ins Lateinische<br />

begann. In dieser Zeit baute er auch einen Kreis christlicher Aristokratinnen<br />

auf, die er für das Askeseideal gewinnen konnte. Nachdem<br />

Paulas Tochter Blesilla übertriebenem Fasten zum Opfer gefallen war,<br />

schlug die allgemeine Stimmung in Rom kurz darauf, nach dem Tod des<br />

Damasus, gegen ihn um. Hieronymus verließ Rom und zog sich nach<br />

Bethlehem zurück, wo er, Paula und ihre Tochter Eustochium mehrere<br />

Klöster gründeten.<br />

Den Konflikt zwischen dem asketischen Ideal und der Anziehungskraft,<br />

die die klassische Literatur auf ihn ausübte, empfand er zeit seines<br />

Lebens. 40 Am deutlichsten tritt dieser Gewissenskonflikt in dem be-<br />

37<br />

Vgl. dazu Diesner (1963) 89ff.<br />

38<br />

Dazu unten 3.4.<br />

39<br />

Fuhrmann (1994) 191.<br />

40<br />

Vgl. Hagendahl (1983) 91: „Man muss sich die gewaltige Spannung vergegenwärtigen,<br />

die der Kulturkampf zwischen Christentum und Antike bei gebildeten<br />

Christen erzeugte. Hieronymus erlebte sie stärker als Andere. Er war zugleich ein


34 2. Die untersuchten Autoren<br />

rühmten Traum zutage, in dem Hieronymus sich vor dem Gericht Gottes<br />

als Christ bezeichnet, jedoch die Antwort erhält: ‘mentiris’, ait,<br />

‘Ciceronianus es, non Christianus [...]’ (Hier. epist. 22,30,4). 41 Hieronymus<br />

verwendet häufig Exempla, gerade auch in seiner Korrespondenz<br />

mit den christlichen feminae clarissimae.<br />

christlicher Asket und ein antiker Humanist. Er kam niemals über den Konflikt<br />

hinweg, er erreichte niemals einen haltbaren Ausgleich. Das war sein Dilemma.“<br />

41 Hagendahl (1958) 319 u. (1983) 89f vertritt die Auffassung, daß Hieronymus sich<br />

nach dem berühmten Traumgesicht etwa eineinhalb Jahrzehnte bis 386 jeglicher<br />

Cicero- und Vergillektüre enthalten habe; ebenso Kelly (1975) 42ff. Eine Neudatierung<br />

des Traums auf ungefähr das Jahr 370, d.h. die Zeit vor der Abreise in<br />

den Osten, nimmt Rebenich, Kreis (1992) 41 vor.


3. Exempla und Geschichte<br />

3.1 Die exempla maiorum und die römische Auffassung von<br />

Geschichte<br />

In seinem ersten Panegyricus auf Valentinian I. unterstreicht Symmachus<br />

die Wohlüberlegtheit der Entscheidung, die zur Wahl des Kaisers geführt<br />

habe, mit Hilfe von historischen Exempla. Dem Wahlvorgang von 364<br />

stellt er das Pferdewiehern gegenüber, das der Darstellung bei Herodot<br />

zufolge den Ausschlag zur Wahl Dareios’ I. gegeben haben soll. Vor<br />

allem aber betont der Redner selbstbewußt die Würde der comitia in seiner<br />

eigenen Zeit. Anders als die Wahlversammlungen in der Republik<br />

hätten diese unbeeinflußt von Bestechungen entschieden. 1 Die Anwendung<br />

der beiden Exempla in einer Angelegenheit des öffentlich staatlichen<br />

Rechts zeigt, daß Rückblenden in die republikanische Zeit selbst<br />

dann nicht dezent umgangen werden, wenn von der Wahl eines Kaisers<br />

die Rede ist. 2 Für Symmachus stellen das konkrete Beispiel aus Persien<br />

und der allgemein gehaltene Hinweis auf die Verhältnisse in der römischen<br />

Republik abzulehnende Präzedenzfälle dar.<br />

Damit ist eine ganz wesentliche Bedeutungsschattierung von<br />

exemplum angedeutet. „Präzedenzfall“ heißt für römische Verhältnisse:<br />

Nur ein exemplum – eine Handlung oder eine allgemeine Verhaltensweise<br />

–, das in Einklang mit dem mos maiorum steht, ist statthaft und<br />

kann gebilligt werden. 3 Das gilt in Rom in nahezu allen Lebensbereichen,<br />

im engeren Bereich des staatlichen Rechts wie auf dem Feld der<br />

öffentlichen Moral. Deshalb sind Exempla ihrem Grundgedanken nach<br />

mehr als bloße „Beispiele“. Sie „veranschaulichen“ nicht nur wie das<br />

1 Symm. or. 1,9; ähnlich or. 4,7. Hdt. 3,84–87 schildert die Wahl des Dareios im<br />

Anschluß an die berühmte Verfassungsdebatte; vgl. auch Val.Max. 7,3, ext.2.<br />

2 Das bereitet allenfalls aus einer modernen Sicht Probleme. Auch der spätantike<br />

Staat hat sich als res publica verstanden, unabhängig von den faktischen Gegebenheiten<br />

einer Monarchie. Überdies darf „Monarchie“ in Rom nicht als Gegensatz<br />

zu einer mit „Demokratie“ gleichgesetzten „Republik“ verstanden werden, s.<br />

dazu die klärenden Bemerkungen von Pabst, Symm. or. (1989) 171 m. 190–198.<br />

3 Vgl. Adolf Lumpe, s.v. Exemplum, in: RLAC 6 (1966) Sp.1229–1257, hier:<br />

1235. Zum Folgenden s. v.a. Kornhardt (1936) passim, vgl. u.a. auch Marrou<br />

(1977) 428–440 u. Rieger (1991) 23–39.


36 3. Exempla und Geschichte<br />

griechische UFWFIJNLRF („Schaustück“) eine Theorie, sondern besitzen<br />

einen „‚handgreiflichen‘ Charakter“, 4 mithin auctoritas. Als Erfahrungen<br />

oder Taten eines einzelnen sind exempla für den Römer bereits Beweis<br />

genug, während beim griechischen UFWFIJNLRF die Funktion als Mittel<br />

des Vergleichs im Vordergrund steht 5 und erst die dahinter stehende,<br />

mitgedachte „Gesamtpersönlichkeit, bzw. die innerlich geschaute Idealgestalt<br />

beispielhaft wirkt“. 6 Exempla können daher relativ unvermittelt in<br />

den Argumentationsgang einfließen, ohne daß sie sonderlich eng mit<br />

diesem verknüpft werden müßten. Sie übernehmen bei keinem Autor die<br />

Funktion eines Leitmotivs.<br />

Im Rahmen der Erziehung dient das Exemplum ganz allgemein als<br />

Vorbild oder Warnung. Jeder Römer steht so in doppelter Hinsicht unter<br />

dem Eindruck von Exempla, denen der Vorfahren, aber auch denen, die<br />

er selbst der Nachwelt geben wird. Exempla sind Bestandteil des<br />

„kollektiven Gedächtnisses“. 7 Im engeren Bereich der Familie werden<br />

sie vom Vater an den Sohn weitergegeben, auf einer erweiterten Ebene<br />

durch die Geschichtsschreibung. Die Historiographie ist, neben dem<br />

Epos, der literarische Ort, an dem Exempla erstmals schriftlich aufgezeichnet<br />

und damit für die Nachwelt verfügbar gemacht werden. Sie versieht<br />

im Hinblick auf die Vergangenheit für die „Gruppensolidarität“ der<br />

römischen Gesellschaft die gleiche Aufgabe wie die Censur in der<br />

4 Kornhardt (1936) 87. Es handelt sich dabei um eine Eigenschaft, die über die<br />

Antike hinaus Bestand hat; vgl. aus mediävistischer Sicht von Moos (1988) 39<br />

(Die Neuausgabe 2 1996 war mir leider nicht zugänglich): „Das Exemplum ist<br />

sowohl exemplarisches Ereignis als auch dessen Erzählung“.<br />

5 Deutlich herausgearbeitet von Stemmler (2000) 153. Demgegenüber werden die<br />

Unterschiede zwischen ����������� und exemplum oft zu stark nivelliert, z.B.<br />

Alewell (1913), bes. 89 u. 24–35; Price (1982), hier 174, 215, 327 [Index]);<br />

Demoen (1996) 35–56, bes. 46 (zu Val.Max.).<br />

6 Kornhardt (1936) 88.<br />

7 Zum Konzept des „‚kollektiven‘ oder ‚sozialen Gedächtnisses‘“, das auf Arbeiten<br />

von Maurice Halbwachs (v.a. ders. [1966] 121 u. passim sowie [1985]) und Aby<br />

Warburg zurückgeht, s. die knappe Einführung von Assmann (1988) 9 u. passim.<br />

Hölkeskamp (1996) hat einen ersten „Versuch, die Kategorien des ‚kollektiven<br />

Gedächtnisses‘“ (ebd. 301) für eine Analyse des Umgangs mit den exempla<br />

maiorum zur Zeit der römischen Republik selbst fruchtbar zu machen, unternommen,<br />

der sich in manchem mit den folgenden Beobachtungen deckt.


3. Exempla und Geschichte 37<br />

jeweiligen Gegenwart, wenn sie noch einmal, diesmal aus dem Blickwinkel<br />

der Nachlebenden, „Ehre und Ächtung“ 8 verteilt.<br />

Die Anfänge einer eigenen römischen Geschichtsauffassung liegen<br />

vor allem in der Zeit nach dem Sieg über Karthago, als fremde Einflüsse<br />

und ein bislang unbekannter materieller Reichtum erstmals massiv auf<br />

das gerade erst von einer regionalen italischen Vormacht zur Weltmacht<br />

aufgestiegene Rom einströmten. 9 Die bislang nur bescheidenen bäuerlichen<br />

Lebensformen waren mit einem Mal radikal in Frage gestellt. So<br />

stellt sich auch die Entstehung einer römischen Geschichtsschreibung<br />

lateinischer Zunge als Versuch dar, Distanz gegenüber den fremden<br />

Kultureinflüssen durch „Aufrüstung der ‚limitischen Struktur‘“ 10 , nämlich<br />

der der eigenen, römischen Kultur, zu gewinnen und die entstandenen<br />

Modernisierungsverluste zu verarbeiten. 11 Die römische Historiographie<br />

ist von ihren Ursprüngen her moralisierend im wahrsten Sinne<br />

des Wortes, indem sie sich permanent auf den mos maiorum beruft.<br />

Römische Größe und das vorbildhaft Positive sind nur das eine große<br />

Thema der monographischen Beschäftigung mit Geschichte in Rom. Das<br />

ihr zugrunde liegende Geschichtsdenken eines Cato wie die jahrhundertelange<br />

Fortsetzung solchen Denkens über Cicero bis hin zu den Historikern<br />

der Kaiserzeit reflektiert ständig eine Gefährdung jener Werte, die<br />

zum Aufstieg des Imperiums geführt haben. Das verstärkt sich zu einem<br />

eminent pessimistischen Zug der römischen Geschichtsauffassung, die in<br />

dem Ergebnis der errungenen Vormachtstellung Roms schon die Wurzeln<br />

für den Niedergang wähnt. 12<br />

8 Pöschl (1956/91) 187; zur Überschneidung der Aufgaben von Historiker und<br />

Censor auch schon Pöschl (1954/83) 213 u. Bracher (1948/87) 45.<br />

9 Zum folgenden Abschnitt Pöschl (1956/91), bes. 177–180 sowie Bracher<br />

(1948/87) 44–55.<br />

10 Assmann (1992) 154; der Begriff ist von dem Ethnologen Wilhelm E. Mühlmann<br />

entlehnt.<br />

11 Schon M. Porcius Cato als erster lateinisch schreibender Historiker überhaupt<br />

begann damit, griechische Geschichte „als Kontrastmodell“ (von Albrecht [1994]<br />

296) zu derjenigen Roms zu benutzen. Ein Bedürfnis nach Anpassung wie noch<br />

für Q. Fabius Pictor bestand für ihn nicht mehr, das zeigt die Abkehr von einer<br />

Darstellung in griechischer Sprache.<br />

12 Am deutlichsten bei Sall. Catil. 2,4f: Nam imperium facile est eis artibus<br />

retinetur quibus initio partum est. Verum ubi pro labore desidia, pro continentia<br />

et aequitate lubido atque superbia invasere, fortuna simul cum moribus


38 3. Exempla und Geschichte<br />

Die soeben skizzierte moralisierende Auffassung der Römer von ihrer<br />

Geschichte ist jedoch nicht allein auf den Bereich der Historiographie<br />

beschränkt. Dem Redner beispielsweise bietet die Vergangenheit, die die<br />

Historiker schriftlich fixiert haben, eine Fülle von alten Exempla, auf die<br />

er für seine Zwecke und unabhängig von deren eigentlichem zeitlichen<br />

Kontext bequem zurückgreifen kann. Selbst ein Historiker wie Livius<br />

vergleicht in seiner Praefatio die Geschichte als solche mit einem „Monument“,<br />

das aus einzelnen Exempla besteht, derer man sich bedienen<br />

könne, um Lehren aus ihnen zu ziehen. 13 Insofern hat schon er selbst sich<br />

als Zulieferer (der er tatsächlich war) für mehr oder weniger anekdotenhafte<br />

Begebenheiten gesehen. Zur weiteren Vereinfachung des Gebrauchs<br />

von Exempla lagen Exzerpte aus einer umfangreicher werdenden<br />

Geschichtsschreibung nahe. Spätestens zur Zeit Ciceros haben solche<br />

Exemplasammlungen für rhetorische Zwecke tatsächlich zur Verfügung<br />

gestanden. 14 Von Augustus heißt es, er habe Exempla exzerpiert<br />

und mit diesen in seiner Korrespondenz argumentiert. 15<br />

Die wohl bekannteste und meistbenutzte Sammlung von Exempla<br />

wurde das Handbuch des Valerius Maximus Facta et dicta memorabilia<br />

aus dem 1. Jahrhundert n.Chr., das dem offensichtlichen Bedürfnis nach<br />

einer auf die anschauliche Anekdote reduzierten Geschichtsüberlieferung<br />

nachkam. Auch dieses Kompendium fiel mit ursprünglich zehn Büchern<br />

immer noch so umfangreich aus, daß in der Spätantike auf seiner<br />

Grundlage weitere Epitomen von Iulius Paris und Ianuarius Nepotianus<br />

angefertigt wurden. 16<br />

immutatur. Zusammenfassend zum „Rom-Pessimismus“ der römischen Geschichtsschreibung<br />

seit Cato Fuhrmann (1987) 137ff (der Begriff: 139).<br />

13<br />

Liv. praef. 10: Hoc illud est praecipue in cognitione rerum salubre ac frugiferum,<br />

omnis te exempli documenta in inlustri posita monumento intueri; inde tibi<br />

tuaeque rei publicae, quod imitere, capias, inde foedum inceptu, foedum exitu,<br />

quod vites.<br />

14<br />

Cicero stützte sich auf eine Art Exemplasammlung, die ihm Atticus zur Verfügung<br />

gestellt hatte, s. Cic. orat. 34,120.<br />

15<br />

Suet. Aug. 89,2.<br />

16<br />

Die Sammlung des Valerius Maximus erfreute sich bis in die Neuzeit großer Beliebtheit<br />

und trug entscheidend zum Antikebild des Mittelalters bei (mehr Handschriften<br />

eines lateinischen Prosatextes sind nur noch von der Bibel überliefert, s.<br />

Bloomer [1992] 2). Zur Rezeption im Mittelalter vgl. von Moos (1988) 124f,<br />

378f Anm.748, 416 u.ö., s. auch von Albrecht (1994) 857f. Zu Iulius Paris und


3. Exempla und Geschichte 39<br />

Valerius Maximus, der seine dem Kaiser Tiberius gewidmete Sammlung<br />

Anfang der dreißiger Jahre des 1. Jahrhunderts veröffentlichte,<br />

schrieb in einer Phase der römischen Literaturgeschichte, die der Historiographie<br />

keine große Aufmerksamkeit entgegenbrachte. An einer Geschichte<br />

über die jüngste, die frühe Kaiserzeit bestand noch kein Interesse<br />

– und durfte wohl auch nicht bestehen, zumal unter einem so mißtrauischen<br />

Herrscher wie Tiberius. 17 Stattdessen machte sich die Generation<br />

zwischen Livius und Lucan lieber an eine “rhetoricization of<br />

history”, 18 die vorliegenden Geschichtswerke über die republikanische<br />

Zeit wurden nun für rhetorische Zwecke aufbereitet. Völlig neu an<br />

Valerius – auch gegenüber den eigenen Zeitgenossen – ist, “that history<br />

is no longer a tool of Roman republican family, factional politics”, die<br />

glaubt, für oder gegen eine Bürgerkriegspartei der späten Republik Partei<br />

ergreifen zu müssen. 19 Ob sich diese Sicht des neutralen Beobachters<br />

fortsetzt, wird ein Gesichtspunkt bei der Untersuchung der Exempla aus<br />

der Zeit der Bürgerkriege sein, die unsere spätantiken Autoren anführen.<br />

Den Zweck einer Sammlung von „Taten und Worten“ verschleiert<br />

Valerius Maximus in keiner Weise. Er versucht nicht, sich als Historiker<br />

darzustellen. Persönlich sieht er seine Leistung allein darin, einen in der<br />

Überlieferung weitverstreuten Stoff gesammelt und leichter zugänglich<br />

gemacht zu haben. So spricht er auch nicht von Lesern, sondern von Benutzern<br />

(documenta sumere volentibus), denen „die Mühe langen Suchens“<br />

erspart bleiben soll (Val.Max. 1 praef.). 20 Allerdings hoffte Valerius<br />

Maximus neben diesem in der Praefatio angesprochenen Zielpublikum<br />

wohl auch auf Leser, die Unterhaltung bei der Lektüre seines<br />

Surrogats aus der Geschichte suchen würden. Er begnügt sich nicht mit<br />

einer tabellarischen Präsentation von Exempla, sondern schaltet sich<br />

oftmals selbst kommentierend ein. Das schränkte die Benutzbarkeit seines<br />

Handbuchs als Nachschlagewerk spürbar ein und ist neben der<br />

Ianuarius Nepotianus (beide wohl 4. Jh.) s. Peter L. Schmidt, in: HLL 5 (1989)<br />

§ 534.1 u. 2, S.193ff.<br />

17<br />

Ersichtlich u.a. am Geschick des Cremutius Cordus, s. Flach (1998) 165f. Ebd.<br />

158–169 allgemein zur Krise der Geschichtsschreibung im frühen Principat.<br />

18<br />

Bloomer (1987) 6; dazu und zum Folgenden auch ebd. 3–7.<br />

19<br />

Bloomer (1987) 7.<br />

20<br />

ut documenta sumere volentibus longae inquisitionis labor absit. Vgl. auch<br />

Val.Max. 1,8,7; dazu mit Zitat unten in Kap. 3.5.


40 3. Exempla und Geschichte<br />

offensichtlich als zu groß empfundenen Stoffülle ein Grund für die Anfertigung<br />

der Epitome des Ianuarius Nepotianus gewesen. Diese war von<br />

vornherein auf Übersichtlichkeit angelegt und besaß Inhaltsverzeichnis<br />

und Kapitelüberschriften. 21<br />

Die Überschriften bei Valerius Maximus hingegen, die sich in allen<br />

namhaften Ausgaben finden, stammen wohl erst von späteren Bearbeitern.<br />

22 Trotz dieses Vorbehalts werden auch die Kapitelüberschriften in<br />

dieser Untersuchung berücksichtigt. Zum einen geben sie, von vereinzelten<br />

Fehldeutungen der Intention des Valerius Maximus abgesehen, die<br />

Anordnung des Stoffes durch ihren Autor recht anschaulich wieder, 23<br />

zum anderen dürften solche Kapitelüberschriften den im folgenden untersuchten<br />

Autoren aus spätantiker Zeit bereits vorgelegen haben. Für<br />

unsere Zwecke kommt es nicht darauf an, ob einem Ammianus<br />

Marcellinus noch der authentische Valeriustext vorgelegen hat oder bereits<br />

eine bearbeitete Fassung. Entscheidend ist vielmehr, ob die ausgewählten<br />

spätantiken Autoren dieses bzw. ein davon abhängiges Kompendium<br />

benutzt oder ob sie direkt auf die älteren Geschichtswerke<br />

zurückgegriffen haben, die ihnen größtenteils noch zur Verfügung<br />

standen. 24<br />

In jedem Fall ist die Aufteilung eines so heterogenen Stoffes wie der<br />

Exempla in Einheiten wie De institutis antiquis, De maiestate, De<br />

paupertate oder auch Qui ex illustribus viris in veste aut cultu licentius<br />

sibi quam mos patrius permittebat indulserunt ein Indiz dafür, daß diejenigen<br />

Literaten, die für ihre Arbeit ein Handbuch nach Art von Valerius<br />

Maximus herangezogen haben, von vornherein keinen organischen<br />

Zusammenhang in der Geschichte sahen.<br />

Es liegt nahe, daß Exemplasammlungen ein probateres Hilfsmittel<br />

darstellten als die umfangreichen Werke von Livius und Cicero, wenn es<br />

darum ging, ein Exemplum zu geben. Nicht erst seit der Spätantike<br />

21<br />

Dazu und zum folgenden ausführlicher Honstetter (1977) 14–25, vgl. ebd. auch<br />

52f u. 101f.<br />

22<br />

Vgl. Honstetter (1977) 22–25; Wardle, Val.Max. 1 (1998) 6 Anm.22; anders<br />

Bloomer (1992) 17f mit 60.<br />

23<br />

Ähnlich Bloomer (1992) 27ff, der die Überschriften allerdings ohnehin Valerius<br />

Maximus selbst zuschreibt.<br />

24<br />

Demandt (1982) 266.


3. Exempla und Geschichte 41<br />

waren Exempla auf literarischer Ebene vor allem Mittel zur Illustration.<br />

Der Widerspruch zu der oben betonten Grundbedeutung von exemplum,<br />

der sich daraus ergibt, liegt in der Übernahme des griechischen Begriffs<br />

UFWFIJNLRF für den Bereich der Rhetorik begründet. 25 Die Übernahme<br />

dieses Fachterminus und seine Übersetzung mit exemplum hatte eine<br />

partielle Bedeutungsverschiebung von exemplum auch in anderen Bereichen<br />

des römischen Lebens zur Folge. 26 Schon in der frühen Kaiserzeit<br />

wurde Geschichte deshalb „vor allem auch als Beispielsammlung aufgefaßt“.<br />

27 Trotz des damit einhergehenden „Schematismus“ beim Umgang<br />

mit Exempla – daß die Gegenwart auch weiterhin an ihnen gemessen<br />

wurde, zeugt vom Fortbestand einer moralisierenden Geschichtsauffassung<br />

in Rom. 28<br />

Eine Sammlung wie die des Valerius Maximus hat in diesem Zusammenhang<br />

zweierlei Bedeutung. Mit der Kategorisierung geschichtlicher<br />

Gestalten und Ereignisse trug sie einerseits selbst zu einer Schematisierung<br />

von Geschichte bei. Andererseits jedoch, das sollte darüber nicht<br />

vergessen werden, wirkte das Sammeln schwer auffindbarer Stoffe gerade<br />

selbst der „dem Exemplum immanente[n] Schematisierungs- und<br />

Reduktionstendenz“ entgegen, indem es Abwechslung ermöglichte und<br />

bloße Wiederholungen des immer Gleichen wenigstens zum Teil<br />

verhinderte. 29<br />

25<br />

Schon die Definition von exemplum in der Rhetorica ad Herennium aus dem<br />

1. Jh. v.Chr. steht in Widerspruch zum ursprünglichen Wortsinn: Hoc interest<br />

igitur inter testimonium et exemplum: exemplo demonstratur id quod dicimus<br />

cuiusmodi sit; testimonio esse illud ita, ut nos dicimus confirmatur. (Rhet.Her.<br />

4,3,5).<br />

26<br />

S. dazu Kornhardt (1936) 63.<br />

27<br />

Bracher (1948/87) 111; ähnlich Marrou (1977) 523.<br />

28 Bracher (1948/87) 113.<br />

29 Vgl. von Moos (1988) 69, das Zitat: 68.


3.2 Die besondere Rolle von Exempla in der lateinischen Literatur<br />

der Spätantike<br />

Das Interesse an der herkömmlichen, politisch ausgerichteten Profangeschichtsschreibung<br />

war im 4. nachchristlichen Jahrhundert nur noch<br />

schwach ausgebildet. Klio war in den Kreisen der Gebildeten nicht sonderlich<br />

populär. Das zeigt sich etwa darin, daß sie nie eines der Felder<br />

geworden ist, auf denen die für das 4. und noch das 5. Jahrhundert so<br />

kennzeichnende Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen<br />

stattgefunden hat. Das geschichtliche Interesse von Heiden hatte sich in<br />

dieser Zeit vor allem auf das Kompilieren bestehender Geschichtswerke<br />

verlagert.<br />

Damit ist innerlich eine gewisse Nähe zur Ära des Tiberius gegeben,<br />

aus der die Sammlung des Valerius Maximus stammte, welche für die<br />

Rhetorik des 4. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielen sollte. Der Zugriff<br />

auf die Vergangenheit war Ende des 4. Jahrhunderts aber nicht nur<br />

in bezug auf die Geschichtsschreibung, sondern auch ganz allgemein<br />

mehr antiquarischer denn historischer Natur – im Bereich des Kultes genauso<br />

wie auf dem Feld der Philologie, die sich bevorzugt mit der Wiederherstellung<br />

eines originalgetreuen Vergil- und Liviustextes befaßte. 1<br />

In diesem Zusammenhang sei nur an die Bemühungen im Umkreis des<br />

Symmachus erinnert. 2<br />

Es liegt nahe, hinter dieser Art der Aneignung von Vergangenheit nur<br />

Verfall und Dekadenz zu vermuten. Die gesamte Bildung – Philosophie,<br />

1 So war es denn auch diese antiquarische Pflege heidnischer Klassiker mit all ihren<br />

Implikationen, die den Anstoß eines Augustinus erregen mußte, und nicht<br />

etwa die heidnische Historiographie eines Ammian (den Augustin vermutlich gar<br />

nicht kannte, s. Hagendahl [1967] 669) oder gar des stark christenfeindlichen<br />

Eunapios. Vgl. zum gesamten Absatz Momigliano (1963) 94, 98f u. Martin Hose,<br />

s.v. Geschichtsschreibung. III. Rom, in: DNP 4 (1998) Sp.996–1000, hier: 998f;<br />

ergänzend zur Kirchengeschichtsschreibung auch Josef Rist / Ulrich Eigler, ebd.<br />

Abschnitt IV. Christentum, Sp.1000–1004 u. Dihle (1989) 481ff.<br />

2 Zu den Anstrengungen im Umfeld des Symmachus um die Pflege und Emendation<br />

der Klassiker Vergil und Livius s. Klein, Symmachus (1986) 68ff. Daß<br />

diese Bemühungen per se aber nicht als spezifisch heidnische Aktivitäten zu<br />

deuten sind, macht Al. Cameron (1984), bes. 45–48, plausibel. Für entsprechend<br />

übertrieben hält er die Vorstellung von einem ‚Symmachuskreis‘ in der Forschung,<br />

s. ebd. 46, vgl. schon Al. Cameron (1977), bes. 1–7.


3. Exempla und Geschichte 43<br />

Literatur, Geschichte und dergleichen – scheint in der Spätantike nur<br />

dem Zweck rhetorischer Gelehrsamkeit untergeordnet gewesen zu sein.<br />

Henri Marrou hat dieses Phänomen zum Thema seiner 1938 erstmals<br />

erschienenen Monographie über “Saint Augustin et la fin de la culture<br />

antique” gemacht. 3 Ihm ist unter anderem Franz Georg Maier gefolgt,<br />

der Augustins Bildung als „vielfach sentenzenhaft und enzyklopädisch<br />

im schlechten Sinn“ beschreibt. 4<br />

Wir können uns im Rahmen dieser Untersuchung auf das Verhältnis<br />

Augustins und anderer Schriftsteller seiner Zeit zur historischen Bildung<br />

beschränken: Die Lektüre der antiken Historiker, so Marrou, sei dem<br />

vorrangigen Ziel unterworfen gewesen, einen Vorrat von Sentenzen und<br />

Exempla für eigene Reden anzusammeln. Den „ganzen Utilitarismus der<br />

Verfallszeit“, der daraus spreche, sieht er „im Keim“ schon in Ciceros<br />

Theorie vom Redner angelegt. 5 Auch Ulrich Eigler liegt mit seiner<br />

Bamberger Habilitationsschrift „lectiones vetustatis. Römische Literatur<br />

und Geschichte in der Lateinischen Literatur der Spätantike“ (1993) 6<br />

letztlich auf einer Linie mit Marrou. Zwar argumentiert Eigler nicht in<br />

den Bahnen eines irgendwie gearteten Verfallsdenkens, doch wie Marrou<br />

sieht auch er Geschichte in der Spätantike einzig als eine Funktion der<br />

Klassikerlektüre im Grammatikunterricht. Ein eigenständiges Interesse<br />

an Geschichte (auch nicht an den in der Literatur enthaltenen geschichtlichen<br />

Stoffen) gesteht Eigler der Spätantike hingegen nicht zu.<br />

Unter etwas anderem Akzent, aber ähnlich ungünstig hat die ältere<br />

Forschung über den gesamten Komplex der Panegyrik geurteilt. Die<br />

Lobreden auf regierende Herrscher wurden lange Zeit als bloße Lobhudelei<br />

und Anhäufung rhetorischer Spielereien gewertet. Auf den Paradigmenwechsel,<br />

der sich in der neueren Forschung vollzogen hat und der<br />

in den Panegyrici vermehrt den Ausdruck der Selbstreflexion eines Zeitalters<br />

über sich selbst erkennt, wurde bereits der Einleitung (Kap. 1)<br />

3<br />

Deutsche Übersetzung: Marrou (1995), danach wird hier zitiert. Für das Folgende<br />

s. ebd. vor allem 93–137.<br />

4<br />

Maier (1955) 20.<br />

5<br />

Marrou (1995) 105; zur Zweckhaftigkeit der Lektüre historischer Werke ebd.<br />

102. Vgl. auch ders. (1977) 523f.<br />

6<br />

Für die Möglichkeit, die bislang unveröffentlichte Arbeit einzusehen und mich<br />

inhaltlich damit auseinanderzusetzen, danke ich Herrn Prof. Dr. Ulrich Eigler<br />

herzlich.


44 3. Exempla und Geschichte<br />

hingewiesen. 7 Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage nach<br />

den in den Reden enthaltenen Exempla von neuem. Handelt es sich um<br />

mehr als nur um Topoi? Welche Intentionen verbinden die Autoren mit<br />

diesen Vergangenheitsbezügen? In der Hauptsache werden dem Exemplum<br />

in der modernen Forschung drei Funktionen zuerkannt: 8<br />

1. Die Hervorhebung einer Kontinuität mit der Geschichte, in der die<br />

Gegenwart gesehen wird,<br />

2. die dokumentarische Begründung durch Aufgreifen des Bekannten<br />

(auch Außerrömischen) zum besseren Verständnis des Geschehens in<br />

der Gegenwart,<br />

3. die moralische Forderung, das eigene Handeln am Maßstab einer<br />

gutgeheißenen Vergangenheit auszurichten.<br />

Dabei handelt es sich lediglich um Idealtypen. Mischformen zwischen<br />

den hier aufgeführten Funktionen sind der Normalfall. Je bekannter ein<br />

Exemplum ist, umso leichter ist es auch, sich zu der so angesprochenen<br />

Vergangenheit in Kontinuität zu setzen. Genauso schließt ein Exemplum,<br />

das zur Verdeutlichung eines Sachverhaltes angeführt wird,<br />

nicht aus, daß an dieses Exemplum eine moralische Forderung angeknüpft<br />

wird. Negativ bewertete Exempla können eine Parallele zur Gegenwart<br />

aufweisen und die moralische Forderung nach Besserung nach<br />

sich ziehen. Der Faktor Kontinuität ist dann eine Begleiterscheinung, die<br />

vom Autor abgelehnt wird.<br />

Überhaupt ist Distanz im Verhältnis zu der durch das Exemplum und<br />

andere Formen der Rückschau herbeizitierten Vergangenheit charakteristisch<br />

für die Literatur des gesamten 4. und des beginnenden<br />

5. Jahrhunderts. In einer panegyrischen Rede ist dies nicht weiter bemerkenswert,<br />

sondern gattungsspezifisch. Der ihr „verordnete Optimismus“<br />

erfordert geradezu die Distanz gegen alles Frühere. 9 Ebenfalls nicht<br />

7<br />

Bes. Pabst, Symm. or. (1989) 36; dazu mit weiterer Literatur in der Einleitung<br />

(Kap. 1).<br />

8<br />

Vgl. etwa Blockley (1975) 164f, Rosen, Geschichtsdenken (1982) 3 u. Demandt<br />

(1965) 112; eine Liste mit 19 möglichen Definitionen hat von Moos (1988) 39f<br />

Anm.96 zusammengetragen.<br />

9<br />

So Portmann (1988) 206 mit Hinblick auf die gesamte, d.h. lateinische und griechische<br />

Panegyrik. Zwang zu Kritik an der Vergangenheit habe freilich nicht bestanden.


3. Exempla und Geschichte 45<br />

verwundern muß die Ablehnung der früheren heidnischen Zeiten bei<br />

christlichen Autoren, wie sie etwa im Urteil des Augustinus vorherrscht.<br />

Einer Erklärung bedürfen bei dem Bischof von Hippo vielmehr die vereinzelt<br />

positiven Einschätzungen bestimmter Römer in der Geschichte.<br />

Die Tatsache allerdings, daß sich auch der Historiker Ammian in bezug<br />

auf die Vergangenheit der rhetorischen Überbietungsfunktion befleißigt,<br />

die Leistungen der Gegenwart also über die der Vergangenheit stellt, erlaubt<br />

es, in der Distanz zur Geschichte eine für das 4. und 5. Jahrhundert<br />

typische Erscheinung zu erblicken.<br />

Der Grund dafür ist ein verhältnismäßig einfacher. Ammianus Marcellinus<br />

war vermutlich nicht unwesentlich von der Panegyrik beeinflußt.<br />

Diese Lobreden konnten zum einen als Quelle für spätere Geschichtsschreibung<br />

dienen. 10 Zum anderen hatte eine Sammlung wie die<br />

Panegyrici Latini einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf den Rhetorikunterricht<br />

im Reich – schließlich war sie auch im Hinblick darauf<br />

kompiliert worden. 11<br />

Wie alle anderen Gebildeten seiner Zeit ist der Historiker Ammian ein<br />

Kind der „rhetorische[n] Gemeinkultur der Spätantike“ 12 . Rhetorik im<br />

eigentlichen Sinne, als Redekunst, konnte aber nicht mehr wie in der Republik<br />

forensisch geprägt sein, ganz einfach weil es keine Volksversammlungen<br />

mehr gab, auf denen irgendwer noch zu irgend etwas „überredet“<br />

werden mußte.<br />

Das Herrscherlob und damit die Gattung Panegyrik waren so der einzige<br />

angemessene Ort, an dem Rhetorik noch stattfinden konnte (abgesehen<br />

davon, daß rhetorische Stilmittel natürlich in jeder beliebigen<br />

Gattung, schriftlich oder mündlich, zur Anwendung kommen können).<br />

Für den öffentlichen Vortrag stilistisch ausgefeilter und anspruchsvoller<br />

Reden ergaben sich in der Kaiserzeit kaum noch andere Anlässe als<br />

10 Diesen Aspekt hebt MacCormack (1976) 40 hervor. Sie kann für Ammian eine<br />

Benutzung von Mamertinus’ Panegyricus auf Iulian (Pan.Lat. 3 [11]) belegen, s.<br />

ebd. 40 Anm.56. Ebenso gibt es Indizien dafür, daß Ammian Panegyrici von<br />

Symmachus und Themistios als Quelle herangezogen hat, s. Pabst, Symm. or.<br />

(1989) 199. Anders Neumann (1987) 58 u. Sabbah (1978) 345f: Beide bezweifeln<br />

einen irgendwie bedeutsamen Einfluß der Panegyrik als Quelle auf Ammian.<br />

11 Zu Pan.Lat. als Mustersammlung aus dem Umfeld der gallischen Rhetorikschulen<br />

bereits oben in der Einleitung (Kap. 1).<br />

12 Maier (1955) 20.


46 3. Exempla und Geschichte<br />

Regierungsjubiläen, Consulatsantritte oder mitunter ein Sieg. 13 Das<br />

mußte sich auch prägend auf den Gebrauch der exempla maiorum auswirken,<br />

die nun hinter einer glorifizierten Gegenwart zurückzustehen<br />

hatten. Die in der rhetorischen Theorie vorgesehene Überbietung<br />

(ZUJWT]M) bot sich insbesondere für die Herrscherpanegyrik an, weshalb<br />

sie einen „keineswegs mehr gattungsgebundenen Siegeszug in der römischen<br />

Kaiserzeit angetreten“ hat. 14<br />

Wann genau dieser hier nur allgemein zu konstatierende Wandel im<br />

Verhältnis zur Vergangenheit, gleich welcher Epoche, eingetreten ist,<br />

läßt sich nicht nachvollziehen. Der griechische Mythos wurde schon seit<br />

flavischer Zeit konsequent als (Negativ-)Folie zur eigenen Gegenwart<br />

gesehen, doch weitete sich in der Folge dieser einseitige Zugriff auf die<br />

Vergangenheit auch auf die Zeit der römischen Republik aus. Der Rückbezug<br />

auf die Vergangenheit ist zumindest schon vor Ende des<br />

3. Jahrhunderts immer auch ein kritischer. Die Geschichte konnte deshalb<br />

für die seit der Wende zum 4. Jahrhundert lebenden Zeitgenossen,<br />

das muß hier gegenüber Viktor Pöschl festgehalten werden, gerade nicht<br />

mehr ohne weiteres „der Ort“ sein, „wo sich einmal etwas Vollkommenes<br />

entwickelt hat, zu dem man zurückkehren möchte“ 15 . Die Ausbildung<br />

eines skeptischeren Verhältnisses zur Vergangenheit war jedenfalls<br />

schon vor dem Wiederaufleben einer lateinischen Literatur am Anfang<br />

der Tetrarchie abgeschlossen. Die in dieser Arbeit untersuchten Quellentexte<br />

von der Mitte des 4. Jahrhunderts an lassen keine Entwicklung<br />

zu einer immer noch stärkeren Distanz gegenüber den früheren Zeiten<br />

erkennen, und auch ein Blick auf die davor entstandenen Stücke der<br />

Panegyrici Latini ist diesbezüglich wenig erhellend. 16<br />

Zwischen dem Panegyricus des Plinius auf Traian aus dem Jahr 100<br />

n.Chr. und den zeitlich nächstfolgenden Panegyrici zweier gallischer<br />

Redner auf Maximian von 289 und 291 klafft eine Lücke von fast zweihundert<br />

Jahren. Aus dem dazwischen liegenden Zeitraum, d.h. aus der<br />

Krisenzeit des 3. Jahrhunderts, sind auch außerhalb der gallischen<br />

13<br />

Vgl. Chambers (1968) 40.<br />

14<br />

Herzog (1971) 178; ebd. auch zum folgenden.<br />

15<br />

Pöschl (1956/91) 190 möchte diese Aussage bewußt auf die gesamte Antike bezogen<br />

sehen.<br />

16<br />

Vgl. zusammenfassend Portmann (1988) 209 mit 205f.


3. Exempla und Geschichte 47<br />

Mustersammlung keine Panegyrici überliefert. Die beiden Reden vom<br />

Ende des 3. Jahrhunderts (Pan.Lat. 10 [2]; 11 [3]) weisen bereits jene<br />

vergangenheitsskeptische und zugleich gegenwartsbejahende Tendenz<br />

auf, die für die komplette Sammlung und auch für die ansonsten überlieferten<br />

lateinischen und griechischen Lobreden des 4., 5. und noch des<br />

beginnenden 6. Jahrhunderts kennzeichnend ist. 17 Im Panegyricus des<br />

Plinius ist diese Tendenz noch schwächer ausgebildet, wenngleich schon<br />

zu erkennen. Plinius übt leise und eher versteckt Kritik an dem an und<br />

für sich von ihm gelobten Kaiser Traian. Offen kritisiert er die früheren<br />

Kaiser Nero und Domitian, die die Kontrastfolie zu einer, wenn auch<br />

eingeschränkten Meinungsfreiheit unter dem regierenden Kaiser darstellen.<br />

Ein guter Kaiser soll nach Plinius’ Auffassung in Kontinuität zur<br />

Republik stehen. Das schließt aber Kritik an der späten Republik nicht<br />

aus, in der es bereits, das zeigen für ihn die tumultuarischen Umstände<br />

der Consulwahlen, keine libertas mehr gab. 18<br />

Die Vergangenheit insgesamt, nicht die Beurteilung des historischen<br />

Einzelfalls, blieb als unverrückbare Größe im geistigen Haushalt der<br />

Spätantike freilich bestehen. Wir würden in unseren Quellen ansonsten<br />

kaum auf eine derartige Fülle von Exempla aus zum Teil erheblich zurückliegenden<br />

Zeiten stoßen, wie das bei fast allen Schriftstellern im<br />

4. und beginnenden 5. Jahrhundert der Fall ist. Historische Exempla<br />

hatten nach wie vor eine „verpflichtende Gewalt“ – in diesem Punkt ist<br />

Pöschl wieder zuzustimmen. 19 Es ist aber zu registrieren, daß diese verpflichtende<br />

Eigenschaft von Exempla doch auch nachgelassen hatte, was<br />

ihre Unmittelbarkeit betrifft. Die „gute“ Gegenwart überbietet in den<br />

17 Zu Pan.Lat. 10 (2) u. 11 (3) s. Portmann (1988) 21–25; Nixon / Rodgers, Pan.Lat.<br />

(1994) 41ff (Nixon) bzw. 76–79 (Rodgers) erörtern das Problem von Autorschaft<br />

und Datierung. Zu der skeptischen Tendenz gegenüber der Geschichte, die alle<br />

von Portmann (1988) untersuchten Lobreden miteinander verbindet, ebd. bes.<br />

219.<br />

18 Plin. paneg. (= Pan.Lat. 1) 57,4. Ausführlicher mit Einzelbelegen zu dem hier<br />

kurz Vorgetragenen Portmann (1988) 199–204.<br />

19 Pöschl (1956/91) 189 unter Hinweis auf die auch am Anfang des 5. Jh.s noch<br />

vorhandene Geschichtsmächtigkeit der Exempla vom Selbstmord der Lucretia<br />

bzw. des Cato Uticensis. Dem Vorbildcharakter dieser Exempla wäre Augustin<br />

andernfalls wohl kaum so ausführlich und vehement, wie in civ. 1,19 bzw. 1,23f<br />

geschehen, entgegengetreten (zur Selbstmordproblematik bei Augustin auch unten<br />

im Rahmen von Kap. 4.1.3 und mehrfach in Kap. 4.1.1).


48 3. Exempla und Geschichte<br />

Quellenzeugnissen aus dem 4. Jahrhundert nicht nur die immer schon<br />

unumstrittenen Schwachstellen in der Vergangenheit. Sogar auf Exempla,<br />

die bislang uneingeschränkt positiv bewertet worden waren, wird<br />

jetzt in der Panegyrik und in den Passagen bei Ammian, die eine Verwandtschaft<br />

zu dieser Gattung aufweisen, die Überbietungsfigur angewendet.<br />

20<br />

Ein weiteres Moment der Distanz sind Rundumschläge gegen die<br />

Glaubwürdigkeit der Überlieferung, die Großartiges aus der Vergangenheit<br />

zu berichten weiß. Ganz unvermittelt kann da von einer<br />

magniloquentia vetustatis die Rede sein, der die laetiores eventus der<br />

Gegenwart gegenübergestellt werden (Amm. 25,3,13). Es kann aber<br />

auch die nahezu ironische Aufforderung erfolgen, den Geschichtsbüchern,<br />

„die Geringeres prahlerisch berichten“, zu glauben (Symm. or.<br />

1,5), weil die Gegenwart den ‚Präzedenzfall‘ sozusagen erst nachgeliefert<br />

hat, vor dessen Hintergrund allein das Überlieferte Glaubwürdigkeit<br />

beanspruchen kann. 21 Hier offenbart sich, daß Exempla, zumindest was<br />

ihre Deutung betrifft, einen vergleichsweise geringen Kanonisierungsgrad<br />

besitzen. Das erlaubt es, an ihrem Wahrheitsgehalt zu zweifeln, ermöglicht<br />

aber zugleich auch einen kreativen Umgang mit ihnen. Damit<br />

ergibt sich auch ein fundamentaler Unterschied im Verhältnis von Heiden<br />

und Christen zu „ihrer“ jeweiligen Vergangenheit: Christen würden<br />

20 Die Nähe zur Panegyrik thematisiert Ammian selbst zu Beginn des 16. Buches,<br />

das ausschließlich Iulians Wirken gewidmet ist: Bei aller beabsichtigten Wahrheitstreue<br />

– Amm. 16,1,3 räumt ein, daß das nachfolgend über Iulian Berichtete<br />

ad laudativam paene materiam pertinebit. Besonders deutlich wird diese Nähe<br />

dann im Kapitel 16,5 (etwa § 4f: die Einsatzbereitschaft des Iulian bei Tag und<br />

bei Nacht ist höher zu bewerten als die Alexanders d.Gr.; vgl. auch § 8: Iulians<br />

Gedächtnis ist besser als das des Königs Kyros, des Lyrikers Simonides und des<br />

Sophisten Hippias von Elis).<br />

21 Übers. Pabst – Credamus historiis minora iactantibus, so Symm. or. 1,5 als<br />

Überleitung zu einem Exemplum über Marius, das noch ausführlicher zu behandeln<br />

ist (unten 4.2.1). Herzog (1971) 179 erkennt hier die Entstehung einer neuen<br />

„panegyrischen Logik“ mit einem gewandelten „Begriff des Wahren“. In deren<br />

Konsequenz erfüllt „alles Vergangene [...] sich erst, indem es von der Gegenwart<br />

überboten wird“ (ebd.). Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall, ähnlich<br />

auch Amm. 31,4,7f: concordante omni posteritate ut fabulosae sunt lectae. [...]<br />

fides quoque vetustatis recenti documento firmata est. Vgl. außerdem Amm.<br />

18,6,23 und Pan.Lat. 2 (12),17,2. Symmachus spricht von den Erfindungen früherer<br />

Zeiten auch in or. 1,4 (figmenta) und or. 2,8 (mentita).


3. Exempla und Geschichte 49<br />

einen biblischen Inhalt niemals in Frage gestellt haben, auch rhetorisch<br />

nicht!<br />

Besonders ausgeprägt ist die Skepsis gegenüber der geschichtlichen<br />

Überlieferung in den Reden des Symmachus. Es wurde schon erwähnt,<br />

daß dieser den Kontakt zur Geschichte in verhältnismäßig geringem<br />

Maße über Exempla herzustellen versucht hat. 22 Doch ist es gerade er,<br />

der das „Altertum“ direkt anspricht und es zum Wettstreit mit der Gegenwart<br />

herausfordert: Sit mihi fas, patres conscripti, in certamen<br />

praesentium vetustatem citare. (Symm. or. 4,7). Neben der großen Fülle<br />

an Exempla in unseren Texten wirft diese Stelle noch einmal ein Licht<br />

darauf, wie stark die Vorfahren das Denken der Nachkommen in der<br />

Spätantike noch bestimmt haben, auch wenn im einzelnen deren Verhaltensweisen<br />

oder deren Selbstdarstellung zum Objekt der Kritik geworden<br />

waren.<br />

Ferne Zeiten rücken mit größter Selbstverständlichkeit in eine bemerkenswerte<br />

Nähe zur eigenen Gegenwart. Es gilt, sich das Faktum zu vergegenwärtigen,<br />

daß unsere Autoren ungefähr achthundert Jahre von<br />

Camillus trennen, wenn sie auf ihn anspielen. Dennoch steht er ihnen<br />

deutlich näher als uns zum Beispiel der zweite Kreuzzug und Gestalten<br />

wie Saladin, Friedrich Barbarossa oder Richard Löwenherz. Innerhalb<br />

der spätantiken Geschichtsauffassung setzt die Chronologie kaum 23<br />

Grenzen für das, was miteinander verglichen werden darf. So können<br />

Regulus und Cato Uticensis nebeneinander als Exemplum für Standhaftigkeit<br />

genannt werden, 24 ohne daß jemals angedeutet wird, daß zwischen<br />

den beiden über zweihundert Jahre liegen und daß ganz unterschiedliche<br />

Voraussetzungen für die sie verbindende Standhaftigkeit<br />

vorgelegen haben könnten. Beides stellt nach der Überzeugung der<br />

Spätantike keinen Abstrich an der Vergleichbarkeit solcher geschicht-<br />

22<br />

Überdruß an der ‚alten Geschichte‘ gibt Symm. or. 2,17 zu erkennen: ecce<br />

exempla veterata saeculorum!<br />

23<br />

Lediglich das Ende der Republik setzt einen Terminus ante quem. Exempla aus<br />

der Kaiserzeit gelten aus Gründen, die noch erläutert werden, als zu neu und sind<br />

daher nur sehr beschränkt zitierfähig.<br />

24<br />

Regulus und Cato sind immer wieder gemeinsame Glieder in Exemplaketten zum<br />

Thema Tapferkeit und Ausdauer, z.B. Claud. IV Hon. 410f; dazu mit weiteren<br />

Stellenangaben unten 4.1.3.


50 3. Exempla und Geschichte<br />

lichen Gestalten dar, d.h. das Geschichtsdenken der Römer in der<br />

Spätantike, aber auch schon früher, ist statisch.<br />

Im nichtchristlichen Bereich existierte ein prozessuales Geschichtsverständnis<br />

lediglich im engeren Bereich der historiographischen Literatur.<br />

Jenseits davon, im allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs, spielt in<br />

unserem Untersuchungszeitraum nur noch das meist in äußerster Knappheit<br />

eingeworfene und primär unter moralischem Gesichtspunkt angeführte<br />

Exemplum eine Rolle, nie geschichtliches Werden: „Die Zeit<br />

gleicht weniger einem Strom, der an uns vorüberfließt, als einem Platz,<br />

auf dem wir uns bewegen“. 25 Das ist aus heutiger Sicht zutiefst unhistorisch.<br />

26 Es wäre indes anmaßend, von vornherein bei diesem Urteil<br />

stehenzubleiben, denn der „noble Traum der Historiker bleibt es, eine<br />

Vergangenheit aus ihren eigenen Möglichkeiten zu begreifen und nicht<br />

aus unseren Möglichkeiten oder unseren Perspektiven“ 27 . Dieses Postulat<br />

beansprucht auch unter der besonderen Voraussetzung Geltung, daß wir<br />

nicht bloß eine Vergangenheit, sondern das Geschichtsdenken in dieser<br />

Vergangenheit betrachten. So gesehen stehen wir – gerade weil in unseren<br />

Quellen ständig auf die Geschichte rekurriert wird – etwas zwiespältig<br />

vor dem eigenartigen Phänomen, daß in Rom ein Geschichtsbild<br />

e x i s t i e r t , das nach unseren Begriffen von Geschichte keines ist.<br />

Umso dringlicher stellt sich die Frage nach der Funktion von Exempla<br />

über die drei oben aufgelisteten Grundfunktionen hinaus. Vielen der Exempla<br />

bei den in dieser Arbeit schwerpunktmäßig untersuchten Autoren<br />

kann, wie immer man es dreht und wendet, kaum mehr zugesprochen<br />

werden als das Prädikat „gelehrte Reminiszenz“. Einer Untersuchung<br />

25 Demandt (1965) 115. Wenn dennoch in der vorliegenden Arbeit der Kontinuitätsbegriff<br />

zur Anwendung kommt, dann trägt er nur insofern, als er einen Gegensatz<br />

zu Diskontinuität und Zäsur ausdrückt. „Kontinuität“ ist deshalb im Rahmen<br />

unseres Themas gelöst von der Verstehenskategorie des historischen Prozesses zu<br />

sehen.<br />

26 Zu diesem Schluß kommt auch Demandt (1965) 113. Otto Seel hat in diesem<br />

Zusammenhang vom „ahistorischen Sinn“ der Römer gesprochen. Ihm hat sich<br />

u.a. Klein, Symmachus (1986) 81 m. Anm.38 angeschlossen, nach dem ich hier<br />

zitiere – dagegen das Folgende im Text. Einzig Blockley (1975) 160 hat so etwas<br />

wie ein römisches Geschichtsbild anerkannt, wenn er vom “strong sense of history”<br />

bei den Römern spricht.<br />

27 Nipperdey (1979) 341.


3. Exempla und Geschichte 51<br />

solcher Exempla auf das sich dahinter verbergende Bild von der<br />

römischen Republik tut dies zunächst einmal keinen Abbruch.<br />

Doch geht es um mehr, nämlich um die Frage, weshalb solche Gelehrsamkeit<br />

gerade an der Vergangenheit demonstriert wurde. Gelehrsamkeit<br />

oder – noch allgemeiner – Kunstfertigkeit bei der Erstellung literarischer<br />

Texte und Reden hätte an sich auch durch Anklänge an philosophische<br />

und weitere Stoffe oder auch durch das Dichten in Versen dokumentiert<br />

werden können. Ammian zitiert zwar immer wieder philosophische<br />

Weisheiten, aber die Philosophen, auf die er sich namentlich beruft, sind<br />

oft Bestandteil eines historischen Exemplums; der Vergangenheitsbezug<br />

bleibt also gewahrt. Und Claudian, der seine Elogen auf Honorius und<br />

Stilicho sämtlich in Verse gegossen hat, sah sich deshalb noch lange<br />

nicht von historischen Rückblenden befreit. Nun wäre etwa einzuwenden,<br />

daß Philosophie in der Kaiserzeit Gegenstand eines eigenen Unterrichts<br />

war und im gewöhnlichen Grammatik- und Rhetorikunterricht fast<br />

nicht vorkam. Insofern ist die spätantike Bildung, gerade auch, was den<br />

Anteil der Geschichte an ihr betrifft, tatsächlich stark von der Literatur<br />

geprägt. 28<br />

Gleichwohl sind die hier angestellten Überlegungen über Alternativen<br />

zum g e s c h i c h t l i c h e n Exemplum angemessen: Denn es ist nicht<br />

zu übersehen, daß der Wunsch nach Herstellung exemplarischer Vergangenheitsbezüge<br />

das von den in der Schule gelesenen Autoren zur Verfügung<br />

gestellte geschichtliche Material überstiegen hat und dementsprechend<br />

erweitert werden mußte. 29 Zu kurz gegriffen ist es m.E. auch, die<br />

28<br />

S. Marrou (1995) 100–104. Dies betont insbesondere auch Eigler, lectiones<br />

passim.<br />

29<br />

Laut Eigler, lectiones 94 (B II. 1.3. bybliotheca Romana: Römische und Lateinische<br />

Literatur) sind Cicero, Sallust, Terenz und, vor allen anderen, Vergil maßgeblich<br />

für die Auffindung historischer Stoffe in der lateinischen Literatur der<br />

Spätantike. Es muß demgegenüber jedoch auf die nicht zu unterschätzenden Erweiterungen<br />

des so gegebenen Grundbestandes an Exempla hingewiesen werden,<br />

namentlich um Helden aus dem Bestand der livianischen Überlieferung wie<br />

Lucretia, Cincinnatus, Scaevola oder Regulus (dazu in Kap. 3.3 und in den<br />

Nachweisen zu den Fallstudien in Kap. 4.1.1–4.2.2). MacCormack (1998) 180,<br />

die ebenfalls “a certain historiographical canonicity” Vergils betont, räumt ein,<br />

daß diese nicht alldurchdringend gewesen sei; in der Breviarienliteratur des<br />

4. Jh.s erkennt sie bezüglich der römischen Frühzeit eine nur begrenzte<br />

“Vergilian dimension”.


52 3. Exempla und Geschichte<br />

sich in den Exempla äußernden Vergangenheitsbezüge nur zwischen den<br />

Koordinaten einer historischen und einer rhetorischen Funktion einordnen<br />

zu wollen. 30<br />

Wenn in dieser Arbeit so etwas wie eine Ehrenrettung angestrebt ist,<br />

dann nicht die einer bestimmten Gattung wie der Panegyrik, sondern<br />

eine des Topos. In vielen Exempla kommt nicht sonderlich viel mehr<br />

zum Ausdruck als ein Gemeinplatz. Exempla gelten daher einer weit<br />

verbreiteten Ansicht nach als topisch, und dies in einem eher abwertenden<br />

Sinne. Aber gerade der Bekanntheitsgrad der meisten von ihnen, das<br />

Wohlvertraute und Unbestrittene an ihnen ist es, das ihre Verwendung<br />

jederzeit ermöglicht. In ihrem Kernbestand werden Exempla so gut wie<br />

nicht abgeändert. Eine immer wieder gleiche Vergangenheit wird durch<br />

das Exemplum ins Gedächtnis des Rezipienten, des Zuhörers oder Lesers,<br />

zurückgerufen. 31 Ein primär moralischer Zugang zur Vergangenheit<br />

bewirkt, daß fast immer mehrere Exempla aus ganz unterschiedlichen<br />

Abschnitten der Geschichte für eine bestimmte Argumentation zur Auswahl<br />

stehen. Sehr oft sind mehrere Exempla, die dieselbe Tugend repräsentieren,<br />

zu einer Kette verknüpft. Das Exemplum fungiert so als kultureller<br />

Code, auch wenn es im Einzelfall ‚billig‘ erscheinen mag und es<br />

deshalb falsch wäre, „in jeder historischen Anspielung einen tieferen<br />

Sinn suchen zu wollen“ 32 .<br />

Im Einzelfall läßt sich eine heikle Situation wie die eigentlich unzulässige<br />

Kritik am Herrscher gerade dadurch entschärfen, daß Tadel in ein<br />

Exemplum verpackt wird, das zum Lob des Angesprochenen gegeben<br />

wird. 33 Das kann so weit gehen, daß Exempla sogar „als Chiffre für<br />

30<br />

Zwischen diesen beiden Positionen in der Forschung gegenüber den geschichtlichen<br />

Bezügen in der spätantiken Panegyrik unterscheidet Portmann (1988) 14,<br />

der ihnen gegenüber eine vermittelnde Haltung einnimmt: „Die Rückblicke können<br />

Umsetzung eines rhetorischen Topos sein [...]. Sie können aber auch Ausdruck<br />

einer persönlichen Reflexion des Panegyrikers sein“.<br />

31<br />

Vgl. von Moos (1988) 61 u. Gebien (1969) 38.<br />

32<br />

Rosen, Geschichtsdenken (1982) 5; in diesem Sinne auch Pabst, Symm. or.<br />

(1989) 29.<br />

33<br />

Dies läßt sich insbesondere bei Ammian beobachten. Wenn dieser Theodosius<br />

d.Ä. immer wieder mittels eines Exemplums mit übertriebenem Lob bedenkt<br />

(z.B. Amm. 28,3,9; dazu unten in Kap. 4.1.2), kommt darin auch Kritik zum<br />

Ausdruck. Auch der Leser soll den Unterschied solch pauschaler Schmeichelei<br />

gegenüber anderen sehr viel nüchterneren Urteilen, etwa über den von Ammian


3. Exempla und Geschichte 53<br />

konkrete aktuelle politische Vorstellungen“ 34 dienen. Die Beliebtheit des<br />

historischen Exemplums als Schmuckmittel für die literarische Darstellung<br />

ist zwar unübersehbar, aber das ist nicht alles.<br />

Die Topik, die sich in den exempla maiorum kundtut, darf nicht pauschal<br />

als bloßes Sammelsurium von Klischees verdammt werden. Im<br />

„System der Allgemeinbildung“ kann sie durchaus ein „gelehrtes Verfahren<br />

zur kommunikativen Bewältigung von Problemen und Aporien<br />

durch meinungsmäßiges Wissen, im Gegensatz zum zwingenden,<br />

meinungsunabhängigen Beweis“ darstellen 35 . Mit diesem Verfahren lassen<br />

sich in der Spätantike Konflikte mit dem Herrscher vermeiden, die<br />

dem Literaten in einer absoluten Monarchie gewiß nicht zuträglich gewesen<br />

wären. 36 So dient die in der Literatur des späten 4. Jahrhunderts<br />

vielzitierte Vergangenheit auch, so Charles E.V. Nixon, ganz konkret<br />

dazu, “to reinforce the moral and cultural values of society in a noncontroversial<br />

way”, und sogar die so häufig zu beobachtende Überbietungsfunktion<br />

zeugt letztendlich noch für “a respect for the past at a<br />

deeper level”. 37 Es ist deshalb kein modischer Gemeinplatz, eine Hauptaufgabe<br />

der römisch-spätantiken Aneignungsformen von Geschichte in<br />

der Stiftung von Identität zu sehen. Diesen Schluß jedenfalls lassen die<br />

in der Spätantike bei weitem überwiegenden Rückbezüge auf die Zeit<br />

der römischen Republik zu.<br />

hochgeschätzten Iulian, spüren, so Demandt (1965) 62. Vgl. auch Szidat (1988)<br />

1035, der in einer Fallstudie über die Anwendung des Alexander-Exemplums bei<br />

Ammian den Nachweis führt, daß Ammianus Marcellinus „den Vergleich mit historischen<br />

Persönlichkeiten im Fall Iulians als Mittel differenzierter Kritik und<br />

differenzierterer Wertung seines Helden“ gebraucht. Auch Symmachus artikuliert<br />

in or. 1,15f Wünsche des römischen Senats, die in einem Gegensatz zu denen des<br />

Kaisers stehen, durch Heranziehen von Exempla, ohne in einen Konflikt mit dem<br />

angesprochenen Valentinian I. hineinzugeraten, s. Pabst, Symm. or. (1989) 244ff.<br />

34 H. Brandt (1988) 99, der diese These im Rahmen einer Untersuchung über das<br />

Exemplum des Numa Pompilius „in der auf literarischer Ebene geführten politischen<br />

Diskussion“ im ausgehenden 4. Jh. entwickelt.<br />

35 von Moos (1988) IX.<br />

36 Zum schmalen Grat zwischen freier Meinungsäußerung und der Gefahr, damit<br />

einen Konflikt heraufzubeschwören, vgl. die soeben (Anm.33) gegebenen Beispiele<br />

bei Ammian und Symmachus. Zur je nach regierendem Kaiser unterschiedlich<br />

großen Gefahr, einen Majestätsprozeß und dessen kapitale Folgen zu<br />

riskieren, vgl. Demandt (1989) 229.<br />

37 Nixon (1990) 2 u. 8.


3.3 Das Gewicht von Exempla aus der römischen Republik im<br />

Vergleich zu anderen Bereichen der Geschichte<br />

Die Beschränkung dieser Arbeit auf eine nur begrenzte Zeitspanne und<br />

auf nur einen sprachlich-kulturellen Lebensbereich, Rom, bedürfte an<br />

sich keiner besonderen Rechtfertigung, ginge es lediglich um das Bild,<br />

das sich eine Epoche von einer anderen Epoche gemacht hat. Aber die<br />

Gewichtung zugunsten der republikanischen gegenüber allen anderen<br />

Exempla, außerrömischen und denen aus der römischen Kaiserzeit,<br />

wohnt bereits den Quellen aus der gesamten Kaiserzeit inne, sie wird<br />

nicht erst von uns an den Untersuchungsgegenstand, Texte aus dem<br />

4. und 5. Jahrhundert, herangetragen, ein Phänomen, über das nicht einfach<br />

hinweggegangen werden kann.<br />

Keiner besonderen Erklärung bedarf der ganz unbestritten vorherrschende<br />

Bezug in den Quellen auf die „eigene“ 1 , römische Geschichte.<br />

Als maiores, die ein Exemplum gegeben haben, werden vor allem die<br />

eigenen Vorfahren angesehen, die derselben Kultur entstammen, in der,<br />

wie oben ausgeführt, dem mos maiorum immer schon normative Kraft<br />

zugekommen war. Vor allem in der lateinischen Panegyrik sind Exempla<br />

aus der Kaiserzeit bedeutend seltener als solche aus der Zeit der Republik<br />

anzutreffen. 2 Für andere Gattungen – das betrifft im Fall der vorliegenden<br />

Untersuchung vor allem den Historiker Ammianus Marcellinus<br />

und die Kirchenlehrer Ambrosius, Hieronymus und Augustinus – gilt<br />

dies mutatis mutandis genauso.<br />

Augustin ist der einzige von unseren Autoren, der selbst eine einigermaßen<br />

deutliche Begründung für die Auslassung von Exempla aus der<br />

Kaiserzeit liefert: Es ist der apologetische Zweck, der es Augustin in De<br />

civitate Dei angeraten sein läßt, die Kaiserzeit zu übergehen. 3 Sein Ziel<br />

in den ersten fünf Büchern des „Gottesstaates“ ist der Nachweis, daß<br />

Sittenlosigkeit ein Problem ist, das dem römischen Staat seit seinen<br />

1<br />

Im Fall der romanisierten Griechen Ammian und Claudian ist sie das nur indirekt,<br />

weil beide sich mit Rom identifizieren.<br />

2 Dazu Portmann (1988) 207 u. passim.<br />

3 Am deutlichsten in Aug. civ. 2,25 (CCL 47, Z.40–45) und 3,1 (Z.20–26); vollständige<br />

Stellensammlung bei Schindler (1987) 160 Anm.24. S. auch Hagendahl<br />

(1983) 61f.


3. Exempla und Geschichte 55<br />

Anfängen immanent gewesen ist. Augustin möchte zeigen, daß nicht das<br />

Christentum, sondern die falsche Ethik der Heiden Schuld am Verfall<br />

des Imperiums trägt. Dafür genügt ihm der Blick auf die Zeit vor Christi<br />

Geburt, denn der Sittenverfall in der Zeit danach, in der römischen Kaiserzeit<br />

also, wird den Christen ja gerade von ihren heidnischen Gegnern<br />

zum Vorwurf gemacht. Das Problem, inwieweit den Bischof von Hippo<br />

noch andere Gründe zu einer Ausblendung der Kaiserzeit bei seinen Geschichtsbetrachtungen<br />

bewogen haben, sei einstweilen zurückgestellt, 4<br />

um die allgemeinen Linien zu verfolgen, die zu einem Übergewicht republikanischer<br />

Exempla geführt haben. Deutlich ist jedenfalls, daß<br />

Augustins Motive, sich weitestgehend auf die Republik zu beschränken,<br />

nicht die von heidnischen Autoren sein können.<br />

In der Forschung hat das Phänomen, daß Exempla aus der Kaiserzeit<br />

nur selten in der spätrömischen Literatur vorgebracht werden, eine gewisse<br />

Ratlosigkeit hinterlassen. Meist wird das Überwiegen republikanischer<br />

Exempla irrigerweise auf den Verfassungswandel zwischen republikanischer<br />

Ordnung und Principat zurückgeführt. 5 Einige Lösungsvorschläge<br />

werden im folgenden diskutiert.<br />

Die Aussage über das quantitative Verhältnis von republikanischen<br />

und kaiserzeitlichen Exempla bedarf einer leichten Einschränkung hinsichtlich<br />

des Historikers Ammian. Aber auch wenn dieser ungewöhnlich<br />

viele Exempla aus der Kaiserzeit heranzieht – er bewertet sie anders als<br />

diejenigen aus der davorliegenden Zeit: Für die umfangreiche Kritik an<br />

den moralischen Zuständen seiner Zeit zieht Ammian in den Res gestae<br />

keine Exempla aus der Geschichte der Republik heran. 6 Die römische<br />

Republik ist ihm „eine Zeit der makellosen Sittengröße, in der die eigentliche<br />

historische Bedeutung ihrer Gestalten im Glanze moralischer<br />

Reinheit verblaßt. Meistens auf eine besondere Tugend zugeschnitten,<br />

werden sie zu Standbildern ihrer eigenen Größe und so zum Maßstab<br />

späterer Leistungen.“ 7 Das kann bei Ammian, der mit Kritik an der<br />

4<br />

Dem Umgang Augustins mit historischen Exempla ist ein eigenes Kapitel (3.4)<br />

gewidmet.<br />

5<br />

So, wenngleich mit unterschiedlichen Argumenten, von Litchfield, Demandt u.<br />

Portmann; s. dazu im folgenden.<br />

6<br />

Vgl. Rosen, Geschichtsdenken (1982) 4.<br />

7<br />

Demandt (1965) 126; s. auch ebd. 135.


56 3. Exempla und Geschichte<br />

eigenen Zeit nicht zurücksteht, im Einzelfall sogar zu Beschönigungen<br />

von Ereignissen in der Zeit der Republik führen. 8 In jedem Fall zeugen<br />

seine Res gestae von dem deutlichen Bestreben, keinerlei Schatten auf<br />

diesen Abschnitt der römischen Geschichte fallen zu lassen. Darin unterscheidet<br />

er sich von anderen Autoren seiner Zeit. 9 Ammian wendet zwar<br />

in gleicher Weise wie die Panegyriker auch auf republikanische Exempla<br />

die Überbietungsfigur an, etwa wenn er die Leistungen Iulians hervorheben<br />

will. Doch er geht dabei im Gegensatz zur Panegyrik ausschließlich<br />

von positiv konnotierten Exempla aus, denen die Gegenwart etwas noch<br />

Besseres entgegenzusetzen hat.<br />

Die Gegebenheit, daß in den uns hier beschäftigenden Texten alles in<br />

allem nur selten Exempla aus der Zeit nach der römischen Republik angeführt<br />

werden, sagt noch nichts darüber aus, daß nicht auch weiterhin<br />

neue Exempla entstehen konnten. Es blieb dabei: „Jeder Römer steht<br />

unter der Wirkung geschichtlicher Beispiele und ist selber Beispiel für<br />

kommende Generationen“ 10 . Insbesondere die Gestalt des Iulian bei<br />

Ammianus Marcellinus ist hierfür ein sprechender Beweis. Für den römischen<br />

Historiker griechischer Herkunft ist er “The great example”,<br />

aber auch Symmachus d.Ä. und mehrere andere Zeitgenossen Ammians<br />

geben seiner Auffassung nach ein exemplum ab. 11 Solche neuen Exempla<br />

werden freilich nur registriert, sie finden ihrerseits keine Anwendung<br />

mehr. Ammian behauptet denn auch im weiteren von niemandem, er<br />

handle so oder nicht so wie Iulian, sondern läßt die Exemplarität Iulians<br />

auf sich beruhen. Auch das ist keine nur für die Spätantike typische Erscheinung.<br />

„Nova exempla sind mißliebig, weil sie sich über die in den<br />

8 Ein Beispiel für das Zurechtbiegen eines für einzelne Gestalten aus der Republik<br />

wenig schmeichelhaften Exemplums (Amm. 30,8,9) wird unten in Kap. 4.2.1 erörtert;<br />

zu weiteren derartigen Fällen vgl. die Angaben bei Demandt (1965) 127f.<br />

9 Das wird im Rahmen unserer Untersuchung v.a bei den Urteilen über Sulla deutlich<br />

(s. unten 4.2.1), speziell denen Claudians.<br />

10 Pöschl (1956/91) 188.<br />

11 Blockley (1975) 167. Bei Iulian müssen wir uns mit dem exemplum-Charakter<br />

begnügen, den zahlreiche Erwähnungen seiner Person bei Ammian zweifellos besitzen<br />

(die Belege ebd. Anm.65). Ausdrücklich bezeichnet Ammian den Kaiser<br />

jedenfalls nirgends als exemplum. L. Aurelius Avianus Symmachus Phosphorius,<br />

Vater des berühmten Rhetors, gab laut Amm. 27,3,3 exempla doctrinarum et<br />

modestiae.


3. Exempla und Geschichte 57<br />

maiorum exempla gesammelte Erfahrung hinwegsetzen wollen.“ 12 Dabei<br />

ist es ganz gleich, wie gut oder schlecht diese maiores im einzelnen beurteilt<br />

werden. 13<br />

Hinsichtlich der Zitierfähigkeit von Exempla läßt sich, soweit es den<br />

lateinischen Westen betrifft, folgende Faustregel aufstellen: Zeitgeschichtliche<br />

Exempla, für die es noch lebende Zeugen gibt, werden nicht<br />

verwendet. Wenn Exempla aus der Kaiserzeit gegeben werden, dann gehen<br />

Schriftsteller und Redner der Spätantike selten über die Zeit der<br />

Adoptivkaiser hinaus. 14 Über die Ursachen dafür kann nur spekuliert<br />

werden.<br />

Das „kommunikative und das kulturelle Gedächtnis“ 15 stellen allem<br />

Anschein nach nicht die Pole dar, zwischen denen der Gebrauch eines<br />

neuen Exemplums, das im Prinzip von heute auf morgen auftreten kann,<br />

gerechtfertigt oder vielmehr nicht gerechtfertigt ist. Jan Assmann zufolge<br />

ist die Haltbarkeit des kommunikativen Gedächtnisses auf vierzig bis<br />

maximal achtzig Jahre begrenzt – über eine größere Zeitspanne hinweg<br />

ist lebendige Erinnerung und damit kommunikatives Gedächtnis nicht<br />

möglich. Danach lautet die Alternative nur auf kulturelle Formung der<br />

Erinnerung oder Vergessen. Offensichtlich kennen die Verfasser unserer<br />

Quellen noch eine dritte Dimension der Erinnerung. Das Exemplum<br />

12 Kornhardt (1936) 87.<br />

13 Vgl. dazu die unten in Kap. 4.1.2 behandelten Stellen aus Claudians In<br />

Eutropium. Eutropius nimmt ähnlich wie Iulian bei Ammian für den Text von<br />

Claud. Eutr. eine Funktion ein, die einem (Negativ-)Exemplum sehr nahe kommt.<br />

Dennoch vermeidet es der Dichter, seinen Zeitgenossen Eutropius wirklich als<br />

exemplum zu bezeichnen.<br />

14 Ähnlich Nixon (1990) 6 u. Litchfield (1914) 55 mit Anm.4. Der letzte Kaiser, den<br />

ein Großteil der in dieser Arbeit berücksichtigten Autoren noch mit einem Exemplum<br />

würdigt, ist Marc Aurel, vgl. Amm. 30,9,1 u.ö.; Symm. or. 1,16; Claud.<br />

VI Hon. 340. Unsere Klärungsversuche, wie lange ein Exemplum zurückliegen<br />

muß, um zitierfähig zu werden, können nur vorläufig sein. Die Frage bedürfte einer<br />

speziellen Untersuchung. Spätere Regenten als die Adoptivkaiser sind anscheinend<br />

eher in der griechischen Panegyrik (etwa bei Iulian und Themistios)<br />

anzutreffen. Insgesamt findet die oben aufgestellte These jedoch ihre Bestätigung,<br />

das zeigt ein Blick auf die Übersichten bei Nixon (1990) 30–33 (Pan.Lat.),<br />

Portmann (1988) 339–342 (Panegyrik allgemein) und Blockley (1975) 191–194<br />

(Amm.).<br />

15 Assmann (1992) 50 mit den Überlegungen ebd. 48–56 zum Folgenden.


58 3. Exempla und Geschichte<br />

bedarf einer gewissen „Reife“ oder antiquitas. 16 Auf die Theorie vom<br />

kulturellen Gedächtnis gemünzt, heißt das: Die „Erinnerungsfigur“<br />

exemplum muß in einer Vorstufe des kulturellen Gedächtnisses zwischengespeichert<br />

werden (sie würde andernfalls verlorengehen), ehe sie<br />

tatsächlich einmal Bestandteil „zeremonieller“ Kommunikation, 17<br />

mündlich wie schriftlich, werden kann.<br />

In der gesamten Kaiserzeit bestand Übereinstimmung darüber, wann<br />

ein Exemplum „reif“ genug sei, um ohne Bedenken verwendet werden<br />

zu können. Einmütigkeit bestand augenscheinlich nur hinsichtlich der<br />

republikanischen oder noch früherer Exempla. 18 “At a very early date it<br />

was accepted that the canon of exempla virtutum ended with the<br />

Republic.” Ausschlaggebend war dabei nach Alan Cameron der Glaube,<br />

“that the virtues which had made Rome great disappeared with Cato at<br />

Utica.” 19 Cato hatte Selbstmord verübt, weil er nicht unter der Herrschaft<br />

des Siegers von Thapsos, Caesar, weiterleben wollte. Als einer der letzten<br />

aufrechten Vertreter des alten Staates steht er für den Verfassungswandel<br />

von der Republik zum Principat, in dem Werner Portmann eine<br />

wesentliche Bedingung für die „Normhaftigkeit der republikanischen<br />

Exempla“ sieht: „Ihr Leben fiel in die Zeit der ‚libera res publica‘, die<br />

noch nicht wie die Kaiserzeit permanent der Gefahr der tyrannischen<br />

Alleinherrschaft ausgeliefert war.“ 20 Umgekehrt muß auch die Situation<br />

des noch nicht ganz gefestigten frühen Principats gesehen werden: Es ist<br />

offenkundig, wie sehr Augustus und Tiberius – trotz angeblichen<br />

Bewahrens des mos maiorum – „die exempla maiorum der großen<br />

16 Vgl. Kornhardt (1936) 22f.<br />

17 Assmann (1992) 53. Beim Vortrag eines Panegyricus ist der festliche Rahmen<br />

unübersehbar. Daß die Panegyrik ihrerseits die Historiographie formal und inhaltlich<br />

beeinflußt hat, wurde bereits oben S.45 ausgeführt. In diesem Sinne ist<br />

auch diese Gattung „zeremoniell“ geprägt. Zum Begriff der „Erinnerungsfigur“<br />

Assmann (1992) 37–42 u.ö.<br />

18 Die späte Republik kannte eine ähnliche Grenze, wenn sie sich mit Vorliebe auf<br />

Exempla aus der Zeit vor dem zweiten Punischen Krieg beschränkte, s.<br />

Kornhardt (1936) 22.<br />

19 Al. Cameron (1970) 340f, das vorangegangene Zitat: 340.<br />

20 Portmann (1988) 207.


3. Exempla und Geschichte 59<br />

senatorischen Familien als lästige Konkurrenz ablehnten“ und ihrer<br />

weiteren Verbreitung rasch einen Riegel vorschoben. 21<br />

Das Problem des Verfassungswandels zwischen Republik und Principat<br />

wurde bis hier ansonsten ausgeblendet. Aber auch so lassen sich<br />

Zweifel an der soeben wiedergegebenen These von Portmann anmelden.<br />

Hinter den wenigsten Exempla aus der Republik verbirgt sich auch eine<br />

Stellungnahme zur Verfassungsrealität in dieser Zeit – und sei sie noch<br />

so sublim. 22 Wenn auf das Herrschaftssystem in der Republik Bezug genommen<br />

wird, dann geschieht das meistens offen. Die überwiegende<br />

Mehrheit der Exempla in unseren Texten steht aber ohnehin für Tapferkeit,<br />

Glück in der Schlacht oder weises Verhalten. Es ist dabei im Einzelfall<br />

ganz unerheblich, unter welcher Regierungsform diese Beispiele<br />

entstanden sind.<br />

Wenn Ammian Sulla als Exemplum für militärische Führungsqualitäten<br />

anführt, 23 zeigt dies, daß wir unseren Quellen ein Mindestmaß an<br />

Differenzierungsvermögen zutrauen müssen. Sulla fungierte wegen seiner<br />

Grausamkeit im Bürgerkrieg und bei den Proskriptionen während der<br />

ganzen Kaiserzeit fast durchwegs als Negativbeispiel. Warum hätte aber<br />

dann nicht auch ein Kaiser – unabhängig von der Regierungsform, für<br />

die er steht – in einem Exemplum angeführt werden können, das z.B.<br />

allein auf seine militärischen Leistungen hätte Bezug nehmen müssen?<br />

Das Sulla-Exemplum bei Ammian deutet darauf hin, daß nicht einmal<br />

das besonders strenge Regiment eines „tyrannischen“ Kaisers hätte dagegen<br />

stehen müssen, diesen als Exemplum für militärische Fähigkeiten<br />

in die Argumentation einzubringen.<br />

Aufschlußreicher für die Erklärung eines weitgehenden Ausschlusses<br />

kaiserzeitlicher Exempla im römischen Bereich scheint der Vergleich<br />

mit der griechischen Panegyrik. Adressat eines Panegyricus ist fast<br />

21 Blösel (2000) 89f. Schon unter Tiberius endete die Tradition der pompa funebris,<br />

auch nahmen die Kaiser die imagines der adeligen gentes in Beschlag, s. ebd.<br />

22 Namentlich die Dichtungen Claudians enthalten zwar Passagen, die als antimonarchisch<br />

gedeutet werden könnten und in denen die Republik in hellen Farben gezeichnet<br />

wird, z.B. die Exemplakette IV Hon. 310–319 (dazu unten in Kap. 4.1.1<br />

sowie Verf. [1996] 247f). Grundsätzliche Systemkritik ist damit aber nicht impliziert,<br />

dies verhehlt auch Portmann (1988) 208–211 nicht.<br />

23 Das positiv vermerkte Exemplum des Sulla bei Amm. 16,12,41 (dazu unten in<br />

Kap. 4.2.1).


60 3. Exempla und Geschichte<br />

immer der Kaiser, auch wenn er bei der Rede nicht anwesend ist. Wenn<br />

der Philosoph und Redner Themistios ein UFWFIJNLRF anführt, dann<br />

illustriert dieses Beispiel eine abstrakte philosophische Konzeption vom<br />

Herrscher. Die lateinische Panegyrik hingegen besitzt keine fertige<br />

Theorie vom Herrscher. Eine derartige Theorie wird nur in einem<br />

“amalgam of the various individual virtues as found in the exempla” 24<br />

und allenfalls in Umrissen erkennbar.<br />

Henry W. Litchfield hat die Auffassung vertreten, das Exemplum eines<br />

früheren Kaisers könne nur für einen anderen Kaiser Vorbildcharakter<br />

besitzen, nicht jedoch für einen normalen Bürger. Die didaktische<br />

Funktion des Exemplums, das eine gewisse Allgemeingültigkeit für alle<br />

Nachlebenden besitzen sollte, habe daher verhindert, daß die Inhaber<br />

kaiserlicher Macht allzuoft Gegenstand von Exempla geworden seien.<br />

Nur, das Schweigen unserer Quellen betrifft auch andere Persönlichkeiten<br />

in der Kaiserzeit wie z.B. Agrippa oder Agricola. 25 Die von<br />

Litchfield aufgestellte Regel kann deshalb nur dann Gültigkeit beanspruchen,<br />

wenn man sie noch weiter zuspitzt und postuliert: An und für sich<br />

hätte nur ein Kaiser als Exemplum für einen späteren Kaiser dienen dürfen!<br />

Somit wären eigentlich nur Vergleiche mit Gestalten aus der Zeit<br />

vor Actium, als es noch keinen Kaiser gegeben hatte, dazu angetan gewesen,<br />

die Würde des angesprochenen Kaisers nicht in bedenklicher<br />

Weise zu schmälern. 26<br />

Henry E. Chambers’ Vergleich zwischen Themistios und der lateinischen<br />

Panegyrik legt diese Möglichkeit nahe. Wenn den Panegyrikern in<br />

Gallien und anderswo im Westen ein gemeinsames und vorgefertigtes<br />

Modell vom Herrscher vorgelegen hätte, dann hätte dieses auch nur<br />

durch das Exemplum eines früheren Kaisers veranschaulicht werden<br />

24<br />

Chambers (1968) 159, vgl. auch 151 u. 161.<br />

25<br />

Litchfield (1914) 57, der dort den Ausschluß ziviler Personen aus der Kaiserzeit<br />

selbst einräumt.<br />

26<br />

Ein Agrippa hätte vielleicht nur das Ansehen seines Kaisers, Augustus, gemindert,<br />

nicht unbedingt das Prestige des in der Gegenwart angesprochenen Nachfolgers<br />

von Augustus. Aber selbst dann stellen sich die Exempla aus der Republik<br />

als alleiniger Ausweg aus dem Dilemma zwischen didaktischem Anspruch (d.h.<br />

Publikumswirksamkeit) und erforderlicher Rücksichtnahme auf die Würde des<br />

kaiserlichen Adressaten dar, in das die genannten zwei Regeln den Panegyriker<br />

stellen mußten.


3. Exempla und Geschichte 61<br />

können. Stattdessen aber stellte man im römischen Bereich von Rede zu<br />

Rede ein neues Ensemble von Einzeltugenden bzw. Einzelexempla<br />

zusammen. 27<br />

So gesehen waren die Exempla aus der Zeit der Republik sowohl im<br />

Sinne der Konkretion wie der Abstraktion geeigneter, als es irgendein<br />

Exemplum aus der Kaiserzeit sein konnte. Zunächst einmal trägt jedes<br />

exemplum schon von seiner Grundidee her den Beweis in sich selbst,<br />

denn es veranschaulicht nicht nur, sondern ist konkretes „Probestück“. 28<br />

Die republikanischen Exempla trugen ihrerseits zur Abstraktion der am<br />

Herrscher gerühmten oder von ihm geforderten Tugend bei. Erstens<br />

lenkten die Exempla aus der Republik das Augenmerk des unmittelbaren<br />

Adressaten eines Panegyricus, des Kaisers, gezielt auf die Tugend, die<br />

sich im Exemplum einer historischen Persönlichkeit verkörpert. Nur<br />

diese Tugend und nicht die Eigenschaft als Herrscher konnte das<br />

Tertium comparationis sein. Zweitens konnte sich auch jeder andere Zuhörer<br />

oder Leser eines Panegyricus angesprochen fühlen, weil die republikanischen<br />

Exempla nicht von entrückten Herrschern, sondern von<br />

Normalsterblichen sprachen.<br />

Mit Ausnahme von Alan Camerons Begründung für das Übergewicht<br />

der republikanischen Exempla lassen jedoch sämtliche auf den vorangegangenen<br />

Seiten diskutierten Lösungsvorschläge die einfachste Lösung<br />

des Problems außer acht. Je weiter eine erinnerungswürdige Tat zurücklag,<br />

desto eher hatte sie auch schon der Literatur mehrerer Jahrhunderte<br />

als Exemplum gedient. Eine kurze Andeutung genügte, und der gebildete<br />

Rezipient wußte, um wen und worum es ging. Nicht selten werden Exempla<br />

deshalb ohne Namensnennung gegeben, ohne daß wir gleich annehmen<br />

müßten, der Autor habe ein Quiz mit seinen Lesern betreiben<br />

wollen. Umgekehrt wurden geschichtliche Exempla noch häufiger allein<br />

durch Erwähnung des Namens in das Gedächtnis der Zuhörer oder Leser<br />

gerufen, die damit offensichtlich zurechtkamen. 29 Das Gemeinplatzartige<br />

27 Die einzelnen Exempla in den Panegyrici Latini können, so Chambers (1968)<br />

140f, “In no case [...] be considered models in the fullest sense of the word. Such<br />

exempla could only come from the Empire.” S. auch ebd. 129.<br />

28 S. oben S.36.<br />

29 Zu der starken Personifizierung und damit „Verdichtung“ römischer Exempla<br />

nach „dem Muster einer mehr oder weniger umfassenden, mehr oder weniger historisch<br />

gerechten Synekdoche“, wobei Namen für ganze Anekdoten stehen, vgl.


62 3. Exempla und Geschichte<br />

betrifft alle Exempla, die aus der Republik genauso wie alle anderen. Sie<br />

dienen als kultureller Code oder als Erinnerungsfigur, das wurde bereits<br />

angesprochen, und darauf hin werden wir auch die Exempla in unseren<br />

Fallstudien (unten 4.1.1–4.2.2) zu überprüfen haben.<br />

Die besondere Rolle der Republik für das Geschichtsdenken der ganzen<br />

Kaiserzeit liegt vor allem wohl darin begründet, daß es in dieser Zeit<br />

zum Aufstieg Roms gekommen war. In den Begriffen von Ammians Lebensaltergleichnis<br />

heißt das: Rom wurde ruhiger, als das Greisenalter<br />

nahte, die Eroberungen abgeschlossen und die Wirren der Bürgerkriege<br />

überstanden waren; deshalb gab die personifizierte Roma die Herrschaft<br />

an die Kaiser weiter, so wie eine Mutter ihren Kindern das Erbe überträgt.<br />

30 Damit ist ausgesprochen, daß der Aufstieg Roms einen Abschluß<br />

gefunden hat. Alle überstandenen Krisen vom Keltensturm über die<br />

langwierige Auseinandersetzung mit Karthago bis zur Eroberung<br />

Galliens markieren den römischen Gründungsmythos.<br />

Die Literatur der frühen Kaiserzeit, Livius, Horaz, Vergil, hatte die<br />

ganze römische Geschichte teleologisch auf die Friedensherrschaft des<br />

Augustus hin gedeutet. Aktion findet nur in der Zeit davor statt, und insbesondere<br />

kriegerische Aktion ist es, die den Stoff oder wenigstens den<br />

Hintergrund für Exempla bildet. Vor der Benutzung von rhetorischen<br />

Almanachen nach Art des Valerius Maximus stand zunächst einmal die<br />

Lektüre der Klassiker im Schulunterricht an: Vergil, Cicero, Sallust und<br />

Terenz – die Quadriga des Arusianus Messius. Diese Autoren hatten sich<br />

in ihren Gedanken stets auf die Republik bezogen, und sei es, um die<br />

Bürgerkriege der Pax Augusta gegenüberzustellen. Schon allein dadurch<br />

wurde der Blick der Nachlebenden, die diese Klassiker lasen, immer von<br />

neuem auf die Zeit der Republik gelenkt.<br />

Was lag näher, als Exempla aus dieser Epoche auszuwählen, von denen<br />

man sicher sein konnte, daß auch andere sie kannten, Anspielungen<br />

darauf verstanden? Ständige Wiederholung der Ereignisse und Taten in<br />

der republikanischen Vergangenheit verfestigte diese Phase der<br />

von Moos (1988) 62–68 (die Zitate: 64 u. 67) u. Hölkeskamp (1996) 310ff.<br />

Gebien (1969) 70 spricht in diesem Zusammenhang von „der metaphorischen<br />

Kurzform des Exempels“, s. ebd. auch 69ff, 65, ferner 38f (bezüglich der attischen<br />

Redner).<br />

30 Amm. 14,6,5.


3. Exempla und Geschichte 63<br />

römischen Geschichte zur „fundierenden Geschichte“ und damit zum<br />

„Mythos“. 31<br />

Bezüglich der Frage, wie es in der Kaiserzeit zu einer Bevorzugung<br />

von Vergangenheitsbezügen auf die Epoche der Republik g e k o m -<br />

m e n ist, besteht daher weitgehend Übereinstimmung mit der erwähnten<br />

Arbeit von Ulrich Eigler 32 : Die Rolle der Schule bei der Vermittlung<br />

exemplarischer Begebenheiten aus der Republik und bei der Kanonisierung<br />

bestimmter, besonders häufig verwendeter Exempla ist in der Tat<br />

nicht zu unterschätzen. Was bei den Schulautoren vorkam, wurde erinnert<br />

und auch außerhalb des Unterrichts rekapituliert. Letzteres geschah<br />

jedoch selbständiger als Eigler nahelegt. 33 Denn im 4. und<br />

5. Jahrhundert wurde mit Begebenheiten aus der republikanischen Geschichte<br />

oft richtiggehend argumentiert. Oder eine Auswahl von Exempla<br />

war der jeweiligen Argumentation erkennbar angepaßt. 34 Es sollten<br />

31 Assmann (1992) 76. Zu diesem Konzept von „Mythos“ vgl. unten 3.5.<br />

32 Das Problem, warum die Zeit zwischen Augustus und der eigenen Gegenwart<br />

kaiserzeitliche Autoren nur selten zu Vergangenheitsbezügen angeregt hat, ist für<br />

Eigler einer der wenigen Anlässe, sich den Inhalten zuzuwenden, die von der<br />

Schulliteratur transportiert wurden und die den Exempla zugrunde lagen: Wesentlich<br />

an Vergils so einflußreicher Aeneis sei, daß sie eine Gründungszeit besungen<br />

habe, eine „Zeit des kontinuierlichen Aufstiegs und Vollendung als Weltreich“,<br />

s. Eigler, lectiones 81–84 (B II. 1.2. Romana uetustas: Römische Geschichte),<br />

das Zitat: 81; ähnlich auch zu Livius: 198 (B III. 2.4. historiam callens<br />

Livii: „Alte Römische Geschichtsschreibung“ in der Spätantike). Bedauerlicherweise<br />

stellt Eigler diesen Gedanken im Rahmen seiner sonstigen Überlegungen<br />

aber zugunsten einer Geschichte der literarischen Rezeption zurück.<br />

33 Zentrale These seiner Arbeit ist, daß in der Spätantike eine Beschäftigung mit<br />

Geschichte nurmehr unselbständig im Rahmen der literarischen Bildung stattgefunden<br />

habe. „Literaturkanon und kanonisiertes Vergangenheitsbild“ seien<br />

deckungsgleich gewesen, s. Eigler, lectiones 70 (B II. 1.2. Romana uetustas: Römische<br />

Geschichte); die These, die bevorzugte Berücksichtigung der römischen<br />

Republik in der lateinischen Literatur der Spätantike könnte etwas mit dem Verfassungswandel<br />

zwischen Republik und Principat zu tun haben, weist Eigler konsequenterweise<br />

zurück, s. ebd. 85f.<br />

Schmidt (1988) 92 hebt in diesem Zusammenhang ebenfalls die große Bedeutung<br />

der Schule hervor, räumt aber ein, daß „der curriculare Ort der historia – etwa im<br />

Zusammenhang mit der Lektüre von Livius und Sallust? – nicht ganz sicher bestimmt<br />

werden kann“ (zu den stofflichen Erweiterungen des Exemplabestandes<br />

über den schulischen Lektürekanon hinaus oben in Kap. 3.2).<br />

34 Das läßt sich insbesondere am Umgang mit dem Komplex des metus Gallicus /<br />

metus Punicus erkennen. Die damit in Verbindung gebrachten Römer (Camillus,<br />

Marius und auch Caesar bzw. Regulus und die Scipionen – s. unten 4.1.1–4.2.2),


64 3. Exempla und Geschichte<br />

also keineswegs nur simple Parallelen zur Vergangenheit im Vorbeigehen<br />

aufgezeigt werden. Dadurch aber gewann der Umgang mit Exempla<br />

eine Eigendynamik, die wirkliche Rückschlüsse auf das Geschichtsbild<br />

des spätantiken Untersuchungszeitraumes zuläßt und die es im übrigen<br />

gar nicht mehr so wichtig erscheinen läßt, ob Exempla durch das im<br />

Grammatikunterricht erworbene Rüstzeug motiviert waren oder ob sie<br />

erst eigens „gesucht“ werden mußten, um als Argument zur Verfügung<br />

zu stehen.<br />

Durch die häufige Verwendung gewannen Exempla auch aus sich<br />

selbst heraus und nicht nur ihrer Herkunft aus dem Unterricht wegen<br />

vermehrt an Bedeutung: Die entsprechenden Begebenheiten aus der Geschichte<br />

der Republik wurden nicht nur von den Schulautoren bezogen,<br />

sondern vielfach auch aus anderen Quellen, etwa von Livius. Darüber<br />

hinaus wurden sie in den neuen Breviarien auch wieder dargestellt.<br />

Anders gesagt: Exempla waren im 4. und 5. Jahrhundert nicht auf die aus<br />

dem Grammatikunterricht bekannte klassische Darstellungsform angewiesen.<br />

Es ist vielmehr der Inhalt, die Zugehörigkeit zu einer formativen<br />

Periode der eigenen, römischen Geschichte, die den Gebrauch von Exempla<br />

in erheblichem Maße steuert und ihre Beliebtheit in der lateinischen<br />

Literatur der Spätantike ausmacht.<br />

werden besonders häufig auf die eigene Situation in der Spätantike, d.h. die Gefährdung<br />

durch die Barbaren, bezogen und dienen dementsprechend etwa als Muster<br />

für eine (erhoffte) Bewältigung dieser Situation.


3.4 Römische Geschichte und Exempla zwischen Abwertung und<br />

Tradition: das Beispiel Augustin<br />

Im folgenden werden einige grundsätzliche Probleme behandelt, die sich<br />

für Christen beim Umgang mit den heidnischen Exempla aus der römischen<br />

Geschichte ergeben haben. Seiner Bedeutung für die hier behandelte<br />

Zeit von der Mitte des 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts entsprechend,<br />

wird der Schwerpunkt auf Augustinus liegen, doch werden auch<br />

andere christliche Autoren wie Orosius und Prudentius berücksichtigt. 1<br />

Kommt man auf den Gebrauch von exempla maiorum 2 bei dem Autor<br />

von De civitate Dei zu sprechen, so kann nicht genug betont werden, daß<br />

dieses Großwerk Augustins sowohl als apologetische als auch als philosophische<br />

Schrift anzusehen ist, die nicht nur in den elf Büchern der<br />

zweiten Hälfte eine Geschichtstheologie entwickelt, sondern sich auch<br />

vorher schon in dem stärker apologetischen Teil über weite Strecken<br />

hinweg mit dem Neuplatonismus, der Stoa und anderen philosophischen<br />

Richtungen der Antike auseinandersetzt. Augustins Antipode ist also<br />

nicht durchgehend das heidnische Rom einschließlich der ins Christliche<br />

übersetzten Formen antiken Romglaubens, wie das Franz Georg Maier<br />

behauptet hat. 3<br />

1<br />

S. unten. Für Hieronymus kann in diesem Zusammenhang auf Rebenich, Geschichte<br />

(1992) verwiesen werden. Für Ambrosius vgl. die knappen Hinweise bei<br />

Geerlings (1977) 164–168 sowie die oben in Kap. 2 genannte Literatur zu Ambr.<br />

off. Grundsätzlich zum Problem des „rechten Gebrauchs“ der antiken Überlieferung<br />

bei den Kirchenvätern Gnilka (1984); zu Augustinus ebd. 80–91.<br />

2<br />

Im folgenden geht es allein um Augustins Umgang mit ebendiesen römischen<br />

Exempla heidnischer Provenienz und ausdrücklich nicht um seinen letztlich<br />

„philosophisch begründeten“ exemplum - B e g r i f f , s. Geerlings (1977) 175<br />

mit 168–199. Letzterer bleibt allein den exempla fidei oder demjenigen Christi<br />

vorbehalten, dazu auch Studer (1975) bzw. (1985).<br />

3<br />

Maier (1955) 153 (mit Aug. civ. 1 praef. [CCL 47, Z.7]): „Die Gegner, die<br />

conditori eius (civitatis Dei) deos suos praeferunt, können nur die Römer sein.“ In<br />

diesem Sinne auch ebd. 76, 83, 182. Gegen Maier (1955) 196f wendet Thraede<br />

(1977) 134 m. Anm.151 zu Recht ein, die zweite Pentade, Aug. civ. 5–10, und<br />

erst recht die Bücher 11–22 seien kaum als Romkritik zu werten. Eine Monographie<br />

über den Philosophen Augustin wie die von Kirwan (1989) kennt denn auch<br />

den Gedanken an eine Romfixiertheit des Kirchenvaters überhaupt nicht, der Fall<br />

Roms diene diesem allein “as a l e s s o n to pagans of the emptiness of worldly<br />

success” (Herv. Fy; ebd. S.8); ähnlich ebd. 221 über civ. 1–10, wonach Rom lediglich<br />

als Folie für Augustins Aussagen über “the vices and failures of pagan


66 3. Exempla und Geschichte<br />

Dies zeigt schon die Praefatio von De civitate Dei. 4 Diese erste Übersicht<br />

(weitere folgen) über die Konzeption von Augustins Großwerk<br />

wird allzu gern nur in Verbindung mit den ersten fünf Büchern gelesen,<br />

auf die am Anfang des sechsten Buches erneut eine Praefatio folgt. Daß<br />

die Praefatio zu Beginn des ersten Buches sich aber bereits auf sämtliche<br />

Bücher von De civitate Dei bezieht, wird dabei übersehen. Denn von der<br />

civitas Dei, die in hoc temporum cursu [...] inter impios peregrinatur<br />

(Aug. civ. 1 praef. [CCL 47, Z.1f]), ist in den unmittelbar folgenden Büchern<br />

vorerst einmal nicht die Rede.<br />

Die Praefatio spricht zunächst von den superbi, die Augustin überzeugen<br />

und gegen die er den Gottesstaat verteidigen möchte. Damit sind<br />

aber nicht speziell die Römer gemeint, sondern allgemein die Heiden.<br />

Erst über die Kollation des Bibelzitats Jakobus 4,6 / 1. Petrus 5,5 mit dem<br />

berühmten Sendungsauftrag des Anchises in der Aeneis – beide Male ist<br />

von superbi, im Sinne von „Hoffärtige“ bzw. von „hochmütige“ Gegner,<br />

die Rede 5 – kommt Augustin am Ende der Praefatio, wenn auch nur indirekt,<br />

auf die Römer zu sprechen. Gegen diese richtet er den Vers „ihres“<br />

eigenen Dichters 6 : parcere subiectis et debellare superbos (Verg. Aen.<br />

6,853 = Aug. civ. 1, praef. [CCL 47, Z.19]). Damit ist das Stichwort für<br />

die Auseinandersetzung Augustins mit der civitas terrena gegeben, die<br />

dominari adpetit (civ. 1, praef. [CCL 47, Z.20]). Entscheidend aber ist,<br />

daß diese Auseinandersetzung mit dem Weltstaat insgesamt und nur<br />

empires” diene – nicht mehr! Auch Bellen (1998) 58f hat jüngst noch einmal die<br />

angebliche Romfeindschaft Augustins relativiert. Zum gesamten Abschnitt s.<br />

Thraede (1977) 100f, 113f und passim, der sich ausführlich mit der von Maier<br />

(1955) vertretenen Position auseinandersetzt.<br />

4 Maiers These veranschauliche grundsätzlich, so Thraede (1977) 113 Anm.89:<br />

„Fehldeutungen der Praefatio gehen Hand in Hand mit solchen des Gesamtwerks“.<br />

5 Aug. civ. 1 praef. (CCL 47, Z.9–19). Thraede (1977) weist nach, daß Augustin<br />

den Vorwurf der superbia wie auch den der Ruhmsucht (gloria / gloriari) gleichermaßen<br />

gegen stoische und neuplatonische Philosophen wie auch gegen die<br />

Römer richtet, s. ebd. bes. 114 (mit Stellenangaben ebd. Anm.92) u. S.123–127.<br />

6 Vgl. Aug. civ. 5,12 (CCL 47, Z.48f): poeta insignis illorum. Augustins Verhältnis<br />

zu Vergil steht, so MacCormack (1998) 226, abhängig von seinem Alter zwischen<br />

“dialogue” und “confrontation”.


3. Exempla und Geschichte 67<br />

mittelbar, unter anderem (etiam), mit Rom erfolgen soll, und zwar dort,<br />

wo es Augustin nötig und möglich erscheint. 7<br />

Der Anlaß für die Abfassung von De civitate Dei, der Fall Roms 410,<br />

war prägend für die Art, wie Augustin die römische Geschichte dann in<br />

seinem Werk behandelt hat. Deshalb folgt zunächst ein Überblick über<br />

Augustins Ausgangssituation im Jahr 412, als er mit der Niederschrift<br />

des „Gottesstaates“ begann. Die Plünderung der Stadt Rom durch<br />

Alarich in den Augusttagen von 410 stellte ein Fanal dar, nicht so sehr in<br />

militärischer als – und dies umso nachhaltiger – in psychologischer Hinsicht.<br />

Erstmals seit dem Keltensturm waren feindliche Truppen in das<br />

Stadtgebiet vorgedrungen, und Heiden wie Christen gleichermaßen sahen<br />

das Ende der für ewig gehaltenen urbs gekommen. 8 Der Glaube an<br />

den ewigen Bestand Roms hatte nicht nur seit jeher bei den Heiden bestanden,<br />

auch Christen hatten sich ihn zwischenzeitlich zu eigen gemacht.<br />

Dieser Gedanke, Rom werde ewig bestehen, ist eng verbunden mit der<br />

römischen Geschichtsauffassung. Die Werte, die den Aufstieg Roms zur<br />

Weltmacht ermöglicht hatten, wurden stets als gefährdet angesehen;<br />

diese pessimistische Komponente römischen Geschichtsverständnisses<br />

wurde schon angesprochen. Umgekehrt, in einer hoffnungsfroheren Perspektive<br />

bestand aber auch Zuversicht, die erreichte Größe nicht wieder<br />

zu verlieren, wenn es nur gelänge, Werte wie Tapferkeit, Disziplin, Bescheidenheit<br />

und dergleichen zu bewahren. 9 Die Vorstellung einer Roma<br />

aeterna geht auf die Zeit des 2. Jahrhunderts v.Chr. zurück; seither genoß<br />

die Dea Roma kultische Verehrung. Die Idee, Rom werde ewigen<br />

Bestand haben, verdichtete sich erstmals während der Regierungszeit des<br />

Augustus zu einem teleologischen Geschichtsbild. Die Herrschaft des<br />

ersten Princeps, der die Bürgerkriege beendet und Frieden gebracht<br />

hatte, galt den Augusteern Vergil, Horaz und Livius als das Ziel, auf das<br />

die gesamte bisherige Geschichte Roms hin zugelaufen war. Garant für<br />

7 Unde etiam de terrena civitate [...] non est praetereundum silentio quidquid<br />

dicere suscepti huius operis ratio postulat et facultas datur. (Aug. civ. 1 praef.<br />

[CCL 47, Z.20–23]).<br />

8 Zu den Ereignissen von 410 und den zeitgenössischen Reaktionen darauf s.<br />

Zwierlein (1978) mit Demandt (1989) 145f.<br />

9 Vgl. dazu für die frühe Kaiserzeit Bracher (1948/87).


68 3. Exempla und Geschichte<br />

den Bestand der alten Werte und damit den ewigen Bestand Roms war<br />

die res publica restituta. Die Restaurationspolitik des augusteischen<br />

Zeitalters hatte den inneren Kriegen Roms und dem Sittenverfall einen<br />

Riegel vorgeschoben. 10<br />

Erneut Konjunktur hatte die sogenannte Romidee in der uns interessierenden<br />

Zeit, und dies war keineswegs nur ein verzweifeltes Aufbäumen<br />

der letzten Heiden Symmachus, Claudian und Rutilius Namatianus,<br />

denn die Idee von der Ewigkeit Roms besaß inzwischen auch eine<br />

christliche Variante. Prudentius hatte sich nur sechs Jahre vor der Plünderung<br />

Roms in seinem Gedicht gegen Symmachus bis in die Formulierung<br />

hinein an den vergilischen Sendungsgedanken angelehnt und über<br />

den christlichen Friedenskaiser Theodosius ausgesagt:<br />

denique nec metas statuit nec tempora ponit:<br />

imperium sine fine docet, ne Romula virtus<br />

iam sit anus, norit ne gloria parta senectam.<br />

(Prud. c.Symm. 1,541ff). 11<br />

Diese Verse und die Dichtungen des Prudentius überhaupt stehen in einer<br />

Reihe mit den Schriften von Origines und Euseb. Sie alle waren<br />

Christen, die vom ewigen Bestand Roms – für sie zuallererst einmal die<br />

Stadt der Apostel Petrus und Paulus – in dieser Welt bis zum Tage des<br />

jüngsten Gerichts ausgegangen waren. Basis für diese heilsgeschichtliche<br />

Ausdeutung der römischen Geschichte war die Koinzidenz von Geburt<br />

Christi und Regierungszeit des Augustus. 12 Der Apologet des<br />

2. Jahrhunderts Meliton von Sardes war der erste gewesen, der dieser<br />

Gleichzeitigkeit der Ereignisse eine positive Seite abgewonnen hatte.<br />

Origines ging noch darüber hinaus, indem er die Einheit des Reiches<br />

unter der Friedensherrschaft der römischen Kaiser als Voraussetzung für<br />

10 Vgl. Fuhrmann (1968) 531 u. Klein (1985) 97f. Ausführliche Kritik an dem freilich<br />

von beiden vertretenen Konzept „Romidee“ in der Einleitung (Kap. 1).<br />

11 Vgl. Verg. Aen. 1,278f. Die Auffassung von Rom, die Prudentius hier und anderswo<br />

an den Tag legt, ist deshalb „nichts anderes [...] als die ins Christliche<br />

transponierte Fortsetzung des augusteischen Sendungsbewußtseins“, so Klein<br />

(1985) 138 (ebenso Fuhrmann [1968] 557 Anm.74).<br />

12 Lukas 2,1. Grundlegend zu dieser „Augustus-Theologie“, die am deutlichsten bei<br />

Orosius zutage tritt, Peterson (1935/51) 97. Zum Folgenden s. ebd. bes. 86–105,<br />

ferner: Buchheit (1966/71) 456, 475–478; Fuhrmann (1968) 546, 556–559;<br />

Zwierlein (1978) 53ff.


3. Exempla und Geschichte 69<br />

die christliche Mission ansah und das Imperium Romanum damit insgesamt<br />

und in allen Phasen seiner Entwicklung als gottgewollt begriff.<br />

Dieses spätantike Denken über die Sendung Roms wurde durch die<br />

Ereignisse von 410 nachhaltig in Zweifel gezogen. 13 Für ein teleologisches<br />

Geschichtsdenken, in dem die weltliche Geschichte sich in der<br />

Größe Roms vollendet, war kein Platz mehr. In dieser Situation reagierte<br />

Augustin „mit einem Geschichtsbild [...], im Vergleich zu dem nun freilich<br />

das des Prudentius allzu treuherzig erscheint“ und das „Rom als<br />

metaphysische Größe entthront“. 14 Sein „Gottesstaat“ besaß eine doppelte<br />

Zielsetzung. Es galt, den Vorwürfen der Heiden, der Fall Roms und<br />

andere Mißstände der Zeit seien auf die Abkehr von den heidnischen<br />

Staatskulten zurückzuführen, und ihrer daraus resultierenden Forderung<br />

nach Wiederherstellung ebendieser Kulte entgegenzutreten. Zugleich<br />

beabsichtigte Augustin, die durch den Fall Roms verunsicherten Glieder<br />

der Gemeinde wieder in ihrem christlichen Glauben zu festigen. Dazu<br />

mußte er das Christentum von der dem Anschein nach „unauflöslichen<br />

Bindung mit dem sakral interpretierten Kaisertum“, 15 die seit Constantin,<br />

spätestens seit Theodosius, bestanden hatte, befreien – es kam zu der bekannten<br />

Differenzierung nach den beiden als Idealtypen zu verstehenden<br />

civitates. Deren Geschichte unterzieht Augustin in den Büchern 11 bis<br />

18 einer parallelen Betrachtung. Spätestens dort, in der zweiten Werkhälfte,<br />

zeigt sich, daß Rom nicht der mit der civitas terrena identische<br />

Angelpunkt ist, um den sich in De civitate Dei alles dreht.<br />

Es sind die ersten fünf Bücher, die Augustin in erster Linie der Auseinandersetzung<br />

mit dem heidnischen Rom seit seinen Anfängen widmet.<br />

Die dort vorgenommene Betrachtung der römischen Geschichte ist<br />

so systematisch wie bei keinem anderen der in dieser Untersuchung berücksichtigten<br />

Autoren, Orosius einmal ausgenommen. 16 Der Kirchenvater<br />

behandelt die wichtigsten historischen Ereignisse und Gestalten<br />

13<br />

Der Glaube an die Ewigkeit Roms war auch nach 410 nicht restlos erloschen.<br />

Nicht alle ließen sich in diesem Glauben anfechten, deutlich sowohl bei einem<br />

Christen wie Orosius (dazu Zwierlein [1978] 55) als auch bei dem Heiden<br />

Rutilius Namatianus (s. Fuhrmann [1968] 553f).<br />

14<br />

Klingner (1941/65) 570.<br />

15<br />

Zwierlein (1978) 57.<br />

16<br />

Angesichts ihres Umfangs und ihres Scharfblicks gilt das trotz der Breviarienliteratur<br />

(Festus, Eutr., Vir.ill.).


70 3. Exempla und Geschichte<br />

sogar in chronologischer Reihenfolge. 17 Dennoch hat Augustin kein prozessuales<br />

Geschichtsverständnis. Geschichte läuft bei Augustin gerade<br />

nicht wie noch bei Prudentius stringent auf einen Punkt wie die Friedensherrschaft<br />

des Augustus oder der christlichen Kaiser Constantin und<br />

Theodosius zu. Obwohl Augustin den Aufstieg des römischen Reiches<br />

nicht als Voraussetzung für die Ausbreitung des Christentums ansieht,<br />

hat die Entstehung des römischen Weltreiches auch in seinen Augen ihr<br />

Gutes: All die Helden, die auf den Aufstieg Roms zur Weltmachtstellung<br />

hingewirkt haben, sind in einem abstrakten Sinn exempla (Aug. civ. 5,18<br />

[CCL 47, Z.134]) für die Christen. Diese weltstaatlichen Exempla sollen<br />

den Christen ein Ansporn sein, im Bemühen um das göttliche Heil einen<br />

ebenso starken Willen und eine ähnlich große moralische Kraft an den<br />

Tag zu legen, wie die Heiden das um eines vergänglichen Ruhmes willen<br />

getan haben. 18<br />

So ungewöhnlich ein solches Verfahren auch bei dem sonst den Römern<br />

gegenüber so kritischen Augustin scheinen mag, so sehr ist es doch<br />

inhaltlich von der Apologetik 19 und formal von der Überbietungsfigur in<br />

der Panegyrik vorgezeichnet. In dem angesprochenen Kapitel folgt auf<br />

jedes Exemplum eine Art Überbietung, die sich allerdings nicht (wie in<br />

der Panegyrik) auf einen verklärten Ist-Zustand bezieht. Auch die jeweiligen<br />

Taten und die erwiesene Leidensbereitschaft der Genannten selbst<br />

interessieren Augustin nicht sonderlich. Stattdessen postuliert er, ein<br />

Christ, der das himmlische Vaterland ersehne, müsse ein Vielfaches<br />

mehr an Motivation mitbringen, nach Art dieser Vorbilder zu handeln,<br />

als diese Heiden selbst es getan hätten. Schließlich hätten diese im Geiste<br />

des Weltstaates nur nach irdischem Ruhm gestrebt. 20<br />

17 Besonders konsequent wird das chronologische Gliederungsprinzip von Augustin<br />

in den Partien civ. 2,16–24 und 3,13–30 durchgehalten.<br />

18 Aug. civ. 5,18 (CCL 47, Z.127–150).<br />

19 Carlson (1948) 103 u. passim weist nach, daß die lateinischen Kirchenväter heidnische<br />

exempla virtutis nicht nur bereitwillig, sondern im großen und ganzen<br />

auch eher lobend zitiert haben.<br />

20 Es ist m.E. kein großer Abstrich an den L e i s t u n g e n dieser großen heidnischen<br />

Persönlichkeiten, wenn Augustin daraufhin in civ. 5,19 den Römern<br />

cupiditas gloriae und libido dominationis vorwirft. Der akzentuierte Vorbildcharakter<br />

der in civ. 5,18 angesprochenen Römer ist situationsbedingt und gilt nur<br />

unter dem jeweils hervorgehobenen Gesichtspunkt. Das 19. Kapitel muß zweifelsohne<br />

das im vorangegangenen Kapitel ausgesprochene Lob für die alten


3. Exempla und Geschichte 71<br />

Das hat zur Konsequenz, daß Augustin mit De civitate Dei auch keine<br />

prozessual verstandene Unheilsgeschichte beabsichtigt hat. Eine solche<br />

hatte der spanische Presbyter Paulus Orosius mit seiner Historia<br />

adversum paganos vorgelegt. Dieses Geschichtswerk mit universalem<br />

Anspruch hatte den ihm von Augustin gestellten Rahmen offensichtlich<br />

überschritten, zudem in eine falsche Richtung. Augustin selbst war es,<br />

der Orosius 416/17 die Aufgabe gestellt hatte, alle greifbaren Fälle von<br />

Sittenlosigkeit, Kriegen, Verbrechen und Katastrophen, die schon früher<br />

bis in die Gegenwart die Heiden heimgesucht hatten, in einem eigenen<br />

Werk zusammenzustellen. Der Bischof von Hippo Regius hatte gehofft,<br />

seine eigenen Bücher über den Gottesstaat dadurch von zuviel geschichtlichem<br />

Detail entlasten zu können. 21 Die Auftragsarbeit des<br />

Orosius war unterdessen nicht zu Augustins Zufriedenheit ausgefallen. 22<br />

Die sieben Bücher des Orosius sehen zwei Prozesse in der Geschichte:<br />

Dekadenz bis zur Durchsetzung des Christentums und Fortschritt in der<br />

darauffolgenden Zeit. 23 Mit dieser Geschichtsauffassung konnte Augustin<br />

nicht einverstanden sein, denn er wollte ja gerade zeigen, daß Heilsgeschichte<br />

und Weltgeschichte nicht aufeinander bezogen sind. So<br />

wollte Augustin nicht nur „Front gegen jegliche Art von Rommythos, sei<br />

er heidnisch oder christlich motiviert“, 24 machen, sondern ihm dürfte<br />

Exempla einschränken. Aber es tut das nur insoweit, als der Beweggrund für solche<br />

Leistungen, die Sucht nach persönlichem Ruhm, falsch gewesen ist (vgl. civ.<br />

5,18 [CCL 47, Z.134] – 5,19 [Z.5]). Indirekt spricht Augustin die vorgenannten<br />

Römer am Anfang von civ. 5,19 sogar von Herrschsucht frei: Für deren Auswüchse<br />

hat er ein anderes Beispiel zur Hand, Nero (5,19 [Z.31–37]). Anders<br />

Honstetter (1977) 182ff.<br />

21<br />

Diese Tendenz wird ersichtlich aus Aug. civ. 3,1 (CCL 47, Z.20ff). S. auch<br />

Zwierlein (1977) 69f u. Herzog (1980) 87.<br />

22<br />

Augustin äußerte zwar nie offen Kritik an Orosius, schwieg sich aber nach Erscheinen<br />

von dessen Historien über ihn aus, von einer kühlen Erwähnung des<br />

Orosii cuiusdam Hispani presbyteri in Aug. retract. 2,44,1 (CCL 57, Z.2–7, hier:<br />

Z.3) abgesehen; indirekte Kritik an Oros. hist. 7,26,9–27,15 übt Aug. civ. 18,52<br />

(CCL 48, Z.1–15), dazu Paschoud (1967) 278, s. auch Geerlings (1989) 195f u.<br />

Koch-Peters (1984) 20f. Grundlegend zum Verhältnis Augustin-Orosius:<br />

Mommsen (1959), bes. 344–347.<br />

23<br />

Zur Fortschrittsidee des Orosius und ihren Grenzen s. Herzog (1980), bes. 98f<br />

(über die Durchsetzung des Christentums hinaus kann es keinen weiteren Fortschritt<br />

geben).<br />

24<br />

Zwierlein (1978) 63.


72 3. Exempla und Geschichte<br />

konsequenterweise an einer „Destruktion der Geschichte als Unheilsgeschichte“<br />

à la Orosius genausoviel gelegen haben. 25<br />

So ist für Augustins Systematik nicht Chronologie maßgebend, sondern<br />

sein ureigenstes theologisches Anliegen. Sein Ziel ist es nicht,<br />

„römische Geschichte darzustellen, sondern an ihr etwas zu beweisen“. 26<br />

Soweit wird man Franz Georg Maier zustimmen können. Nur ist Rom<br />

eben gerade nicht Augustins Hauptthema, und es ist auch nicht sein einziger<br />

Gegner, wie kritisch er es auch immer behandelt, das hat eingangs<br />

unser Blick auf die in der Praefatio zum ersten Buch von De civitate Dei<br />

vorgelegte Gesamtkonzeption des Werkes gezeigt. Im Vergleich zu dem<br />

Entwurf der civitas Dei als „Gegengesellschaft“ 27 haben Rom und die<br />

Verteidigung gegen die Vorwürfe der Heiden nur untergeordnete Bedeutung,<br />

und dies nicht zuletzt auch räumlich, nach der Zahl der Bücher.<br />

Die auf den vorangegangenen Seiten genannten Gründe haben denn<br />

auch Folgen für die Behandlung der römischen Geschichte durch Augustin.<br />

Seine Geschichtsbetrachtungen verfolgen, sehr allgemein formuliert,<br />

die Absicht, Mythen zu zerstören. Dazu begibt man sich am besten<br />

selbst in die „Niederungen“ solcher Mythen, um sie Stück für Stück zurechtrücken<br />

oder widerlegen zu können. Augustin mußte sich also mit<br />

dem heidnischen Vorbilddenken auseinandersetzen, zeigen, daß den<br />

exempla maiorum keine Vorbildkraft zukomme. 28 Er braucht die Exempla<br />

für seinen Argumentationsgang. Die exempla maiorum stellen einen<br />

kulturellen Code dar, der fest im kulturellen Gedächtnis seiner Zeit verankert<br />

ist und über den auch ein Augustin nicht hinweggehen kann. Das<br />

25 So die These von Geerlings (1989) 195. Auch für Goetz (1980) 139 ist Augustin<br />

„Geschichtstheologe und nicht Geschichtsschreiber“, er gibt aber auch zu bedenken,<br />

daß man Augustin „ein grundsätzlich enges Verhältnis zur Geschichte“ nicht<br />

absprechen könne.<br />

26 Maier (1955) 78. Die folgende Kritik richtet sich nicht grundsätzlich gegen sein<br />

Buch über „Augustin und das antike Rom“ als bis heute umfassendsten Beitrag<br />

zum Thema. Der Wert von Maiers Augustin-Monographie wird aber m.E. dadurch<br />

eingeschränkt, daß diese ihr Thema, die Rombezüge des Kirchenvaters und<br />

Philosophen Augustin, verabsolutiert.<br />

27 Geerlings (1989) 201.<br />

28 Augustin übt nicht nur an einzelnen Exempla Kritik. Er hält das römische Vorbilddenken<br />

für grundsätzlich verfehlt, etwa weil es die leges atque instituta<br />

maiorum repetiert, ohne sie auf den dahinter stehenden Gerechtigkeitsgehalt hin<br />

zu überprüfen (civ. 2,7 [CCL 47, Z.23ff]).


3. Exempla und Geschichte 73<br />

chronologische Anordnungsprinzip ist für den Beweisgang Augustins<br />

nur insoweit wichtig, als es ihm darum geht, nachzuweisen, daß Rom<br />

schon von seinen Wurzeln her auf einem falschen Weg ist. Die Geschichte<br />

bleibt aber auch für den Kirchenvater vor allem eine Kollektion<br />

von Exempla. Der Unterschied zu Autoren wie Claudian und Ammian<br />

ist, daß Augustin in den Büchern 2 und 3 des „Gottesstaates“ Exempla in<br />

zeitlicher Reihenfolge abhandelt, von Exemplum zu Exemplum springt.<br />

Infolgedessen ist kaum eines der von Augustin angeführten Beispiele nur<br />

um einer bloß äußerlichen Vergleichbarkeit willen in einen über sie hinfortlaufenden<br />

Text eingeflochten.<br />

Topik wird bei Augustin nie zum Selbstzweck, die Exempla der Römer<br />

sieht er gerade nicht als gemeinsames Erbe der Gesellschaft an, das<br />

es im kulturellen Gedächtnis zu bewahren und stets von neuem zu vergegenwärtigen<br />

gilt.<br />

Augustin deutet die ihm vorliegenden Exempla um, doch nicht in der<br />

Absicht, die Ereignisse und Gestalten der Geschichte wieder aus der moralischen<br />

Absonderung im Exemplum zurück in ihren historischen Rahmen<br />

zu stellen. „Exempla w a r e n die Geschichte“ 29 in der Spätantike,<br />

und über diese statische Geschichtsauffassung geht auch Augustin nicht<br />

hinaus. Nicht zu vergessen ist, daß die exempla maiorum die Erinnerungsfiguren<br />

der Gesellschaft waren, in der Augustin, Sohn der Christin<br />

Monica, seine Sozialisation erfahren hatte. 30 Augustin hatte das System<br />

der antiken Bildung durchlaufen und selbst mehrere Jahre als Rhetorikprofessor<br />

in Thagaste, Rom und dann, bis zu seiner Bekehrung, in Mailand<br />

gelehrt. Seine historischen Kenntnisse dürfen als überdurchschnittlich<br />

bezeichnet werden. 31 Der Gebrauch von Exempla und die Auseinandersetzung<br />

mit ihnen wurde ihm dadurch wesentlich erleichtert.<br />

Es ist eine für unsere Zwecke müßige Frage, ob Augustin sich gewissermaßen<br />

„verstellt“ hat, wenn er ein Exemplum der „anderen“ anführte,<br />

oder ob er diese Erinnerungsfiguren so sehr verinnerlicht hatte, daß sie<br />

ihm von selbst in die Feder flossen. 32 Die Panegyrik zeigt, daß auch an<br />

29<br />

Honstetter (1977) 113 (dort Unterstreichung).<br />

30<br />

Dazu oben 3.3.<br />

31<br />

Maier (1955) 78.<br />

32<br />

Ähnlich skeptisch gegenüber Fragen dieser Art ist MacCormack (1998) XIX –<br />

dort in bezug auf Augustins Umgang mit Themen, denen Vergil sprachlich und


74 3. Exempla und Geschichte<br />

christlichen Kaiserhöfen bis weit ins 6. Jahrhundert hinein fast ausschließlich<br />

mit heidnischen Exempla operiert wurde, ohne daß die<br />

christlichen Herrscher dies als Fauxpas verstanden hätten. 33<br />

Dem Christentum hätte es im Grunde genommen nicht an Exempla<br />

eigener Provenienz gemangelt. Nur besaßen die Geschichten aus dem<br />

alten und dem neuen Testament nicht den Gemeinplatzcharakter (in positivem<br />

Sinne), den die a l l s e i t s , bei Heiden und Christen gleichermaßen<br />

bekannten alten heidnischen Exempla auch noch in der Zeit eines<br />

christlichen Kaisertums hatten. Ein heilsgeschichtlicher Stoff hätte sich<br />

weder für apologetische Zwecke geeignet 34 noch, und das dürfte entscheidender<br />

sein, für die zumindest in einem Panegyricus erwartete<br />

Überbietungsfunktion (ZUJWT]M). 35 Den wenigen Versuchen in der lateinischen<br />

Patristik, namentlich von Paulinus von Nola und Ambrosius,<br />

die heidnisch-römischen durch alttestamentliche Exempla abzulösen und<br />

eine christliche Panegyrik zu etablieren, war denn auch kein Erfolg beschieden.<br />

36<br />

Daher spiegelt Augustin das traditionelle römische Geschichtsverständnis<br />

wider, und das nicht nur in der Widerlegung der römischen Exempla.<br />

37 Er „revidiert“ die römische Geschichte. Aber nachdem dies geschehen<br />

ist, „konnte sich auch die Roma christiana guten Gewissens Beispiele<br />

aus ihr holen“, 38 d.h. sich den topischen Charakter dieser Exempla<br />

inhaltlich gültigen Ausdruck verliehen hatte (Geburt eines messianischen Kindes,<br />

Zerstörung einer großen Stadt, pietas, Natur des Göttlichen).<br />

33<br />

S. Pabst, Symm. or. (1989) 292f u. Portmann (1988) 217f.<br />

34<br />

Vgl. Carlson (1948) 94.<br />

35<br />

Christen hätten einen in Gestalt des Neuen oder Alten Testaments kanonisierten<br />

Inhalt niemals in Frage gestellt, auch rhetorisch nicht (dazu oben in Kap. 3.2).<br />

36<br />

Näher dazu MacCormack (1976) 64–67 u. Rosen, Geschichtsdenken (1982) 18–<br />

21, s. auch Fuhrmann (1994) 295. Im griechischsprachigen Osten sollte es hingegen<br />

gelingen, die herkömmlich imperialen Motive in der Panegyrik mit christlichen<br />

Bildern zu verbinden, wenn auch erst in justinianischer Zeit, s. Av. Cameron<br />

(1991) 198f.<br />

37<br />

Darauf hat insbesondere Pöschl (1954/83) 212 hingewiesen, der aber m.E. den<br />

Bogen überspannt, wenn er darüber hinausgehend von Augustin behauptet:<br />

„Voller Bewunderung steht er vor den grossen exempla der römischen Geschichte,<br />

und hierin unterscheidet er sich nicht von den heidnischen Römern seiner<br />

Zeit.“ (ebd. 217).<br />

38<br />

Rosen, Geschichtsdenken (1982) 23; vgl. dazu bes. Aug. civ. 5,17f.


3. Exempla und Geschichte 75<br />

für christliche Lehrzwecke zunutze machen. Augustins Methode bei dieser<br />

Revision der römischen Geschichte ist die, daß er häufig „ Stü tzo<br />

d e r K o n t r a s t e x e m p l a [...] anführt, um seine Deutung eines<br />

übergeordneten Exemplums zu untermauern“. 39 Das übergeordnete oder<br />

„Hauptexemplum“ wird ausführlicher behandelt, ihm gibt Augustin zumeist<br />

„eine neue, der traditionellen ausdrücklich widersprechende Deutung“.<br />

40 Das kürzere Stützexemplum hingegen wird ganz traditionell<br />

wiedergegeben. Es soll dem Leser als Hilfe zum Verständnis der augustinischen<br />

Neudeutung dienen, fungiert also ganz konventionell als Mittel<br />

zur Illustration. 41 Auf dem Wege eines solchermaßen differenzierten<br />

Umgangs mit Exempla vermag es Augustin, seine Gegner überzeugend<br />

mit den eigenen Waffen zu schlagen.<br />

Was Augustins Exemplagebrauch von dem aller anderen Autoren,<br />

auch Ammian, unterscheidet, ist dies: Der Kirchenvater argumentiert mit<br />

diesen Exempla auf ein und derselben Zeitstufe. Das historische Exemplum<br />

ist nicht mehr nur ein Mittel, mit dem sich ein Geschehen in der<br />

Gegenwart bzw. in der jüngsten Vergangenheit dokumentarisch begründen<br />

läßt. Stattdessen spielt Augustin historisches Exemplum gegen historisches<br />

Exemplum aus. Um nicht seiner eigenen Argumentation entgegenzuarbeiten<br />

und nicht unglaubhaft zu werden, kann er nur eines, das<br />

im Mittelpunkt stehende Hauptexemplum, umdeuten. Das bloß am<br />

Rande angeführte Hilfs- oder Stützexemplum darf er dabei nicht auch<br />

noch in Zweifel ziehen, denn dies würde dazu führen, daß ein Augustin<br />

gegenüber distanziertes Publikum von vornherein seine Neuinterpretation<br />

der römischen Geschichte verwerfen würde. Aber auch die umbewerteten<br />

Exempla versucht Augustin äußerlich möglichst traditionell zu<br />

gestalten. Er weicht nicht von dem allseits bekannten Faktengerüst des<br />

39 Honstetter (1977) 185 (dort Unterstreichung), der die bislang einzige theoretische<br />

Abhandlung zum Exemplagebrauch in Augustins De civitate Dei vorgelegt hat.<br />

Das Folgende gibt seine wichtigsten Ergebnisse (s. ebd. 185–191) in geraffter<br />

Form wieder.<br />

40 Honstetter (1977) 186.<br />

41 Bei Augustin betrifft das besonders die unten behandelten Exempla von<br />

Camillus, dessen Treue er der Unzuverlässigkeit der falschen Götter gegenüberstellt<br />

(s. unten 4.1.2), und Regulus, den er in der Frage, ob Selbstmord erlaubt sei,<br />

gegen Cato d.J. ausspielt (s. 4.1.3).


76 3. Exempla und Geschichte<br />

betreffenden Exemplums ab, nur weist er diesem nicht den ihm sonst<br />

üblicherweise zuerkannten Sinn bzw. Wert zu.<br />

Die Neuinterpretationen der wohlbekannten (Haupt-)Exempla dienen<br />

Augustin dann ihrerseits als Kontrast zu anderen geschichtlichen Exempla,<br />

gelegentlich auch als Kontrast zu den sittlich verkommenen Heiden<br />

der eigenen Gegenwart. Oder aber das traditionell positiv bewertete Verhalten<br />

eines Exempelheldens steht nach den von Augustin angelegten<br />

Maßstäben plötzlich als wenig vorbildlich und schon gar nicht als nachahmenswert<br />

da.<br />

Wie alle Autoren seiner Zeit zieht auch Augustin bei seinen Rückblicken<br />

auf die römische Geschichte eine Trennlinie zwischen Republik<br />

und Kaiserzeit. Die Zeit nach Augustus wird in De civitate Dei nur selten<br />

thematisiert. Einen wesentlichen und augustinspezifischen Grund dafür<br />

haben wir bereits im vorangegangenen Kapitel (3.3) angesprochen: Den<br />

Bischof von Hippo interessieren vor allem die Auswüchse der Sittenlosigkeit<br />

in Rom vor Christi Geburt. Nur mit Exempla aus der Zeit davor<br />

kann der Bischof von Hippo seine heidnischen Gegner wirkungsvoll widerlegen,<br />

die dem Christentum angelastet hatten, es habe einen Verfall<br />

der Sitten ausgelöst, durch den es erst zum Fall Roms 410 habe kommen<br />

können. Daß der Messias während der Regierungszeit des ersten Kaisers<br />

in Rom in die Welt trat, ist für Augustin nicht mehr als eine rein zeitliche<br />

Koinzidenz der Ereignisse in den beiden grundverschiedenen civitates.<br />

Ein anderer, der für unsere Fragestellung wichtigere, Grund für die<br />

Konzentration auf die Zeit vor Christus bzw. vor dem Kaisertum in Rom<br />

ergibt sich aus dem in diesem Kapitel Gesagten: Augustin geht bei seinen<br />

Erörterungen von dem in seiner Zeit vorherrschenden Geschichtsbild<br />

aus. Nur so ist er diskursfähig, zugleich entspricht das der Ausbildung,<br />

die er genossen hat, und seiner Sozialisation im allgemeinen. 42 Angenommen,<br />

er hätte in De civitate Dei die Kaiserzeit verstärkt ins Blickfeld<br />

gerückt – Augustin hätte sich dafür eigens vor dem Leser rechtfertigen<br />

42 Vgl. MacCormack (1998) 229, die sich in ihrer Studie zum Verhältnis Augustin-<br />

Vergil unbewußt mit Honstetter (1977) und seinen Beobachtungen zur Methode<br />

des Kontrastexemplums berührt: “In one sense, the new could not be thought of<br />

without reference to the old. It was necessary to begin with some agreed-upon<br />

premise, however provisional it might turn out to be, in order to formulate what<br />

was to be thought of and worked for next.”


3. Exempla und Geschichte 77<br />

müssen und ihm ungleich mehr Sacherklärungen liefern müssen. So aber<br />

konzentrierte er sich auf die im kulturellen Gedächtnis (nicht erst seit<br />

seiner Zeit) fest verankerten Erinnerungsfiguren aus der bewegten Aufstiegsphase<br />

Roms. Es galt nun einmal das ungeschriebene Gesetz, daß<br />

die Ära der römischen Geschichte, aus der man Exempla zu entnehmen<br />

pflegte, mit der Republik endete. Für das theologische Anliegen<br />

Augustins hätte es wenig Sinn gemacht, sich dieser Konvention zu<br />

widersetzen.<br />

So aber ist Augustins Zugang zur Geschichte – anders als deren Bewertung<br />

– derselbe wie etwa bei den Zeitgenossen Symmachus, Pacatus oder<br />

Claudian. Es gibt für diese Autoren nur zwei Arten der Geschichtsbetrachtung,<br />

Zeitgeschichte oder aber den Rückgriff auf die heroisierte, zu<br />

Exempla erstarrte Geschichte – vornehmlich die der römischen Republik.<br />

Die dazwischenliegenden Jahrhunderte scheinen für diese Autoren<br />

überhaupt nicht zu existieren; mutatis mutandis gilt das auch für<br />

Ammian. 43 Auch wenn wir diese Tatsache auf sich beruhen lassen – bei<br />

einem Christen ist sie bemerkenswert: Die christlichen Kaiser Constantin<br />

und Theodosius würdigt der Kirchenvater Augustin nur knapp in zwei<br />

Kapiteln von De civitate Dei, 5,25 und 26. „Ein Gefühl dafür, bereits<br />

über hundert Jahre in einem ‘Empire chrétien’ zu leben, fehlt Augustin<br />

in erstaunlichem Masse“. 44<br />

43 Der Schwerpunkt seiner Tacitusfortsetzung liegt auf 18 Büchern Zeitgeschichte,<br />

während Ammian die Jahrhunderte davor auf 13 Bücher komprimiert hatte.<br />

44 Schindler (1987) 166; zum gesamten Absatz auch ebd. 157.


3.5 Mythologie und Geschichte im Exemplum<br />

Obschon diese Arbeit sich nur einem Ausschnitt der Geschichte, der Zeit<br />

der römischen Republik, widmet, ist eine grundsätzliche Klärung des<br />

Verhältnisses von Geschichte und Mythos sinnvoll. In der gesamten<br />

Antike wird Mythos wie selbstverständlich als Teil der Geschichte begriffen.<br />

1 So kann ein Exemplum aus der Zeit der Republik ohne weiteres<br />

Glied einer Kette von Exempla aus anderen Epochen der Geschichte und<br />

aus dem Bereich der Mythologie sein. Schon Vergils Aeneis trennt nicht<br />

zwischen Göttern, Halbgöttern und Menschen. Sie alle haben auf den<br />

Aufstieg Roms hingearbeitet. Auch Ilias und Odyssee waren immer feste<br />

Größen im kulturellen Gedächtnis der Griechen und Römer.<br />

In Ermangelung geeigneterer Termini werde ich für die Zwecke dieser<br />

historischen Untersuchung folgende Unterscheidung zwischen „Mythos“<br />

und „Mythologie“ treffen: Als „Mythologie“ bezeichne ich die Sagen<br />

von Heroen und Göttern, wie sie in Ilias, Odyssee oder auch in der<br />

Aeneis auf uns gekommen sind. Es handelt sich hierbei um Gestalten,<br />

die keinerlei Historizität beanspruchen können. „Mythos“ dagegen sind<br />

Geschichten im Sinne des deutschen Wortes „sagenhaft“ – nicht unbedingt<br />

wahr in bezug auf einzelne Fakten, aber doch wahr in bezug auf<br />

einen Wert, eine menschliche Grunderfahrung, die diese Geschichten<br />

reflektieren. Im Sinne dieser Begriffsbestimmung kann Mythologie nur<br />

ein Ausschnitt aus dem Totum des Mythos sein. „Sagenhaft“ ist nicht<br />

nur die Sage an sich, sondern auch etwas „Phänomenales“, „Außergewöhnliches“,<br />

das sich nicht streng wissenschaftlich nachweisen läßt,<br />

kann „sagenhaft“, kann „Mythos“ sein.<br />

Ich setze hier ein funktionales Verständnis von Mythos im Sinne von<br />

Jan Assmann voraus. Demnach verfängt das Gegensatzpaar von Mythos<br />

als Fiktion und Geschichte als Realität grundsätzlich nicht, und schon<br />

gar nicht für die Antike in ihrer Gesamtheit: „Falls es so etwas gibt wie<br />

Texte, in denen eine aseptische Vergangenheit von jeder rekonstruktiven<br />

Phantasie und jedem wertorientierten Interesse unberührt zur Darstellung<br />

1 Demandt (1982) 259. Vgl. auch von Moos (1988) 50, 52 (mit Anm.125): Als frei<br />

erfunden gelten seit Aristoteles nur Parabeln; die mythologische Überlieferung ist<br />

„als Teil der ‚geschehenen Dinge‘ der vergangenen Wirklichkeit“ voll in den<br />

Stoff, aus dem Exempla gemacht sind, integriert (ebd. 52).


3. Exempla und Geschichte 79<br />

kommt, dann sind sie für die Antike nicht zu erwarten“. 2 Denn eine verinnerlichte<br />

Vergangenheit, die den Zweck hat, Sinn zu stiften, „ist<br />

Mythos, völlig unabhängig davon, ob sie fiktiv oder faktisch ist“. Als<br />

solcher ist sie „eine Wahrheit höherer Ordnung“. 3 Ganz in diesem Sinn<br />

versteht Hans-Joachim Gehrke derart „‚geglaubte‘ Geschichte“ als<br />

„intentionale Geschichte“, d.h. als das, „was in einer Gruppe von der<br />

Vergangenheit ‚gewußt, wie über sie geurteilt, was mit ihr gemeint ist‘ –<br />

unabhängig davon, was die historische Forschung im modernen Sinne<br />

davon hält“. 4<br />

Dies trifft auch auf das Exemplum bei den Römern zu. Es erinnert an<br />

Tatsachen, die ein für allemal als wahrhaftig anerkannt worden sind,<br />

unabhängig von ihrer Historizität. 5 Der Wahrheitsgehalt dieser Exempla<br />

bezieht sich in erster Linie auf das moralisch „Wahrhaftige“. Wichtig ist<br />

auch der Faktor Tradition: Exempla sind nicht nur exempla maiorum,<br />

weil irgendein Vorfahr sie vor Urzeiten gegeben hat, sondern auch deshalb,<br />

weil eine Vielzahl von Vorfahren diese Exempla von Generation zu<br />

Generation weitergegeben hat. Die Trennung von Mythos und Geschichte<br />

trägt deshalb auch für unseren speziellen Untersuchungszeitraum,<br />

das 4. und das 5. Jahrhundert, nicht. Das werden auch die nachfolgenden<br />

Fallstudien zu einzelnen Exempla aus der Zeit der römischen<br />

Republik bestätigen. Vorerst mag der Hinweis auf Livius genügen, aus<br />

dessen Werk Valerius Maximus und nahezu alle Literaten der Spätantike<br />

so viele Exempla bezogen haben. Viele der von dem Historiker Livius<br />

berichteten Ereignisse verlieren sich in dichtem Nebel der Legendenbildung,<br />

ihm können Ungenauigkeiten nachgewiesen werden, aber das war<br />

2<br />

Assmann (1992) 75f. Vgl. auch Gehrke (1994) 248: „In jedem Falle haben wir,<br />

beim Blick auf die antike Überlieferung, die Grenzen zwischen Mythos und Geschichte<br />

weitestgehend fallen zu lassen.“<br />

3<br />

Assmann (1992) 76. Mit einer erklärtermaßen „funktionale[n] Definition“ von<br />

Mythos steht Burkert (1979) 29 dieser Richtung schon recht nahe. „Mythisches<br />

Denken“ komme ohne „die Dichotomie wahr-falsch“ aus (ebd. 32), u.a. deshalb,<br />

weil „Religion und Mythos prinzipiell unabhängig voneinander“ seien (ebd. 33).<br />

4<br />

Gehrke (1994) 247.<br />

5<br />

In diesem Sinn jetzt auch Stemmler (2000) 161f Anm. 66. Als Beispiele für die<br />

selbstverständliche Einbeziehung mythologischer Schilderungen in das „historische“<br />

Exemplum s. Amm. 28,1,46 (Busiris und Antaeus) u. 28,4,11 (Castor und<br />

Pollux). Für Claudian sei auf die Ausführungen von Döpp (1980) 35f mit 216<br />

verwiesen.


80 3. Exempla und Geschichte<br />

für sein Geschichtswerk auch gar nicht wichtig, das die Grundlagen für<br />

den Aufstieg Roms und die Erfüllung der römischen Sendung in der<br />

Herrschaft des Augustus nachzeichnen wollte.<br />

Das Exemplum ist eine vormoderne Form der Vergegenwärtigung von<br />

Geschichte. Es ist zu betonen, daß hinter dieser Form der Aneignung von<br />

Geschichte ein Erkenntnisinteresse steht, das erst gerade einmal 200<br />

Jahre verschüttet ist, verdrängt vom Historismus. 6 Der Mediävist Peter<br />

von Moos hat in einer vergleichend angelegten Studie über das Exemplum<br />

von der Antike bis zur Neuzeit darauf hingewiesen, daß der<br />

Held einer Geschichte „vor dem 18. Jahrhundert immer mehr oder weniger<br />

ein ‚Knotenpunkt‘, ‚Kräftefeld‘, ein ‚Ort‘ oder ‚Gefäß‘ (locus) der<br />

aus ihm ableitbaren Eigenschaften, ihm zuschreibbaren Taten, von ihm<br />

anführbaren Aussprüche, nicht eine in unserem Sinne ‚wirkliche‘, unverwechselbare,<br />

unteilbare Persönlichkeit“ geblieben ist. Aber: „Je unpersönlicher<br />

(im modernen Sinn also ‚unhistorischer‘) er wird, desto<br />

mehr wächst seine allgemeine modellhafte Potentialität in den Mythos<br />

hinein“. 7 Auf Rom bezogen heißt das einerseits: „Große Männer machen<br />

Geschichte“, denn die Exempla sind die Geschichte. Auf der anderen<br />

Seite aber gehen diesen Gestalten, Frauen sind auch darunter, individuelle<br />

Züge fast gänzlich ab; die „Größe“ beschränkt sich zumeist nur<br />

auf den bekannten Namen, den diese Persönlichkeiten tragen.<br />

Für eine moderne Untersuchung über das Geschichtsbild und Geschichtsdenken<br />

vormoderner Zeiten sind daher folgende Konsequenzen<br />

zu ziehen:<br />

1. Die Binsenweisheit: Wir können nicht mehr hinter ein vorwissenschaftliches<br />

Geschichtsverständnis aus der Zeit vor dem Historismus<br />

zurück.<br />

2. Der Historismus birgt aber auch die Möglichkeit in sich, „die historische<br />

Methode historisch zu relativieren, um die ihr entgegengesetzte<br />

Denkform des Exemplums zu verstehen.“ 8<br />

6<br />

Dazu grundlegend Koselleck (1967/92). Im Zuge der Ablösung der vielen ‚Geschichten‘<br />

durch den „Kollektivsingular“ ‚die Geschichte‘ um 1770 ließ letztere<br />

„alle wiederholbare Exemplarität hinter sich“ (ebd. 51, vgl. auch 58).<br />

7<br />

von Moos (1988) XXVI, vgl. auch ebd. XIV f.<br />

8<br />

von Moos (1988) XXVI.


3. Exempla und Geschichte 81<br />

Die hier getroffene Unterscheidung von „Mythos“ und „Mythologie“<br />

kann deshalb nur eine Notlösung sein. Sie entspringt dem Dilemma, einen<br />

Sachverhalt beschreiben zu wollen, den die gesamte Antike nie als<br />

problematisch angesehen hat. Für unseren Untersuchungsgegenstand, die<br />

römische Republik, stellt das Nebeneinander von Historizität und Mythos<br />

deshalb ein Problem dar, weil sich gerade über Gestalten aus der<br />

Frühzeit Roms wie Brutus, Camillus oder Regulus oft kaum mehr mit<br />

Sicherheit sagen läßt, als, sie hätten existiert. Die im kulturellen Gedächtnis<br />

mit ihnen verbundenen Taten sind jedoch kaum historisch zu<br />

belegen, häufig handelt es sich erwiesenermaßen um Erfindungen. Diese<br />

Gestalten aus der frühen Republik tragen mythische Züge, die von ganz<br />

anderen Persönlichkeiten entliehen sein können 9 .<br />

Allerdings spiegeln auch unsere Quellen eine lose Differenzierung<br />

zwischen Fiktivem und Faktischem wider. Unsere spätantiken Autoren<br />

zweifeln die Überlieferung öfters an. Dabei stellt sich heraus, daß die<br />

Geschichten aus dem griechisch-römischen Sagenkreis auch in der Sicht<br />

der Spätantike das schwächste Glied der Überlieferung darstellen.<br />

Symmachus zieht öfter diejenige Überlieferung, die wir als „Mythologie“<br />

bezeichnen, in Zweifel. Achten wir allerdings genau auf den Wortlaut<br />

solcher Kritiken, dann stellen wir fest, daß für ihn ein anderer Gegensatz<br />

besteht, nämlich der von Dichtung und Wahrheit. 10 Wie selbstverständlich<br />

spricht er von der historia des Troianischen Krieges, allein<br />

die Begebenheit, auf die er anspielt, hält er für erfunden (Symm. or.<br />

2,8). 11 Oder: Symmachus kritisiert die in Zusammenhang mit der Verfassungsdebatte<br />

bei Herodot überlieferte Begebenheit von der Wahl des<br />

Großkönigs, bei der das Wiehern eines Pferdes den Ausschlag gab, energisch.<br />

Am Ereignis selbst hegt er jedoch überhaupt keinen Zweifel. Insgesamt<br />

ist die Kritik an der Überlieferung bei Symmachus zu grundsätz-<br />

9 Deutlich nachzuweisen bei Camillus, vgl. unten 4.1.2.<br />

10 Diesen Gegensatz sieht auch schon Quintilian, dazu Price (1982) 190ff.<br />

11 Vgl. auch Symm. or. 2,17: Dort wird auf die Gründungslegende von Karthago<br />

angespielt. Distanz wird auch hier deutlich, nicht aber Zweifel am Geschehen an<br />

sich: ecce exempla veterata saeculorum! Ähnlich auch Amm. 24,6,14: Distanz<br />

gegenüber den Dichtungen über Hektor, aber nur, um zeigen zu können, daß auch<br />

die Gegenwart noch zu derartigen militärischen Leistungen imstande ist.


82 3. Exempla und Geschichte<br />

lich und allgemein, als daß eine prinzipielle Unterscheidung von Mythos<br />

und Geschichte als Motiv für diese Kritik angenommen werden könnte. 12<br />

Nicht einmal Augustin hat mit den heidnischen Götterschilderungen,<br />

geschweige denn mit anderen Erzählungen aus dem Bereich der Mythologie,<br />

die Probleme, die wir von ihm als Christ zunächst einmal erwarten<br />

würden. Die Götter der Römer sind für ihn durchaus existent, er deutet<br />

sie als von Gott abgefallene Engel, Dämonen. 13 Die Ilias, Odyssee und<br />

Aeneis zugrundeliegende Geschichte vom Ende Troias vermag Augustin<br />

daher ebenso wie der Raub der Sabinerinnen in eine Reihe mit den nachfolgend<br />

von ihm behandelten, für uns historisch faßbaren Ereignissen zu<br />

stellen. 14 Zwar betreibt Augustin im 18. Buch von De civitate Dei die<br />

Entmythologisierung vergöttlichter Herrscher in der frühen ägyptischen,<br />

griechischen und römischen Geschichte und so bekannter Götter und<br />

Halbgötter wie Prometheus, Atlas, Mercur, Kekrops und Tantalus, 15 aber<br />

gerade hier ist unverkennbar, daß Augustin nicht die Historizität der lebendigen<br />

Menschen bezweifelt, die später als Vorlage für die Götterschilderungen<br />

der griechisch-römischen Sagen dienten.<br />

Ich beschließe diese kurzen Erörterungen mit einer für das Thema<br />

„Mythos und Geschichte“ sehr aufschlußreichen Textpassage. Sie<br />

stammt zwar nicht aus dem Untersuchungszeitraum, ist aber dennoch<br />

repräsentativ, denn sie findet sich bei dem für die Rhetorik der Spätantike<br />

wegen seines Gebrauchswertes sehr einflußreichen Handbuchautor<br />

Valerius Maximus. Es wirkt wie eine Entschuldigung, wenn dieser<br />

an einer Stelle, an der er ein Exemplum aus der Aeneassage, dem für<br />

Rom ‚fundierenden‘ Mythos, aufbereitet, gegen mögliche Zweifler<br />

schreibt, er halte sich nur an die Überlieferung, die er vorgefunden habe.<br />

12 Es bleiben zwei Ausnahmen von der Regel, mit denen Symmachus aber unter<br />

unseren Autoren allein dasteht. Dem Zweifel an den figmenta carminum über die<br />

Rettung eines Helden im Epos (Symm. or. 1,4) folgt das auch nur bedingte Vertrauen<br />

in die aufgebauschten Kleinigkeiten der historiae (or. 1,5). Symm. or. 2,21<br />

bezeichnet die vetus fabula von den Giganten als zum Teil nicht glaubwürdig<br />

(neque [...] credibile est) bzw. er meint, diese fama habe übertrieben (auxit).<br />

13 Aug. civ. 2,16 u. 22ff (dazu ausführlicher unten in Kap. 4.2.1).<br />

14 Aug. civ. 3,2 (Ilion / Troia); 2,17 (Raub der Sabinerinnen). In civ. 3,13 werden<br />

Kriege zwischen Verwandten miteinander verglichen, und zwar der, der sich an<br />

den Raub der Sabinerinnen anschloß, mit dem Bürgerkrieg zwischen Caesar und<br />

seinem Schwiegersohn Pompeius.<br />

15 Vor allem in den Kapiteln Aug. civ. 18,5; 8f und 13f.


3. Exempla und Geschichte 83<br />

Das klingt im ersten Moment sehr stark nach der modernen, von<br />

Assmann und Gehrke verworfenen Unterscheidung von Mythos und Geschichte<br />

– hier im Sinne eines Gegensatzes von religiösen Glaubensinhalten<br />

(die Irrwege der aus Troia stammenden Penaten innerhalb von<br />

Italien) und rational nachvollziehbarem Geschehen –, ist es aber nicht.<br />

Denn Valerius Maximus schreibt weiter: „Meine Position ist es, das, was<br />

in berühmten Schriftwerken verzeichnet ist, als Wahrheit anzuerkennen<br />

und nichts auszusparen.“ (Val.Max. 1,8,7). 16 Das bedeutet aber nicht,<br />

daß Valerius sich wider besseres Wissen als unbedarft verstellt. Nicht die<br />

von ihm wiedergegebenen Inhalte sind es, die er für irrig hält, sondern<br />

im Gegenteil die Tatsache, daß es Leser mit derartigen Zweifeln geben<br />

wird: „Allerdings weiß ich sehr wohl, wie Aktionen und Worte der<br />

unsterblichen Götter, gebunden an menschliche Wahrnehmung mit<br />

Skepsis beurteilt werden.“ (Val.Max. 1,8,7). 17<br />

Es gibt also in Rom durchaus Skeptiker, die die einzelnen Details der<br />

„Mythologie“ als Teil des Mythos insgesamt in ihrem Wahrheitsgehalt<br />

anzweifeln. Valerius spricht aber nicht von grundsätzlicher Skepsis gegenüber<br />

dem Mythos, im speziellen Fall der Geschichte von der Überführung<br />

der Penaten nach Italien, an sich. Verständnis für dieses Mißtrauen<br />

zeigt Valerius nicht. Mythos ist für ihn eine geradezu heilige Sache,<br />

geheiligt allein schon durch generationenlange Bewahrung im kulturellen<br />

Gedächtnis – litterarum monumentis consecrata.<br />

16<br />

Übers. Blank-Sangmeister – nostrum est inclitis litterarum monumentis<br />

consecrata perinde ac vera non refugisse.<br />

17<br />

Übers. Blank-Sangmeister – Nec me praeterit de motu et voce deorum<br />

inmortalium humanis oculis auribusque percepto quam in ancipiti opinione<br />

aestimatio versetur.


4. Die Exempla aus der römischen Republik in der<br />

lateinischen Literatur der Spätantike<br />

In den nachfolgenden Fallstudien zum Stellenwert der Exempla aus der<br />

Zeit der römischen Republik im Geschichtsbild des 4. und<br />

5. Jahrhunderts, wird von Personen und nicht von den Tugenden ausgegangen,<br />

für die diese Persönlichkeiten stehen. Dieses Verfahren findet<br />

seine Rechtfertigung darin, daß die Werte, für die die Exempla jeweils<br />

stehen, zwar von vielen modernen Autoren mit einer entsprechenden<br />

Tugend verbunden werden, daß sich diese Tugendbegriffe aber häufig<br />

nicht in der Quelle selbst finden.<br />

Die Zuweisung eines entsprechenden lateinischen Begriffs mag im<br />

Einzelfall zwar zulässig sein, diese induzierten Wertbegriffe können aber<br />

kaum eine zuverlässige Grundlage für Vergleiche zwischen mehreren<br />

Exempla bilden. Im allgemeinen wird ein derartiger Vergleich immer<br />

wieder auf das kleinste gemeinsame Vielfache, die virtus oder ihr<br />

Gegenteil, das vitium, hinauslaufen. 1 Zum anderen wird mit dieser Konzentration<br />

auf Einzelpersönlichkeiten, die keiner individualistischen<br />

Geschichtsauffassung des Verfassers entspringt, eine Grundgegebenheit<br />

des römischen Umgangs mit Exempla berücksichtigt. Schon bei Cicero<br />

und vor ihm bei Terenz wurden exempla virtutis in starkem Maße<br />

personifiziert. 2<br />

Ein maßgebliches Kriterium für die Auswahl der Persönlichkeiten, die<br />

hinter den im folgenden betrachteten Exempla aus verschiedenen Phasen<br />

der römischen Republik stehen, ist die Berücksichtigung dieser exemplarischen<br />

Personen bei möglichst vielen der in dieser Arbeit berücksichtigten<br />

Autoren. Nur so lassen sich die Variationsmöglichkeiten, die sich<br />

beim Gebrauch ein und desselben Exemplums in unterschiedlichem<br />

Kontext bei den verschiedenen Autoren ergeben, ausloten. Dabei ist<br />

selbstverständlich auch die Gattung, in der der jeweilige Autor schreibt,<br />

mit in die Untersuchung einzubeziehen, vor allem jedoch die Haltung,<br />

1 Auch eine Monographie, die sich mit dem Wertesystem nur eines einzigen Autors<br />

befaßt, wie die von A. Brandt (1999) zu Ammian, kommt über dieses Problem<br />

nicht hinweg, vgl. ebd. v.a. 14–18.<br />

2 S. Kornhardt (1936) 24ff; zur Personifizierung von Exempla auch oben Kap. 3.3<br />

Anm.29.


86 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

die er zu den eigenen Zeitumständen einnimmt. Ob die Beurteilung dieser<br />

Person bei ein und demselben Autor homogen ist oder ob sie Widersprüche<br />

aufweist, ist ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt.<br />

Heidnische und christliche Schriftsteller werden in den einzelnen<br />

Kapiteln jeweils nacheinander untersucht, ohne daß damit schon gesagt<br />

wäre, daß diese stets zu unterschiedlichen Urteilen über die von ihnen<br />

angesprochenen Exempla gelangt wären. Eine apologetische Absicht<br />

kann das Urteil eines christlichen Autors in eine negative Richtung lenken,<br />

muß es aber nicht (anders wäre das für Augustin zu beobachtende<br />

System der Stütz- und Kontrastexempla nicht möglich). Im Einzelfall<br />

können Christen zu durchaus günstigeren Urteilen über ein Exemplum<br />

gelangen als manche ihrer heidnischen Zeitgenossen. Vor allem der<br />

mehrfach in unserem Untersuchungsraum aufflammende Konflikt zwischen<br />

Heiden und Christen (384, 394, 410) rechtfertigt eine nach christlichen<br />

und nichtchristlichen Autoren gegliederte Untersuchung. Auch<br />

unterscheiden sich beide Gruppen im Spektrum der von ihnen verwendeten<br />

Gattungen. Christen schreiben keine Panegyrici mit heidnischen<br />

Exempla bzw. geben sich in diesen Fällen nicht als Christen zu erkennen<br />

(wie möglicherweise Claudian), wogegen Heiden naheliegenderweise<br />

keine Bibelkommentare verfassen. Gerade in solchen Lehrtexten ergeben<br />

sich aber, soviel kann vorweggenommen werden, durchaus bezeichnende<br />

Unterschiede, wenn altbekannte Exempla eine Neuinterpretation aus<br />

christlicher Sicht erfahren. Der „Interdependenz von Heidnischem und<br />

Christlichem“ wird deshalb in den folgenden Kapiteln die notwendige<br />

„Aufmerksamkeit“ gewidmet, 3 ohne daß darüber das „Gegeneinander“ 4<br />

aus dem Blick geraten soll.<br />

3 Einen Mangel daran lastet Döpp (1988) 21 der modernen Literaturgeschichtsschreibung<br />

an. Gegenüber allem, was Heiden und Christen voneinander trenne,<br />

möchte er die „Geschlossenheit und Einheit von Kultur und Literatur“ der Epoche<br />

von 350 bis 430 berücksichtigt wissen (ebd. 20). In diesem Zusammenhang<br />

sei auch auf den ebd. angeführten instruktiven Aufsatz von Jacques Fontaine<br />

(1982) mit dem programmatischen Titel „Christentum ist auch Antike“ hingewiesen.<br />

4 Nach Fuhrmann (1994) 49–53 sowie 392 bleibt dies bis um 500 der hervorstechende<br />

Charakterzug im Verhältnis von heidnisch profaner zu christlicher Literatur.


4. Die Exempla aus der römischen Republik 87<br />

Besonderer Wert wird bei der Untersuchung auf die Funktion des einzelnen<br />

Exemplums als Bestandteil einer Exemplareihe gelegt. Leitend ist<br />

hierbei zum einen die Frage nach dem topischen Charakter von Exempla:<br />

Welche historischen Persönlichkeiten repräsentieren immer wieder<br />

ein und denselben Wert oder rufen bestimmte Ereignisse ins Gedächtnis?<br />

Zum anderen geht es aber auch darum, inwieweit sich bestimmte<br />

Exemplareihen besonders gut auf die im 4. und 5. Jahrhundert<br />

auf der Tagesordnung stehenden Themenkomplexe anwenden lassen.<br />

Zudem läßt gerade die Zusammenstellung mehrerer Exempla Rückschlüsse<br />

auf deren Herkunft zu, darauf also, ob die Exemplakette von<br />

einem bestimmten Autor wie Vergil, Cicero, Sallust oder Livius oder<br />

aber aus einschlägigen Handbüchern wie dem des Valerius Maximus<br />

übernommen worden ist.


4.1 Frühe und mittlere Republik – eine „mythische“ Zeit<br />

des Werdens<br />

Bei den zunächst untersuchten Exempla – vom Republikgründer L.<br />

Brutus bis zum Zerstörer Karthagos, dem jüngeren Scipio Africanus –<br />

wird uns eine oftmals kaum entwirrbare Vermengung von Fiktion und<br />

Faktischem begegnen, die wir im vorangegangenen Kapitel als kennzeichnend<br />

für den Mythos erkannt haben. Natürlich stellt sich die Frage,<br />

ob das nicht nur an der uns zur Verfügung stehenden, gelegentlich sehr<br />

mangelhaften Überlieferung liegt. In jedem Fall kann aber den Exempla<br />

aus der Aufstiegsphase Roms mehr als allen Exempla aus späteren Epochen<br />

der römischen Geschichte eine „formative Kraft“ zugebilligt werden.<br />

In diesen Exempla kommt in ganz besonderem Maße „eine Wahrheit<br />

höherer Ordnung“ 1 zum Vorschein, vor der sich nicht einmal<br />

Augustin verschlossen hat.<br />

4.1.1 Brutus: Garant der Republik?<br />

LUCIUS UND MARCUS BRUTUS<br />

Am Anfang unser Untersuchung zu einzelnen exemplarischen Gestalten<br />

aus der Zeit der römischen Republik steht „Brutus“. Spätestens seit<br />

Shakespeares “honorable man” scheint der Caesarmörder Marcus Brutus<br />

dem Begründer der römischen Republik Lucius Brutus den Rang abzulaufen,<br />

soweit es das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit betrifft. 1 In<br />

der Antike war genau das Gegenteil der Fall. Um den ersten Consul L.<br />

Iunius Brutus (509 v.Chr.) rankten sich einige wenige Legenden. Doch<br />

diese genügten, „Seine zum Mythos stilisierte Gestalt [...] wie keine andere<br />

zur Symbolfigur der Republik mit ihren Signaturen: Freiheit und<br />

1 Beide Zitate: Assmann (1992) 76.<br />

1 William Shakespeare: Julius Caesar, III, 2, v.84 u.ö., in: ders.: Tragedies, Bd.2,<br />

(Everyman’s Library 164) New York / Toronto 1993, 307. Im Gefolge<br />

Shakespeares rückte die antike Gegenüberstellung Cato-Caesar in den Hintergrund;<br />

ausführlicher dazu Christ (1994) 119. Zur Zeit der Französischen Revolution<br />

kam es sogar zu einem regelrechten „Brutuskult“ (ebd. 122).


Brutus 89<br />

Konsulat“ 2 werden zu lassen. Es tat dabei im übrigen nichts zur Sache,<br />

daß nicht einmal sicher war, ob es sich bei Lucius tatsächlich um den<br />

Ahnherr der späteren Iunii Bruti handelte. 3 M. Iunius Brutus war nicht<br />

der erste aus seiner Familie, der sich auf das Idealbild des Republikgründers<br />

berief. 4 Nur führte es in seinem Fall zu guter Letzt dazu, daß er sich<br />

berufen fühlte, 5 die Republik gegen einen neuen Aspiranten auf die Königswürde<br />

zu verteidigen, nachdem sein mutmaßlicher Ahnherr durch<br />

Vertreibung des Königs Tarquinius Superbus die entscheidende Voraussetzung<br />

zur Gründung ebendieses Gemeinwesens geschaffen hatte.<br />

Anders gesagt: Was beide verbindet, ist außer dem gleichen Namen<br />

das unbedingte Eintreten für ein freies Gemeinwesen mit hohem moralischem<br />

Anspruch und gegen ein tyrannisches Königtum. Da die Tat des<br />

Marcus Brutus vergeblich blieb, umgrenzen beide Bruti annäherungsweise<br />

auch den Zeitraum der römischen Republik. Die Parallelen zwischen<br />

ihnen sind Anlaß genug, sie beide innerhalb desselben Kapitels zu<br />

untersuchen. Auch wenn Belege zu Lucius Brutus klar überwiegen, lohnt<br />

es sich, das Exemplum des Marcus Brutus generell mit im Auge zu<br />

behalten.<br />

Abgesehen davon, welche Exemplarität dem älteren und dem jüngeren<br />

Brutus in der Spätantike überhaupt noch zugemessen wurde, ist im Einzelfall<br />

danach zu fragen, inwiefern sich die schon beim historischen M.<br />

2 Bellen (1994) 3.<br />

3 Anders als etwa Cicero, für den der Caesarmörder eindeutig von L. Brutus abstammt<br />

(z.B. Brut. 14,53; Tusc. 4,2), geht Plut. Brut. 1,6 kurz auf die Zweifel ein,<br />

die daran bestanden haben. Dazu und zum Folgenden ausführlicher: Werner<br />

Schur, s.v. Lucius Iunius Brutus 46.a, in: RE Suppl. 5 (1931) Sp.356–369, bes.<br />

359f u. 368f.<br />

4 Vor allem die Iunii Bruti des 4. Jh.s v.Chr., die als erste ihrer Familie das Consulat<br />

bekleidet haben, haben den sagenhaften Republikgründer für sich in Anspruch<br />

genommen und entscheidend zur Ausformung seiner Legende beigetragen. M.<br />

Brutus ließ 54 v.Chr., d.h. noch nicht im Kontext des Attentats auf Caesar, Münzen<br />

mit dem Bild einer Libertas und des L. Brutus prägen, näher dazu Clarke<br />

(1981) 10 u. 15f; s. auch ebd. 36ff zum Folgenden.<br />

5 Zur Teilnahme an der Verschwörung und den Motiven im einzelnen Matthias<br />

Gelzer, s.v. M. Iunius Brutus, der Caesarmörder. 53, in: RE 10,1 (1917) Sp.973–<br />

1020, hier v.a. 988–991.


90 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Brutus selbst festzustellende Tendenz fortsetzte, Eigenschaften des<br />

Älteren auf den Jüngeren „abfärben“ zu lassen. 6<br />

L. BRUTUS UND DAS CONSULAT<br />

L. Iunius Brutus soll, so will es die legendenhafte Überlieferung, die<br />

Römer zum Aufstand gegen die Königsherrschaft und zur Vertreibung<br />

des letzten Königs geführt haben, nachdem Lucretia durch einen Sohn<br />

des Tarquinius Superbus geschändet worden war. 7 Der Spätantike ist er<br />

vor allem als Begründer des Consulats und erster Inhaber des Amtes<br />

vertraut. Häufig wird sein Name nur genannt, um den Begriff „Consulat“<br />

zu umschreiben. Als Epitheton ornans tritt „Brutus“ dabei neben Bezeichnungen<br />

für Amt im weitesten Sinne wie potestas und honos oder<br />

neben Amtsinsignien (insignia, habitus) wie die fasces oder die trabea,<br />

die Toga mit dem Purpurstreifen. In erster Linie wird so der variatio des<br />

Ausdrucks Genüge getan, zugleich handelt es sich aber immer auch um<br />

einen Beitrag zur Präsenz des ersten Consuls im kulturellen Gedächtnis<br />

der Spätantike. Auf diese Weise fällt der Name Brutus zunächst nur beiläufig.<br />

Meist ist dies aber ein Beweggrund, die Gegenwart im Licht des<br />

legendären Republikgründers zu betrachten, L. Brutus im übertragenen<br />

Sinn (im Einzelfall auch ganz konkret) nach seiner Einschätzung des<br />

Hier und Jetzt zu befragen.<br />

Vor allem Claudian kommt in seinen panegyrischen Versdichtungen<br />

wiederholt auf L. Iunius Brutus zu sprechen. 8 Allein in der Invektive gegen<br />

den Eunuchen Eutropius 9 von 399, gegen dessen Consulat im Ostteil<br />

des Reiches Claudian polemisiert, wird das Amt des Consuls dreimal auf<br />

6<br />

Besonders anschauliche Beispiele für einen Ideal-„Brutus“, in dem Elemente des<br />

Republikbegründers Lucius und des Tyrannenmörders Marcus untrennbar miteinander<br />

vermengt werden, kennt die Brutus-Rezeption in der Zeit der Amerikanischen<br />

und der Französischen Revolution; hierzu Clarke (1981) 101.<br />

7<br />

S. v.a. Liv. 1,59f.<br />

8<br />

“Brutus is a favorite with Claudian”, so Barbara Saylor Rodgers, in: Nixon /<br />

Rodgers, Pan.Lat. (1994) 434 Anm.181.<br />

9<br />

Der Rivale Stilichos war als Sklave geboren worden. Im fortgeschrittenen Erwachsenenalter<br />

freigelassen, trat Eutropius in den Hofdienst ein. Unter Arcadius<br />

stieg er 395 zum praepositus sacri cubiculi auf und baute seine Machtstellung<br />

seither konsequent aus, bis zu seinem Sturz 399; zur Biographie des Eutropius s.<br />

Scholten (1995) 223–227.


Brutus 91<br />

die genannte Weise umschrieben. In einer eingeschobenen fiktiven Rede,<br />

die sich an Bellona richtet, wettert Iuppiter über die mollitia (Claud.<br />

Eutr. 2,112) der Byzantini, der Graii Quirites im Osten (2,136). 10 Alle,<br />

Volk, Senat und Hof, stünden sie hinter dem Consul Eutropius, verdienten<br />

wohl auch nichts Besseres. 11 Iuppiter sieht, wie weit es gekommen<br />

ist:<br />

So tief ist die Consulwürde meiner Enkel gesunken?<br />

Wird so das Amt des Brutus verachtet?<br />

(Claud. Eutr. 2,140f). 12<br />

Seinem Sprößling Romulus, indirekt auch Brutus 13 gegenüber, gelobt<br />

Iuppiter deshalb Rache für die entweihten fasces. Mit dem Bezug auf<br />

Brutus wird das Ideal eines hohen Amtes heraufbeschworen. Der Bezug<br />

auf Brutus und seine Insignien hat indes keinen antimonarchischen Beiklang,<br />

auch nicht gegen das oströmische Kaisertum. Als Honorius 404<br />

sein zwischenzeitlich sechstes Consulat in Rom antritt, sieht am Ende<br />

des Panegyricus, den Claudian aus diesem Anlaß verfaßt hat, der Flußgott<br />

Tiber den Kaiser und Consul Honorius angetan sowohl mit einer<br />

trabea wie Brutus als auch mit einem Szepter wie Romulus. 14<br />

Schon in diesen beiden Fällen ist Brutus mehr als nur ein besserer<br />

„Kleiderständer“, an dem sich die consularische Amtstracht bildlich aufhängen<br />

läßt. An die Verbindung von Name und Insignie knüpfen sich<br />

jeweils weitere Aussagen an, für die bei einem bloß formalen Terminus<br />

wie consulatus kein Anlaß bestehen würde. Mit dem Vorsatz, ihn<br />

10<br />

Iuppiters Rede an die Göttin Bellona: Claud. Eutr. 2,112–159.<br />

11<br />

Vgl. Claud. Eutr. 2,137: o patribus plebes, o digni consule patres! Außerdem<br />

ebd. 133.<br />

12<br />

Übers. Schweckendiek – hucine nostrorum cinctus abiere nepotum? | sic Bruti<br />

despectus honos? Die altertümlich geschürzte Toga, der cinctus bzw. cinctus<br />

Gabinus, als Amtstracht soll zusätzlich Würde und Alter des Consulats unterstreichen,<br />

s. Steinbeiß (1936) 27f m. Anm.43 und Claud. Eutr. 1,28; 2,62;<br />

III Hon. 3.<br />

13<br />

Die fasces sind unmittelbar in Claud. Eutr. 2,142 nur auf Romulus bezogen,<br />

Brutus wird nur mit seinem honos in Verbindung gebracht. Aus dem Kontext<br />

heraus, in dem es um eine Fehlbesetzung im Consulat geht, dürften aber die<br />

fasces, da Machtinsignien sowohl der Könige als auch der späteren Beamten in<br />

der Republik, auch auf Brutus zu beziehen sein.<br />

14<br />

Claud. VI Hon. 641f: iam Thybris in uno | et Bruti cernit trabeas et sceptra<br />

Quirini [sc. Romulus].


92 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

abzuwerten, wird der Consul des Ostens Eutropius sogleich auch an dem<br />

in der Regel positiv bewerteten 15 Vorgänger im Consulat Brutus gemessen.<br />

Claudian fragt nicht nur abstrakt, ob Eutropius seinem Amt gewachsen<br />

ist. Der Hinweis auf den ersten Amtsinhaber und damit auf die<br />

Wurzeln des Consulats kann zugleich als Appell an den Hof in Constantinopel<br />

verstanden werden, ein Mindestmaß an Einheitlichkeit zwischen<br />

beiden Reichshälften zu wahren, denn trotz der seit 395 bestehenden<br />

Reichsteilung wurden die Jahresconsuln im Grundsatz nach wie vor<br />

gemeinsam für West- und Ostreich bestellt.<br />

Auch der Hinweis in Claudians römischer Consulatsrede von 404, daß<br />

Honorius Kaiser und Consul in Personalunion ist, stellt, indem an die<br />

Begründer des Königtums in Rom und der römischen Republik erinnert<br />

wird, Honorius in eine lange Tradition römischer Geschichte. Mit der<br />

nüchternen Feststellung, im soeben angebrochenen Jahr sei Honorius<br />

gleichzeitig imperator und consul, wäre diese Wirkung nicht zu erzielen<br />

gewesen. Der namentliche Hinweis auf zwei (stadt-)römische Gründergestalten<br />

unterstützt Claudian zudem in seinem Anliegen, den Amtsantritt<br />

des Honorius in der urbs als hervorstechendes Merkmal dieses<br />

sechsten Consulates hervorzuheben. 16<br />

L. BRUTUS: HINRICHTUNG <strong>DER</strong> SÖHNE<br />

In dem nachfolgend dargelegten Fall ist noch deutlicher zu erkennen,<br />

wie Claudian sich ausgehend von einer Charakterisierung des Consulats<br />

als Amt des Brutus zu weiterer Reflexion über diesen und seine Stellung<br />

in der römischen Geschichte anregen läßt. Im ersten Buch von In<br />

Eutropium wägt die Dea Roma ab, ob der Name des östlichen Consuls<br />

Eutropius überhaupt im Westen, in Rom, bekanntgegeben werden soll. 17<br />

Sie befürchtet, daß die potestas des von ihr persönlich angesprochenen<br />

15 Dies gilt zumindest für alle nicht explizit christlichen Autoren, sofern die Gestalt<br />

des Brutus überhaupt konkret einer Bewertung unterzogen wird.<br />

16 Laut Portmann (1988) 93 liegt hier der „Hauptakzent“ von Claud. VI Hon. Kaiserliche<br />

Besuche in Rom waren in der Spätantike eher selten, vgl. dazu Elbern<br />

(1990) 25–36. Allgemein zu den Jahresconsuln in der Spätantike Demandt (1989)<br />

282f und 219: Auch für sie gilt, daß sich eine Amtsübernahme in Rom selbst nur<br />

selten ergab.<br />

17 Claud. Eutr. 1,434ff u. bes. 488–491, dazu Portmann (1988) 77.


Brutus 93<br />

Brutus nun tatsächlich einem Chrysogonus oder Narcissus, beide wie<br />

Eutropius eminent einflußreiche Freigelassene (Sullas bzw. des Kaisers<br />

Claudius) aus der Vergangenheit, anvertraut sei, 18 zumal das Amt bedeutende<br />

Inhaber gesehen hat. 19 Angesichts eines Consul Eutropius sieht<br />

Roma den Sinn der Bewährungsproben Roms in den ersten Jahren der<br />

Republik ernstlich in Frage gestellt, angefangen mit Brutus.<br />

Aufgegriffen wird ein bekanntes Element der Legendenbildung um den<br />

Begründer der Republik, die an den eigenen Söhnen vollzogene Todesstrafe.<br />

Brutus soll dabei alle väterlichen Gefühle um der Mitbürger willen<br />

zurückgestellt haben: natos hoc dedere poenae | profuit et misero<br />

civem praeponere patri? (Claud. Eutr. 1,441f). Die nachfolgende Exemplareihe<br />

erinnert an die Verteidigung Roms gegen die Angriffe<br />

Porsennas, der die verbannten Tarquinier bei ihrem Versuch, die Königsherrschaft<br />

in Rom zurückzuerobern, unterstützte. 20 Nachgetragen<br />

wird ferner der Hinweis auf den Selbstmord der Lucretia, der die Vertreibung<br />

der Tarquinier erst ausgelöst hatte. 21<br />

LUCIUS O<strong>DER</strong> MARCUS BRUTUS?<br />

Claudians Roma fragt sich daher, ob es sich gelohnt habe, daß für einen<br />

Eutropius jene fasces aufbewahrt worden sind, die den Tarquiniern einst<br />

(unter maßgeblicher Beteiligung des Brutus) entrissen worden waren. 22<br />

Sie spricht eine lange Reihe von früheren Consuln, insbesondere aus der<br />

18 Claud. Eutr. 1,440f: iam Chrysogonis tua, Brute, potestas | Narcissisque datur?<br />

Als Freigelassener Sullas bereicherte sich Chrysogonus bei den Proscriptionen<br />

82/81 ganz erheblich; zu ihm Friedrich Münzer, s.v. L. Cornelius Chrysogonus<br />

101, in: RE 4,1 (1900) Sp.1281f. Narcissus intrigierte in vielfältiger Weise am<br />

Hof von Claudius, dazu [Arthur od. Otto?] Stein, s.v. Narcissus 1, in: RE 16,2<br />

(1935) Sp.1701–1705.<br />

19 Die Amtsvorgänger M. Curius Dentatus, Fabius (vermutlich Maximus Cunctator)<br />

werden in Claud. Eutr. 1,437 als Muster an Bescheidenheit genannt, daneben stehen<br />

die servatores aus der gens Aemilia (verschiedene Angehörige einzelner Familien<br />

wie der Papi, Paulli, Lepidi, Regilli oder Scauri sind denkbar) und<br />

Camillus (1,439); zu letzterem unten 4.1.2.<br />

20 Claud. Eutr. 1,443–447; im einzelnen werden namentlich erwähnt der König von<br />

Clusium Porsenna, Horatius Cocles, Mucius Scaevola und Cloelia, vgl. Liv. 2,9–<br />

13.<br />

21 Claud. Eutr. 1,446.<br />

22 Claud. Eutr. 1,448f: Eutropio fasces adservabantur adempti | Tarquiniis?


94 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

frühen und mittleren Republik, persönlich an und fordert sie auf, von den<br />

Toten aufzuerstehen und einen Eunuchen in ihrem früheren Amt nicht<br />

zuzulassen 23 :<br />

komm aus deinem bescheidenen<br />

Grab, Cato, du, der ein Leben unter Caesars Herrschaft verschmähte,<br />

um nun den Eutrop zu ertragen; kehrt wieder von der Finsternis<br />

ihr Heerscharen aus den Familien des Brutus und Corvinus!<br />

Eunuchen legen eure Gewänder an, halb weibliche Männer<br />

greifen nach Roms Insignien. Sie haben die Toga geraubt, die einst<br />

einen Pyrrhus und Hannibal schreckte<br />

(Claud. Eutr. 1,457–463). 24<br />

Nachdem Roma erst kurz zuvor an L. Brutus erinnert hat, spricht eigentlich<br />

nichts dagegen, daß mit den agmina Brutorum auch hier in erster<br />

Linie der Begründer der Republik gemeint ist. Die nachfolgenden Exempla,<br />

Valerius Corvinus, 25 Hannibal und Pyrrhus, verweisen auf den<br />

zeitlichen Rahmen sowohl der frühen als auch mittleren Republik. Insofern<br />

wäre auch an die frühesten historischen Vertreter im Consulat mit<br />

23 Unter vielen anderen wird das Wort in der Passage Claud. Eutr. 1,449–460 an die<br />

Decier, Torquatus und die Scipionen gerichtet.<br />

24 Übers. Schweckendiek – et, qui sub iure negasti | vivere Caesareo, parvo procede<br />

sepulchro | Eutropium passure Cato; remeate tenebris, | agmina Brutorum<br />

Corvinorumque catervae. | eunuchi vestros habitus, insignia sumunt | ambigui<br />

Romana mares; rapuere tremendas | Hannibali Pyrrhoque togas. Weiterhin wird<br />

auf die trabea und die Lictorenbeile (secures) als consularische Insignien hingewiesen<br />

(Claud. Eutr. 1,464f).<br />

25 Corvinorumque catervae werden Leser oder Zuhörer wohl nur mit M. Valerius<br />

Corvus (Corvinus ist die seit Dion.Hal. 15,1,2 gebräuchlichere Form des Cognomen,<br />

s. z.B. auch Val.Max. 8,13,1) in Verbindung gebracht haben, der 349 v.Chr.<br />

einen Gallier mit Unterstützung eines Raben im Zweikampf besiegt haben soll, s.<br />

etwa Liv. 7,26,3ff; Eutr. 2,6,3f; Vir.ill. 29,1f; vgl. Hans Volkmann, s.v. M.<br />

Valerius M.f.M.n. Corvus 137, in: RE 7 A 2 (1948) Sp.2413–2418, hier: 2413ff.<br />

Der Sohn des berühmten Zweikämpfers wird nur gelegentlich mit dem Cognomen<br />

Corvus bzw. Corvinus erwähnt, s. Volkmann, s.v. M. Valerius M.f.M.n.<br />

Maximus 244, in: RE 8 A 1 (1955) Sp.120ff, hier: 120.<br />

Namen im Plural unterstreichen meist nur die Allgemeingültigkeit eines Exemplums<br />

(„Männer wie ...“), besonders innerhalb von Aufzählungen, vgl. schon<br />

Cic. Sest. 68,143; Cael. 17,39; Pis. 24,58; Verg. georg. 2,169f. Die Bezeichnungen<br />

für „Schar“ (agmen, caterva) scheinen dem hier entgegenzustehen und<br />

könnten tatsächlich auf mehrere Personen hindeuten. Im Fall des Corvinus mit<br />

nur einem prominenten Träger des Namens würde dies dennoch nur wenig Sinn<br />

machen (zu einem ähnlich gelagerten Fall bei Claudian [OlProb. 149] s. unten in<br />

Kap. 4.1.2).


Brutus 95<br />

Namen Brutus aus dem 4. und frühen 3. Jahrhundert v.Chr. zu denken,<br />

etwa beide D. Bruti Scaevae oder die beiden C. Bruti Bubulci. 26<br />

In ein besonderes Licht wird Brutus durch die Person gerückt, die zuletzt<br />

vor ihm genannt wird, Cato Uticensis. 27 Es ist nicht gesagt, daß damit<br />

in Vers 460 ein ausdrücklicher Bezug auf den Caesarmörder M.<br />

Iunius Brutus vorliegt. 28 Dagegen spricht der gesamte bisher dargelegte<br />

Kontext. Zumindest spontan drängt sich aber der Gedanke auf: Cato<br />

Uticensis, zu alledem der Onkel und Erzieher des M. Brutus, tötet sich<br />

selbst, weil er nicht unter Caesar leben will; sein Neffe Brutus hingegen<br />

ermordet Caesar – aus demselben Motiv. Diese Deutungsmöglichkeit<br />

dürfte sich auch für Claudians Publikum ergeben haben. Eine allzu weitreichende<br />

Interpretation soll sich hieran aber nicht anschließen. Es geht<br />

Claudian um eine eindrucksvolle Aufzählung hochrangiger Consuln aus<br />

berühmten Familien. Wenn diese Familien mehr als einen bedeutenden<br />

Consul hervorgebracht haben, unterstützt das Claudians Argumentation<br />

nur. Dementsprechend kann es auch nur gut sein, wenn das Publikum<br />

mit den agmina Brutorum ganz konkrete Namensträger wie Lucius und<br />

Marcus assoziiert. An eine Stellungnahme gegen die Monarchie ist deshalb<br />

aber nicht gedacht. 29<br />

26 Vgl. Schur [Anm.3], RE Suppl. 5, Sp.368. D. Iunius Brutus Scaeva kämpfte als<br />

Kollege des Camillus 325 v.Chr. gegen die Vestiner, sein gleichnamiger Sohn<br />

(cos. 292) unterwarf die Faliscer. C. Iunius Bubulcus Brutus (cos. 317 u.ö.)<br />

triumphierte, so will es ein Teil der Überlieferung, 311 über die Samniten, sein<br />

Sohn (cos. 291 u. 277) Brutus Bubulcus über die Lucaner und Bruttier; dazu im<br />

einzelnen bei Friedrich Münzer, s.v. Iunius, in: RE 10,1 (1917), Nr.60 und 61<br />

(Sp.1026f) bzw. Nr.62 (Sp.1027–30) und 56 (Sp.1020f).<br />

27 Brutus und die Catones als Glieder derselben Exemplakette auch in Claud.<br />

MallTheod. 163ff; dort scheint es sich bei Brutus eindeutig um den Republikgründer<br />

Lucius zu handeln. In Stil. 2,382f wird explizit der senior Brutus neben<br />

die rigidi Catones gestellt. Beide Stellen (dazu unten) lassen letztlich offen, ob<br />

nur ein Cato gemeint ist oder beide. Zweifellos auffällig ist, daß Claudian die Zusammenstellung<br />

Brutus-Cato besonders schätzt, warum auch immer (durch die<br />

Heldenschau in Vergils Aeneis ist sie ihm jedenfalls nicht vorgegeben).<br />

28 Anders Portmann (1988) 244 Anm.2, der sich m.E. vorschnell für M. Brutus entscheidet;<br />

vgl. die im nachfolgenden Text vorgetragenen Bedenken.<br />

29 Ein indirekter Bezug auf beide Bruti zusammen findet sich bei Claud. IV Hon.<br />

310f. Der (bereits verstorbene) Theodosius warnt in dieser Consulatsrede von 398<br />

seinen Sohn Honorius, immer das rechte Maß bei der Herrschaft über die Römer<br />

zu wahren, qui nec Tarquinii fastus nec iura tulere | Caesaris. Man darf davon<br />

ausgehen, daß jedem Zuhörer der Name des jeweils einen Römers eingefallen ist,


96 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

In jedem Fall hat „Brutus“ eine rahmende Funktion für die Exemplakette<br />

aus der römischen Geschichte zwischen Vers 440 und 460. Durch<br />

die indirekte Erwähnung in Vers 448f wird sein Exemplum zusätzlich<br />

aus der Reihe der anderen herausgehoben. Hinter der Bezugnahme auf<br />

einen Brutus dürfte, neben dem Hinweis auf die Begründung des Consulats,<br />

die Absicht liegen, zu zeigen, wie weit jemand um des Consulats<br />

willen zu gehen bereit ist. Das ist auch eine verhüllte Warnung: Kein<br />

Brutus, welcher auch immer, würde bei einem Eutropius im Amt lange<br />

fackeln – sei es mit Vertreibung, sei es mit einer Bluttat. Diese Interpretationsmöglichkeit<br />

wird durch das Proöm gestützt, in dem auf noch viel<br />

drastischere Weise nach dem Blut des Eutropius gerufen wird. 30<br />

L. BRUTUS: <strong>DER</strong> FREIHEITSKÄMPFER<br />

Die bisher betrachteten Stellen haben gezeigt, daß Claudian über jeden<br />

Verdacht von Systemkritik erhaben ist, auch wenn einmal eine Anspielung<br />

auf den Caesarmörder Marcus Brutus vorliegt. Skepsis gegenüber<br />

der Monarchie zu äußern liegt nicht in seiner Absicht. Diesen Befund<br />

stützen auch andere spätantike Zeugnisse. 31 Es überrascht daher nicht,<br />

daß eine andere bedeutende Facette des Bildes von Lucius Brutus neben<br />

der Gründung des Consulats in der Spätantike relativ selten beleuchtet<br />

wird, die Rolle als Freiheitsheld. 32<br />

In Claudians Panegyricus auf Stilichos Consulat im Jahr 400 wird<br />

Stilicho dem „Schöpfer“ (repertor) des Amtes Brutus vergleichend als<br />

„Rächer“ (ultor) gegenübergestellt (Stil. 2,322). Trotz seines Erfolges<br />

der gegen den Hochmut des Tarquinius Superbus und die Gesetze Caesars aufgestanden<br />

ist, Brutus. Auch hier steht nicht die Monarchie selbst zur Debatte,<br />

spricht doch ein Kaiser mit dem anderen. Obwohl unter den Kaisern allein Traian<br />

positiv beurteilt wird (315–319), erstreckt sich Theodosius’ wohlmeinende Warnung<br />

(darüber hinaus wird Honorius noch vor den delicta und maculae eines<br />

Nero oder eines Tiberius gewarnt; 311–315) einzig auf den Fall einer Pervertierung<br />

der Machtausübung.<br />

30 Claud. Eutr. 1,20–23: quo diras iugulo placabimus aras? | consule lustrandi<br />

fasces ipsoque litandum | prodigio; quodcumque parant hoc omine fata, |<br />

Eutropius cervice luat sic omnia nobis. Hier fehlt nur noch der Bezug auf Brutus.<br />

Auf „seine“ Insignien wird bereits deutlich hingewiesen.<br />

31 Hierzu und zu einigen Aspekten des Folgenden Verf. (1996).<br />

32 Dieses Bild stützen maßgeblich Tac. ann. 1,1,1 und Plut. Publ. 10,1.


Brutus 97<br />

über Gildo im Jahr 398 hatte Stilicho mit der Übernahme des Consulats<br />

für 399 noch gezögert. 33 Mit der Entmachtung des Eutropius im Osten<br />

war ein wesentliches Hindernis, die mögliche Nichtanerkennung von<br />

Stilichos Consulat durch Arcadius, beseitigt. Als ultor der Consulwürde<br />

wird Stilicho von Roma apostrophiert, weil angeblich nur er das Format<br />

hat, den Schaden wiederzugutmachen, den das vom Westreich nicht anerkannte<br />

Consulat des Eunuchen Eutropius angerichtet hat. 34<br />

Zunächst handelt es sich auch hier wieder um eine Umschreibung des<br />

Consulats als Amt des Brutus. Claudian hat sich in der Wortwahl an die<br />

Erwähnung des Brutus in Vergils Heldenschau angelehnt. 35 Die Rolle<br />

des ultor ist gegenüber der Aeneis allerdings von Brutus auf den gefeierten<br />

Stilicho übergegangen. Brutus ist gemessen daran zum unbedeutenden<br />

Amtsgründer reduziert, d.h. Stilicho überbietet ihn. Die<br />

libertas, die Stilicho den Römern bewahrt hat, ist bei Claudian vor allem<br />

ein Gegenbegriff zu servitium, womit vermutlich die Vergangenheit des<br />

Freigelassenen Eutropius als Sklave zu assoziieren ist. 36 Mit einem republikanischen<br />

Konzept von Freiheit hat dies nichts zu tun.<br />

Im Sinne der panegyrischen Überbietung Stilichos betont Claudian<br />

nachdrücklich, daß Bewahrung höher bewertet werden müsse als die Suche<br />

nach Neuen. 37 Claudian identifiziert sich nicht inhaltlich mit den<br />

Idealen der Republik, sein Geschichtsverständnis baut gleichwohl auf<br />

dieser Entstehungsphase Roms auf, zumal es im vorliegenden Fall um<br />

die Anfänge eines republikanischen Amtes geht. Roma bekommt<br />

schließlich den gewünschten Amtsinhaber, Stilicho übernimmt das<br />

33 Hierzu Döpp, Zeitgeschichte (1980) 150; ebd. 175ff auch ausführlicher zum<br />

Hintergrund des Panegyricus. Entsprechende Vorwürfe Romas gegenüber Stilicho<br />

wegen seiner Verweigerungshaltung in Claud. Stil. 2,279–290. Gildo hatte<br />

Rom längere Zeit von den lebenswichtigen Getreidelieferungen aus Nordafrika<br />

abgeschnitten, s. auch unten 4.1.3 (zur Consulatsrede auf Stilicho) u. 4.1.4.<br />

34 Claud. Stil. 2,315f.<br />

35 Verg. Aen. 6,817–820: vis et Tarquinios reges animamque superbam | ultoris<br />

Bruti, fascisque videre receptos? | consulis imperium hic primus saevasque<br />

securis | accipiet.<br />

36 Auch an die Gildokrise ist hier zu denken. Erst der Sieg Stilichos über Gildo 398<br />

hatte die freie Getreidezufuhr nach Rom wieder sichergestellt. Vgl. dazu auch<br />

unten (zu Claud. Stil. 2,385).<br />

37 Claud. Stil. 2,323–327, bes. 326f: plus est servasse repertum, | quam quaesisse<br />

novum.


98 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Consulat. 38 Einer Reihe von Amtsvorgängern aus der Republik, den<br />

Curiern, Fabriciern, den rigidi Catones und dem älteren Brutus 39 sowie<br />

den Scipionen will sie nun Mitteilung davon machen, daß Stilicho, der<br />

ultor des Consulats, wie sie ihn genannt hat, sowohl den Krieg gegen<br />

Gildo als auch die fasces für sie gewonnen hat (d.h. diese sind nach dem<br />

unwürdigen Eutropius wieder in die richtigen Hände gelangt). 40<br />

Auch wenn sich diese Passagen aus dem zweiten Buch des Consulatspanegyricus<br />

für Stilicho stark an Vergils Heldenschau anlehnen, ist<br />

der Ausgangspunkt doch ein ganz anderer. Claudian stellt Bezüge zur<br />

Geschichte des Consulates her. Deshalb kommt er auch ein zweites Mal<br />

auf Brutus als Begründer des Consulats zurück. Mit den anderen Persönlichkeiten<br />

aus der römischen Geschichte kann er verhältnismäßig frei<br />

walten, solange es sich um Consuln handelt. Weil dies bei republikanischen<br />

Feldherren so gut wie immer der Fall ist, ist Claudian sowohl frei,<br />

seine Exempla nach Belieben zu wählen, als auch dazu, sich an das<br />

literarische Vorbild des Schulautors Vergil anzulehnen.<br />

Letzteres ist sicher der Fall in Claudians Ende 397 verfaßter Rede auf<br />

das vierte Consulat des Honorius. Claudian läßt darin den 395 verstorbenen<br />

Theodosius eine Rede an seinen Sohn, den dreizehnjährigen Kaiser,<br />

richten, in der er ihm eine Reihe von Persönlichkeiten aus der Republik<br />

präsentiert. An ihrem Vorbild soll Honorius seine Regierung ausrichten.<br />

41 Ebenso wie die nachfolgenden Exempla kann Claudian /<br />

38<br />

Claud. Stil. 2,377; ebd. 362–367 hat Roma Stilicho die Consularinsignien überreicht.<br />

39<br />

Wiederum, wie in Claud. Eutr. 1,457–463 und MallTheod. 163ff (dazu unten),<br />

stehen auch hier (Stil. 2,382f) Cato und Brutus nebeneinander.<br />

40<br />

Claud. Stil. 2,385: unius auxilio fasces Libyamque recepi. Der Vergilbezug, der<br />

sich auch hier durch die Verbindung Scipiadae-Libya einstellt (vgl. Aen. 6,843),<br />

ist im Kontext der Niederschlagung von Gildos Rebellion und der Behandlung<br />

dieses Stoffes in Claud. Stil. und bellGild. zu sehen. Der Zusammenhang Scipionen-Afrika<br />

stellt ebd. ein zentrales und durchgehendes Motiv dar. Dazu und zu<br />

der hier in Frage kommenden Stelle ausführlich unten in Kap. 4.1.4.<br />

41<br />

Claud. IV Hon. 401–418. Demgegenüber wird die Monarchie in der Exemplakette<br />

IV Hon. 310–320 in recht düsteren Farben gezeichnet, nicht aber grundsätzlich<br />

verworfen (vgl. oben Anm.29). Auch ein Blick auf das weitere Umfeld<br />

der Theodosiusrede zeigt dies: Claudian hätte ansonsten wohl eher den Redeanlaß<br />

genutzt, um das Consulat im Geist der res publica libera zu feiern, sich aber gewiß<br />

nicht den jungen Honorius als adsiduus consul (641) gewünscht. Die Reminiszenzen<br />

an die Zeit der Republik sind in erster Linie als Aufforderung an den


Brutus 99<br />

Theodosius in diesem als ‚Fürstenspiegel‘ 42 gestalteten Überblick auch<br />

das des Brutus nicht weiter vertiefen. Brutus firmiert als Vorkämpfer für<br />

libertas in Rom (IV Hon. 401). 43<br />

L. BRUTUS: PROTOTYP DES TYRANNENGEGNERS<br />

In der Sammlung der Panegyrici Latini finden sich nur zwei Bezüge auf<br />

L. Iunius Brutus. Wiederum wird er, oberflächlich besehen, lediglich als<br />

Begründer des Consulats bemüht. Eine ausführlichere Betrachtung lohnt,<br />

denn es zeigt sich, daß das Exemplum in beiden Fällen nicht nur sinnvoll<br />

gewählt ist, weil es sich um Consulatsreden handelt, sondern auch hintersinnig<br />

vor dem jeweiligen aktuellen Hintergrund, vor dem diese<br />

Reden gehalten worden sind.<br />

Mamertinus beruft sich in der gratiarum actio für das ihm verliehene<br />

Consulat des Jahres 362 auf Lucius Brutus und P. Valerius Publicola. In<br />

der Absicht, den Kaiser zu loben, erinnert Mamertinus an den Beginn der<br />

libera res publica. Ganz unbefangen legt er vor dem gegenwärtigen<br />

Herrscher dar, daß einst die Vertreibung der Könige den Weg für das<br />

neue, die libertas begründende Jahresamt freigemacht habe. Nachdem<br />

diese Freiheit zwischenzeitlich verloren geglaubt war, hätten die Consuln<br />

jetzt die Amtsgewalt, die ihnen früher vom Volk verliehen worden sei,<br />

vom Kaiser, Iulian, wieder z u r ü c k bekommen. Die Zeitgenossen sind<br />

Zeugen einer Wiederherstellung der Freiheit: Illi consularem potestatem<br />

Senat zu verstehen, in der Angelegenheit Gildos konstruktiv mit dem Hof zusammenzuarbeiten<br />

(dazu Portmann [1988] 69ff).<br />

42<br />

So zuerst Steinbeiß (1936) 36 über die Verse Claud. IV Hon. 396–418; ebenso<br />

Döpp, Zeitgeschichte (1980) 120.<br />

43<br />

Eigler, lectiones 3–9 (A. Einleitung) macht die Passage Claud. IV Hon. 396–418<br />

zu einem Ausgangspunkt seiner bislang unveröffentlichten Habilitationsschrift.<br />

Der Vergilbezug (von 13 Namen bei Claudian fallen 10 auch in der Aeneis, verteilt<br />

auf Heldenschau und Schildbeschreibung) wird dort, wie m.E. in der ganzen<br />

Arbeit, überbetont. Über der Lektüre, zu der Theodosius seinen Sohn unbestreitbar<br />

aufruft (IV Hon. 396f), darf nicht vergessen werden, daß Honorius aus ihr<br />

lernen soll (discitur hinc heißt es 409 u. 412). Letztlich geht es um praecepta für<br />

die künftige Regierungspraxis (419). Die Literatur ist das Medium, über das diese<br />

Ratschläge dem jungen Kaiser vermittelt werden sollen.


100 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

per populum acceperunt, nos per Iulianum recepimus. Illorum anno<br />

libertas orta est, nostro restituta. (Pan.Lat. 3 [11],30,4). 44<br />

Gemessen an Idealvorstellungen von der libera res publica mag die<br />

Argumentation des Panegyrikers mit der behaupteten Neubegründung<br />

der Freiheit durch Iulian und, damit verbunden, mit dem Exemplum der<br />

ersten Consuln etwas übersteigert wirken. Wie er seine Ausführungen<br />

verstanden wissen möchte, hat Mamertinus indessen zuvor hinreichend<br />

deutlich gemacht. Zum einen wäre ihm, dem neuen Consul, nicht im<br />

geringsten an einer Wahl der Beamten durch das Volk gelegen gewesen,<br />

im Gegenteil. An den Wahlen in der Republik kritisiert er Gewalttätigkeit<br />

und den Kauf von Stimmen, kurz ambitus (Pan.Lat. 3 [11],19,1); 45<br />

schon der Politikertyp des Händeschüttlers ist ihm zuwider. 46 Doch<br />

massive Formen von Bestechung und Amtserschleichung habe es auch in<br />

der jüngsten Zeit (paulo ante), diesseits des Vergangenen (vetusta), gegeben<br />

– angespielt wird auf das Treiben der Höflinge während der<br />

Regierung des Constantius. 47<br />

Ebenfalls nicht auf die Republik allein ist die Kritik gemünzt, seit<br />

Vertreibung der Könige hätten immer wieder einzelne nach der Alleinherrschaft<br />

getrachtet; die letzten Usurpationen von Nepotianus und<br />

44 Brutus und Valerius Publicola erwähnt in Pan.Lat. 3 (11),30,3. Weder diese Passage<br />

noch der restliche Panegyricus rechtfertigen die Interpretation von Portmann<br />

(1988) 45, „die Wahl durch den ‚populus‘“ gelte hier „als ein Vorzug der ersten<br />

Consulwahlen“. Davon kann aufgrund der offenkundig kritischen Haltung des<br />

Mamertinus gegenüber den Wahlen in der Zeit der Republik (dazu im folgenden)<br />

nicht die Rede sein.<br />

45 Von den plures, id est [...] peiores, soll, so Mamertinus, seinesgleichen nicht gewählt<br />

werden dürfen (Pan.Lat. 3 [11],19,2).<br />

46 Als Beispiel in diesem Zusammenhang dient ihm der Wahlkämpfer L. Licinius<br />

Crassus, dem es in Anwesenheit seines Schwiegervaters Mucius Scaevola peinlich<br />

ist, so albern (ineptus) zu sein, wie er es vor dem Volk gern sein möchte, s.<br />

Pan.Lat. 3 (11),16,1ff. Sein Wissen über die abstoßenden Seiten des Wahlkampfes<br />

in der Republik bezieht Mamertinus wohl aus Q.Cic. pet. (Einzelnachweise<br />

bei Gutzwiller, Mamertinus [1942] 177f). Die Begebenheit mit Crassus ist Cic.<br />

De orat. 1,112 oder Val.Max. 4,5,4 (Kap. De verecundia) entnommen.<br />

47 S. Pan.Lat. 3 (11),19,3ff mit Gutzwiller, Mamertinus (1942) 189f. Demgegenüber<br />

hat sich Mamertinus schon in 15,5 dagegen verwahrt, seine Bestimmung zum<br />

Consul durch Bestechungen erwirkt zu haben. Mit der Zeitangabe paulo ante bezieht<br />

sich Mamertinus in den meisten Fällen auf die Regierung des Constantius, s.<br />

Gutzwiller, 149.


Brutus 101<br />

Silvanus, an die Mamertinus erinnert, lagen erst wenige Jahre zurück. 48<br />

Wichtig hieran ist, daß es sich beim Streben einzelner nach Alleinherrschaft<br />

über die res publica in Mamertinus’ Sicht erkennbar nicht um eine<br />

Frage der Regierungsform handelt. Unabhängig von der Form der Herrschaft<br />

hat es derartige Ambitionen zu allen Zeiten der römischen<br />

Geschichte gegeben.<br />

Der Schlüssel zur Einordnung des Brutus-Exemplums und dem des<br />

Publicola dürfte in den Anspielungen auf die Regierungszeit des<br />

Constantius liegen, deren Ende erst knappe zwei Monate zurücklag.<br />

Constantius’ überraschendes Ende hatte von Iulian und der Reichsbevölkerung<br />

die Last eines bevorstehenden Bürgerkrieges genommen. 49<br />

Das betont bürgernahe Auftreten Iulians, das sich nicht auf die Amtseinführung<br />

der neuen Consuln am Neujahrstag des Jahres 362 in Constantinopel<br />

beschränkte, 50 markierte eine deutliche Abkehr vom Regierungsstil<br />

des Constantius. Dieser hatte sich nicht nur als ein steifer und unnahbarer<br />

kaiserlicher Herrscher gezeigt, sondern auch bei einer Reihe zweifelhafter<br />

Verfahren wegen Majestätsbeleidigung unerbittliche Härte an<br />

den Tag gelegt. 51 Zudem stieß seine Religionspolitik auf Widerspruch,<br />

48 Pan.Lat. 3 (11),13: Mamertinus spielt in 13,2 wohl in erster Linie auf M. Manlius<br />

Capitolinus, aber auch auf Sp. Cassius und Sp. Maelius an, dazu mit Vergleichsstellen<br />

Gutzwiller, Mamertinus (1942) 162f, s. auch Rodgers, in: Nixon / Rodgers,<br />

Pan.Lat. (1994) 412 Anm.83. Die Usurpatoren der jüngeren Vergangenheit<br />

Nepotianus (350 n.Chr.) und Silvanus (355) in 13,3; dazu Gutzwiller, 164f.<br />

49 Constantius II. war am 3. November 361 mitten in Vorbereitungen zur bevorstehenden<br />

kriegerischen Auseinandersetzung mit Iulian plötzlich am Fieber verstorben,<br />

s. Amm. 21,15,3.<br />

50 Daß Iulian sich volksnah zeigte und in der Öffentlichkeit sogar Emotionen erkennen<br />

ließ, hat gelegentlich auch befremdet, selbst die ihm wohlgesinnten Libanios<br />

(or. 1,129) und Ammian (25,4,18). Iulians demonstrativ bescheidenes Verhalten<br />

am Tag des Amtsantritts der Consuln Mamertinus und Nevitta beschreiben Amm.<br />

22,7,1f und Mamertinus selbst (Pan.Lat. 3 [11],28,3–29,5).<br />

51 Nach Amm. 16,10,9–12 und 21,16,7 zu schließen, war Constantius in seinem<br />

Habitus über das normale, von einem Kaiser erwartete Maß hinaus förmlich und<br />

auf Distanz bedacht. Zu den von Constantius selbst angeregten Majestätsbeleidigungsprozessen<br />

Amm. 19,12, bes. 1 u. 7. Amm. 21,16,8 rückt Constantius wegen<br />

seiner Erbarmungslosigkeit und Strenge in die Nähe der grausamen Kaiser<br />

Caligula, Domitian und Commodus, s. auch § 9f sowie 14,5,2–5.


102 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

denn Constantius begünstigte die Arianer. Daher hatte er vielen, darunter<br />

nicht nur Heiden, als tyrannus gegolten. 52<br />

In der Situation unmittelbar nach seinem Tod dürfte es, aus durchaus<br />

unterschiedlichen Motiven, zu einem verbreiteten Gefühl des Aufatmens<br />

gekommen sein. Mamertinus kennzeichnet die jüngste Wiederherstellung<br />

der Freiheit denn auch als wundersames und unerwartetes<br />

Geschehen. 53 Die Erinnerung an den Neubeginn der Freiheit unter Brutus<br />

und seinem Kollegen und an die Einrichtung des Consulats macht vor<br />

diesem Hintergrund in ganz besonderer Weise Sinn. Im Vordergrund<br />

steht nicht, daß Brutus eine Monarchie beseitigt hat, wichtig ist vor<br />

allem, daß einem tyrannischen Herrscher (wie es nach verbreiteter Auffassung<br />

auch Constantius gewesen war) die Stirn geboten wurde. Iulian<br />

hat mit dem Hochmut seines Vorgängers gebrochen. Als Restaurator und<br />

künftiger persönlicher Garant jener libertas, die einst unter dem Consulat<br />

von Brutus und seinem Kollegen Valerius entstanden war, wird er daher<br />

von Mamertinus gefeiert, entsprechend schwer wiegt die stillschweigende<br />

Abwertung des indirekt als Tyrann qualifizierten Constantius.<br />

Bei der vom Panegyriker erwarteten Überbietung hält Mamertinus<br />

sich im übrigen mit Übertreibungen zurück. Damit entspricht er ganz<br />

dem neuen Stil unter dem zivilen, umgänglichen Kaiser: Er ‚glaubt‘ lediglich,<br />

daß das Consulat von Brutus und Valerius Publicola dem seinen<br />

nicht vorzuziehen sei. 54<br />

52 Mamertinus verwendet das Wort nicht, sieht aber bei Constantius regiae<br />

cupiditates (Pan.Lat. 3 [11],20,4) walten und skizziert das Klima unter dem Regime<br />

des Hochmütigen (fastidia; 30,3) als so beschaffen, daß unter ihm nur<br />

Opportunisten gedeihen konnten; zu der eher indirekten Abrechnung mit Constantius’<br />

Regierung in Pan.Lat. 3 (11) auch Blockley (1972), v.a. 437–442. Eindringlich<br />

beschreibt Amm. 16,8,10 den Verfolgungswahn, den Constantius entwickelt<br />

hatte, und stellt ihm das Exemplum des tyrannus Dionysios von Syrakus<br />

ungemildert gegenüber. Explizit als tyrannus bezeichnen ihn die nicaenischen Bischöfe<br />

Hilarius von Poitiers (Liber in Constantium imperatorem 7 [SC 334, Z.5],<br />

vgl. auch 11 [Z.3: tyrannis]) und Lucifer von Calaris (Cagliari) (Moriendum esse<br />

pro Dei filio 3 [CSEL 14, 289, Z.11 u. 29]).<br />

53 Pan.Lat. 3 (11),30,3: Credet aliquis tanto post veterem illam priscorum temporum<br />

libertatem rei publicae redditam? Vgl. außerdem § 1: vix credenda miracula.<br />

54 Pan.Lat. 3 (11),30,3: Neque enim ego Luci Bruti et Publi Valeri, qui primi exactis<br />

regibus potestate annua civibus praefuerunt, consulatum nostro anteponendum<br />

puto.


Brutus 103<br />

Pacatus geht in seinem Panegyricus auf Theodosius I. von 389 in dieser<br />

Hinsicht deutlich weiter. Ließe die Natur es zu, daß L. Brutus, „jener<br />

Beschützer der römischen Freiheit und Hasser des Königstitels“, wieder<br />

zum Leben erwachte (Pan.Lat. 2 [12],20,5), 55 würde er gewiß seine Meinung<br />

ändern. Brutus müßte anerkennen, daß sich Romana dignitas ac<br />

libertas unter dem Kaiser Theodosius in einem besserem Zustand befänden<br />

als es während seines eigenen Consulats der Fall gewesen sei<br />

(Pan.Lat. 2 [12],20,6). Der Begriff regnum hat zwischenzeitlich eine positive<br />

Umwertung erfahren. 56 Auch der Gegner des regium nomen Brutus<br />

müßte jetzt zu dem Eingeständnis gelangen, daß er eigentlich nur<br />

Tarquinius hätte beseitigen müssen, nicht aber die Königsherrschaft an<br />

sich. 57<br />

Publicola als erster Consul auch im Breviarium des Festus (2) und bei Val.Max.<br />

2,4,5 u. 4,4,1. Von der Überlieferung werden Brutus und Publicola auffällig<br />

parallelisiert: Beide sollen ein Staatsbegräbnis erhalten haben und von den Römerinnen<br />

ein Jahr lang betrauert worden sein, so vermerken es jeweils Liv. 2,7,4 u.<br />

16,7; Eutr. 1,10,2 u. 11,4 sowie Vir.ill. 10,7 u. 15,6. Es bestand jedoch keine Einigkeit<br />

darüber, wer der erste Kollege des Brutus war. Cicero (rep. 2,53; off.<br />

3,40), Livius (2,2,3–11 mit 1,60,4) u.a. gehen davon aus, daß Publicola erst als<br />

Consul nachrückte, nachdem L. Tarquinius Collatinus seines Namens wegen<br />

hatte zurücktreten müssen (dagegen erwähnt Val.Max. Collatinus nirgends).<br />

Ogilvie, Liv. (1965) 232 u. 239 hält das Consulat des Collatinus für eine<br />

Erfindung.<br />

55 ille Romanae libertatis adsertor, regii nominis Brutus osor.<br />

56 Das muß an dieser Stelle deshalb betont werden, weil Pacatus die Geschichtlichkeit<br />

des Begriffs eigens kenntlich macht. Sonst können die einstigen Reizwörter<br />

regnum und rex in der Spätantike den Staat bzw. den Kaiser bezeichnen, ohne<br />

daß dies noch gerechtfertigt werden müßte, s. Demandt (1989) 212 u. 221. Mit<br />

wachsendem Abstand zur Republik war es auch vorher schon im Principat möglich<br />

geworden, den Princeps rex zu nennen, s. Lothar Wickert, s.v. Princeps<br />

(civitatis), in: RE 22,2 (1954) Sp.1998–2296, hier: 2113f.<br />

57 Pan.Lat. 2 (12),20,6: mutaret profecto sententiam tanto post suam et, cum<br />

Romanam dignitatem ac libertatem probaret meliore in statu imperatore te esse<br />

quam consule se fuisse, necessario fateretur Tarquinium submoveri debuisse, non<br />

regnum.<br />

Ein früher Beleg für das Motiv, einen Kaiser ex post durch Persönlichkeiten aus<br />

der Geschichte der Republik bejahen zu lassen, ist Mart. 11,5,5–14; vgl. Lippold<br />

(1968) 242 Anm.89. Auch Liv. 2,1,2f bejaht das Königtum als zumindest zur<br />

damaligen Zeit angemessene Herrschaftsform und weist auf die Gefahr einer<br />

libertas immatura hin, falls Brutus schon einen der Vorgänger von Tarquinius<br />

Superbus gestürzt hätte. Zwischen Königsherrschaft an sich und Tarquinius


104 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Die Situation, in der Pacatus 389 seinen Panegyricus auf Theodosius<br />

gehalten hat, weist eine Parallele zu der des Mamertinus im Jahr 362 auf.<br />

Auch hier hat der Kaiser kurz, ein halbes Jahr, zuvor über einen Gegenspieler,<br />

den Usurpator Magnus Maximus, obsiegt und damit wieder einen<br />

Zustand der libertas hergestellt. Anders als Constantius bei<br />

Mamertinus wird Maximus bei Pacatus sogar explizit als tyrannus bezeichnet.<br />

58 Typische Merkmale aus dem Bereich der Tyrannentopik wie<br />

Grausamkeit, Raffgier, Willkür des Despoten und dergleichen treffen auf<br />

beide, Constantius und Maximus, zu. So ist das Exemplum eines Tyrannengegners<br />

wie Brutus hier wie dort geeignet, einer Verschiebung der<br />

Machtverhältnisse in der Gegenwart Legitimität zu verleihen. Dabei ist<br />

freilich auch die neue Bedeutung zu berücksichtigen, die das Wort<br />

tyrannus seit der Zeit Constantins zusätzlich angenommen hat. Es bezeichnet<br />

neben dem Gewaltherrscher jetzt auch, und zwar vordergründig,<br />

den Usurpator. 59 Was diesen Punkt betrifft ist die Ausgangsposition der<br />

Panegyriker Mamertinus und Pacatus allerdings grundverschieden.<br />

Theodosius war eindeutig Sieger über einen, wenn auch lange Zeit<br />

geduldeten, Usurpator. 60 Iulian dagegen hatte sich seinem senior<br />

Superbus im besonderen wurde auch schon in der Republik differenziert, s.<br />

Lippold, 242 Anm.87.<br />

58 Wiederherstellung der libertas durch Theodosius: Pan.Lat. 2 (12),1,2 u. 2,4; vgl.<br />

auch 31,1. Maximus als tyrannus: 2,3; 23,1; 24,5 u.ö.<br />

59 Altbekannte Bestandteile der Tyrannentopik galten jedoch unabhängig vom<br />

neuen Sinn des Wortes fort. Zur Verschränkung von herkömmlichem und neuem<br />

Sinngehalt Wardman (1984) 222ff; besonders aufschlußreich in dieser Hinsicht<br />

sind entgegengesetzte Bewertungen von Constantius’ II. Regime einerseits und<br />

dessen Gefährdung durch Usurpatoren wie Magnentius andererseits, dazu Neri<br />

(1997) 75f u. 80f. Ausführliche Dokumentation zum Gebrauch von tyrannus /<br />

„Usurpator“ bei Elbern (1984) 150–153 Anm.13, vgl. ferner Wickert [Anm.56],<br />

RE 22,2, Sp.2123–2127. Erste bekannte Verwendung von tyrannus für „Usurpator“<br />

und mutmaßlicher Ausgangspunkt für die Verbreitung des neuen Wortgehalts<br />

ist die Inschrift am Constantinsbogen in Rom (CIL VI 1139 = ILS 694). Als<br />

Constantin 312/13 den Begriff auf Maxentius münzte, ist er selbst wahrscheinlich<br />

von einer Bedeutung ausgegangen, die auf die Apologeten Tertullian und Cyprian<br />

zurückgeht und die auch bei den oben Anm.52 erwähnten Hilarius von Poitiers<br />

und Lucifer von Calaris noch durchscheint: der tyrannus als „Christenverfolger“,<br />

so Barnes (1996) 57–63.<br />

60 Magnus Maximus hatte sich 383 gegen Gratian erhoben. Valentinian II. und<br />

Theodosius fügten sich jahrelang in die so geschaffenen Tatsachen. Erst als<br />

Maximus 387 in Italien einfiel und Valentinian II. zu Theodosius fliehen mußte,


Brutus 105<br />

Augustus widersetzt und stand, was den Vorwurf der Usurpation betrifft,<br />

selbst in der Defensive. Indem Mamertinus Constantius II. ausgesprochen<br />

„tyrannischer“ Verhaltensweisen bezichtigt, wehrt er entsprechende<br />

Anschuldigungen gegenüber Iulian auf sehr suggestive Weise ab. Bevor<br />

der Begriff auch nur fallen könnte (und er fällt im ganzen Panegyricus<br />

des Mamertinus nicht), ist er bereits besetzt: Wer wie Iulian der Seite der<br />

im Exemplum genannten Tyrannengegner zuzuordnen ist, kann<br />

schlechterdings nicht selbst tyrannus und allemal kein Usurpator sein.<br />

Das Motiv der nachträglichen Billigung eines gegenwärtigen Kaisers<br />

durch den Begründer des Consulats Brutus findet sich auch bei Claudian<br />

im Panegyricus auf das Consulat des Mallius Theodorus von 399. Dort<br />

muß Iustitia den Theodorus, einen geradezu notorischen Freund der<br />

Musen, dazu überreden, wieder ein öffentliches Amt zu übernehmen. 61<br />

Sie verweist ihn in erster Linie auf Stilicho, aber auch auf den Kaiser,<br />

Honorius. Mit beiden zusammenarbeiten zu dürfen, müsse für jedermann<br />

absolut erstrebenswert sein, denn in der Gegenwart würde selbst ein<br />

Brutus gern sub regno leben und mit ihm Fabricius Luscinus und Cato<br />

Uticensis. 62 Dementsprechend würde Brutus es auch gutheißen, so<br />

Claudian im Panegyricus auf das Consulat Stilichos, daß die Schar des<br />

Mars, die Römer, Stilicho als dominus anerkenne. 63<br />

EIN EINHELLIGES BILD?<br />

Damit sind die Belege zu den beiden Bruti, Lucius und Marcus, in der<br />

nichtchristlichen lateinischen Literatur des 4. und 5. Jahrhunderts im<br />

wesentlichen schon abgehandelt. Der Vollständigkeit halber sei auf vier<br />

Erwähnungen in den Saturnalien des Macrobius hingewiesen. Der Name<br />

griff der 388 mit Waffengewalt ein, näher dazu Lippold (1980) 34–38 u.<br />

Matthews (1998) 173–181, 223ff.<br />

61 Claud. MallTheod. 138–141. Zur Neigung des Mallius Theodorus zu ausgeprägter<br />

Muße vgl. ebd. 64ff; 114f sowie bes. Claud. carm.min. 21; s. auch Simon,<br />

Claud. MallTheod. (1975) 60–71, bes. 66f.<br />

62 Claud. MallTheod. 163ff: nunc Brutus amaret | vivere sub regno, tali<br />

succumberet aulae | Fabricius, cuperent ipsi servire Catones. Nixon, in: Nixon /<br />

Rodgers (1994) 470 Anm.61 (Kommentar zu Pacatus) hält Abhängigkeit von<br />

Pan.Lat. 2 (12),20,6 für möglich, anders Lippold (1968) 242 Anm.89.<br />

63 Claud. Stil. 3,191f: Mavortia plebes | te dominum Bruto non indignante fatetur.


106 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Brutus fällt hier aber lediglich in antiquarischen Zusammenhängen, etwa<br />

zum Monatsname Juni oder zur Etymologie des Cognomen Brutus. 64<br />

Historia Augusta, Symmachus und Ammian, der sonst reichlich von<br />

Exempla Gebrauch macht, nennen keinen der beiden Bruti. Unwissenheit<br />

seitens des von ihnen anvisierten Publikums kann nicht der Grund<br />

hierfür sein, denn die Breviarien des Eutrop und des Autors von De viris<br />

illustribus behandeln jeden Brutus in etwa der gleichen Ausführlichkeit,<br />

in der sie auch über andere Gestalten der römischen Geschichte<br />

berichten. 65 Sie teilen die wichtigsten Fakten über beide Iunii Bruti mit,<br />

von der Rache für Lucretia, der Vertreibung der Tarquinier und dem<br />

ersten Consulat über die einjährige Trauer der römischen Matronen um<br />

L. Brutus, der ihre Keuschheit verteidigt hatte, 66 bis zur Hinrichtung der<br />

eigenen Söhne durch den Vater, weil sie sich verschworen hatten, die<br />

Tarquinier nach Rom zurückzuholen. 67<br />

Die Ermordung Caesars unter Beteiligung des M. Iunius Brutus wird<br />

bei Eutrop und in De viris illustribus ziemlich konträr beurteilt. 68 Eutrop<br />

zufolge ging Caesar mehr und mehr zu Verhaltensweisen über, die regia<br />

et paene tyrannica gewesen seien. Das Attentat auf ihn erscheint zusätzlich<br />

noch dadurch legitimiert, daß zu den vorzüglichsten der senatorischen<br />

und ritterlichen Verschwörer zwei Bruti gehörten – gemeint sind<br />

Marcus und der ebenfalls beteiligte Decimus Brutus. Ganz im Sinne einer<br />

solchen Gedankenführung erfolgt der Hinweis auf die Abkunft der<br />

64 Macr. Sat. 1,12,31: Der Name Juni sei nach Auffassung einiger nicht auf Iuno,<br />

sondern auf den ersten Consul zurückzuführen. Der habe in jenem Monat erstmals<br />

der Göttin Carna auf dem Caelius geopfert, und zwar in Erfüllung eines<br />

Gelübdes für die Vertreibung des Tarquinius. Im Kontext von 3,20,5 geht es um<br />

Feigen: Zu L. Brutus heißt es, angeblich habe er sie unreif mit Honig gegessen,<br />

sich so stultum brutumque gestellt (sich dumm zu stellen, war Taktik des Brutus,<br />

s. Liv. 1,56,7–13). Vgl. auch Macr. Sat. 1,7,35 (L. Brutus und ein sakraler Ritus),<br />

außerdem 2,2,5 (M. Iunius Brutus; es geht aber nur um seine Mutter Servilia).<br />

65 Ausgenommen hiervon ist die sehr verknappte Darstellung von M. Brutus und<br />

von der Ermordung Caesars bei Eutr. 6,25. Der Umfang der Abschnitte zu L.<br />

Brutus bewegt sich dagegen im Rahmen des für Eutrop Üblichen (1,8,2–1,10,2);<br />

die Darstellung beruht im wesentlichen auf Angaben bei Livius, vgl. Müller,<br />

Eutr. (1995) 158f mit 9ff. L. bzw. M. Iunius Brutus in Vir.ill. 10 und 82.<br />

66 Eutr. 1,10,2: defensor pudicitiae suae.<br />

67 Nur Vir.ill. 10,5.<br />

68 Dazu unten Kap. 4.2.2; s. auch den Boer (1972) 156.


Brutus 107<br />

beiden aus dem Geschlecht jenes ersten Consul Brutus, der die Könige<br />

vertrieben hatte. 69 In De viris illustribus findet sich nichts Negatives gegen<br />

Caesar, wohl aber gegen seine Mörder. M. Brutus trifft der Vorwurf<br />

der Undankbarkeit: Caesar habe ihm nicht nur die Parteinahme für<br />

Pompeius verziehen, sondern ihm auch die Statthalterschaft in Gallien<br />

verschafft. Und doch (tamen) habe M. Brutus ihn zusammen mit den anderen<br />

Verschwörern in der Curie umgebracht. 70<br />

Bevor wir zu den gelegentlich eigenwilligen Interpretationen römischer<br />

Geschichte bei einem christlichen Autor wie Augustinus übergehen,<br />

hat uns bereits der Vergleich zweier Breviarien vor Augen geführt,<br />

wie sehr ein republikanisches Ereignis auch noch in der Spätantike kontrovers<br />

sein kann. Breviarien standen im Dienste einer verständlichen<br />

und in sich abgerundeten Darbietung geschichtlicher Fakten, um Bildungslücken<br />

insbesondere bei gesellschaftlichen Aufsteigern schließen<br />

zu können. Von keiner anderen Textkategorie wird man grundsätzlich<br />

einen so hohen Konsens über die Fakten und deren Bewertung erwarten<br />

können wie vom schulbuchähnlichen Breviarium. 71 So aber zeigt sich,<br />

daß im 4. und 5. Jahrhundert n.Chr. selbst unter Heiden keine vereinheitlichte,<br />

vollständig kanonisierte Version der Geschichte existiert hat,<br />

die vermittels von Exempla nur noch ungeprüft nachgebetet worden<br />

wäre.<br />

69 Eutr. 6,25: praecipui fuerunt inter coniuratos duo Bruti, ex eo genere Bruti, qui<br />

primus Romae consul fuerat et reges expulerat. Der in das Komplott ebenfalls<br />

einbezogene D. Brutus holte Caesar am Morgen des 15. März 44 zur Senatssitzung<br />

im Pompeiustheater ab (Suet. Caes. 80,4; 81,4; Plut. Caes. 64,5f); dazu auch<br />

Friedrich Münzer, s.v. D. Iunius Brutus Albinus 55.a, in: RE Suppl. 5 (1931)<br />

Sp.369–385, bes. 374.<br />

70 Vir.ill. 82,5: Civili bello [...] Pompeium secutus est, quo victo veniam a Caesare<br />

accepit et proconsul Galliam rexit; tamen cum aliis coniuratis in curia Caesarem<br />

occidit. – fast die gleiche Wortwahl auch ebd. 83,6 gegen den wichtigsten Mitverschwörer<br />

C. Cassius Longinus.<br />

71 Vgl. Momigliano (1963) 86, s. auch oben Kap. 2.


108 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Die christliche Literatur:<br />

KONVENTIONELL: L. BRUTUS, <strong>DER</strong> CONSUL<br />

Noch ganz im Rahmen der Konvention bewegt sich Prudentius. In seinem<br />

Gedicht Contra Symmachum von 402/04 finden sich die Bruti<br />

fasces als Consularinsignien wieder (1,554). Sie sind inzwischen, unter<br />

dem christlichen Kaiser Theodosius, in die Hände christlicher Familien<br />

übergegangen, die, so stellt es Prudentius dar, berechtigten Stolz auf die<br />

Größe der römischen Geschichte mit der gebotenen Demut vor Christus,<br />

den Aposteln und den Märtyrern zu verbinden wissen: Anicius Olybrius,<br />

Consul von 395, ist begierig darauf, die fasces des Brutus in Demut vor<br />

der Tür eines Märtyrerschreins zu senken. 72 Der Name Brutus fällt im<br />

Dienste einer interpretatio Christiana der römischen Geschichte. Es erweist<br />

sich jedoch, daß Prudentius mit dem Begründer der Republik weniger<br />

anfangen kann als mit anderen Gestalten aus republikanischer<br />

Zeit, 73 zumal solchen, deren Familie sich zwischenzeitlich zum Christentum<br />

hat bekehren lassen. 74<br />

Von diesem Beispiel abgesehen, wird das Consulat in der christlichen<br />

Literatur nicht mehr so selbstverständlich mit seinem ersten Inhaber L.<br />

Brutus identifiziert, wie es etwa in den oben behandelten Consulatsreden<br />

der Fall gewesen war. Die Begründung des Consulats selbst und die Tatsache,<br />

daß Brutus das Königtum in Rom beendet hat, finden gewöhnlich<br />

nur aus Gründen der Chronologie Erwähnung. 75 Unter den oben bereits<br />

behandelten Aspekten des spätantiken Brutusbildes begegnet vor allem<br />

die Hinrichtung der eigenen Söhne mehrfach, so auch bei Augustinus. In<br />

De civitate Dei steht allerdings ein Ereignis im Vordergrund, das sonst<br />

72<br />

Prud. c.Symm. 1,552–557.<br />

73<br />

Ihre exemplarischen Leistungen deutet er zumindest kurz an. Das gilt insbesondere<br />

für das zweite Buch, aber auch im engeren Kontext: Marius und sein Sieg<br />

über Iugurtha (Prud. c.Symm. 1,524f), Cicero und sein Vorgehen gegen die<br />

Catilinarier (526–529). Ähnlich wie Brutus das Consulat, verkörpert Cato den<br />

Senat, ohne daß auf eine konkrete Leistung angespielt wird (545).<br />

74<br />

Vgl. Prud. c.Symm. 1,561–565 über die plebicolae Gracchi. Gracchus, 376/77<br />

römischer Stadtpräfekt, war mit einem Paukenschlag, der Zerstörung eines<br />

Mithräums, zum Christentum übergetreten (dazu die Andeutungen ebd. u. Hier.<br />

epist. 107,2,2), vgl. Demandt (1989) 421.<br />

75<br />

Z.B. Hier. Commentarii in prophetas minores. In Aggaeum prophetam prol.<br />

(CCL 76A, Z.17–22).


Brutus 109<br />

nicht zum Inhalt eines Exemplums gemacht wird, die Absetzung von<br />

Brutus’ erstem Kollegen im Consulat Tarquinius Collatinus und das<br />

Exil, das dieser antreten mußte.<br />

EIN NEUER GESICHTSPUNKT: L. BRUTUS UND <strong>DIE</strong> AFFÄRE UM TARQUINIUS<br />

COLLATINUS<br />

Im siebzehnten Kapitel des zweiten Buches setzt sich Augustin mit<br />

Sallusts Satz auseinander, Recht und Anstand hätten in der Geschichte<br />

des frühen Roms noch nicht auf Gesetzen, sondern auf natürlicher Veranlagung<br />

der Römer beruht. 76 Dagegen führt der Bischof von Hippo drei<br />

Beispiele aus der römischen Frühzeit an: Zuerst nennt er den Raub der<br />

Sabinerinnen. Die Absetzung des L. Tarquinius Collatinus vom Amt des<br />

Consuls ist sein zweites Beispiel. Brutus habe seinen Kollegen, einen<br />

guten und unschuldigen Mann, gezwungen, das Amt aufzugeben und die<br />

Stadt zu verlassen, nur seines Namens und der Verwandtschaft mit dem<br />

soeben vertriebenen König Tarquinius Superbus wegen. 77 Bemerkenswert<br />

ist, daß Augustin Brutus hierfür im wesentlichen allein verantwortlich<br />

macht. Das Volk nimmt nach dieser Darstellung nur eine passive<br />

Haltung zu der „Untat“ des Brutus ein: Quod scelus favente vel patiente<br />

populo fecit (Aug. civ. 2,17 [CCL 47, Z.31]).<br />

Augustin greift hier auf die Version der Livius-Periochae 78 zurück, um<br />

seine Argumentation gegen Sallusts Beschönigungsversuch von „Recht<br />

und Anstand“ im frühen Rom zu untermauern. Er wird dies mit Absicht<br />

und nicht aus Bequemlichkeit getan haben. Denn für Eutrop, die gewiß<br />

einfacher zu konsultierende Quelle, wie auch für Livius selbst – in dieser<br />

76<br />

Sall. Catil. 9,1: ius bonumque apud eos non legibus magis quam natura valebat<br />

(zitiert in Aug. civ. 2,17 [CCL 47, Z.2f]).<br />

77<br />

Aug. civ. 2,17 (CCL 47, Z.22–29): Ex hoc iure ac bono [...] Iunius Brutus consul<br />

Lucium Tarquinium Collatinum [...] collegam suum, bonum atque innocentem<br />

virum, propter nomen et propinquitatem Tarquiniorum coegit magistratu se<br />

abdicare nec vivere in civitate permisit.<br />

Für Augustin besteht kein Zweifel an der Geschichtlichkeit von Collatinus’ Consulat.<br />

Daß dies in der Antike nicht communis opinio war, wurde bereits angemerkt<br />

(oben Anm.54).<br />

78<br />

Liv. perioch. 2; vgl. Hagendahl (1967) 657.


110 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Reihenfolge dürfte Augustin sie im allgemeinen verwendet haben 79 – ist<br />

die Bevölkerung die treibende Kraft hinter der Exilierung des Tarquinius<br />

Collatinus: Im Breviarium des Eutrop ist Brutus erst gar nicht in die<br />

Amtsenthebung involviert. 80 Bei Livius teilt Brutus die Befürchtungen<br />

seiner Mitbürger gegenüber Tarquinius Collatinus nicht, appelliert aber<br />

ihrem Wunsch gemäß vor der Volksversammlung an den Kollegen, sich<br />

um der noch jungen Freiheit willen freiwillig ins Exil zu begeben. Dieser<br />

fügt sich und verläßt Rom. 81<br />

Denkbar ist auch, daß hinter der „Rolle des ‚guten Römers‘“, die<br />

Collatinus im „Gottesstaat“ zu spielen hat, 82 eine späte, in diesem Fall<br />

negative Reminiszenz an Ciceros De officiis vorliegt. Cicero vertritt genau<br />

die Augustin entgegengesetzte Meinung, Collatinus trifft sogar ein<br />

Hauch von Kritik: Die Entscheidung der ersten Männer im Staat, alle<br />

Tarquinier zu verbannen, um jede Erinnerung an das Königtum zu beseitigen,<br />

leuchte ein. Dieser Beschluß sei daher auch nicht ungerecht,<br />

sondern „so ehrenwert, daß er auch den Beifall des Collatinus selbst<br />

hätte finden müssen“ (Cic. off. 3,40). 83<br />

Im Rahmen des dritten Buches geht Augustinus die römische<br />

Geschichte samt ihrer Vorgeschichte chronologisch durch, vom<br />

79<br />

Vgl. Hagendahl (1967) 650 sowie Maier (1955) 80. Eine unmittelbare Benutzung<br />

des Livius durch Augustin ohne vermittelnde Quelle (Livus-Epitome, Periochae)<br />

ist selten mit Sicherheit nachzuweisen – in dem hier erörterten Kapitel civ. 2,17<br />

jedoch in der nachfolgenden Passage zu Camillus (dazu unten 4.1.2), außerdem<br />

mehrfach in civ. 3,17; s. Hagendahl (1967) 654f. Auch war Augustin für Livius,<br />

Buch 2, nicht auf die Periochae allein angewiesen, dies zeigt die Verwendung<br />

von Liv. 2,8,6ff (Weihung des Iuppitertempels auf dem Capitol durch M.<br />

Horatius Pulvillus) in civ. 5,18 (CCL 47, Z.77–81), vgl. Hagendahl (1967) 655 u.<br />

197 (Nr.438).<br />

80<br />

Eutr. 1,9,4.<br />

81<br />

Liv. 2,2,3–11.<br />

82<br />

So Maier (1955) 108.<br />

83<br />

id erat ita honestum, ut etiam ipsi Collatino placere deberet. Brutus ist in Ciceros<br />

Sicht lediglich der Ausführende eines von anderen, den principes, gefaßten Beschlusses<br />

(ebd.). Zur Stelle vgl. Litchfield (1914) 38. Daß Augustin diese Deutung<br />

der Collatinus-Episode unmittelbar im Auge hatte, ist jedoch keineswegs<br />

ausgemacht. Im gesamten Werk Augustins finden sich nur wenig Berührungspunkte<br />

mit De officiis, eine Lektüre in jungen Jahren ist aber wahrscheinlich, s.<br />

Hagendahl (1967) 522f. Von daher mag ihm Ciceros Version im Gedächtnis geblieben<br />

sein.


Brutus 111<br />

Troianischen Krieg bis zu Augustus. Das sechzehnte Kapitel widmet<br />

sich dem ersten Jahr der römischen Republik. Wiederum wird Sallusts<br />

These von der Gerechtigkeit der frühen Römer auf- und angegriffen, 84<br />

die Richtung von Augustins Argumentation gleicht derjenigen im Kapitel<br />

2,17. Wie sehr die angebliche Vertreibung des Kollegen im Consulat<br />

zu einem negativen Bild von L. Iunius Brutus beitragen soll, wird daraus<br />

ersichtlich, daß sie als erster Beleg dafür vorgebracht wird, wie „unselig“<br />

(funestus – Aug. civ. 3,16 [CCL 47, Z.7]) dieses Jahr begonnen habe.<br />

Keiner der am Anfang gewählten Consuln sollte das Ende des Jahres erleben.<br />

Darauf und konkret auf den alsbaldigen Tod des Brutus im Zweikampf<br />

mit dem Königssohn Arruns Tarquinius weist Augustin hin, noch<br />

bevor er auf die Hinrichtung der eigenen Kinder durch Brutus zu sprechen<br />

kommt. 85 Die Reihenfolge der Ereignisse entspricht der von Livius<br />

vorgegebenen. Dennoch steht die Exilierung des Collatinus für Augustin<br />

hier im Vordergrund. Der Hinweis auf die hingerichteten Söhne erfolgt<br />

erst im Nachsatz zu den kurz mitgeteilten Umständen von Brutus’ Tod.<br />

Augustin geht sehr viel ausführlicher auf die Vertreibung des<br />

Collatinus ein. Nach einer kurzen Einschätzung der Verwandtenhinrichtung<br />

kehrt er wieder zum Thema Collatinus zurück. Dieses ist<br />

ihm offensichtlich wichtiger, denn den frühen Tod des Brutus deutet<br />

Augustin als gerechten Ausgleich, und zwar ausschließlich für die Behandlung<br />

seines Kollegen Tarquinius Collatinus, nicht aber für die Tötung<br />

der Söhne. 86<br />

Der nachfolgende Großteil des Kapitels 3,16 dient denn auch einzig<br />

dem Zweck, die Nutzlosigkeit und Ungerechtigkeit von Brutus’ Verhalten<br />

gegenüber seinem Mitconsul zu erweisen. 87 Die Ungerechtigkeit liegt<br />

zum einen darin, daß auch Brutus mit Tarquinius Superbus verwandt<br />

84<br />

Sall. hist. 1 frg.11 M. (aequo et modesto iure agitatum), zitiert in Aug. civ. 3,17<br />

(CCL 47, Z.2).<br />

85<br />

Aug. civ. 3,16 (CCL 47, Z.7–12).<br />

86<br />

Aug. civ. 3,17 (CCL 47, Z.25–29): Nonne in hoc Bruto, qui et filios occidit [...],<br />

Collatini collegae videtur innocentia vindicata, qui bonus civis hoc Tarquinio<br />

pulso passus est, quod tyrannus ipse Tarquinius?<br />

87<br />

Explizit in Aug. civ. 3,16 (CCL 47, Z.37f): Iunii Bruti detestanda iniquitas et<br />

nihilo utilis; der Nachweis hierfür wird ebd. (Z.29–45) geführt.


112 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

war. 88 Das Schicksal der Verbannung wird so zu einer reinen Frage des<br />

Namens und hätte Brutus genauso betreffen können. In Augustins Augen<br />

kann es nur ein mögliches Motiv für Brutus gegeben haben, ein pervertiertes,<br />

in Rom gleichwohl hochgeachtetes Streben nach gloria. 89 Dieses<br />

Streben scheint ihm umso unverständlicher, als die einfachste Lösung<br />

des Problems seiner Ansicht nach eine Änderung oder Verkürzung des<br />

Namens zu L. Collatinus gewesen wäre. Nur sei das zu keinem Zeitpunkt<br />

erwogen worden. Es ist kaum vorstellbar, daß in der Lebenswelt des<br />

späten 6. Jahrhunderts v.Chr. eine reelle Möglichkeit zur Verwirklichung<br />

eines derartigen Vorschlags bestanden hätte. Augustinus bringt diese<br />

Alternative, die ihm von der sonstigen Überlieferung nicht vorgegeben<br />

ist, 90 selbst ins Spiel.<br />

Abschließend wird die im zweiten Buch gegebene Version nochmals<br />

zugespitzt, wonach dem römischen Volk eine nur untergeordnete Rolle<br />

bei der Ausbürgerung von Tarquinius Collatinus zukomme. Nach dem<br />

Hinweis darauf, daß Brutus und Collatinus miteinander zu Consuln gewählt<br />

worden seien, heißt es:<br />

Wie richtig war’s, daß das Volk auf den Charakter und nicht auf den Namen<br />

sah! Und wie häßlich handelte Brutus, als er den Genossen seines ersten neugeschaffenen<br />

Amtes, dem er nur den Namen hätte zu nehmen brauchen, wenn<br />

er anstößig war, des Vaterlandes und der Würde beraubte!<br />

(Aug. civ. 3,16). 91<br />

Im Eifer des Gefechts – wiederum geht es gegen Sallusts These von der<br />

frührömischen Gerechtigkeit 92 – unterschlägt Augustin hier die duldende<br />

88<br />

Aug. civ. 3,16 (CCL 47, Z.29f); vgl. Eutr. 1,8,2; detaillierter Liv. 1,56,7 (Brutus<br />

ist Sohn der Schwester des Königs).<br />

89<br />

Aug. civ. 3,16 (CCL 47, Z.37ff) polemisiert gegen das Bild von Brutus in Verg.<br />

Aen. 6,820ff, hier bes. gegen eine Brutus zugeschriebene, positiv bewertete<br />

laudum immensa cupido (823).<br />

90<br />

Es sei denn, Augustin hätte für seine Zwecke den Satz aus Brutus’ Ansprache an<br />

Tarquinius Collatinus: aufer hinc regium nomen (Liv. 2,2,7), ganz wörtlich ausgelegt.<br />

Der Vorschlag einer Namensänderung zur Lösung des Problems in Aug.<br />

civ. 3,16 (CCL 47, Z.32ff u. 43f).<br />

91<br />

Übers. Thimme – Quam iuste populus mores in cive, non nomen adtendit! Quam<br />

impie Brutus collegam primae ac novae illius potestatis, quem posset, si hoc<br />

offendebatur, nomine tantum privare, et patria privavit et honore! (CCL 47,<br />

Z.41–45).<br />

92<br />

Aug. civ. 3,16 (CCL 47, Z.46f); wiederum wird Sall. hist. 1 frg.11 M. zitiert (s.<br />

Anm.84).


Brutus 113<br />

Haltung der Bevölkerung zur Ausweisung des Collatinus völlig. Diese<br />

hatte er im zweiten Buch immerhin am Rande angedeutet. 93<br />

So ergibt sich ein Widerspruch innerhalb des Werkes, ganz abgesehen<br />

davon, daß Augustin die Version des Livius, Eutrops oder auch Ciceros<br />

mit Hilfe der Periochae ohnehin schon in ihr Gegenteil verkehrt hatte.<br />

Der Vergleich zwischen dem Verhalten des Volkes bei der Wahl des<br />

Collatinus und dem späteren Verhalten des Brutus gegenüber seinem<br />

Amtskollegen hinkt, auch wenn man nur die Fassung von De civitate Dei<br />

zugrunde legt: Entweder die Bürger hatten, ungerechterweise, ihre Meinung<br />

über die Tragbarkeit eines Consuls namens Tarquinius zwischenzeitlich<br />

geändert oder aber sie handelten rückgratlos und kaum weniger<br />

impie als Brutus. Dieser Lapsus belegt noch einmal auf unfreiwillige<br />

Weise, wie stark Augustins Wille ist, mittels der Collatinus-Affäre zu<br />

einer mindestens partiellen Neubewertung von Brutus als angeblich vorbildlichem<br />

Römer zu gelangen.<br />

L. BRUTUS: HINRICHTUNG <strong>DER</strong> SÖHNE<br />

Es fügt sich in das ungünstige Bild vom ersten Consul, das Augustin bisher<br />

gezeichnet hat, daß dieser die eigenen Söhne und andere Familienangehörige<br />

hinrichten ließ. Den Grund dafür gibt Augustin ganz sachlich<br />

wieder: Die Verwandten des Brutus hatten sich verschworen, um<br />

Tarquinius Superbus die Rückkehr nach Rom zu ermöglichen. 94 Auf<br />

Widerspruch bei ihm stößt erst eine Verherrlichung von Brutus’ Verhalten.<br />

95 Dabei ist es charakteristisch für Augustin, wie er seinen „Lieblingsschriftsteller“<br />

96 Vergil für seine Argumentation vereinnahmt und<br />

93<br />

Aug. civ. 2,17 (CCL 47, Z.31 – Zitat oben im Text).<br />

94<br />

Aug. civ. 3,16 (CCL 47, Z.12ff). Nur Liv. 2,4,1 mit 2,5,5–8 und Liv. perioch. 2<br />

erwähnen außer den Söhnen noch andere Verwandte des Brutus unter den<br />

exekutierten Verschwörern.<br />

95<br />

Aug. civ. 3,16 (CCL 47, Z.14–24) mit Auslegung der zitierten Verse Verg. Aen.<br />

6,820–823.<br />

96<br />

Schelkle (1939) 3; s. hierzu auch die kurze, aber informative Übersicht bei Laufs<br />

(1973) 141 Anm.16. Die kritischen Töne sind darob freilich nicht zu übersehen.<br />

Insgesamt ist das Verhältnis Augustins zu Vergil zwischen ‚Dialog‘ und ‚Konfrontation‘<br />

anzusiedeln, so MacCormack (1998) 226 u. passim, vgl. schon Maier<br />

(1955) 34f.


114 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

ihm die eigene Sicht der Dinge unterstellt, unter anderem Mitleid 97 für<br />

eine beinahe tragisch zu nennende Vaterfigur.<br />

Damit ist auch die Möglichkeit gegeben, Brutus unter die Exempla in<br />

De civitate Dei 5,18 einzureihen, dem Kapitel, in dem Augustin die in<br />

den vorangegangenen Büchern angeschnittenen römischen Exempla<br />

noch einmal unter christlichen Vorzeichen Revue passieren läßt. Mit<br />

Polemik hält Augustin sich dabei zurück, überträgt die exemplarischen<br />

Situationen vielmehr auf die Verhältnisse des Gläubigen und leitet dafür<br />

aus dem jeweiligen Exemplum Handlungsmaximen ab. Wenn Brutus’<br />

Pflichtgefühl für sein weltliches Vaterland also so weit ging, daß er sogar<br />

seine Söhne tötete, dann muß der Christ, von dem solches gar nicht<br />

erst verlangt wird, wenigstens bereit sein, seine irdischen Güter aufzugeben,<br />

falls es die Situation erfordere. 98 Abermals wird die Tötung der<br />

Söhne in enger Anlehnung an das dritte Buch geschildert und wiederum<br />

im Diskurs mit der Aeneis. 99<br />

Die soeben referierte Nutzanwendung wird dann noch einmal in ausführlicheren<br />

Worten dargelegt. 100 Erst bei dieser Gelegenheit würdigt<br />

Augustin, wenn auch nur indirekt – vor allem über die Begrifflichkeit –,<br />

die aktive Rolle des Brutus als Befreier vom Königtum. 101 In die Form<br />

einer Frage gekleidet stellt der Bischof fest: Es ist nichts weiter Großartiges<br />

dabei, wenn ein Christ bemüht ist, die menschliche Gesellschaft<br />

von Dämonen und vom dominatus, den Sünde, Tod und Teufel über sie<br />

ausüben, zu befreien statt wie Brutus von der Gewaltherrschaft des<br />

Königs Tarquinius. Denn dabei geht es nicht bloß um menschlichen<br />

97<br />

Aug. civ. 3,16: clementer exhorruit (CCL 47, Z.15f); Trost Vergils für den Unglückseligen<br />

(tamquam ad consolandum infelicem [Z.23f]). Ein besonders aussagekräftiges<br />

Beispiel für das sich hier andeutende Verfahren Augustins, Vergil in<br />

seinem Sinne auszulegen, bei Zwierlein (1978) 77 m. Anm.91f.<br />

98<br />

Aug. civ. 5,18 (CCL 47, Z.1–8). Näher zur Bedeutung des Kapitels civ. 5,18 oben<br />

in Kap. 3.4.<br />

99<br />

Aug. civ. 5,18 (CCL 47, Z.12–19) mit Zitat von Verg. Aen. 6,820–823.<br />

100<br />

Aug. civ. 5,18 (CCL 47, Z.20–28).<br />

101<br />

In den Büchern davor war nur die Rede davon gewesen, daß Brutus der erste<br />

Consul der Republik war, und davon, daß Lucretia ihn und Tarquinius Collatinus<br />

vor ihrem Selbstmord auf Rache verpflichtet hatte (Aug. civ. 1,19 [CCL 47,<br />

Z.11ff]).


Brutus 115<br />

Ruhm, sondern um das Ziel einer wahren, christlichen libertas. 102 Demgemäß<br />

erkennt Augustin durchaus das Verdienst des Brutus für die<br />

irdische, römische Freiheit an. Insgesamt ein versöhnlicher Abschluß der<br />

Betrachtungen über die Geschichte Roms in De civitate Dei: Die<br />

Schäbigkeit gegenüber dem Kollegen kann das Verdienst um die Befreiung<br />

der Mitbürger nicht ungeschehen machen. 103 Abseits aller Polemik<br />

beweist dies die grundsätzlich vorhandene Fähigkeit Augustins, sich<br />

ein differenziertes Bild von der Geschichte zu machen. 104<br />

Orosius streift Brutus und die Begründung der römischen Republik in<br />

seiner Weltgeschichte nur kurz. Die Rolle, die L. Brutus bei der Beendigung<br />

der regum dominatio (hist. 2,4,13) 105 eingenommen hatte, unterschlägt<br />

Orosius völlig. In dem kurzen Absatz zu Brutus beschränkt er<br />

sich auf die Exekution der Söhne und auf den Tod des Brutus selbst. Obgleich<br />

an allem Unglück in der Welt interessiert, das sich vor Christi Geburt<br />

ereignet hat, übergeht Orosius die Ungerechtigkeit gegenüber dem<br />

Kollegen Collatinus, vermutlich, weil zwei Todesfälle in der sehr gedrängten<br />

Darstellung spektakulärer wirken als die Episode um den verbannten<br />

Ehrenmann Collatinus. Diese würde ein Minimum an Erklärung<br />

benötigen, um Abscheu erwecken zu können. 106 Obwohl Orosius die<br />

102 Aug. civ. 5,18 (CCL 47, Z.23–27): quid magnum est, si pro vera libertate, quae<br />

nos ab iniquitatis et mortis et diaboli dominatu liberos facit, nec cupiditate<br />

humanarum laudum, sed caritate liberandorum hominum, non a Tarquinio rege,<br />

sed a daemonibus et daemonum principe [...]?<br />

103 Überhaupt ist die Aufnahme des Brutus in die Exemplareihe Aug. civ. 5,18 Zeichen<br />

für ein gewisses Wohlwollen Brutus gegenüber. Lucretia und Cato Uticensis<br />

beispielsweise, deren Exempla ebenfalls breit erörtert worden sind (civ. 1,19 bzw.<br />

1,23), werden wegen des von Augustin strikt abgelehnten Selbstmordes nicht<br />

mehr beachtet.<br />

104 Daß Augustin die Bedeutung des Brutus als Gründer der Republik anerkennt,<br />

zeigt epist. 138,10 (CSEL 44, 135, Z.5–8): Brutus wird ganz nüchtern unter den<br />

Gründergestalten des römischen Staates, praeclaris viris, aufgezählt; als Gründer<br />

der Republik steht er neben dem Stadtgründer Romulus und dem Begründer des<br />

Staatskultes Numa.<br />

105 Auch die hieraus resultierende Einrichtung des Consulats bewertet Oros. hist.<br />

2,4,15 positiv. Sie entspricht den Notwendigkeiten des wachsenden Imperiums<br />

(dazu im folgenden).<br />

106 Die Episode um den abgesetzten Kollegen müßte, abgesehen davon, daß Eutrop<br />

und Livius-Periochae wahrscheinlich zu Orosius’ Quellen zählen (von Albrecht<br />

[1994] 1099), spätestens in seinen Gesichtskreis gelangt sein, nachdem Augustin<br />

sie so stark herausgestellt hatte. Orosius hat Aug. civ. 1–10 allem Anschein nach


116 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Republik als notwendige Entwicklungsstufe auf dem Weg zum Friedensreich<br />

des Augustus und damit mittelbar zur Ausbreitung des Christentums<br />

ansieht, behält das Bestreben, eine Unglücksgeschichte zu schreiben,<br />

die Oberhand. Noch, zwischen Königtum und Republik, kann sich<br />

aus seiner Sicht in Rom nicht viel geändert haben, denn die Härte bei der<br />

Bestrafung der Söhne und der Brüder seiner Frau schreibt Orosius dem<br />

angeblichen Bestreben des Brutus zu, primum conditorem regemque<br />

Romae [sc. Romulus] non solum exaequare parricidio sed et vincere<br />

(hist. 2,5,1).<br />

Hieronymus bewegt sich bei der Beurteilung der Hinrichtung von<br />

Brutus’ Söhnen stärker in der Nähe der oben behandelten nichtchristlichen<br />

Autoren. Dies kann freilich nur aus einer einzigen Andeutung erschlossen<br />

werden. Dem Bischof von Altinum Heliodor, dessen Neffe<br />

verstorben war, führt er in einem Trostbrief Beispiele vor Augen, wie<br />

andere, Griechen, Römer und Persönlichkeiten aus dem Alten Testament,<br />

ihre Trauer um einen Nahestehenden bewältigten. Dabei setzt er<br />

das Exemplum des L. Brutus als bekannt voraus. Brutus und die meisten<br />

anderen Römer werden nur in einer Praeteritio genannt. Ihnen ist gemein,<br />

daß sie Tapferkeit bewiesen haben, nicht nur im Krieg, sondern<br />

auch in der Trauer. 107 Für das Nähere wird Heliodor auf Ciceros<br />

Consolatio verwiesen, die dieser aus Trauer um seine 45 v.Chr. verstorbene<br />

Tochter Tullia für sich selbst geschrieben hatte. Da dieses Werk<br />

verloren ist, kann nur vermutet werden, daß die Exemplaauswahl aus<br />

ihm übernommen ist.<br />

Zwei Exempla, die Hieronymus im Vorfeld näher ausgeführt hat, aber<br />

auch die Erwähnung der Consolatio lassen annehmen, daß besonders an<br />

Väter gedacht ist, die ihre Kinder verloren haben, die darauf jedoch<br />

extrem nüchtern reagieren und trotz der großen seelischen Belastung<br />

gekannt, s. Mommsen (1959) 329 mit Oros. hist. 1 prol. 11; allgemein zu<br />

Orosius’ Quellenbenutzung Goetz (1980) 25–29.<br />

107 Hier. epist. 60,5,3: praetermitto Maximos, Catones, Gallos, Pisones, Brutos,<br />

Scaevolas, Metellos, Scauros, Marios, Crassos, Marcellos atque Aufidios,<br />

quorum non minor in luctu quam in bellis virtus fuit. Der Brief von 396 ist aus<br />

Anlaß des Todes von Nepotian, einem Priester und ehemaligen Offizier, verfaßt,<br />

mit dem Hieronymus selbst Briefkontakt (epist. 52) gehabt hatte, s. Kelly (1975)<br />

215.


Brutus 117<br />

weiter ihrer Pflicht nachkommen. 108 Was Brutus betrifft, kann hier, nach<br />

allem, was wir wissen, nur die Todesstrafe gemeint sein, die er in Erfüllung<br />

seiner Pflicht als Consul an beiden Söhne vollstrecken ließ. Über<br />

Empfindungen der Trauer bei Brutus schweigt sich die Überlieferung im<br />

wesentlichen aus. 109 Hieronymus kann sich offensichtlich dennoch mit<br />

der von ihm vorgelegten Zusammenstellung von Exempla, stellis Latinae<br />

[...] historiae (epist. 60,5,3), identifizieren. 110 So Hieronymus kein<br />

Flüchtigkeitsfehler unterlaufen ist, dürfen wir annehmen, daß er dem Exemplum<br />

von der Hinrichtung der Söhne nicht den Respekt versagt hat.<br />

L. Iunius Brutus ist zuallererst Verkörperung des Consuls schlechthin.<br />

Die Stellung an der Spitze der Fasten gibt ihm besondere Dignität, für<br />

die Nachwelt ist sie ein bleibender Anspruch, die Würde des Amtes zu<br />

wahren. Dieser Anspruch gilt auch unter einem christlichen Kaisertum<br />

wie, mit unterschiedlicher Akzentuierung, Claudian und Prudentius belegen.<br />

Daß der Name Brutus, Marcus Brutus eingeschlossen, zudem für<br />

libertas steht, ficht das Kaisertum nicht an. Brutus ist der Gegner aller<br />

Tyrannen und damit auch der spätantiken Usurpatoren. Wie schon eingangs<br />

festgestellt wurde, ist unter „Brutus als solchem“ der erste Consul<br />

der römischen Republik zu verstehen und nicht der Mörder Caesars.<br />

Alles in allem berücksichtigen spätantike Autoren die beiden Bruti vergleichsweise<br />

selten in Exempla. An einem Basiswissen über die<br />

108<br />

Hier. epist. 60,5,3: Horatius Pulvillus bleibt der Bestattung seines Sohnes fern,<br />

um die Weihe des Iuppitertempels auf dem Capitol nicht zu gefährden, Lucius<br />

Aemilius Paullus (Macedonicus) feiert in der Woche zwischen dem Ableben eines<br />

ersten und zweiten Sohnes dennoch den Triumph. Beide Exempla bei<br />

Val.Max. 5,10,1 bzw. 2 (Kap. De parentibus, qui obitum liberorum forti animo<br />

tulerunt); ebd. ext.1 und 2 übrigens auch die von Hieronymus zuvor erwähnten<br />

Griechen Perikles und Sokrates’ Schüler Xenophon (epist. 60,5,2). Hagendahl<br />

(1958) 202f tendiert dennoch dazu, sämtliche, auch die nicht weiter ausgeführten<br />

Exempla in epist. 60,5 aus Ciceros Consolatio abzuleiten (desgleichen Helm<br />

[1939] 132–137 aufgrund einer erschöpfenden Analyse der relevanten Zeugnisse).<br />

109<br />

Liv. 2,5,8 deutet nur an, daß L. Brutus sich seine väterlichen Gefühle für einen<br />

kurzen Augenblick anmerken ließ.<br />

110<br />

In diesen Exempla liege eine „Verhöhnung unserer selbst“ (suggillatio nostri),<br />

denn sie seien nicht einmal aus (christlichem) Glauben heraus erfolgt (Hier. epist.<br />

60,5,3).


118 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

historische Bedeutung des älteren, aber auch des jüngeren Brutus hat es<br />

im Grunde nicht gemangelt, wie die kurzen Abrisse in den Breviarien<br />

zeigen. Auch die immer noch vielgelesenen spätantiken Schulautoren<br />

Cicero und Vergil 111 und ferner die Exemplasammlung des Valerius<br />

Maximus hätten dieses Material dargeboten und ergänzt.<br />

Ausführlichste Quelle zum Begründer der Republik L. Brutus war die<br />

römische Geschichte des Livius. Dieser stellt sich Geschichte als ein<br />

großes, aus mannigfachen exempla bestehendes Monument vor. 112 Doch<br />

gerade an Exempla, die ins Detail gehen, mangelt es in der Tat, vergleicht<br />

man L. Brutus mit anderen Persönlichkeiten aus der Geschichte<br />

der Republik. Ansprechende Anekdoten, das werden die folgenden<br />

Kapitel dieser Arbeit zeigen, wie sie sich um Camillus und andere Gestalten<br />

ranken, fehlen zu Brutus weitgehend, nicht nur bei Livius. So gesehen<br />

schöpfen die Texte, die auf den vorangegangenen Seiten durchgegangen<br />

wurden, einigermaßen das Spektrum aus, das von der livianischen<br />

Überlieferung zu L. Brutus zur Verfügung gestellt wird: die Vertreibung<br />

des tyrannischen Königs Tarquinius, das Eintreten für die Freiheit,<br />

Pflichterfüllung, die auch vor der Hinrichtung der Söhne nicht halt<br />

macht, der Tod im Zweikampf mit Arruns Tarquinius und auch die<br />

Affäre um Collatinus. 113<br />

Bei den Autoren, die ganz in einem heidnischen Kontext schreiben, ist<br />

die Leistung des älteren Brutus ohne Zweifel angesehen. Für den Panegyriker<br />

ist das trockene Faktum, daß Brutus an der Spitze der Fasten<br />

steht, wenig ergiebig. Es handelt sich nicht um ein Exemplum im engeren<br />

Sinn, das irgendeinen Beweischarakter in sich trägt. Infolgedessen<br />

nehmen nur wenige Autoren die Mühe auf sich, Brutus in seiner Rolle<br />

111 Vgl. dazu Eigler, lectiones passim. Eine Übersicht zu Primärstellen und zu<br />

exempla virtutis von beiden Bruti bei Cicero, Vergil u.a. bei Litchfield (1914) 44f<br />

Anm.8.<br />

112 Liv. praef. 10.<br />

113 Nur eine Begebenheit, die sich als Exemplum für Gewitztheit angeboten hätte,<br />

findet sich nirgends wieder: Weil er sich sprichwörtlich dumm stellt, kann Brutus<br />

in Delphi ungehindert das Orakel erfüllen, das ihm, der es als einziger durchschaut,<br />

die oberste Gewalt in Rom in Aussicht stellt, s. Liv. 1,56,7–13; vgl.<br />

Val.Max. 7,3,2 (Kap. Vafre dicta aut facta). Das Bild vom Sonderling mit dem<br />

sprechenden Namen Brutus kommt zwar bei Macr. Sat. 3,20,5 zur Sprache, jedoch<br />

nicht in Verbindung mit der Delphi-Episode.


Brutus 119<br />

als erster Consul zum Gegenstand einer Synkrisis zu machen. Claudian<br />

beispielsweise muß in der Rede auf Stilicho erst umständlich erklären,<br />

daß es leichter sei, Institutionen zu schaffen als zu bewahren, um plausibel<br />

zu machen, daß Stilichos Leistung über der von L. Brutus anzusiedeln<br />

sei. Auch Mamertinus verzichtet auf einen direkten Vergleich mit<br />

Brutus. In seinem Fall wäre es auch deplaziert, sich auf eine Ebene mit<br />

dem Republikgründer zu stellen, die Rede soll schließlich Iulian und<br />

nicht ihm selbst zum Lob gereichen. Pacatus hätte diese Möglichkeit,<br />

denn sein Panegyricus gilt einem kaiserlichen Consulat. Doch er begnügt<br />

sich ebenfalls damit, lediglich den Rahmenbedingungen, unter denen ein<br />

Consul in der Gegenwart agiert, den Vorzug vor denjenigen zur Zeit des<br />

Brutus zu geben.<br />

Die Tragik des Vaters, der aus den Pflichten seines Amtes heraus<br />

unnachsichtige Strenge gegenüber den eigenen Söhnen walten ließ, hätte<br />

sich schon eher als stichhaltiges Exemplum angeboten, eine entsprechende<br />

Konfliktsituation vorausgesetzt. Einer Zeit, in der das Recht des<br />

Vaters, seine Kinder zu strafen, und die patria potestas überhaupt zusehends<br />

eingeengt wurden, 114 wird das Exemplum des strafenden Brutus<br />

jedoch eher problematisch vorgekommen sein. Mit Ausnahme des<br />

Orosius hat zwar keiner der hier untersuchten Autoren dieses Exemplum<br />

des L. Iunius Brutus schlankweg abgelehnt, aber auch Claudian scheint<br />

sich nicht direkt dafür erwärmen zu können.<br />

M. BRUTUS<br />

Als noch problematischer stellt sich der Tyrannenmord des Marcus<br />

Brutus dar. Dieser fand zum einen bereits in einer Übergangsphase zwischen<br />

Republik und Kaiserzeit statt, aus der Exempla zunehmend seltener<br />

entnommen werden. Zum anderen hatte die Tat immerhin den vergöttlichten<br />

Adoptivvater des ersten Princeps Augustus betroffen. 115 Das<br />

Attentat auf Caesar wurde deshalb in der Kaiserzeit nicht mehr<br />

114 Zu entsprechenden spätantiken Kaisergesetzen, in denen sich eine seit dem Principat<br />

bestehende Tendenz fortsetzt, s. Demandt (1989) 304.<br />

115 Caesar wurde gelegentlich schon als erster Kaiser eingestuft, etwa von Sueton.<br />

Auf die Stellung Caesars zwischen Republik und Kaiserzeit wird unten in Kap.<br />

4.2.2 näher eingegangen.


120 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

unverhohlen bejaht, nachdem Cicero es noch begrüßt hatte. 116 Soweit<br />

überhaupt erwähnt, 117 überwog die Ablehnung, so auch bei Orosius:<br />

Bemerkenswert ist, daß das in diesem Fall gar nicht so sehr an der schon<br />

an sich verbrecherischen Bluttat liegt. Doch weil Caesar indigne getötet<br />

worden war (Oros. hist. 6,17,6), kam es zu einem weiteren Bürgerkrieg<br />

und vor allem zu einer Verzögerung, bis die Regierungsgewalt über das<br />

römische Imperium endlich in eine einzige Hand gelangen konnte. Wie<br />

schon erwähnt, ist letzteres für Orosius Voraussetzung für die Ausbreitung<br />

des Christentums. 118<br />

L. UND M. BRUTUS: <strong>DIE</strong> KEUSCHHEIT <strong>DER</strong> FRAUEN UND <strong>DIE</strong> <strong>RÖMISCHE</strong> TRADITION<br />

Grundsätzlich stieß die Integrität des M. Brutus auch unter dem Kaisertum<br />

noch auf Bewunderung. 119 Ein schwacher Abglanz davon hat sich<br />

bei Hieronymus erhalten. Wenn er das Exemplum von Porcia über das<br />

ihres Gemahls M. Brutus stellen kann, setzt das ein Mindestmaß an<br />

Achtung für Brutus voraus. Dies geschieht freilich bewußt in einem<br />

Kontext, der weitab von den Sachverhalten liegt, in denen die Namen<br />

römischer Führungsgestalten üblicherweise fallen.<br />

Es ist das Leitbild der weiblichen Keuschheit, das Hieronymus dazu<br />

veranlaßt, römische Exempla neu untereinander zu gewichten. 120 Das<br />

116 Vgl. Cic. off. 3,19 u. 32. Lediglich Lucan hat Caesars Ermordung noch offen<br />

gebilligt (z.B. 7,588–596; 10,338–344 u. 525–530). Im einzelnen dazu und zu<br />

weiteren Stimmen aus der Kaiserzeit Clarke (1981) 79–85, ferner Litchfield<br />

(1914) 42–46.<br />

117 Augustin übergeht Marcus Brutus trotz der sehr ausführlichen Betrachtungen zur<br />

römischen Geschichte in De civitate Dei völlig. In civ. 3,30 z.B. streift er die<br />

nachsullanischen Bürgerkriege und Caesar nur kurz, um sofort zu Augustus überzugehen.<br />

118 Vgl. Oros. hist. 6,17,10; 6,20 und bes. 7,2,14 sowie unten Kap. 4.2.2. Zu dem von<br />

Brutus und Cassius angestifteten Attentat selbst hist. 6,17,1; ebd. § 2 wird ausdrücklich<br />

die Beteiligung von duo Bruti (d.h. außer Marcus auch D. Iunius Brutus<br />

Albinus) erwähnt.<br />

119 Vgl. Clarke (1981) 81: “It was possible to admire Brutus without approving his<br />

killing of Caesar. He could be recognized as a virtuous man who had yet done<br />

something which could only be deplored.” Dies geht u.a. auch aus Tac. ann. 4,34<br />

hervor.<br />

120 Im Kommentar zum Propheten Zephanja rechtfertigt es Hieronymus u.a. mit dem<br />

Hinweis auf Porcia und Brutus, daß er seinen Kommentar nicht Männern, sondern<br />

den christlichen Jungfrauen Paula und Eustochium widmet: Quid referam


Brutus 121<br />

erste Buch der Streitschrift gegen Iovinian von 393, in der Hieronymus<br />

sein Ideal von Askese in besonders aggressiver Weise vertreten hat, 121<br />

schließt mit einer längeren Reihe von Exempla aus dem römischen Bereich.<br />

Dabei wird die pudicitia über zentrale Attribute gestellt, welche<br />

einem römischen Mann zu historischer Bedeutung verhelfen:<br />

Viros consulatus illustrat: eloquentia in nomen aeternum effert: militaris<br />

gloria triumphusque novae gentis consecrat. Multa sunt, quae praeclara<br />

ingenia nobilitent. Mulieris virtus proprie pudicitia est. Haec Lucretiam<br />

Bruto aequavit, nescias an et praetulerit: quoniam Brutus non posse servire a<br />

femina didicit. Haec aequavit Corneliam Graccho: haec Porciam alteri<br />

Bruto.<br />

(Hier. adv.Iovin. 1,49 [PL 23, 282AB]). 122<br />

Catonis filiam, Bruti coniugem, cuius virtus facit ne patris maritique constantiam<br />

tantopere miremur? (Hier. Commentarii in prophetas minores. In Sophoniam<br />

prophetam prol. [CCL 76A, Z.21f]).<br />

121 Der römische Mönch Iovinian hatte sich gegen ein überzogenes Askeseideal gewandt<br />

und u.a. die Auffassung vertreten, daß alle Christen durch die Taufe gleich<br />

vor Christus seien. Folglich sei ein Leben in Keuschheit dem in einer Ehe mit<br />

normalen sexuelle Beziehungen keineswegs überlegen. In Rom stieß Hieronymus’<br />

Gegenschrift auf starke Ablehnung. Zu Fortgang und Inhalten der Kontroverse:<br />

Pierre Nautin, s.v. Hieronymus, in: TRE 15 (1986) 304–315, hier: 306f,<br />

312f, Grützmacher II (1906) 148–172 sowie Brown (1994) 366ff, 383f. Ausführliche<br />

Inhaltsangabe von Adversus Iovinianum bei Opelt (1973) 37–63.<br />

122 Es ist nicht zu klären, ob Hieronymus hier im Wortlaut aus Senecas verlorener<br />

Abhandlung De matrimonio zitiert und in welchem Umfang. Unabhängig von der<br />

strittigen Frage einer direkten Übernahme ist aber deutlich (mehr als bei epist.<br />

60,5; s. oben), daß Hieronymus in den letzten Kapiteln (41–49) von Adversus<br />

Iovinianum, Buch 1, mit Auswahl und Bewertung der dortigen Exempla übereinstimmt.<br />

In bezug auf die Graecas et Latinas Barbarasque historias heißt es am<br />

Anfang von 1,41: docebo virginitatem semper tenuisse pudicitiae principatum<br />

(PL 23, 270B), und später bei einer Kritik an den mulieres nostri temporis, die<br />

Zweitehen eingehen: discant saltem ab Ethnicis castitatem (1,47 [PL 23, 276B]).<br />

Zur Quellenbenutzung in adv.Iovin. 1,41–49 Hagendahl (1958) 150–154 u. 297:<br />

1.) Im Gegensatz zu griechischen plagiiert Hieronymus lateinische Schriftsteller<br />

nicht (ebd. 151). 2.) Soweit sich Hieronymus’ Umgang mit heidnischen Quellen<br />

überhaupt rekonstruieren läßt, stellen die “secular parts” von adv.Iovin. “a<br />

tesselated [sic!] work composed of small pieces” dar (ebd. 153), die verschiedenen<br />

Stellen innerhalb eines Werkes, oft auch unterschiedlichen Autoren entstammen<br />

können; so z.B. der Schluß von adv.Iovin. 1,49 (PL 23, 282BC), dazu<br />

Hagendahl, 154. Die eigenständige Kompilation von Zitat und Paraphrase und die<br />

Absicht, virginitas als bereits unterhalb der Ebene des Christentums existenten<br />

Wert darzustellen, weisen zusätzlich darauf hin, daß Hieronymus hinter den Exempla<br />

in Adversus Iovinianum steht, selbst wenn sie wörtlich von Seneca u.a.<br />

übernommen sein sollten.


122 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Die kurze Exemplafolge ist einigermaßen heterogen. Den Exempla von<br />

Lucretia und Porcia liegt jeweils ein Selbstmord zugrunde, im einen Fall<br />

aufgrund der erlittenen Vergewaltigung, 123 im anderen Fall, weil Porcia<br />

der Legende nach auf keinen Fall ohne ihren Ehemann M. Brutus<br />

weiterleben wollte. 124 Cornelia, die Mutter der Gracchen, galt in der Kaiserzeit<br />

als Musterbild einer sorgenden Mutter, die nach dem Tod ihres<br />

Ehemannes allem Werben der Männer aus dem Wege ging und in vorbildlicher<br />

Weise das Ideal der univira erfüllte. 125 Der letzte Punkt ist entscheidend.<br />

Hieronymus hat sich schon einige Kapitel zuvor unter diesem<br />

Gesichtspunkt zu Porcia und Brutus geäußert: Die Ursache für Porcias<br />

Willen, nach Brutus’ Tod nicht mehr weiterleben zu wollen, meint er<br />

darin erkennen zu können, daß Porcia bei der Eheschließung mit Brutus<br />

angeblich noch Jungfrau gewesen sei. Die zweimal verheiratete Marcia<br />

hingegen sei auch ohne Cato d.J. ausgekommen. 126<br />

Die soeben behandelte Hieronymusstelle ist in zweierlei Hinsicht<br />

signifikant, nicht nur für die hier untersuchten Brutus-Exempla. Auch ein<br />

zusammengesetzter Begriff wie Bruti fasces vermag Tradition zu stiften.<br />

Den Gedanken, daß Frauen durch Keuschheit und Askese die politisch-militärischen<br />

Leistungen ihrer männlichen Familienangehörigen übertreffen, hat Hieronymus<br />

jedenfalls verinnerlicht und auch andernorts vertreten, ohne daß Seneca<br />

dort die Vorlage sein müßte, vgl. epist. 54,2,1 (zitiert unten in Kap. 4.1.2).<br />

123<br />

Vgl. Hier. adv.Iovin. 1,46 (PL 23, 275B): et primam ponam Lucretiam, quae<br />

violatae pudicitiae nolens supervivere, maculam corporis cruore delevit. Mit dem<br />

Selbstmord der beiden Frauen hat Hieronymus anders als Augustin (s. Anm.103)<br />

offenbar kein Problem.<br />

124<br />

Über Porcias Tod existieren zwei widersprüchliche Versionen; hierzu Clarke<br />

(1981) 58f. Hieronymus rekurriert auf die unwahrscheinlichere, aber verbreitetere<br />

Version vom Selbstmord nach Philippi (vgl. adv.Iovin. 1,46 [PL 23, 276A]).<br />

Demnach hatte Porcia, als man sie daran hindern wollte, ihrem Gatten in den Tod<br />

zu folgen, und in Ermangelung eines geeigneteren Mittels glühende Kohlen geschluckt,<br />

vgl. Val.Max. 4,6,5 u. Plut. Brut. 53,5.<br />

125<br />

S. dazu Burckhardt / von Ungern-Sternberg (1994), bes. 105f, 118, 131f, mit von<br />

Hesberg-Tonn (1983) 65f, 69f.<br />

126<br />

Hier. adv.Iovin. 1,46 (PL 23, 275D–276A [unterstr. Text korrigiert nach Cetedoc;<br />

Fy]): Brutus Porciam virginem duxit uxorem: Marciam Cato non virginem; sed<br />

Marcia inter Hortensium Catonemque discurrit, et sine Catone vivere Marcia<br />

potuit: Porcia sine Bruto non potuit. Magis enim se unicis viris applicant<br />

feminae; et nihil aliud nosse, magnum arctioris indulgentiae vinculum est. In dem<br />

hier behandelten Rahmen ist es von untergeordneter Bedeutung, daß Hieronymus<br />

von falschen Voraussetzungen ausgeht. Porcia war in erster Ehe mit M.<br />

Calpurnius Bibulus verheiratet gewesen; zur Stelle s. Krumeich (1993) 320f.


Brutus 123<br />

Geht es aber darum, das Außergewöhnliche oder eine Neuerung in der<br />

Gegenwart mit einem Rückgriff auf die Vergangenheit zu erklären bzw.<br />

in die Tradition einzuordnen, dann sind für die hier behandelten Autoren,<br />

Heiden und Christen gleichermaßen, Episoden mit Handlungsgerüst<br />

interessanter, zumal wenn sie einer gewissen Theatralik nicht entbehren.<br />

Das trifft hier auf die mit Emotionen aufgeladenen Ereignisse um die<br />

Selbstmorde Lucretias oder Porcias zu, an und für sich auch auf die Hinrichtung<br />

von Brutus’ Söhnen.<br />

Hieronymus variiert das Thema des Brutus oder der Bruti (neben anderen<br />

Gestalten) auf neue Art. Bei der Argumentation im Sinne seines<br />

Keuschheitsideals soll die Verbindung zu den großen Namen der Vergangenheit<br />

nicht abreißen. So rückt Hieronymus die Frauen im Schatten<br />

der großen Männer Roms in den Vordergrund. Mittels heidnischer Exempla<br />

führt Hieronymus den „Traditionsbeweis“ für in Rom gänzlich<br />

neuartige Wertvorstellungen. 127<br />

Hier bei Hieronymus geschieht das im Einklang mit der üblichen Bewertung<br />

der jeweiligen exempla virtutum bzw. vitiorum, bei Augustin<br />

gelegentlich mit der Destruktion dieser Wertung. 128 Beide müssen ihre<br />

Exempla deutlich innerhalb der Koordinaten der Tradition markieren.<br />

Dies kann z.B. durch einen chronologischen Durchgang durch die Exempla<br />

der Geschichte geschehen wie bei Augustin. Hieronymus wählt in<br />

Adversus Iovinianum das auch sonst bei ihm zu beobachtende Verfahren,<br />

Verwandtschaftsverhältnisse zum strukturierenden Merkmal seiner Behandlung<br />

von Exemplareihen zu machen. 129<br />

127 Rebenich, Geschichte (1992) 39. Jungfräulichkeit als Ideal für die gesamte Gesellschaft<br />

war für römische Verhältnisse etwas völlig Umwälzendes. „Nie zuvor<br />

hatte man von römischen Männern, die im öffentlichen Leben standen, erwartet,<br />

daß sie auf diese Weise Tugenden übernahmen, die gewöhnlich an Frauen delegiert<br />

wurden.“ (Brown [1994] 366).<br />

128 Zu denken ist hier vor allem an Lucretia, deren Exemplum, ungeachtet der unterschiedlichen<br />

Auffassungen Augustins und des Hieronymus zum Selbstmord, eines<br />

der geachtetsten überhaupt in der christlichen lateinischen Literatur ist, s.<br />

Carlson (1948) 97.<br />

129 Vgl. Näf (1995) 112f, Krumeich (1993) 80, 307ff und Rebenich, Kreis (1992)<br />

181–192 zu den von Hieronymus erstellten Genealogien der christlichen feminae<br />

clarissimae.


124 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

So kommt es bei Hieronymus zu einer der wenigen Verknüpfungen<br />

zwischen Lucius und Marcus, dem alter Brutus, in den hier untersuchten<br />

Texten überhaupt. Die Verwandtschaft der Bruti stellt nur eine äußerliche<br />

Beziehung zwischen den Exempla her. Das eigentlich verbindende<br />

Element sind die Selbstmorde der beiden Frauen. Der Tyrannenhaß als<br />

Konnex zwischen beiden Bruti wird wie in den anderen hier untersuchten<br />

Texten nicht thematisiert, 130 der spätantike Leser kann ihn allenfalls<br />

selbst assoziieren. Obwohl der ältere und der jüngere Brutus die Zeit der<br />

römischen Republik gleichsam einrahmen, wird aus ihren Exempla keine<br />

Gliederung der römischen Geschichte abgeleitet. 131 Die Vertreter des<br />

Namen Brutus sind keine heimlichen Schutzpatrone der spätantiken res<br />

publica.<br />

130 Einzige Ausnahme ist Claud. IV Hon. 310f, zugleich Beleg dafür, daß stillschweigend<br />

grundsätzlich der eine mit dem anderen Brutus mitgedacht werden<br />

konnte.<br />

131 Auch Eutrop greift nicht zu dieser Möglichkeit und läßt in seinem Breviarium nur<br />

die Ermordung Caesars mit einer Buchgrenze zusammenfallen. Das erste Buch<br />

hingegen wird über die Vertreibung der Könige hinaus fortgesetzt und umschließt<br />

analog zu Livius, Buch 1–5, die Zeit bis zum Sieg des Camillus über die Gallier.


4.1.2 Camillus: Sieger über die Gallier und zweiter Gründer Roms<br />

M. Furius Camillus, Sieger über Veii im Jahr 396 v.Chr., ist „der erste<br />

Römer, dessen geschichtliche Bedeutung wir durch eine dichte Legendenschicht<br />

hindurch noch erkennen können“. 1 Das ist durchaus wörtlich<br />

zu nehmen. Die Fasten belegen, daß Camillus einige Bedeutung für die<br />

Geschichte der frühen römischen Republik gehabt haben muß. 2 Über das<br />

Faktum der Bedeutung hinaus läßt sich zu Camillus aber nur wenig an<br />

Gesichertem zusammentragen. 3 Für Exempla wurden fast nur die legendenhaften<br />

Züge seiner Gestalt aufgegriffen. Dennoch bestand kein Problem<br />

darin, auf Camillus zu rekurrieren, denn an Exempla war nie ein<br />

historisch-kritischer Maßstab angelegt worden.<br />

Die Camilluslegende war bis in die byzantinische Zeit hinein Veränderungen<br />

unterworfen. 4 Zumindest in augusteischer Zeit hatte man auch<br />

noch zur Kenntnis genommen, daß die Überlieferung zum frühen Rom<br />

teilweise recht fragwürdig war. Livius läßt gelegentlich Skepsis gegenüber<br />

dem ihm vorliegenden Material erkennen, 5 und auch Cicero war<br />

sich im Grunde genommen dessen bewußt, daß die Grundlage für<br />

1 Heuß (1987) 14; ebenso Bleicken, Geschichte (1992) 19 u. Hans Georg Gundel,<br />

s.v. Camillus, in: DKlP 1 (1964) Sp.1030f, hier: 1030, der sehr übersichtlich die<br />

Hauptlinien von Dichtung und Wahrheit über Camillus nachzeichnet. Nicht so<br />

optimistisch bezüglich des Wahrheitsgehaltes der Überlieferung ist Täubler<br />

(1912/87) 219.<br />

2 Vgl. Cornell (1995) 319 u. Friedrich Münzer, s.v. M. Furius Camillus 44, in: RE<br />

7,1 (1910) Sp.324–348, hier: 348. Zum Folgenden auch ebd. passim.<br />

3 Allen Bemühungen zum Trotz hat sich in den vergangenen hundert Jahren daran<br />

nichts wesentlich geändert, vgl. Dumézil (1980) 46f Anm.6 mit Literatur. Die<br />

Überlieferungslage ändert sich mit dem Jahr 390 nicht schlagartig, “the Camillus<br />

following this date does not become overnight a more consistent figure” (ebd.<br />

46). Moderne Darstellungen zur römischen Republik können ganz ohne Hinweis<br />

auf Camillus auskommen, so etwa Bengtson (1982). Für die Ereignisgeschichte<br />

spielt Camillus auch bei Heuß (1987) keine Rolle. Eine Ausnahme in jüngster<br />

Zeit ist Tim J. Cornell (1995) u. ders.: Rome and Latium to 390 B.C., in: CAH<br />

VII 2 2 (1989) 243–308. Er unternimmt es in den genannten Darstellungen, einen<br />

wahren Kern aus den legendenhaften Überlieferungen zur frührömischen Zeit<br />

herauszuschälen.<br />

4 Münzer [Anm.2], RE 7,1, Sp.348.<br />

5 Etwa Liv. praef. 6ff oder 5,21,9. Die Überlieferungssituation verbessere sich erst<br />

nach dem Galliersturm ein wenig (6,1,2f), sie bleibt für Livius aber z.T. weiterhin<br />

prekär (z.B. 8,18,2f).


126 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

manches von ihm benutzte Exemplum eher zweifelhaft war. 6 Derartige<br />

Erkenntnisse wären den Autoren der Spätantike durchaus noch zugänglich<br />

gewesen. Zu gänzlich neuen Interpretationen von Camillus ist es<br />

aber, soweit es den Umgang mit seinem Exemplum in der lateinischen<br />

Literatur des 4. und 5. Jahrhunderts betrifft, nicht gekommen. Gegebenenfalls<br />

bestehende Widersprüche zu Überlieferungsvarianten, auch solchen,<br />

die andere Zeitgenossen aufgegriffen hatten, wurden nicht problematisiert.<br />

Die nachfolgende Untersuchung kann sich deshalb auf die<br />

Frage beschränken, für welche argumentativen Zwecke das Camillus-<br />

Exemplum von heidnischen und christlichen Autoren des 4. und<br />

5. Jahrhunderts herangezogen worden ist.<br />

Im wesentlichen lassen sich drei Ebenen für Vergleiche mit Camillus<br />

ausmachen. Zum einen ist er einer von vielen erfolgreichen römischen<br />

Feldherren und kann so in den unterschiedlichsten Kombinationen mit<br />

anderen sieghaften Römern Teil einer Exemplareihe sein. In einer Epoche,<br />

die sich wiederum von den Germanen bedroht sah, kann es dabei im<br />

Einzelfall für den geschichtlichen Vergleich von besonderer Bedeutung<br />

sein, daß Camillus die Gallier abgewehrt hat, daß sich also schon einmal<br />

ein Römer gegen den Feind der Gegenwart behauptet hatte. Zum anderen<br />

hat das Exemplum des Camillus über den einfachen Rekurs auf die Sieghaftigkeit<br />

hinaus auch eine stark moralische Komponente, denn Camillus<br />

kämpfte trotz der Undankbarkeit seiner Mitbürger noch im Exil für seine<br />

Heimatstadt Rom.<br />

RETTER UND ZWEITER GRÜN<strong>DER</strong> ROMS<br />

Claudian hegt für Camillus eine ähnliche Vorliebe wie für L. Brutus.<br />

Sein Exemplum findet in insgesamt sechs Werken des Dichters Verwendung.<br />

Allein für die Invektive gegen Eutropius von 399 n.Chr. hat Claudian<br />

es dreimal herangezogen. In dem Abschnitt 1,436–465 wird eine<br />

ganze Heldenschau mit Berühmtheiten der Frühzeit gegen den Eunuchen<br />

im Amt des Consuls aufgeboten. Während, wie schon erwähnt, Brutus<br />

hier für eine besonders strenge Amtsauffassung vom Consulat steht,<br />

6 Dies zeichnet Bréguet (1967), bes. 607f, nach – unter anderem auch an dem<br />

Camillusbild, das Cicero für sich und seine Zwecke bevorzugte.


Camillus 127<br />

repräsentieren Camillus und die Aemilier Roms Retter in der Not, zu<br />

denen ein Eunuch wie Eutropius in Claudians Augen nicht passen kann. 7<br />

Als Claudian am Ende desselben Jahres die Rede auf das Consulat<br />

Stilichos verfaßte, war Eutropius mittlerweile aus dem Consulat entfernt,<br />

später auch hingerichtet worden. 8 Das Exemplum vom Helfer in der Not<br />

Camillus kann nun wieder in einem positiven Sinn geltend gemacht werden.<br />

Da Stilicho 398 auch die Gildokrise beendet hatte, ist Claudian in<br />

der Lage, ihn als Retter im umfassenden Sinn zu preisen. Die personifizierte<br />

Roma gedenkt, den Reichsfeldherrn auf dem Forum willkommen<br />

zu heißen:<br />

splendida suscipiant alium te rostra Camillum,<br />

ultorem videant servatoremque Quirites<br />

et populus<br />

(Claud. Stil. 2,390ff).<br />

Roma ist voll des Dankes für die Stilicho zugeschriebene Rettung des<br />

Consulats und seiner Würde und für die wieder gewährleistete Versorgung<br />

der Stadt mit Getreide. 9 Durch die Bezeichnung als alius Camillus<br />

wird Stilicho sogar in die Reihe der Gründergestalten Roms aufgenommen<br />

– Camillus galt als zweiter Gründer Roms. Die Qualifizierung des<br />

Camillus als Romulus ac parens patriae conditorque alter urbis geht auf<br />

Livius (5,49,7) zurück 10 und ist einer der wichtigsten Topoi, der<br />

7 Claud. Eutr. 1,439f: Aemilios inter servatoresque Camillos | Eutropius? Zum<br />

Kontext bereits oben in Kap. 4.1.1. Es kann der Vergleichbarkeit mit dem Consul<br />

des Ostreichs Eutropius nicht wirklich Abbruch tun, daß Camillus als tribunus<br />

militum consulari potestate (sechsmal) immer nur die consularische Gewalt innehielt,<br />

aber nie tatsächlich Consul war.<br />

8 Vgl. Claud. Stil. 1,8. Ob Eutropius schon Anfang 399 oder erst im August von<br />

Arcadius fallengelassen wurde, ist unklar, s. Demandt (1989) 159 m. Anm.9. Zu<br />

den Hintergründen der Consulatsrede von 399/400 vgl. auch oben 4.1.1 und unten<br />

4.1.3.<br />

9 Claud. Stil. 2,392–396; vgl. auch 2,322 u. 385 (dazu oben in Kap. 4.1.1).<br />

10 Ähnlich Liv. 7,1,10 u. Plut. Cam. 1,1 (�������� ���� ������� ���������). Durch<br />

die Verehrung von zwei Gründergestalten ergab sich eine Konkurrenz in der<br />

Überlieferung, Leistungen des einen wurden auf den anderen projiziert (z.B. siegen<br />

sowohl Romulus als auch Camillus über Veii), vgl. von Ungern-Sternberg<br />

(1993) 105. Vollständig an die Oberfläche gelangt diese Konkurrenzsituation bei<br />

Plut. Cam. 31,2: Camillus Gründer und sogar Verdränger des Romulus<br />

(�������� ���������). Möglich wurden derartige Gründerserien – auch Marius,<br />

Caesar und Augustus begegnen als neue Romuli – erst nach der endgültigen


128 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

lateinisch wie griechisch schreibenden Autoren in der Spätantike zu<br />

Camillus einfällt. 11 Mit diesem Lob für Stilicho trägt Claudian selbstverständlich<br />

dick auf. Gleichwohl ist der Vergleich mit Camillus sinnvoll<br />

gewählt, denn Stilicho wird sowohl für eine militärisch-politische Leistung<br />

gefeiert, die Niederwerfung Gildos, als auch für seine moralische<br />

Haltung – ein Eunuch im Consulat war ihm unerträglich.<br />

Der angebliche Retter Roms Camillus ist eine späte Erfindung. 12 Sie<br />

bildet zwar nicht den historischen Kern seiner Legende, macht aber, und<br />

das ist hier wichtiger, den Kern der später über seine Person kursierenden<br />

Vorstellungen aus. Dieses Camillusbild war auch in der Spätantike<br />

noch wirkmächtig. Darüber und über die Details der Legende vom Retter<br />

und Neubegründer Roms geben die nachfolgend behandelten Exempla<br />

Aufschluß.<br />

<strong>DIE</strong> GERECHTIGKEIT DES EHRENMANNES CAMILLUS UND <strong>DIE</strong><br />

UNGERECHTIGKEIT SEINER MITBÜRGER<br />

Im Zusammenhang der abschließenden, sehr kritischen Bemerkungen<br />

über den 361 verstorbenen Constantius II. weist Ammianus Marcellinus<br />

mittels eines Cicerozitats auf Camillus hin. Constantius, so Ammian<br />

Rehabilitierung des Romulus durch Cicero. Außer bei Ennius hatten zuvor der<br />

Brudermord und die Königsherrschaft das Bild des Stadtgründers überschattet, s.<br />

3LHWUXVL VNL EHV ±<br />

11 Explizit bei Eutr. 1,20,5 (mit 2,4) und Iul. Caes. 323A (dort �������� = Quirinus /<br />

Romulus). In diesen Zusammenhang gehört auch, daß Camillus die Jugend Roms<br />

(Camilli virtute est servata; Vir.ill. 23,9) davon abgehalten haben soll, nach Veii<br />

auszuwandern, statt das von den Galliern zerstörte Rom wieder aufzubauen (ebd.<br />

§ 10: Sic et oppidum civibus et cives oppido reddidit), vgl. das Elogium vom<br />

Augustusforum (CIL I 2 , S.191, Nr.VII = ILS 52) u. Liv. 5,49,8; ausführlicher zu<br />

diesem Zug der Legende Münzer [Anm.2], RE 7,1, Sp.338.<br />

12 Vor dem 2. Jh. ist nirgends die Rede von einem Sieg des Camillus über die<br />

Gallier, s. Ogilvie (1983) 178, vgl. Alföldi (1977) 316f u. 554f Anm.136. Täubler<br />

(1912/87) 232f m. 227–230 zeigt, daß das Bild vom Retter Camillus erst nach 82<br />

v.Chr. vollständig ausgeformt worden sein kann. Entscheidend ist Camillus’<br />

dritte „über den ursprünglichen Zweck hinaus fortbestehende Dictatur, [...] identisch<br />

mit der außerordentlichen Gewalt, die Sulla 82 als dictator legibus<br />

scribendis et rei publicae constituendae“ erhielt (ebd. 227). Eine Dictatur dieses<br />

Typs wird Camillus für 389 v.Chr. zugeschrieben, etwa von Liv. 5,49,8f und Plut.<br />

Cam. 31,3. Auch die Maßnahmen des Camillus gleichen denen Sullas in auffälliger<br />

Weise.


Camillus 129<br />

unter Berufung auf recte sentientes, wäre besser von seinem imperium<br />

zurückgetreten, statt es um jeden Preis, tam inclementer, zu verteidigen<br />

(21,16,12). Nachdem sich Ammian in etwa einem Drittel von Kapitel 16<br />

mit der Grausamkeit und Ungerechtigkeit des Kaisers befaßt hat, reflektiert<br />

er das bis dahin gegen Constantius Vorgebrachte auch philosophisch.<br />

Mit den Stimmen Ciceros und Heraklits 13 will er belegen, daß ein<br />

mißliches Schicksal in Ehren erduldet werden kann. Gemäß der von<br />

Cicero / Ammian 14 vertretenen Auffassung sei Camillus deshalb auch<br />

glücklicher als sein Zeitgenosse M. Manlius Capitolinus gewesen, der<br />

nach der Königsherrschaft gestrebt habe (und 384 v.Chr. deswegen hingerichtet<br />

worden sein soll). 15<br />

Hinter dem Vergleich mit Capitolinus steht die angebliche Emigration<br />

des Camillus. Er soll die Stadt freiwillig verlassen haben, und zwar aufgrund<br />

unberechtigter Vorwürfe, die Beute nach dem Sieg über Veii<br />

ungerecht verteilt oder sogar unterschlagen zu haben. 16 Ob freiwillig<br />

oder erzwungen – das Exil des Camillus scheint eine Erfindung zu sein,<br />

13 Amm. 21,16,13 (= Cic. epist. frg.2,5) bzw. 14 (Heraklit).<br />

14 Eine Identifikation mit der von Cicero vertretenen Ansicht darf vorausgesetzt<br />

werden, denn daß Ammian sich nicht zu den recte sentientes gezählt haben<br />

könnte, ist nicht anzunehmen. Nachdem diese mit ihrer Rücktrittsforderung zu<br />

Wort gekommen sind, leitet er die nachfolgende Cicerostelle aus einem nicht erhaltenen<br />

Brief an Cornelius Nepos als Bestätigung für die Auffassung dieser<br />

„rechtlich“ und „richtig“ Denkenden ein (ut Tullius quoque docet; Amm.<br />

21,16,13). Daß tatsächlich eine Gruppe von Trägern dieser Meinung existiert haben<br />

könnte, ist aufgrund der wenig realistischen Rücktrittsforderung unwahrscheinlich,<br />

s. Szidat, Amm. III (1996) 215f. Vermutlich steht hinter diesem Pauschalhinweis<br />

das Motiv Ammians, seine durchaus bestreitbare Meinungsäußerung<br />

mit den Stimmen anderer abzusichern; vgl. aber die z.T. widersprüchlichen<br />

Bemerkungen Szidats (ebd. 215f u. 176) zur hier behandelten Stelle Amm.<br />

21,16,13 und zu 21,14,5.<br />

15 Manlius hatte 387 das Capitol gegen die gallischen Belagerer verteidigt (die berühmten<br />

wachsamen Gänse bei Liv. 5,47,4f). Als Zeitgenosse des Camillus<br />

wurde er diesem später gern in abwertender Absicht gegenübergestellt, dazu<br />

Friedrich Münzer, s.v. M. Manlius Capitolinus 51, in: RE 14,1 (1928) Sp.1167–<br />

1174, hier: 1171–1174, vgl. ders. [Anm.2], RE 7,1, Sp.341f.<br />

16 S. v.a. Liv. 5,32,7ff u. Plut. Cam. 11f. Vgl. Eutr. 1,20,2, wo ausdrücklich von<br />

Verbannung die Rede ist: expulsus civitate (ebenso Val.Max. 5,3,2a [Kap. De<br />

ingratis]). Zu einem weiteren gelegentlich genannten Grund für das Exil s. unten<br />

(zu Symm. rel. 4,3).


130 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

die einen makellosen Sieger über die Kelten schaffen sollte. 17 Offenbar<br />

sollte die fingierte Siegergestalt des Camillus postum die Schmach von<br />

den Römern nehmen, daß sie 390 v.Chr. die Schlacht an der Allia verloren<br />

hatten und dann auch noch den Abzug der sie belagernden Kelten<br />

und ihres Anführers Brennus durch Zahlung von Gold erkaufen mußten.<br />

18 Dagegen setzte die Annalistik den Retter Camillus, der Vaterlandsliebe<br />

über seinen Groll stellt, die Dictatur noch aus dem veientischen<br />

Exil heraus antritt, den Abzugsvertrag der Kelten mit Rom in<br />

buchstäblich letzter Minute für ungültig erklärt, ja ihnen sogar im folgenden<br />

Jahr 389 nachzusetzen vermag und so die Keltengefahr aus<br />

Italien bannt. 19<br />

Ergänzt sei, daß aus der bloßen Erwähnung von Namen wie Cicero<br />

und Camillus bei Ammian eine Kontrastierung von Rechtlichkeit in der<br />

Republik einerseits und schrankenloser Herrschaft in der Monarchie andererseits<br />

nicht abgeleitet werden kann, denn in der zitierten Briefstelle<br />

wendet sich Cicero gerade gegen die Grausamkeit des eigenen Zeitgenossen<br />

Caesar. Zudem hat Ammian schon im Vorfeld auf die Kluft zwischen<br />

einem „guten“ Kaiser wie Marc Aurel und Constantius hingewiesen.<br />

20<br />

Eine letzte von insgesamt drei Erwähnungen des Camillus in Claudians<br />

Invektive gegen Eutropius zielt ebenfalls auf den gerade referierten<br />

Zug der legendenhaften Erzählungen, die über Camillus umlaufen. Am<br />

Ende von In Eutropium tritt Aurora, die Morgenröte – sie steht für den<br />

östlichen Reichsteil –, auf. Sie entschuldigt sich für die jüngste Beleidigung<br />

gegen Stilicho, gemeint ist die hostis-Erklärung durch den Senat in<br />

17 Das Exil wird von der Forschung mehrheitlich als unglaubwürdig abgelehnt:<br />

Momigliano (1942/60) 92f; Cornell (1995) 316f. Vgl. schon Hirschfeld<br />

(1898/1913) 286f und Täubler (1912/87) 230 Anm.1 (gegen Münzer [Anm.2], RE<br />

7,1, Sp.330, 346).<br />

18 Dieser Punkt bleibt bis in die Spätantike strittig. Von der verbreiteteren Version,<br />

Camillus habe die Übergabe des Goldes noch verhindern können (Liv. 5,48,9–<br />

49,2; Plut. Cam. 29,1ff), weichen Eutr. 1,20,3f und Festus 6 ab, Oros. hist.<br />

2,19,9f dürfte ebenfalls so zu verstehen sein; vgl. auch schon Suet. Tib. 3,2.<br />

Ausführlich dazu Münzer [Anm.2], RE 7,1, Sp.334–337.<br />

19 Vgl. Liv. 5,43,6–44,3; 5,46,5–11; 5,49,1–6; Plut. Cam. 23,3–26,1; 29.<br />

20 Amm. 21,16,11.


Camillus 131<br />

Constantinopel wegen Stilichos Eingreifen im östlichen Reichsteil 397. 21<br />

Jetzt, in einer Stunde der Not, in der der ganze Osten angesteckt von der<br />

mollitia des Eunuchen Eutropius in Untätigkeit verharre, 22 bittet sie ihn,<br />

so wie einst Camillus über erlittene Unbill hinwegzusehen und zum<br />

Wohle des Gesamtreichs 23 (erneut) im Osten einzugreifen:<br />

nec nova tot meritis offensa prioribus obstet.<br />

iamiam flecte animum. suprema pericula semper<br />

dant veniam culpae. quamvis iratus et exul<br />

pro patriae flammis non distulit arma Camillus.<br />

(Claud. Eutr. 2,595–598).<br />

Auch ohne Anwendung der Überbietungsfunktion ist dieser Vergleich<br />

mit Camillus äußerst ehrenvoll, 24 wird doch die Bedrohlichkeit der gegenwärtigen<br />

Situation unausgesprochen mit der des Keltensturms in eine<br />

Reihe gestellt. Eutropius selbst war bei Niederschrift dieser Verse wahrscheinlich<br />

schon entmachtet, 25 doch es geht Claudian, wie schon angedeutet,<br />

nicht allein um den Eunuchen im Consulat, sondern um die Zustände<br />

im Osten überhaupt. 26<br />

21 Zur Rolle Stilichos für die Reichspolitik der Jahre 395–408 s. Demandt (1989)<br />

139–144.<br />

22 Claud. Eutr. 2,562–590; vgl. dazu auch die Interpretation von Schweckendiek,<br />

Claud. Eutr. (1992) 220ff.<br />

23 Dieser Gedanke wird in den letzten Versen der Invektive, Claud. Eutr. 2,598–<br />

602, entwickelt.<br />

24 Über die in Claud. Eutr. 1,439 u. 2,54 angesprochenen Eigenschaften des Camillus<br />

(Retter des Vaterlandes, mehrfach Consul) hinaus mag Claudian im Zusammenhang<br />

dieser Schmähschrift gegen einen Eunuchen auch an die bei Val.Max.<br />

2,9,1 u. Plut. Cam. 2,4 überlieferte Verfügung des Camillus gedacht haben, der<br />

während seiner Censur dauerhaft unverheiratete Männer mit einer Zwangsabgabe<br />

wegen Kinderlosigkeit belegt habe. Für Claudians Kenntnis dieser Geschichte<br />

spricht, daß er, der Camillus besonders häufig als Exemplum bemüht, auch von<br />

weniger bekannten Episoden aus dessen Leben wie der vom Verräter vor Falerii<br />

(s. unten zu Claud. bellGild. 274) weiß.<br />

25 Steinbeiß (1936) 33 hat daher eine akute Bedrohung des Ostens durch Alarich<br />

angenommen (dagegen Portmann [1988] 245 Anm.9). Denkbar ist auch, daß<br />

Claud. Eutr. 2 zwar nach Eutropius’ Sturz veröffentlicht wurde, daß die Rede Auroras<br />

aber noch zuvor gestaltet worden war, so der Vorschlag von Long (1996)<br />

170f, 176f. Das Problem der Datierung von Claudians Invektive kann hier nicht<br />

weiter verfolgt werden, dazu umfassend Long (1996) 149–177.<br />

26 Für diese Verhältnisse, die ein Eingreifen Stilichos als wünschenswert erscheinen<br />

lassen, steht die Gestalt des Eutropius. Sie erfüllt für den Text eine Funktion, die<br />

strukturell der eines Exemplums (für die mollitia des Ostens) sehr nahe kommt


132 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

In Claudians Epos auf den Krieg gegen Gildo aus dem Jahr 398 hält<br />

der verstorbene Theodosius erneut (wie schon im Panegyricus auf das<br />

vierte Consulat des Honorius) eine Rede, dieses Mal an den Kaiser des<br />

Ostens, seinen Sohn Arcadius. Darin steht ihm Camillus neben Fabricius<br />

Luscinus dafür, daß Römer die Hilfe von Verrätern stets verschmäht haben<br />

– in der aktuellen Situation eine Spitze gegen die Zusammenarbeit<br />

zwischen dem oströmischen Hof und Gildo. 27 Der Camillus hier zugeschriebene<br />

Abscheu gegen Verräter geht zurück auf eine Episode, die<br />

sich bei der Belagerung von Falerii zugetragen haben soll. Demzufolge<br />

hat Camillus das Angebot eines Lehrers ausgeschlagen, der ihm die Kinder<br />

angesehener faliscischer Bürger ausliefern wollte. Camillus aber<br />

habe die Stadt auf keinen Fall durch Erpressung, sondern ausschließlich<br />

unter Anwendung redlicher Mittel erobern wollen. 28<br />

Symmachus beruft sich nur an einer Stelle in seinem Werk auf das<br />

Exemplum des Camillus. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit 384 wandte<br />

sich der neue Stadtpräfekt mit der Bitte an Valentinian II., ein novum<br />

statutum von Gratian rückgängig zu machen (Symm. rel. 4,1). Dieser<br />

hatte angeordnet, daß dem römischen Stadtpräfekt künftig ein repräsentativer<br />

Dienstwagen zur Verfügung stehen solle. 29 Symmachus<br />

(vgl. Gnilka [1976] 115–119 u. 122 zum „Antihellenismus“ bzw. „Antibyzantinismus“<br />

in Claud. Eutr.). Auroras Bitte um erneute Intervention kann deshalb<br />

auch unabhängig von der Frage, ob Eutropius noch an der Macht war oder nicht,<br />

im Sinne „einer poetischen Fiktion, die keinen realen, historischen Vorgang spiegelt“,<br />

verstanden werden (Döpp, Zeitgeschichte [1980] 174). Döpp erkennt darin<br />

den „Schlüssel für das Verständnis von Claudians Gedicht“ (ebd.). Den repräsentativen<br />

Charakter des Eutropius für die Invektive hebt auch Schweckendiek,<br />

Claud. Eutr. (1992) 223 hervor, deutet ihn jedoch nicht als neues Exemplum (zu<br />

dem ungeschriebenen Gesetz, nicht mit nova exempla aus der Gegenwart zu<br />

argumentieren, oben in Kap. 3.3).<br />

27 Claud. bellGild. 270–275 (zu Camillus 273ff). Zum aktuellen Zeitbezug der<br />

Claudianstelle (Gildo hatte Afrika besetzt und Rom von den dortigen Getreidelieferungen<br />

abgeschnitten) s. Portmann (1988) 74 u. 71.<br />

28 Den Lehrer ließ er in die Stadt zurücktreiben. Ob soviel Ritterlichkeit soll Falerii<br />

sein Schicksal darauf kampflos in die Hände des Belagerers gelegt haben, s. Liv.<br />

5,27,2–28,1; Plut. Cam. 10; vgl. Vir.ill. 23,1f. C. Fabricius Luscinus soll einen<br />

Überläufer, der ihm angeboten hatte, Pyrrhus zu vergiften, ebenfalls ausgeliefert<br />

haben, vgl. Cic. off. 3,86. Die Exempla von Camillus und Fabricius Luscinus finden<br />

sich gemeinsam bei Val.Max. 6,5,1 im Kapitel De iustitia.<br />

29 Das Gesuch richtet sich nur formal an Theodosius; übereinstimmend zur Adressatenfrage<br />

Barrow, Symm. rel. (1973) 109 u. Vera, Symm. rel. (1981) 53. Näher


Camillus 133<br />

empfindet das novum beneficium (rel. 4,3) aber als Belastung für einen<br />

vetus magistratus wie die Stadtpräfektur (4,1).<br />

Bezeichnend für den erkennbaren Anspruch, an einer von ihm behaupteten<br />

Tradition festzuhalten, die keine übertriebenen Ehrenzeichen<br />

des Stadtpräfekten kennt, ist die von Symmachus offen ausgesprochene<br />

Befürchtung, die beabsichtigte Neuerung könnte vom Volk als Zeichen<br />

des Niedergangs aufgefaßt werden. Hinter den Sorgen des praefectus<br />

urbis dürfen stadtrömische Empfindlichkeiten einer Zeit vermutet werden,<br />

in der Rom auf Reichsebene politisch schon lange keine Rolle mehr<br />

spielte. Symmachus bietet eine Reihe von Argumenten gegen die Staatskarosse<br />

auf. Nicht zuletzt ist diese seiner Ansicht nach ganz und gar<br />

unrömisch. 30 Vor allem aber dulde Rom keinen Hochmut, dafür steht<br />

ihm die Vertreibung des Tarquinius. Das Exemplum des Camillus ist<br />

konkreter auf den Fall bezogen. Selbst einem angesehenen Mann wie<br />

ihm habe eine Kutsche mit vier weißen Rossen schlechterdings das Exil<br />

eingebracht. 31 Symmachus stützt sich hier auf eine Variante der Exilslegende.<br />

Die Schimmel, die den Triumphwagen des Camillus 396 v.Chr.<br />

gezogen haben sollen, waren in Rom demnach so sehr als Anmaßung<br />

empfunden worden, daß der Sieger über Veii auf Grund dieser Tatsache<br />

in die Emigration gedrängt wurde. 32<br />

zum Erlaß Gratians Vera, 54; s. auch ebd. LVIII u. 54 zur Datierung der vierten<br />

Relatio in die Anfangsphase von Symmachus’ Stadtpräfektur (Amtszeit: Ende<br />

Juni / Anf. Juli 384–Jan. / Febr. 385).<br />

30 Symm. rel. 4,1: peregrini ac superbi vehiculi usus. Ein derartiger Wagen passe<br />

nicht zum moderator urbis liberae (4,3), sondern sei einem Salmoneus von Elis<br />

angemessen (dieser fuhr in einem Viergespann herum und wollte als Zeus verehrt<br />

werden; Diod. 4,68,1f; Verg. Aen. 6,585–591).<br />

31 Symm. rel. 4,3: inritamentum superbiae Roma vestra non patitur memor scilicet<br />

bonorum parentum, quos Tarquinius fastus et ipsius Camilli currus offendit. nam<br />

tanto illi viro albentes quadrigae exilium triste peperunt. Als letztes, positives,<br />

Beispiel für eine von Bescheidenheit geprägte Amtsführung dient ebd. Valerius<br />

Publicola.<br />

32 Vgl. Vir.ill. 23,4. Die Version mit dem für das Exil ausschlaggebenden<br />

Schimmeltriumph lehnt sich vermutlich an Caesars Triumphzug von 46 v.Chr. an<br />

und greift die Propaganda von dessen Gegnern auf, s. Diod. 14,117,6 u. Dio Cass.<br />

43,14,3; näher dazu Momigliano (1942/60) 92f mit weiteren Belegen. Liv.<br />

5,23,5f u. Plut. Cam. 7,1f erwähnen den Mißmut, der in Rom über die Art von<br />

Camillus’ Triumphzug herrschte, zwar ebenfalls, schreiben ihm aber keine ursächliche<br />

Bedeutung für das Exil zu.


134 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Rein äußerlich betrachtet, paßt der Camillusbezug in der vierten<br />

Relatio nicht in den Rahmen der zuvor in diesem Abschnitt behandelten<br />

Exempla. Diese zeichnen sämtlich ein makelloses Bild vom Ehrenmann<br />

Camillus oder setzen es doch voraus. Symmachus stellt nun gerade eine<br />

Anschuldigung gegen Camillus in den Mittelpunkt seiner Überlegungen.<br />

Das ist, soweit es den römischen Exemplagebrauch betrifft, eine Ausnahme.<br />

33 Antike Autoren referieren die verschiedenen, gegen Camillus<br />

erhobenen Vorwürfe zwar oft, erachten sie aber durchweg für unberechtigt<br />

oder kleinlich. Stattdessen wird gemeinhin die Undankbarkeit des<br />

römischen Volkes gegenüber dem Sieger von Veii und späteren Retter<br />

Roms vor den Galliern hervorgehoben. Das günstige Charakterbild des<br />

Camillus erfährt freilich keine grundsätzliche Revision, denn Symmachus<br />

gibt lediglich zu bedenken, daß „ sogar (ipsius) der Wagen des<br />

Camillus Anstoß erweckte“ (rel. 4,3). 34<br />

Es geht ihm nicht darum, mit einem Klischee aufzuräumen. Indem die<br />

alternative Erklärung für das Exil maßgenau in die aktuelle Argumentation<br />

gegen das Prunkgefährt eingepaßt wird, muß die Reputation des<br />

Camillus eine geringfügige Einschränkung hinnehmen. Umgekehrt aber,<br />

als ein Nebeneffekt, erscheint die fast schon sprichwörtliche Ungerechtigkeit<br />

seiner Mitbürger in neuem Licht. Sie, ein Teil der parentes boni,<br />

erfahren eine späte Rehabilitierung dadurch, daß Symmachus ihre<br />

Argumente würdigt.<br />

Symmachus übt hier einen bemerkenswert eigenständigen Umgang<br />

mit dem Camillus-Exemplum. Mit einer Wiederholung des sattsam Bekannten<br />

gibt er sich nicht zufrieden, zumal er in all seinen Schriften nur<br />

sparsamen Gebrauch von Exempla gemacht hat. In den Fällen, in denen<br />

dies doch einmal geschehen ist, kommt ihnen dann aber umso mehr Gewicht<br />

zu, gerade wenn sie geschickt im Hinblick auf den jeweiligen<br />

33 Ansonsten ist die einzige mir bekannte Ausnahme das Camillus-Exemplum bei<br />

Dio Cass. 52,13,3. Dort wird ebenfalls der Triumphwagen als Anlaß für die Verbannung<br />

des Camillus bezeichnet, und zwar im Rahmen von Agrippas Bedenken<br />

gegen die Errichtung einer Monarchie durch Octavian.<br />

34 Herv. Fy; vollständiges lateinisches Zitat oben Anm.31.


Camillus 135<br />

Argumentationsgang ausgewählt sind, und das ist bei Symmachus nicht<br />

nur in der vierten Relatio der Fall. 35<br />

BEZWINGER <strong>DER</strong> GALLIER<br />

Die Anführung des Camillus-Exemplums in Claudians erstem, 394 verfaßten<br />

Panegyricus auf das Consulat der Brüder Anicius Olybrius und<br />

Probinus geschieht unter dem Vorzeichen der Sieghaftigkeit über auswärtige<br />

Feinde. Roma bittet den Kaiser Theodosius, beiden Aniciern, die<br />

noch Kinder sind, das Consulat zu verleihen. Deren Qualitäten stellt<br />

Claudian in folgenden Rahmen:<br />

his ego nec Decios pulchros fortesve Metellos<br />

praetulerim, non, qui Poenum domuere ferocem,<br />

Scipiadas Gallisque genus fatale Camillos.<br />

(Claud. OlProb. 147ff).<br />

Oberflächlich betrachtet, wird hier offensichtlich der Versuch unternommen,<br />

die Gegenwart in Kontinuität zu einer als ruhmvoll erachteten<br />

„mythischen“ 36 Vergangenheit zu stellen, d.h. zur Epoche der römischen<br />

Republik. Daher die großen Namen, unter ihnen Camillus. Durch die<br />

Zugehörigkeit zu bedeutenden Geschlechtern ist bereits ein Tertium<br />

comparationis mit den Aniciern gegeben. 37 Militärische Fähigkeiten, wie<br />

sie Camillus und die anderen besessen haben, werden die Kinderconsuln<br />

Olybrius und Probinus in einer Zeit, in der das Consulat kaum mehr als<br />

eine dekorative Ehre ist und in der das Militär an den gefährdeten<br />

Reichsgrenzen dem Kaiser und seinem Feldherrn Stilicho untersteht,<br />

35<br />

Vgl. den Kommentar von Pabst, Symm. or. (1989) 135 Anm.87 zu der Exemplagruppe<br />

in Symm. or. 1,16.<br />

36<br />

Im Sinne der Begriffsbestimmung von Assmann (1992) 75–78.<br />

37<br />

Nach Al. Cameron (1970) 35 liegt der Schwerpunkt der Rede auf dem Lob der<br />

Anicier, s. bes. Claud. OlProb. 8–28 u. 156–159. Dem entspricht auch, daß zu der<br />

an sich verbreiteten Wiedergabe des Namens im Plural (vgl. oben 4.1.1 zu Claud.<br />

Eutr. 1,460) hier ausdrücklich die nähere Bestimmung genus (= gens, vgl.<br />

Taegert, Claud. OlProb. [1988] 175) hinzutritt, obwohl an Berühmtheit kein weiterer<br />

Camillus mehr annähernd an den legendären Bezwinger der Gallier heranreichte,<br />

auch nicht sein Sohn. Dieser soll der Überlieferung zufolge ebenfalls an<br />

der Abwehr der Gallier beteiligt gewesen sein (dazu Friedrich Münzer, s.v. L.<br />

Furius Camillus 41, in: RE 7,1 [1910] Sp.322f).


136 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

allerdings nie unter Beweis stellen müssen. 38 Davon abgesehen, hätte<br />

Theodosius, der Adressat von Romas Rede, daran auch kein Interesse<br />

haben können, nachdem ihm erst kürzlich während der Usurpation des<br />

Eugenius 39 eine offen feindliche Haltung aus Teilen der römischen<br />

Senatsaristokratie entgegengeschlagen war. 40<br />

Die Zusammenstellung der genannten römischen Helden in einer Exemplakette<br />

scheint durchaus konventionell. Im vorliegenden Fall dürfte<br />

sie von Vergils Georgica inspiriert sein. Dabei sind allerdings Meteller<br />

an Marius’ Stelle gerückt. 41 Claudian stellt die mit seinem Panegyricus<br />

gefeierten Brüder Olybrius und Probinus über die vier Feldherren, obwohl<br />

seine Roma in den darauffolgenden Versen kaum Wesentlicheres<br />

über sie mitzuteilen weiß als, sie seien in den Musen bewandert. 42 Das ist<br />

nicht eben viel. Hier „kompensiert literarische Tätigkeit und Bildung das<br />

Praxisdefizit“ der kindlichen Consuln. 43 Gemessen an der Lebenserfahrung<br />

und -situation der Anicierbrüder mag die Passage in Claudians<br />

Consulatspanegyricus tatsächlich einen Reflex auf die Lektüre Vergils in<br />

dem für sie altersgemäßen Grammatikunterricht darstellen. 44 Das erklärt<br />

38 Zu den Widersprüchen zwischen einem seiner früheren militärischen Bedeutung<br />

völlig entkleideten Consulat und der Anwendung von Exempla, die dieser Realität<br />

nur sehr bedingt entsprechen, in spätantiken Panegyrici auf Consulatsantritte s.<br />

Verf. (1996). Dennoch erscheint das hohe Ansehen, das das Amt für Claudian<br />

und andere Lobredner besitzt, dadurch nicht gemindert, vgl. für Claudian die von<br />

Steinbeiß (1936) 24–30 behandelten Stellen, die dort allerdings kaum unter dem<br />

Aspekt der Diskrepanz zwischen früherer und gegenwärtiger Bedeutung des Consulats<br />

erörtert werden.<br />

39 Näher dazu Demandt (1989) 134ff und Lippold (1980) 47–50.<br />

40 Von daher bleibt Claudian einen „Beweis für die konstatierte Vergleichbarkeit“<br />

mit den republikanischen Feldherren streng genommen gar nicht „schuldig“ (so<br />

aber Taegert, Claud. OlProb. [1988] 173), weil er ihn von vornherein nicht hat<br />

erbringen müssen.<br />

41 Verg. georg. 2,169f: haec Decios Marios magnosque Camillos, | Scipiadas duros<br />

bello; vgl. auch Cic. Sest. 68,143 (Camilli, Decii, Scipiones u.a.). Die Apposition<br />

fatalis lehnt sich hingegen an Liv. 5,19,2 an.<br />

42 Claud. OlProb. 150.<br />

43 Eigler, lectiones 222 (B III. 3.2. Claudianus) zu der hier diskutierten Stelle, vgl.<br />

auch ebd. 6f, bes. Anm.21f (A. Einleitung).<br />

44 Dieser Bezug auf die Schule wird, wenn überhaupt, dann erst im Anschluß an die<br />

oben zitierten Verse hergestellt. Roma weist in Claud. OlProb. 150–155 den Kaiser<br />

Theodosius unter anderem auf die Pieria studia (150) von Olybrius und<br />

Probinus, aber auch auf eine angesichts ihres jugendlichen Alters noch nicht


Camillus 137<br />

allerdings noch nicht, weshalb Claudian in dem konkreten<br />

Zusammenhang gerade die genannten Gestalten aus dem breiten, von<br />

Vergil dargebotenen Spektrum republikanischer Geschichte ausgewählt<br />

hat.<br />

In Claudians Panegyricus sind die Leistungen der Scipionen und des<br />

Camillus gegenüber der Vorlage Vergil herausgehoben. Anders als bei<br />

den Deciern und Metellern nennt Claudian auch die von ihnen besiegten<br />

Gegner Roms, die Gallier / Kelten und die Karthager. Damit wird an die<br />

existentiellen Gefährdungen Roms in seiner Geschichte schlechthin erinnert,<br />

die als metus Gallicus und metus Punicus großen Nachhall im kulturellen<br />

Gedächtnis der Römer hatten. 45 Unter diesem Gesichtspunkt<br />

kann die Erwähnung von Scipionen und Camilli in einem Atemzug als<br />

nachgerade zwingend angesehen werden. 46 Eine Verbindung Camillus-<br />

Scipionen begegnet zudem auch sonst häufig, sie ist bereits in der<br />

Camilluslegende angelegt. 47<br />

Doch welche Rolle spielt der Hinweis auf die früheren Todfeinde<br />

Roms am Ende des Jahres 394? Die Barbaren, ihre Einfälle in das<br />

Reichsgebiet, aber auch die in römischen Diensten stehenden germanischen<br />

Feldherren und Hilfstruppen blieben umstritten, auch wenn das<br />

Barbarenproblem um 394 vielleicht nicht ganz so virulent wie eineinhalb<br />

selbstverständliche Abgeklärtheit hin, die ihnen schon früh einen animus senilis<br />

(154) verleihe.<br />

45 Hierzu Bellen (1985) 44f u. passim. Insbesondere der Versuch Hasdrubals, 207<br />

v.Chr. von Spanien aus mit gallischen Hilfstruppen nach Italien zu seinem Bruder<br />

Hannibal vorzustoßen, bewirkte eine Verschmelzung der beiden, sowohl akut als<br />

auch in der Retrospektive wirkungsmächtigen ‚Furchtkomplexe‘, s. ebd. 22–25<br />

(der Begriff: 43 u.ö.). Die irrationalen Züge der römischen Vorstellung von den<br />

Galliern / Kelten verselbständigten sich mit der Zeit, was sich besonders bei<br />

Livius nachvollziehen läßt, s. Kremer (1994), bes. 66ff u. 28ff.<br />

46 Decii und Metelli lassen sich diesen Gegnern mutatis mutandis ebenfalls zuordnen,<br />

so man sie mit P. Decius Mus (cos. 312 u.ö.), der sein Leben 295 v.Chr. bei<br />

Sentinum in einer Schlacht gegen Kelten und Etrusker opferte, identifiziert bzw.<br />

mit Q. Caecilius Metellus (cos. 206), der 207 gegen Hasdrubal, oder mit Metellus<br />

Numidicus (cos. 109), der 108/07 in Afrika gegen Iugurtha kämpfte.<br />

47 Z.B. Cic. Pis. 24,58. Ein P. Cornelius Scipio bekleidet mehrmals in den Jahren<br />

Ämter (396, 392, 389 v.Chr.), in denen Camillus außerordentliche Magistraturen<br />

innehat (Liv. 5,19,2; 5,31,8 u. 6,1,8). Vor allem aber ist die Vorstellung vom<br />

Retter Camillus, dem Undank des Volkes und Exil trotzdem nicht erspart bleiben,<br />

dem Bild des älteren Scipio Africanus entlehnt, s. Hirschfeld (1898/1913) 286f;<br />

vgl. Momigliano (1942/60) 91f.


138 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Jahrzehnte zuvor oder eineinhalb Jahrzehnte später war. Die verbreitete<br />

barbarenfeindliche Stimmung stellte indes eine Konstante dar. 48 Sie<br />

dürfte durch die gerade erst niedergeschlagene, maßgeblich von einem<br />

Franken, dem magister militum Arbogast, ins Werk gesetzte Usurpation<br />

des Eugenius noch zusätzliche Nahrung erhalten haben. 49 Daß Theodosius<br />

den fränkischen Heermeister am Frigidus mit einem großenteils aus<br />

Barbaren bestehenden Heer besiegte, steht für Claudian und seine Zeitgenossen<br />

auf einem anderen Blatt und ist kein Hemmnis für antibarbarische<br />

Äußerungen. 50<br />

Wenn Claudian nun im Panegyricus auf Olybrius und Probinus daran<br />

erinnert, daß Camillus den Galliern einst zum ‚Verhängnis‘ gereichte<br />

und daß dies ‚vom Schicksal bestimmt‘ war (beides steht hinter dem Begriff<br />

fatalis), dann versteckt sich dahinter auch eine Drohgebärde, so<br />

müde sie auf uns auch wirken mag. Das Publikum dürfte eine Aussage<br />

wie die, daß die res publica der Römer stets (in Vergangenheit und Gegenwart)<br />

entschlossen sei, einer feindlichen Herausforderung wie der<br />

von Galliern bzw. Germanen entgegenzutreten, gern vernommen haben.<br />

Die solchermaßen getroffene Feststellung Claudians gilt unabhängig von<br />

der Person der in der Tat machtlosen Kinderconsuln. Theodosius hatte<br />

48 Ammian faßt genau in diesen Jahren (nach 383 – kurz vor 400; zur Datierung<br />

zusammenfassend von Albrecht [1994] 1128) sein Geschichtswerk in Rom ab<br />

und läßt es mit der Katastrophe von Adrianopel enden. Ressentiments gegen die<br />

Barbaren und die von ihnen ausgehende Bedrohung scheinen darin immer wieder<br />

durch, z.B. Amm. 19,6,4 (dentatae bestiae); 25,4,24; 31,4,9; 31,15,3 (genuina<br />

ferocia). Trotzdem kann Ammian nicht einmal als besonders germanenfeindlich<br />

eingestuft werden, so Demandt (1965) 31–39. Claudian spiegelt die allgemeine<br />

Stimmung gegen die Barbaren ebenfalls in seinem gesamten Werk wider, s.<br />

Döpp, Zeitgeschichte (1980) 108.<br />

49 Beide hatte Theodosius im September 394 in der Schlacht am Frigidus besiegt;<br />

dazu und zu den auf beiden Seiten kämpfenden barbarischen Hilfstruppen Burns<br />

(1994) 104–107.<br />

50 Erst in Claud. III Hon. 66 aus dem Jahr 395 wird Arbogast explizit als barbarus<br />

bezeichnet, vielleicht weil Theodosius selbst Arbogast 388 zum magister militum<br />

berufen hatte. Germanen werden allgemein mit zweierlei Maß beurteilt, je nachdem,<br />

ob sie dem Reich gerade loyal dienen oder es als Invasoren bedrohen bzw.<br />

abfallen, s. bes. den drastischen Kommentar zu den auf Theodosius’ Seite gefallenen<br />

Goten Oros. hist. 7,35,19; vgl. in anderen Zusammenhängen auch Amm.<br />

21,10,8; Claud. Ruf. 2,219; VI Hon. 221f (gleicher Tenor wie bei Orosius: um<br />

Barbaren, die auf der Seite des Reiches fallen, sei es nicht schade). Stilicho gilt<br />

Claudian selbstverständlich nicht als Barbar.


Camillus 139<br />

erst kürzlich in der Schlacht am Frigidus den Beweis dafür angetreten,<br />

als er, der belliger Augustus, die trepidas Alpes, über die sowohl Gallier<br />

als auch Punier nach Italien eingefallen waren, beruhigt hatte (Claud.<br />

OlProb. 74). 51<br />

Eine ähnliche Konstellation wie in dem soeben behandelten Panegyricus<br />

liegt auch Claudians Lobrede zum vierten Consulat des Honorius<br />

von Ende 397 zugrunde. Wie Olybrius und Probinus ist der Gefeierte<br />

noch ein Kind. Ein wenig naheliegender als in deren Fall ist jedoch die<br />

Anführung des Camillus-Exemplums, denn hier handelt es sich um einen<br />

Kaiser im heranwachsenden Alter (dreizehn Jahre), der formal tatsächlich<br />

militärische Gewalt innehaben könnte. Dem Alter des Honorius angemessen,<br />

wird dieser nicht über Camillus und die anderen erwähnten<br />

Feldherren der Republik gestellt. Diese werden ihm in dem fiktiven Fürstenspiegel<br />

des verstorbenen Theodosius vielmehr als Vorbilder vor Augen<br />

gehalten, ohne daß der Panegyriker damit irgendeine Überbietungsabsicht<br />

verbindet. Wie im Anicierpanegyricus wird der Bezug zu den<br />

beiden großen Gegnern Roms, Galliern und Puniern, hergestellt. 52<br />

Auch in Claudians Epos über die 402 geglückte Abwehr der Goten<br />

wird der Vergleich Stilichos mit Camillus in den historischen Rahmen<br />

früherer Bedrohungen Roms und ihrer Bewältigung eingebettet. Rom<br />

hatte es 401/02 wiederum mit einem Gegner zu tun gehabt, der über die<br />

Alpen eingefallen war. Im Verlauf des Epos wird das etliche Male betont.<br />

53 Stilicho war den Goten unter Alarich, die 394 noch auf der Seite<br />

51 Stellen wie die soeben behandelten aus Claud. OlProb. widersprechen m.E. der<br />

Behauptung von Al. Cameron (1970) 351, Claudians Exemplagebrauch verrate “a<br />

lack of any true historical perspective”, wenngleich zutrifft, daß “the effect of one<br />

well-chosen example is too often blunted by the addition of a whole series of<br />

remoter parallels” (ebd. 350 zu Claud. OlProb. 147f). In dem vorliegenden Fall<br />

betrifft das den Verweis auf die Punier, bei denen sich der „Zusammenhang zwischen<br />

den Taten der Vergangenheit und den Aufgaben der Gegenwart [...] mehr<br />

mittelbar“ einstellt (so Steinbeiß [1936] 15 zum Exemplagebrauch Claudians insgesamt).<br />

52 Camillus in Claud. IV Hon. 408. Hier wird bezüglich der Punier nicht an die<br />

Siege der Scipionen erinnert, sondern die Möglichkeit eines ehrenwerten Scheiterns<br />

ins Auge gefaßt, indem Claudian das Exemplum des Atilius Regulus nennt<br />

(410f). Anders als in Claud. OlProb. 148f gründet sich nun, an der Wende zum<br />

Jahr 398, ein Gegenwartsbezug nicht auf das Exemplum von Camillus und den<br />

Galliern, sondern auf die Punier und Regulus, dazu ausführlich unten 4.1.3.<br />

53 Claud. bellGet. 194f; 261; 283; 471; 532; 547 u. 563.


140 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

des Theodosius am Frigidus mitgekämpft hatten, 54 im April 402 bei<br />

Pollentia entgegengetreten. Ein bis zwei Monate später trug Claudian<br />

bereits sein Epos vor. Noch war es Stilicho nicht gelungen, Alarich ganz<br />

aus Italien zu vertreiben. Die Schlacht bei Pollentia war nur der erste<br />

Schritt auf dem Weg dahin – für Claudian aber offensichtlich kein<br />

Grund, mit Lob länger hinter dem Berge zu halten. 55 Stilicho übertrifft<br />

sämtliche Feldherren Roms, die zuvor im Gotenepos Erwähnung gefunden<br />

haben, durch die jüngst erfolgte Abwehr der Goten bei Pollentia. 56<br />

So kennt der Lobredner Claudian nur einen einzigen römischen Feldherrn,<br />

zu dem Stilicho noch aufschließen muß – Camillus:<br />

Celsior o cunctis unique aequande Camillo!<br />

vestris namque armis Alarici fracta quievit<br />

ac Brenni rabies;<br />

(Claud. bellGet. 430ff). 57<br />

54 Von diesem Feldzug gegen Eugenius und dem vorangegangenen gegen Maximus<br />

(388 n.Chr.) her war den Goten die Route über die Alpen vertraut, s. Claud.<br />

bellGet. 281–288.<br />

55 Der Sieg wird bereits als vollkommen hingestellt, z.B. Claud. bellGet. 13f; 61f;<br />

77ff; 452 oder 632ff. Die Schlacht von Pollentia war, bei beträchtlichen Verlusten<br />

auf beiden Seiten, unentschieden ausgegangen. Erst im weiteren Verlauf des<br />

Jahres 402, nach Schlachten bei Hasta und Verona, gelang es Stilicho, die Goten<br />

zur Flucht aus Italien zu bewegen, s. Demandt (1989) 142 u. Al. Cameron (1970)<br />

180f.<br />

56 An Bewährungen, denen Rom sich in seiner Geschichte unterziehen mußte, nennt<br />

Claudian die erfolgreiche Abwehr des Pyrrhus durch Curius Dentatus (bellGet.<br />

124f; 145f), die Triumphe von L. Aemilius Paullus Macedonicus über den bei<br />

Pydna geschlagenen König Perseus und von Marius über Iugurtha (126ff), die<br />

von Q. Fabius Maximus Cunctator, Marcellus und den Scipionen geschlagenen<br />

Schlachten gegen Hannibal und die Punier (138–142; 147–150), die Niederschlagung<br />

des Spartacusaufstandes (155–159), die Behauptung Roms gegen die Senonen<br />

(291), den Teutonicus furor (292) und die Cimbern (293), die ebenfalls über<br />

die Alpen eingefallen waren (640ff; dazu unten).<br />

57 Genaugenommen übertrifft Stilicho nur die Taten der in Claud. bellGet. 124–153<br />

genannten römischen Feldherren, mit denen sein jüngster Erfolg eingehend verglichen<br />

wird. Claudian kennzeichnet die Parallelen zwischen Camillus und Stilicho<br />

in v.430–433 deutlich, die Spanne, die Stilichos von Camillus’ Erfolg angeblich<br />

noch trennen soll, mißt er aber nicht aus. Daß Camillus ein bereits niedergerungenes<br />

Rom befreien mußte, die Stadt 402 dagegen noch nicht von den Feinden<br />

erreicht worden war (v.433f), muß Stilichos Leistung nicht mindern. Das Publikum<br />

mag diese günstigere Ausgangssituation sogar durchaus dem Wirken des<br />

gegenwärtigen Reichsfeldherrn zugeschrieben und als Vorzug gegenüber<br />

Camillus verstanden haben. Überbietung scheint demzufolge auch im Fall des


Camillus 141<br />

Mehr noch als für den Panegyricus auf die Anicier spielt der Komplex<br />

von metus Gallicus und metus Punicus eine wichtige Rolle für das Verständnis<br />

des Gotengedichts. Zur Zeit der Alpenüberquerung von<br />

Hannibal, an die Claudian in seinem Epos erinnert, waren die beiden<br />

großen Bedrohungen Roms phasenweise sogar eins gewesen. 58 Im<br />

Gotenepos des Jahres 402 steht der metus Gallicus konsequenterweise<br />

im Vordergrund. Am Ende des Gedichts reiht Claudian die soeben (vermeintlich)<br />

bewältigte Bedrohung durch die Goten unter die früheren Gefährdungen<br />

Roms von Norden her ein. In einem Überschwang, den die<br />

Realität schon wenige Jahre später Lügen strafen sollte, erhebt der<br />

Dichter Pollentia zum warnenden Symbol für alle Völker jenseits der<br />

Alpen und regt die Errichtung eines Siegesmals über den Gebeinen der<br />

bei Pollentia gefallenen Barbaren an. Das Mahnmal soll zum Gedenken<br />

an all die Völker aufrufen, deren Versuche, in Italien einzudringen,<br />

mißlungen sind. Der für die Inschrift vorgeschlagene Text stellt Goten<br />

und Cimbern, die an Stilicho bzw. Marius gescheitert sind, Seite an<br />

Seite. 59<br />

Die Parallelisierung Stilicho-Marius am Schluß des Epos rückt den<br />

vorangegangenen Vergleich Stilicho-Camillus nachträglich in ein besonderes<br />

Licht. Marius, der durch seine Siege bei Aquae Sextiae und<br />

Vercellae Rom 102 bzw. 101 v.Chr. vom metus Cimbrorum, einer Variante<br />

des metus Gallicus, befreit hatte, wurde wie vor ihm schon<br />

Camillus als neuer, dritter, Gründer Roms gefeiert. 60 Die schon im unmittelbaren<br />

Kontext von Vers 430 wenig glaubhafte Vorsicht Claudians,<br />

Stilicho noch nicht über Camillus stellen zu wollen, erweist sich so vom<br />

Ende des Gotenepos her als mehr oder minder raffiniertes Spiel und retardierendes<br />

Moment im Rahmen des Gesamttextes. Das kann aber nie-<br />

Camillus impliziert zu sein. Dafür spricht auch die Schlußstellung des Camillus-<br />

Exemplums vor dem letzten Drittel von bellGet., das nur noch ein (mit diesem<br />

korrespondierendes) Exemplum enthält (dazu das Folgende).<br />

58<br />

Dazu oben S.137. Zum Einfall des fulmineus Poenus Hannibal und der achtzehnjährigen<br />

Bedrohung Italiens durch ihn s. Claud. bellGet. 138 mit 147–150.<br />

59<br />

Claud. bellGet. 635–647; der Entwurf der Inschrift: 645ff (zitiert unten in Kap.<br />

4.2.1).<br />

60<br />

Vgl. Plut. Mar. 27,9 mit Bellen (1985) 38ff. Die im nachfolgenden Text vorgetragene<br />

Deutung erfährt zusätzliche Unterstützung durch den Umgang des Prudentius<br />

(c.Symm. 2,715–720; dazu unten) mit dem hier behandelten Schlußabschnitt<br />

des Bellum Geticum.


142 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

manden darüber hinweggetäuscht haben, daß Claudian „seinen“ Reichsfeldherrn<br />

unter die Gründergestalten Roms eingereiht wissen wollte:<br />

Stilicho ist ihm ein erneuter, der vierte, conditor urbis.<br />

Auch der Verfasser der Historia Augusta bezieht sich in der stark panegyrisch<br />

gefärbten Vita des Claudius II. Gothicus auf die beiden zentralen<br />

Bewährungsproben Roms, den Kampf gegen die Gallier und gegen<br />

Karthago. In der Einleitung rühmt er den Sieg des Kaisers im Gotenkrieg<br />

269/70 und die Aufbauleistung, mit der Claudius danach „dem darniederliegenden<br />

Staat aufgeholfen“ habe. Umso mehr sei die kurze Regierung<br />

des Kaisers zu beklagen: „hätte Claudius länger über unseren Staat<br />

gewaltet, er hätte uns in die Zeiten eines Scipio, eines Camillus und all<br />

der anderen Altvorderen zurückversetzt“ (H.A. Claud. 1,3). 61 Es wird<br />

kein Zufall sein, daß es sich bei den zwei mit Namen genannten veteres<br />

um Camillus und Scipio handelt. Angesichts des von Claudius besiegten<br />

Gegners ist hier wiederum nur eines der beiden Exempla, Camillus,<br />

wirklich stimmig. 62<br />

Das Scipio-Exemplum fungiert lediglich als Ergänzung, um den Blick<br />

des Rezipienten auf die zentralen Gefahrenherde in der römischen Geschichte<br />

und ihre Bewältigung in Vergangenheit und Gegenwart zu<br />

lenken.<br />

61 Übers. Hohl – qui bellum Gothicum sua virtute confecit, qui manum publicis<br />

cladibus victor inposuit, [...] qui si diutius in hac esset commoratus re p., Scipiones<br />

nobis et Camillos omnesque illos veteres [...] reddidisset. Abgesehen von<br />

dem historischen Sieg über ein Heer von Goten, Skythen, Herulern und Peukern<br />

bei Naissus 269 (Zos. 1,42,1–45,1) scheint auch die wohlwollende Charakterisierung<br />

des Claudius grundsätzlich gerechtfertigt zu sein, vgl. Zos. 1,46,2; ferner<br />

Aur.Vict. Caes. 34,2–6 u. Eutr. 9,11,2 (beide Werke sind höchstwahrscheinlich<br />

vom Autor der H.A. benutzt worden, vgl. Johne [1976] 17, 34, 136f u.ö.).<br />

62 Dies ergibt sich aus der Thematik des von Claudius beendeten Gotenkrieges<br />

selbst. Auf die zumindest unterschwellig barbarenfeindliche Stimmung Ende des<br />

4. Jh.s, die eine gewisse Vorliebe für das Exemplum des Camillus zu erklären<br />

vermag, wurde bereits hingewiesen. Darüber hinausgehende Schlüsse verbieten<br />

sich angesichts der kontrovers diskutierten Entstehungszeit und -umstände der<br />

Historia Augusta, auch wenn die hier behandelte Passage durchaus in den Kontext<br />

der Wende vom 4. zum 5. Jh. paßt und sogar Berührungspunkte zu den zuvor<br />

behandelten Claudianstellen bestehen. Die Nähe der H.A. zu Claudian ist auch<br />

aus anderen Gründen ein Argument für eine Datierung um 400, vgl. Johne (1976)<br />

177.


Camillus 143<br />

NACHRUHM<br />

Die bis hier diskutierten Belege aus der heidnischen Literatur zeigen, daß<br />

Camillus einen festen Platz innerhalb des römischen Exemplakanons<br />

einnimmt. Ausschlaggebend für das Bild der Nachwelt von Camillus waren<br />

die angeblich umfassende Beseitigung der Gallier- oder Keltengefahr,<br />

die Entsetzung von Rom 390 v.Chr. und die im nächsten Jahr errungenen<br />

Siege bei der Verfolgung der Belagerer, welche der angebliche<br />

Retter der Stadt sogleich aufgenommen haben soll. 63 Dagegen spielten<br />

die Erfolge über die Stadt Veii und über die Volsker, Aequer und<br />

Etrusker, die historisch glaubhafter sind, eine nur untergeordnete Rolle<br />

für den Nachruhm des Camillus. 64<br />

Die Berühmtheit des Camillus und verschiedener mit ihm verbundener<br />

Exempla eröffnete überhaupt erst die Möglichkeit, daß ein spätantiker<br />

Autor ohne viele Worte der Erklärung auf die Siege und auch auf die<br />

innere Größe dieses frührömischen Feldherrn anspielte und trotzdem<br />

verstanden wurde. Dergestalt kann Ammianus Marcellinus das Beispiel<br />

des Camillus heranziehen, um die Sieghaftigkeit und das Ansehen von<br />

Theodosius d.Ä. nach der Rückeroberung Britanniens im Jahr 368 in das<br />

gewünschte Licht zu rücken. Die Bedeutung des erfochtenen Sieges<br />

übertreibt Ammian dabei offensichtlich, wohl aus politischer Rücksichtnahme.<br />

65 Gleichwohl, Camillus und neben ihm Papirius Cursor, im<br />

3. Jahrhundert v.Chr. Sieger über die Samniten, markieren das Maß an<br />

Berühmtheit, das der ältere Theodosius von nun an genossen haben soll.<br />

63 Wahrscheinlich hat Camillus nur die ihrerseits durch Kelteneinfälle in Bewegung<br />

gesetzten Nachbarn vom römischen Territorium abgewehrt, ohne jemals selbst<br />

mit den Kelten zusammenzustoßen, s. Münzer [Anm.2], RE 7,1, Sp.347f u. 336f.<br />

64 Deutlich z.B. bei Livius. Dort erfüllt der fatalis dux Camillus (5,19,2) von Anfang<br />

an eine göttliche Sendung. Endgültig in die Dimension einer “figura eroica e<br />

perciò divina” stößt er aber erst anläßlich der Gallierkatastrophe vor, s. Lanzani<br />

(1951) 137.<br />

65 Amm. 28,3,9. Auch dem Vater eines regierenden Kaisers gebührt Verherrlichung<br />

und Lobpreis, vgl. Demandt (1965) 64f mit 61f. Ammian bedenkt Theodosius,<br />

den magister equitum und Vater des gleichnamigen Kaisers, überhaupt mit übertriebenem<br />

Lob, „aber nicht wie bei Julian in ehrlichem Pathos und unbefangener<br />

Kritik“ (ebd. 64). Lippold (1980) 175 Anm.6 hat demgegenüber zwar die Notwendigkeit<br />

besonderen politischen Taktgefühls für Ammian bestritten, an dem<br />

stark panegyrischen Ton, den dieser in den Passagen zu Theodosius d.Ä. anschlägt,<br />

ändert dies aber ebensowenig wie an dem grundsätzlich erforderlichen<br />

Wohlverhalten gegenüber dem jeweils regierenden Kaiser.


144 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Auch Claudian setzt einen, wenn auch nur vagen, Konsens über die<br />

Integrität und geschichtliche Größe des Camillus voraus, wenn er vorgibt,<br />

daß angesichts der Ballung unheilsschwangerer Vorzeichen, wie sie<br />

gegen das Amtsjahr des oströmischen Consuls Eutropius vorgelegen<br />

hätten, er selbst einem Camillus die fasces nicht übertragen haben<br />

würde. 66 Die Historia Augusta schließlich sorgt sich um den Nachruhm<br />

des Septimius Severus, der in Anbetracht seines Adoptivsohns Caracalla<br />

Schaden nehmen könnte. Ein Blick auf große Männer der Vergangenheit<br />

beruhigt den Biographen jedoch wieder. Eigentlich habe es keiner von<br />

ihnen zu einem würdigen Nachkommen gebracht, wofür unter anderem<br />

Camillus als Beleg herhalten muß. 67<br />

Zu einem gleichbleibend hohen Bekanntheitsgrad des Camillus haben<br />

auch die in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts gehäuft erscheinenden<br />

Breviarien ihren Beitrag geleistet. Eutrop und De viris illustribus teilen<br />

in groben Zügen die meisten Einzelheiten über Camillus mit, die für das<br />

Verständnis der in diesem Kapitel behandelten Exempla notwendig sind.<br />

Die Information zu Camillus im Breviarium des Festus ist extrem spärlich.<br />

68 Dafür wird dem Leser aber ein diachroner Überblick über die<br />

weiteren Zusammenstöße Roms mit den Galliern unter Marius und<br />

Caesar an die Hand gegeben und damit eine wichtige Hilfe zum Verständnis<br />

der Dimension des metus Gallicus. Dieser spielte, wie wir gesehen<br />

haben, eine bedeutsame Rolle für den spätantiken Exemplagebrauch.<br />

Zwei der drei genannten Kurzabrisse der Geschichte erschienen unmittelbar<br />

im Auftrag des Kaisers Valens. 69 Auch darüber hinaus gibt es<br />

66 Claud. Eutr. 2,54ff (die Vorzeichen gegen Eutropius: 1–58). Zum Argumentationsmuster<br />

Schweckendiek, Claud. Eutr. (1992) 196. Daß Camillus sechs Consulartribunate<br />

innehatte, trägt an dieser Stelle zwar zur Plausibilität des Exemplums<br />

bei, für das Verständnis ist dies aber unerheblich.<br />

67 H.A. Sept.Sev. 20,4–21,6 (Camillus in 21,1). Dem Sohn des Camillus, Lucius,<br />

werden von Liv. 7,25,10–26,8 durchaus gewisse Erfolge, unter anderem gegen<br />

die Gallier, zugeschrieben (s. auch oben Anm.37).<br />

68 Eutr. 1,20; 2,1,2; 2,4; Vir.ill. 23; Festus 6; vgl. auch oben die verschiedentlich in<br />

den Anmerkungen vermerkten Abweichungen dieser Autoren von der sonstigen<br />

Überlieferung.<br />

69 Die Breviarien von Eutrop und Festus wurden (in dieser Reihenfolge) um 370 für<br />

Valens angefertigt, vgl. Fuhrmann (1994) 113f. Den kaiserlichen Auftrag dokumentieren<br />

Eutr. epist.dedicaria und Festus 1.


Camillus 145<br />

Belege für die Bemühungen verschiedener Kaiser des 4. Jahrhunderts<br />

um die Geschichte. 70 Dies erhellt, warum das Interesse an der Geschichte,<br />

d.h. vor allem an Exempla aus der römischen Republik, auch zu<br />

einem Bestandteil des spätantiken Herrscherbildes werden konnte. Daher<br />

verwundert es nicht, wenn wir gegen Ende des Jahrhunderts Camillus in<br />

einer Kaiserbiographie der Historia Augusta als einer Lieblingsgestalt<br />

des Pescennius Niger in der Geschichte begegnen. 71<br />

Die christliche Literatur:<br />

Das Exemplum des Camillus erfreut sich auch bei christlichen Autoren<br />

einer gewissen Beliebtheit. Anders als der ältere Brutus und viele andere<br />

berühmte Römer bleibt er von j e g l i c h e r Kritik verschont. Sofern<br />

christliche Geistliche und Laien sich überhaupt für Leistungen interessieren,<br />

die im weltlichen Bereich angesiedelt sind, findet Camillus ihre<br />

uneingeschränkte Anerkennung. Augustin demonstriert darüber hinaus,<br />

daß Camillus’ Verhalten sogar Exemplarität für ein christlich geführtes<br />

Leben besitzen kann.<br />

70 Vgl. Demandt (1982) 257f. Iulian verfaßte eine historische Satire über die Kaiser,<br />

die vereinzelt auch auf die Republik zurückkommt (z.B. Iul. Caes. 323A: Camillus<br />

u.a.) und „im ganzen eine eingehende Beschäftigung I.s mit der römischen<br />

Geschichte und mit der Geschichte seiner Vorgänger“ erkennen läßt (Emil v.<br />

Borries, s.v. Iulianos 26. Flavius Claudius I. [Apostata], in: RE 10,1 [1917]<br />

Sp.26–91, hier: 72). Selbst Theodosius konnte sich, unbeschadet ihres heidnischen<br />

Charakters, für die maiorum gesta erwärmen (Aur.Vict. epit. 48,11), vgl.<br />

dazu Schlange-Schöningen (1995) 23f.<br />

71 H.A. Pesc. 12,1 (hier wird Camillus Marius, dem anderen ‚Stadtgründer‘ Roms,<br />

einmal mehr unmittelbar an die Seite gestellt). Pescennius Niger, Gegenkaiser des<br />

Septimius Severus, ist in der H.A. sehr vorteilhaft porträtiert. Dazu gehört auch,<br />

daß er bemüht ist, eine persönliche Nutzanwendung aus den Exempla großer<br />

Feldherren zu ziehen, und daß er in der Konversation kein anderes Thema kennt<br />

(11,3ff). Angesichts so intimer Kenntnisse der Geschichte scheut er auch vor Urteilen<br />

abseits der Norm nicht zurück – von den Scipionen hält er vergleichsweise<br />

wenig (12,2; dazu unten in Kap. 4.1.4). Zeitlich wird übrigens nach Vorbildern<br />

des Pescennius unter den principes und unter den Persönlichkeiten aus der Zeit<br />

der Republik – in historiis – differenziert (12,1).<br />

Vgl. auch Amm. 23,5,21, wo sich, ungefähr zeitgleich zur H.A., Iulian in einer<br />

zwischengeschalteten Ansprache selbst als antiquitatum peritus bezeichnen darf.


146 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

<strong>DER</strong> SIEG ÜBER <strong>DIE</strong> GALLIER <strong>IM</strong> SPIEGEL <strong>DER</strong> CHRISTLICH-HEIDNISCHEN<br />

AUSEINAN<strong>DER</strong>SETZUNG<br />

Im Jahr 384 hatte Symmachus sich als Stadtpräfekt vergeblich um die<br />

Wiederaufstellung des Victoriaaltars im Senatsgebäude bemüht. Der<br />

Mailänder Bischof Ambrosius nutzte den Einfluß, den er vor Ort am Hof<br />

Valentinians II. besaß, und reagierte in insgesamt drei Briefen auf das<br />

Ansinnen der heidnischen Senatoren und auf die dritte Relatio ihres<br />

Wortführers Symmachus. Ganze zwanzig Jahre später nahm Prudentius<br />

das Thema noch einmal in Contra Symmachum auf. Die Abfassung dieses<br />

Lehrgedichts ist ein Beleg für den großen Nachhall, den der Streit<br />

hatte. Mit dem Jahr 384 war das Thema für die römischen Senatoren<br />

nicht ausgestanden, wie auch die Eugenius-Usurpation zeigte. Dies ist in<br />

der Forschung oft abgehandelt worden und muß deshalb nicht im einzelnen<br />

vertieft werden. 72 Hier soll es nur darum gehen, wie ein Exemplum,<br />

das des Camillus, im Rahmen dieser Kontroverse fortlebte, nachdem es<br />

einmal Eingang in dieselbe gefunden hatte.<br />

Erst Ambrosius war es, der das Camillus-Exemplum in die Debatte<br />

eingeführt hat. Daß Symmachus Camillus noch nicht erwähnt hatte,<br />

überrascht nicht angesichts der hier schon mehrfach festgestellten Zurückhaltung<br />

des römischen Rhetors gegenüber den exempla maiorum. In<br />

der dritten Relatio hatte die Dea Roma nur kurz die erfolgreiche Überwindung<br />

Hannibals und der Belagerer des Capitols im Jahr 390 v.Chr.,<br />

der Senonen bzw. Gallier, erwähnt und all dies auf die Erfüllung des<br />

Götterkultes zurückgeführt. 73 Ambrosius geht in Brief 73 (18) ausführlich<br />

auf die von Symmachus nur angeschnittenen früheren Krisen Roms<br />

ein, nicht ohne die Gelegenheit zu entsprechender Polemik auszulassen.<br />

74 Er trennt zwischen der Verteidigung des Capitols durch<br />

72<br />

Zuletzt Fuhrmann (1994) 65–80. Weitere Literatur und Ausgaben sind oben in<br />

der Einleitung (Kap. 1) aufgeführt.<br />

73<br />

Symm. rel. 3,9: hic cultus in leges meas orbem redegit, haec sacra Hannibalem a<br />

moenibus, a Capitolio Senonas reppulerunt. ad hoc ergo servata sum, ut<br />

longaeva reprehendar?<br />

74<br />

Ambr. epist. 73 (18) stellt die eigentliche Auseinandersetzung mit Symm. rel. 3<br />

dar. Beim Abfassen von epist. 72 (17) hatte Ambrosius der Text der Relatio noch<br />

nicht im Wortlaut vorgelegen (epist. 72 [17],13 u. 73 [18],1).


Camillus 147<br />

schnatternde Gänse 75 während der Belagerung und der eigentlichen späteren<br />

Entsetzung durch Camillus. Ambrosius scheut sich dabei nicht,<br />

seine Gedanken ebenfalls einer personifizierten Roma in den Mund zu<br />

legen. Die allerdings ist Christin und klagt, religionspolitisch korrekt,<br />

über den anhaltenden Irrsinn, sich täglich mit Opferblut besudeln lassen<br />

zu müssen:<br />

Nicht in den Eingeweiden der Schafe, sondern in der Kraft der Krieger liegt<br />

das Geheimnis eines Sieges. Mit anderen Mitteln habe ich den Erdkreis unterworfen.<br />

Ein tüchtiger Krieger war Camillus, der die Bezwinger des<br />

Tarpeischen Felsens niederschlug und die vom Kapitol entführten Feldzeichen<br />

zurückgewann. Seine Tapferkeit hat diejenigen zu Boden gestreckt,<br />

welche die Religion nicht vertreiben konnte. Aber wozu führt man die Beispiele<br />

der Alten an?<br />

(Ambr. epist. 73 [18],7).<br />

Mit dem heidnischen Kultwesen in den Zeiten eines Victoriaaltars habe<br />

das alles, Sieg und Niederlage, herzlich wenig zu tun: Roma haßt die<br />

Kulte, denen auch der Christenverfolger Nero anhing. 76 Sie hat sich bekehrt<br />

und übt Reue – Paenitet lapsus (Ambr. epist. 73 [18],7 [CSEL<br />

82.3, Z.64]). Durch ausführlicheres Eingehen auf die von Symmachus<br />

nur angedeutete geschichtliche Überlieferung zum Keltensturm verschafft<br />

Ambrosius sich eine vergrößerte Angriffsfläche. 77 So ist zu erklären,<br />

warum der Bischof das Camillus-Exemplum heranzieht: Am Ende<br />

war es ein Mensch, der die peinliche Belagerung zu überwinden half,<br />

75 Ambr. epist. 73 (18),5 – verbunden mit der Frage, wie es denn dabei um Iuppiters<br />

Beitrag bestellt sei und ob dieser zu allem Überfluß auch in Gestalt einer Gans<br />

sprechen könne.<br />

76 Übers. Klein – Non in fibris pecudum sed in viribus bellatorum tropaea victoriae<br />

sunt. Alliis ego disciplinis orbem subegi. Militabat Camillus, qui sublata<br />

Capitolio signa caesis Tarpeiae rupis triumphatoribus reportavit; stravit virtus,<br />

quos religio non removit. [...] Quid mihi veterum exempla profertis? Odi ritus<br />

Neronum. (CSEL 82.3, Z.50–57). Weiters nennt Ambrosius in epist. 73 (18),7<br />

Atilius Regulus sowie Scipio Africanus als den Sieger über Hannibal, aber auch<br />

unliebsame Ereignisse der jüngeren Vergangenheit: die Herrschaftswirren zur<br />

Zeit der Soldatenkaiser, die Barbareneinfälle und mittels einer Anspielung auch<br />

Valerians Gefangennahme durch die Perser im Jahr 259.<br />

77 Das läßt sich auch an der ausgiebigen Diskussion über die Überwindung Hannibals<br />

und über dessen Götterglauben nachvollziehen: Ambr. epist. 73 (18),4ff.


148 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

und auch das wäre undenkbar gewesen, wenn nicht zuvor ein paar Gänse<br />

geschnattert hätten. 78<br />

402/03 griff Prudentius die Beweisführung des Ambrosius gegen<br />

Symmachus in dichterischer Form wieder auf. Die Sicht auf Camillus ist<br />

in Contra Symmachum gegenüber Ambrosius leicht 79 verschoben, denn<br />

Prudentius legt eine „evolutionär-progressive Deutung der römischen<br />

Geschichte“ vor, in der die vorchristliche Vergangenheit Roms teleologisch<br />

gedeutet und akzeptiert wird. 80 Wie der Mailänder Bischof weist<br />

er darauf hin, daß Menschen die Siege Roms errungen haben. Doch anders<br />

als Ambrosius kennt Prudentius bei den Leistungen der Vorfahren<br />

keinen Spaß, im Gegenteil. Symmachus muß sich den Vorwurf gefallen<br />

lassen, er schmälere die römischen Erfolge, indem er sie auf das Wirken<br />

der Götter zurückführe. So aber werde Roms berühmten Feldherren der<br />

ihnen gebührende Respekt vorenthalten. 81 Eine längere Aufzählung listet<br />

die betroffenen Triumphatoren, darunter Camillus und Brennus, und die<br />

von ihnen überwältigten Feinde auf. 82<br />

Im weiteren Verlauf von Buch 2 hält Roma eine Ansprache, in der sie<br />

sich deutlich zum christlichen Glauben bekennt und ihre frühere Bin-<br />

78 Diese Argumentation ist durch den konkreten, apologetischen Zusammenhang<br />

(Ohnmacht der heidnischen Götter) bedingt. In anderem Kontext wäre es Ambrosius<br />

wohl kaum in den Sinn gekommen, menschliche Fähigkeiten derart, ohne<br />

jeglichen Hinweis auf das Wirken Gottes, in den Vordergrund zu stellen, vgl.<br />

Klein, Victoriaaltar (1972) 183f Anm.4. Ein vergleichbarer Fall liegt in Aug. civ.<br />

3,17 vor (dazu unten).<br />

79 Dies bezieht sich nur auf den hier verfolgten Umgang mit dem Camillus-<br />

Exemplum. Prudentius geht sonst verschiedentlich weit über Ambrosius hinaus.<br />

Seine augusteisch gefärbten Äußerungen über die Sendung des römischen Imperiums<br />

etwa hat Prudentius „nur notdürftig in ein christliches Gewand zu kleiden<br />

gewußt“, so Fuhrmann (1968) 556; dazu im einzelnen ebd. 556f mit Anm.74.<br />

80 Klein (1985) 135f, das Zitat: 136.<br />

81 Prud. c.Symm. 2,551–555: non fero Romanum nomen [...] carpi. | detrahit invictis<br />

legionibus et sua Romae | praemia deminuit, qui, quidquid fortiter actum est, |<br />

adscribit Veneri, palmam victoribus aufert.<br />

82 Prud. c.Symm. 2,556–577; Camillus und Brennus in v.558 bzw. 562. Genannt<br />

werden auch die Gottheiten, denen diese Siege zugeschrieben würden (563). Die<br />

unter anderem erwähnte (Mater) Matuta ist in der Überlieferung eng mit Camillus<br />

verbunden; er soll ihr einen Tempel geweiht haben (Liv. 5,19,6; 5,23,7; vgl. Plut.<br />

Cam. 5,1); umfassend dazu die Monographie von Dumézil (1980), bes. 48–51 u.<br />

69ff.


Camillus 149<br />

dung an Iuppiter sowie die Christenverfolgungen bereut. 83 Dieser Auftritt<br />

Romas ist in Anlehnung an Symmachus und Ambrosius gestaltet.<br />

Die Exempla aus der Geschichte sind analog gewählt, d.h. Roma kommt<br />

auf den abgewehrten Einfall Hannibals in Italien und auf die Verteidigung<br />

des Capitols vor den Senonen zurück. 84 Anders als bei Ambrosius<br />

fällt der Name Camillus aber noch nicht in diesem Zusammenhang.<br />

Roma betont, daß Angriffe auf das Gebiet ihrer Stadt in christlichen<br />

Zeiten nicht mehr vorkämen. 85 Das habe jüngst die Abwehr des Geticus<br />

tyrannus Alarich (Prud. c.Symm. 2,696) erwiesen. Wachsame Gänse<br />

seien dabei von vornherein nicht nötig gewesen. 86 Diesmal sei der Feind<br />

rechtzeitig vor der Stadt vom Heer des dux Christipotens Honorius und<br />

seines väterlichen Begleiters Stilicho abgewehrt worden (Prud. c.Symm.<br />

2,709ff), 87 niemand habe den Erfolg der beiden christlichen Feldherren<br />

Iuppiter zugeschrieben. 88 Prudentius’ Roma preist den damit angesprochenen<br />

Sieg in der Schlacht bei Pollentia ausgiebig. Erst hier kommt sie<br />

auf Camillus zurück:<br />

Wenn ich schon, nachdem ich durch die Gewalttaten der Gallier vernichtet<br />

war, |<br />

mein Haupt aus dem Schmutz der Aschenhaufen emporheben konnte und, als<br />

Camillus zurückkehrte, |<br />

83<br />

Roma findet in ihrer Rede (Prud. c.Symm. 2,655–768) zwar Worte der Reue<br />

(666–678), das Wirken der Christenverfolger schreibt sie (bzw. Prudentius) aber<br />

Iuppiter und nicht sich selbst zu (669ff: illius instinctu primus Nero [...] |<br />

sanguinem apostolicum bibit ac me strage piorum | polluit [...]; s. auch 672 zu<br />

Decius). Prudentius hielt diesen Kunstgriff offenbar für nötig, um die Roma<br />

„rein“ zu erhalten und einigermaßen glaubhaft christianisieren zu können.<br />

84<br />

Prud. c.Symm. 2,684–689; zu Hannibal auch 738f.<br />

85<br />

Prud. c.Symm. 2,691–695 u. 729f.<br />

86<br />

Prud. c.Symm. 2,703. Stattdessen sei mit vis virum gekämpft worden (705); vgl.<br />

Ambr. epist. 73 (18),5.<br />

87<br />

Honorius dürfte die Hervorhebung gegenüber seinem Feldherrn Stilicho vor<br />

allem dem Faktum zu verdanken haben, daß er Nachkomme des Theodosius ist.<br />

Das Beispiel des ‚Hofdichters‘ Claudian zeigt, daß der kämpfende Feldherr auch<br />

unmittelbar selbst hätte gelobt werden können. Prudentius aber wollte Theodosius<br />

mit Contra Symmachum ein „Denkmal“ setzen (Kah [1990] 112). Dieser, und<br />

nicht Constantin, gibt in c.Symm. den Ausschlag für die Christianisierung Roms<br />

(so konnte u.a. der Rückschlag unter Iulian umgangen werden), s. Döpp,<br />

Prudentius (1980) 76. Der militärische Beitrag Stilichos wird erst gewürdigt (kurz<br />

in c.Symm. 2,743f), nachdem Honorius ausgiebig mit Lob bedacht worden ist.<br />

88<br />

Prud. c.Symm. 2,208f.


150 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

die Feldzeichen mit strahlendem Gesicht wieder erhielt, obwohl ich noch<br />

qualmte, |<br />

und wenn ich schon die erbärmlichen Ruinen mit Girlanden umwinden<br />

und schwer einsturzgefährdete Türme mit Lorbeer umgürten konnte,<br />

auf was für einem Schoß soll ich dann dich aufnehmen, du überaus<br />

heldenhafter Kaiser? |<br />

Welche Blumen soll ich ausstreuen? [...]<br />

(Prud. c.Symm. 2,721–727). 89<br />

Mit dem Hinweis auf die Schlacht bei Pollentia verläßt Prudentius den<br />

engeren Bereich einer ‚Dokumentation‘ des Streits um den Victoriaaltar<br />

und erweitert sein Lehrgedicht in zeitgeschichtlicher Hinsicht. Siegmar<br />

Döpp hat in einleuchtender Weise herausgearbeitet, daß in der Schlacht<br />

vom April des Jahres 402 der entscheidende Anlaß für eine ansonsten<br />

mit zwanzigjähriger Verspätung erfolgende Replik auf Symmachus zu<br />

sehen ist. „So laufen die gedanklichen Linien“ innerhalb der beiden Bücher<br />

Contra Symmachum „von weither auf die Erwähnung Pollentias<br />

zu“. 90 Dieser Sieg ist die „Probe aufs Exempel“ dafür, daß Rom sich zu<br />

Recht von den Göttern ab- und Christus zugewandt hat, mit anderen<br />

Worten, für die teleologische Geschichtsauffassung des Prudentius. 91 Mit<br />

dem Erfolg bei Pollentia ist der Nachweis erbracht, daß die Bekehrung<br />

Roms tatsächlich zum besseren geführt hat. Die Stadt Rom ist einem erneuten<br />

Angriff der Gallier entronnen und im Gegensatz zu früheren<br />

feindlichen Einfällen vollkommen unversehrt geblieben. Dem sieghaften<br />

Kaiser Honorius gebührt von daher noch größerer Dank als Camillus.<br />

Dessen Leistung wird nicht in Abrede gestellt, sie wird aber in panegyrischer<br />

Weise von der des Theodosiussohnes überboten.<br />

Es ist bedeutsam für die Einordnung des Camillus-Exemplums in Vers<br />

722, daß die Passage, die der eben zitierten Textstelle unmittelbar voran-<br />

89<br />

si potui manibus Gallorum excisa levare | de cinerum squalore caput, redeunte<br />

Camillo | signa renidenti fumans si fronte recepi, | si potui miseras sertis redimire<br />

ruinas | et male pendentes lauro praecingere turres, | quo te suscipiam gremio,<br />

fortissime princeps? | quos spargam flores? – usw. bis v.728.<br />

90<br />

Döpp, Prudentius (1980) 78; s. bes. auch 71ff u. 80 zu den Motiven für die Abfassung<br />

von Prud. c.Symm.<br />

91<br />

Döpp, Prudentius (1980) 76, ebenso Klein (1985) 139. Grundlegend für das Providenzkonzept<br />

des Prudentius ist der „Glauben an eine lückenlose Kontinuität<br />

römischer Universalgeschichte bis hin zur Einmündung in ein Kultur- und Friedensreich,<br />

das unter Theodosius und seiner Familie Wirklichkeit geworden ist.“<br />

(ebd. 141).


Camillus 151<br />

geht, deutliche Parallelen zu dem oben behandelten Schlußabschnitt von<br />

Claudians Gotengedicht aufweist. Unter anderem ist auch bei Prudentius<br />

die Rede von den Gebeinen noch unbestatteter Barbaren, die der Nachwelt<br />

zur Mahnung gereichen sollen. 92 Prudentius wollte offenbar seine<br />

eigene, christliche Sicht auf das jüngste Ereignis bewußt der Version des<br />

Hofdichters Claudian entgegensetzen. Mit dem Exemplum des Camillus<br />

weicht Prudentius allerdings von der Vorlage für die Verse 715 bis 728<br />

ab. Statt wie Claudian den Sieger von Pollentia, Honorius respektive<br />

Stilicho, in der enkomiastischen Synkrisis neben oder über den Cimbernsieger<br />

Marius zu stellen, beläßt es Prudentius bei dem Exemplum, das<br />

Ambrosius 384 in die Debatte mit Symmachus eingeführt hatte, d.h. bei<br />

Camillus, dem Sieger über die Senonen / Gallier. Der Charakter einer<br />

poetischen Darstellung des Streits um den Victoriaaltar bleibt so trotz<br />

der gewollten Nähe zu Claudian auch an dieser Stelle gewahrt. Auch in<br />

der Wahl anderer Exempla lehnt sich Prudentius, wie wir gesehen haben,<br />

gern an die Vorlagen Symmachus und Ambrosius an. 93<br />

Ansonsten hätte in Vers 722 aber genauso gut auch Marius die Stelle<br />

des Camillus einnehmen können – die gewünschte Aussage hätte sich<br />

darob kein bißchen geändert. 94 Ihrer Erfolge über die Gallier wegen<br />

wurden beide als neue Gründer Roms angesehen. Durch die Abweichung<br />

gegenüber dem Ende von Claudians Bellum Geticum belegt Prudentius<br />

aufs neue die Affinität zwischen Camillus und Marius und bestätigt so<br />

zugleich die oben zu Claudian vorgetragene Interpretation: Durch Erwähnung<br />

der beiden Retter Roms, die in bezug auf die von ihnen ge-<br />

92 Prud. c.Symm. 2,715–720; vgl. Claud. bellGet. 632–647 (dazu oben). Zu den<br />

Entsprechungen im einzelnen Döpp, Zeitgeschichte (1980) 214 Anm.7; ders.,<br />

Prudentius (1980) 65 Anm.1 u. 79 mit plausiblen Gründen für Abhängigkeit des<br />

Prudentius von Claudian (und nicht umgekehrt).<br />

93 Beide Bücher von Prud. c.Symm. enthalten eine große Zahl an Anspielungen auf<br />

Symmachus und Ambrosius. Zumindest für ein tieferes Verständnis seines Lehrgedichts<br />

setzt Prudentius die Kenntnis ihrer Schriften beim Publikum voraus, s.<br />

Steidle (1971) 263. Die Bezüge zu Symmachus, Ambrosius sowie zu Claudian<br />

u.a. weist im einzelnen der Apparat der Prudentiusausgabe von Lavarenne (CB),<br />

Bd.3 (1948) nach.<br />

94 Auch die Proscriptionen im Bürgerkrieg hätten dem nicht entgegengestanden,<br />

Prudentius zollt Marius andernorts in c.Symm. selbst Anerkennung (1,524). In<br />

der gesamten römischen Literatur begegnet Marius demgegenüber nur verhältnismäßig<br />

selten als exemplum vitii, s. Litchfield (1914) 51 u. unten 4.2.1.


152 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

wonnenen Entscheidungsschlachten gegen die Gallier miteinander austauschbar<br />

sind, hat Claudian zwischen den Zeilen zum Ausdruck bringen<br />

wollen, daß er Stilicho für den vierten conditor urbis hält.<br />

Prudentius geht im Unterschied dazu nicht so weit mit dem Lob für<br />

die Tätigkeit eines Feldherrn, gleich ob Stilicho oder Honorius. Sollte<br />

dafür überhaupt ein Mensch in Frage kommen, dann ist in Contra<br />

Symmachum allenfalls Theodosius so etwas wie ein neuer ‚Stadtgründer‘.<br />

95 Die von diesem christlichen Kaiser endgültig durchgesetzte<br />

Bekehrung Roms hat den Sieg und die Bewahrung der urbs vor den Barbaren<br />

erst möglich gemacht, und das ist für Prudentius letztlich wichtiger<br />

als Pollentia. Dem militärischen Erfolg an sich bringt er nur in eingeschränktem<br />

Maße Interesse entgegen.<br />

Auch im Laurentiushymnus, wo Prudentius sich ebenfalls auf Camillus<br />

bezieht, kommt das zum Ausdruck. In einem Rompreis, der der eigentlichen<br />

Schilderung des Martyriums vorangeht, wird das incruentum<br />

proelium (Prud. perist. 2,16), das Laurentius geführt hat, den turbulentis<br />

viribus | Cossi, Camilli aut Caesaris entgegengestellt (2,13f). 96 Auch<br />

wenn Prudentius grundsätzlich bereit ist, die militärische Leistung des<br />

Camillus zu würdigen – hier zeigt er sich „relativ frostig gegenüber den<br />

drei altrömischen Helden“. 97<br />

95 Mit dieser Tendenz Prud. c.Symm. 1,3–29, bes. 9: Theodosius parens patriae<br />

(ebenso Liv. 5,49,7 über Camillus, dort mit der Erweiterung conditorque alter<br />

urbis). S. auch c.Symm. 2,655–660: Roma fühlt sich nach der Bekehrung ihrer<br />

Stadt durch Theodosius wie neugeboren – omne renascens (656). Die Bezeichnung<br />

conditor bleibt in c.Symm. allein Gott vorbehalten: 2,242 u. 2,170 (conditor<br />

orbis).<br />

96 Buchheit (1966/71) 465 möchte Caesar mit Augustus identifizieren. Dagegen ist<br />

einzuwenden, daß Prudentius mit der Zusammenstellung der drei Namen in v.14<br />

kaum tiefgründigere Absichten verfolgt haben dürfte als die, eine Alliteration zu<br />

bilden, auch wenn ein Augustusbezug hier nicht völlig ausgeschlossen werden<br />

kann; so auch Palmer (1989) 132.<br />

97 So Kah (1990) 210, die aber zu Recht davor warnt, deshalb „den Dichter als pazifistischen<br />

Prediger der Gewaltlosigkeit einzustufen“ (ebd. 211). Sie weist in diesem<br />

Zusammenhang ebenfalls auf die Besonderheit der Argumentation in<br />

c.Symm. 2,722f gegenüber der im Laurentiushymnus hin: Im Kontext der<br />

Schlacht bei Pollentia, die als entscheidend für die „Konsolidierung des Christentums“<br />

erachtet wird, konnte und sollte das Camillus-Exemplum dem christlichen<br />

Herrscher Honorius uneingeschränkt zum Lob gereichen (Kah, 210).


Camillus 153<br />

ANERKENNUNG FÜR DEN RÖMER CAMILLUS<br />

Dennoch zeugt auch diese Stelle von der Anerkennung, die Camillus von<br />

christlicher Seite generell entgegengebracht wurde. Eine ähnlich distanzierte<br />

Haltung dem Galliersieger gegenüber läßt Augustinus 421 in seiner<br />

Streitschrift gegen Iulian von Aeclanum erkennen. Der späte Augustin<br />

bringt dort seine grundsätzliche Überzeugung, wahre Gerechtigkeit<br />

sei ohne den Glauben an Christus nicht möglich, 98 mit besonderer Vehemenz<br />

zum Ausdruck: Auch wenn es vor Christi Geburt gute Römer<br />

gab – sie bleiben Sünder, und das Himmelreich ist ihnen ebenso verschlossen<br />

wie Kindern, die sterben, noch bevor sie die Taufe empfangen<br />

haben. 99 Schließlich hätten Camillus und andere hochgeachtete Römer<br />

aus der Zeit der Republik – namentlich erwähnt sind Fabricius, Regulus,<br />

Fabius und die Scipionen – nur virtute civili, non vera, sed veri simili<br />

daemonibus vel humanae gloriae gedient (Aug. c.Iul. 4,26 [PL 44, 751]).<br />

Nüchtern, aber nicht so kühl ist der Blick, den Hieronymus in einem<br />

um 395 verfaßten Brief auf Camillus und andere richtet. Hieronymus<br />

gibt Paulinus von Nola darin Ratschläge für eine mönchische Lebensführung.<br />

100 Einleitend stellt er fest: habet unumquodque propositum<br />

98 Aug. c.Iul. 4,25f (PL 44, 750f). Der Begriff der veritas ist in der Sprache Augustins<br />

eng mit Gott verknüpft, vera iustitia und vera virtus können demnach nur<br />

durch vera pietas erreicht werden; dazu Mayer (1987) 123–130. Ausführlich zur<br />

Kontroverse Augustins mit dem Pelagianer Iulian: Brown (1975) 333–347; zur<br />

Person des Kontrahenten s. Wilhelm Geerlings, s.v. Julian von Eclanum, in:<br />

LACL (1999) 360ff.<br />

99 Nicht zuletzt aufgrund derartiger Argumente sollte „die Behandlung der Herausforderung<br />

des Julian, eines mitchristlichen Bischofs, ein unintelligenter Schlagabtausch“<br />

mit tragischen Zügen bleiben, so Brown (1975) 338 (mit 346). Die<br />

Unterschiede zu „dem einfühlenden Dialog, den Augustinus im ‚Gottesstaat‘ mit<br />

heidnischen Platonikern zu führen durchaus bereit war“ (ebd. 338), sind offensichtlich,<br />

was sich dort u.a. auch am Umgang mit Camillus ablesen läßt (dazu<br />

unten). Das wird gerade bei einem Vergleich von c.Iul. 4,17 u. 26 mit civ. 5,15<br />

deutlich, wo Augustin viel verbindlicher zum Ausdruck bringt, daß heidnischen<br />

Römern das Himmelreich verschlossen bleiben muß (Maier [1955] 139f Anm.85<br />

verkennt dies m.E.). Wenige Jahre zuvor, in den ersten Büchern von civ., hatte<br />

Augustin den frühen Römern immerhin noch „relative Gerechtigkeit“ zugebilligt<br />

(Christes [1980] 176; s. bes. auch 173–177).<br />

100 Hieronymus erachtet die Ehe des Paulinus zwar für problematisch, sieht in ihr<br />

aber kein entscheidendes Hindernis für ein Leben nach mönchischen Idealen,<br />

schließlich üben Paulinus und seine Frau Therasia sexuelle Enthaltsamkeit<br />

(sanctae sororis tuae ligatus es uinculo; epist. 58,6,1). Paulinus soll nach Mög-


154 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

principes suos: Romani duces imitentur Camillos, Fabricios, Regulos,<br />

Scipiones. Entsprechende Exemplareihen zu Philosophen, Dichtern, Geschichtsschreibern<br />

und Rednern schließen sich an, ehe Hieronymus ad<br />

nostra, d.h. auf christliche Gegebenheiten, zu sprechen kommt, auf die<br />

Apostel als Leitbild für Bischöfe und Presbyter (habeant in exemplum;<br />

Hier. epist. 58,5,2) und auf die Mönchsväter. Für sie kommen sogar die<br />

alttestamentlichen Prophetensöhne als Vorbild in Frage:<br />

nos autem habemus propositi nostri principes Paulos, Antonios, Iulianos,<br />

Hilarionas, Macarios; et ut ad scripturarum auctoritatem redeam, noster<br />

princeps Helias, noster Helisaeus, nostri duces filii prophetarum, qui<br />

habitabant in agris et solitudine et faciebant sibi tabernacula propter fluenta<br />

Iordanis. [...]<br />

(Hier. epist. 58,5,3).<br />

Die entspannte Haltung des Hieronymus, die darin zum Ausdruck<br />

kommt, daß er einem jeden die ihm zusagenden und für ihn adäquaten<br />

exempla zugesteht, 101 ist bemerkenswert, nicht nur weil Hieronymus<br />

Christ ist. 102 Die Nähe zwischen einem Camillus und einem Antonius,<br />

zwischen Feldherr und Eremit, mag skurril anmuten, für den<br />

Ciceronianus und bethlehemitischen Klostergründer Hieronymus ist sie<br />

aber offensichtlich unproblematisch. Von den Mönchsvätern einmal abgesehen,<br />

die bei der geistlichen Unterweisung des Paulinus natürlich im<br />

Mittelpunkt stehen, interessieren Hieronymus die im einzelnen angeführten<br />

Exempla eher weniger. Die Aneinanderreihung von Exemplaketten<br />

unterschiedlichen Inhalts an sich zeugt aber dafür, daß Hieronymus<br />

eine hohe Meinung ‚vom Nutzen und V o r t e i l der Exempla für<br />

das Leben‘ hat.<br />

lichkeit aber wenigstens gesellschaftlichen Umgang und aufwendige Nahrung<br />

meiden (58,6,1f).<br />

101 Das bedeutet aber nicht, daß Hieronymus diese Exemplareihen auch für gleichrangig<br />

hielte. Vielmehr liegt ein rhetorischer Schluß ex minoribus ad maiora<br />

(Quint. inst. 5,11,9; vgl. Adolf Lumpe, s.v. Exemplum, in: RLAC 6 (1966)<br />

Sp.1229–1257, hier: 1245 u. 1250) vor.<br />

102 Vgl. hingegen Ambr. epist. 73 (18),7 (Zitat oben). Auch Heiden wie Symmachus<br />

(or. 2,17: ecce exempla veterata saeculorum!) und Ammian (25,3,13:<br />

magniloquentia vetustatis) stellen die exempla maiorum gelegentlich in Frage<br />

und versuchen dadurch, Distanz zu einer als übermächtig empfundenen Vergangenheit<br />

zu gewinnen.


Camillus 155<br />

Ein nicht zu unterschätzender Vorzug von Exempla ist die Verpflichtung<br />

zu sittlich gutem Verhalten, die mit ihrer Erwähnung stillschweigend<br />

ausgesprochen wird. Das kann auch auf verhältnismäßig abstrakte<br />

Weise geschehen, wie der Brief von 394 zeigt, in dem Hieronymus die<br />

Römerin Furia in ihrem Wunsch bestärkt, viduitatis coronam inlaeso<br />

pudicitiae nomine conservare (epist. 54,1,1). Gleich in den ersten Sätzen<br />

stellt Hieronymus dort die Behauptung auf, seit der Zeit des Camillus sei<br />

so gut wie keine Frau mehr aus ihrer Familie eine Zweitehe eingegangen.<br />

103 Daß derartiges im 4. Jahrhundert durch nichts zu beweisen war,<br />

muß nicht eigens betont werden. 104<br />

Dennoch, indem Hieronymus Furia mittels einer erfundenen Familientradition<br />

auseinandersetzt, daß die Bewahrung nachehelicher<br />

Keuschheit nur „standesgemäß“ sei, dürfte er der römischen Aristokratin<br />

gegenüber genau den richtigen Ton getroffen haben. Mit der Erwähnung<br />

des Camillus in Brief 54 wird ferner ein Gedanke vorbereitet, den wir<br />

bereits aus der Streitschrift Adversus Iovinianum kennen: Weibliche<br />

Askese ist höher einzuschätzen als das aktive Handeln von Männern in<br />

Politik und Krieg. 105 Zusätzlich karikiert Hieronymus die Unannehm-<br />

103 Hier. epist. 54,1,2: habes praeterea generis tui grande privilegium, quod exinde a<br />

Camillo vel nulla vel rara vestrae familiae scribitur secundos nosse concubitus.<br />

Man bemerke die Unbestimmtheit, die in dem ‚selten oder nie‘ liegt.<br />

104 Nach der Wende vom 3. zum 4. Jh. existierten kaum mehr Familien, die dem<br />

Senatorenstand früher als zur Zeit der Severer angehört hatten, s. Bleicken, Kaiserreich<br />

I (1995) 303. Nur zwei Familien im 4. Jh. lassen sich noch bis auf die<br />

Zeit der Republik zurückverfolgen, die Acilii und die Anicii, s. Näf (1995) 279.<br />

Schon die Mitte des 1. Jh.s n.Chr. hatten nur die wenigsten Familien der republikanischen<br />

nobiles überlebt (Bleicken, 279). Zweifel sind daher sowohl an der<br />

Abstammung Furias angebracht als auch an der Behauptung, seit jeher hätten die<br />

Furierinnen gemäß dem univira-Ideal gelebt. Für eine derartige Familientradition<br />

gibt es keine Anhaltspunkte in der sonstigen Überlieferung. Der ausnehmend<br />

freie Umgang des Hieronymus mit den Familiengeschichten der von ihm gelobten<br />

adeligen Damen (Näf, 113 u. Rebenich, Kreis [1992] 183; zu unkritisch in<br />

diesem Punkt Krumeich [1993] 165f) ist kein Einzelfall im Umfeld des spätantiken<br />

Senatorenadels (Näf, 10 u. 279f).<br />

105 Auf eine Praeteritio der mit Furia verschwägerten Asketinnen Paula, Eustochium<br />

und Blesilla (Taceo de [...] stirpis vestrae floribus) folgt der Wunsch des Hieronymus,<br />

es möchten doch auch einmal Männer diesen weiblichen Vorreiterinnen<br />

in Sachen Enthaltsamkeit folgen – atque utinam praeconia feminarum<br />

imitarentur viri (epist. 54,2,1). In diesem Sinn schon Hier. adv.Iovin. 1,49 mit<br />

Commentarii in prophetas minores. In Sophoniam prophetam prol. (dazu oben<br />

4.1.1 mit Zitaten).


156 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

lichkeiten, die Ehe und Nachwuchs mit sich brächten, in einem wahren<br />

Schreckensgemälde. Die mögliche Sorge um ein Aussterben der proles<br />

Furiana verkenne zudem das Problem, daß angesehene Persönlichkeiten<br />

nur allzuoft mißratene Kinder in die Welt setzten. 106<br />

Stärker im Einklang mit dem von der heidnischen Literatur vorgegebenen<br />

Exemplagebrauch befindet sich der Camillusbezug im Trostbrief<br />

für Oceanus von 399. Die Nachricht vom Ende des gottgefälligen Lebens<br />

der Fabiola, verecundae matronae et Christianae (Hier. epist. 77,3,1),<br />

soll sich wie ein Lauffeuer unter der Bevölkerung Roms verbreitet haben.<br />

Diese sei in Scharen zu ihrem Begräbnis geströmt – non sic Furius<br />

de Gallis, non Papirius de Samnitibus, non Scipio de Numantia, non<br />

Pompeius de Ponti gentibus triumphavit. illi corpora vicere, haec<br />

spiritales nequitias subiugavit. (Hier. epist. 77,11,3). Nicht nur das Verfahren,<br />

das Lob einer in christlicher Askese lebenden Witwe mit Zitaten<br />

aus Vergils Aeneis auszuschmücken, auch der unmittelbare Vergleich<br />

Fabiolas mit Camillus und anderen römischen Triumphatoren erinnert an<br />

den freimütigen Umgang des Prudentius mit heidnischen Exempla im<br />

Laurentiushymnus. 107<br />

UNGERECHTIGKEIT, NACHSICHT UND LIEBE ZUM IRDISCHEN VATERLAND<br />

Augustinus wendet das Camillus-Exemplum in De civitate Dei recht<br />

konventionell an. Camillus stellt für Augustin den Sonderfall eines tendenziell<br />

„guten“ Römers dar – wenn auch in geringerem Maße als<br />

Regulus, der im folgenden Kapitel behandelt wird. 108 Das darf indes<br />

106 Hier. epist. 54,4,2: „Fürchtest Du etwa, die Furier möchten ohne Stammhalter<br />

bleiben, Dein Vater möchte ohne einen kleinen Bengel von Dir sein, der ihm auf<br />

der Brust herumrutscht und seinen Nacken beschmutzt?“ (Übers. Schade) – an<br />

vereris, ne proles Furiana deficiat et ex te parens tuus non habeat pusionem, qui<br />

reptet in pectore et cervices eius stercore linat? Als abschreckendes Beispiel<br />

werden ebd. Cornelias Söhne, die Gracchen, genannt (sie sollen ebenso wie<br />

Camillus Vorfahren Furias sein). Ciceros Sohn muß (wie in H.A. Sept.Sev. 21,2;<br />

s. oben) dafür herhalten, daß sich die besonderen Fähigkeiten eines Vaters (hier<br />

die Redekunst) nicht automatisch mit und in einem Sohn verewigen lassen.<br />

107 Vgl. Prud. perist. 2,13–16. In epist. 77,11,2 zitiert Hieronymus Verg. Aen. 11,139<br />

u. 8,287f (mit der Abwandlung, daß statt laudes Herculeas die laudes femineas<br />

gesungen werden).<br />

108 Zur Frage, ob solche „guten“ Römer nur im Dienst einer an solchen Stellen bloß<br />

sublimeren Polemik Augustins gegen Rom stehen (so Maier [1955] 153, 207 u.


Camillus 157<br />

nicht den Blick darauf verstellen, daß es dem Bischof von Hippo Regius<br />

auch bei der Anführung eines so trefflichen Römers um eine Kritik an<br />

den Werten der heidnischen Römer geht. Denn Augustin interessiert sich<br />

vor allem für den Punkt, daß Camillus sich trotz der Ungerechtigkeit seiner<br />

Mitbürger erneut für Rom einsetzte und seine Heimatstadt aus der<br />

Verbannung heraus rettete. Andere Begebenheiten aus seinem Leben<br />

werden nicht erwähnt. 109<br />

Das Verhalten des Camillus selbst ist in Augustins Augen uneingeschränkt<br />

vorbildlich, seine Verbannung hingegen ein willkommener Beleg<br />

gegen Sallusts Diktum von der natürlichen Gerechtigkeit der Römer,<br />

so in Kapitel 2,17. 110 Das Verhalten der Römer gegenüber Camillus wird<br />

hier in eine Reihe mit dem Raub der Sabinerinnen gestellt. Der Großmut<br />

des Camillus wird, wie es scheint, nur der Vollständigkeit halber erwähnt.<br />

Andererseits ist der Nachsatz mit dem Hinweis auf eine Einzelperson<br />

geeignet, diese umso mehr als Gegenpol zur Ungerechtigkeit des<br />

römischen Staates erscheinen zu lassen.<br />

In De civitate Dei 3,17 und 4,7 will Augustin zeigen, daß die Götter<br />

entweder infideles oder aber non ita fortes sunt, ut deos esse fortes decet<br />

(4,7 [CCL 47, Z.15 u. 20]). In Kapitel 3,17 spielt er zahlreiche Helden<br />

aus der Zeit der frühen römischen Republik gegen die Götter aus, die<br />

Rom in den schlimmsten Katastrophen nicht beigestanden hätten – die<br />

Exempla werden jeweils durch die rhetorische Frage eingeleitet, wo<br />

denn das Eingreifen der Götter in der bestimmten Situation zu erkennen<br />

passim) oder ob Augustin solche heidnischen Exempla positiv bewertet – sei es<br />

weil er sich selbst noch sehr stark als Römer fühlt, sei es weil sie ihm als Formen<br />

der Anknüpfung bei den heidnischen Oberschichten dienen (so Straub [1950/72]<br />

257f u. [1954/72] 291f u. 294f) –, s. oben 3.4. Straub und Maier überschätzen<br />

wohl beide die Rombezogenheit von De civitate Dei und haben auch manches<br />

zugunsten der eigenen These überspitzt, so m.E. zu Recht Thraede (1977) 136<br />

mit Beispielen.<br />

109 Einzige Ausnahme ist der Hinweis auf den Tod des Camillus, der angeblich einer<br />

Pestepidemie zum Opfer gefallen sei, in Aug. civ. 3,17 (CCL 47, Z.73ff). Quelle<br />

hierfür scheint Liv. 7,1,8 zu sein.<br />

110 CCL 47, Z.31–41; Sall. Catil. 9,1 zitiert in Z.2f. (vgl. bereits oben 4.1.1). Die<br />

Umstände der Verbannung des Camillus sind vermutlich Liv. 5,22f entnommen,<br />

s. Hagendahl (1967) 651f mit 198f (Nr.442a).


158 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

sei. 111 Betont wird, daß es Menschen waren, die Rom aus den größten<br />

Gefahren errettet haben. 112 Einer von ihnen ist der Eroberer von Veii<br />

Furius Camillus, der seine Heimatstadt vor den Galliern beschützte, obwohl<br />

ihn die Ungerechtigkeit seiner Mitbürger zwischenzeitlich ins Exil<br />

gezwungen hatte. 113 Selbst gegen außerrömische Götter bemüht Augustinus<br />

das Exemplum des treuen Camillus. So hätten die Götter der<br />

Assyrer es zugelassen, daß das Perserreich bis heute als Sieger über deren<br />

Reich, das zweite Großreich in der Weltgeschichte neben Rom, feststehe.<br />

Nicht einmal der Mensch Camillus hätte einen solchen Akt der<br />

Untreue übers Herz gebracht, und der hätte allen Grund dazu gehabt:<br />

quod nec homo fecit Camillus, quando victor te expugnator adversissimae<br />

civitatis [sc. Veii] Romam, cui vicerat, sensit ingratam, quam tamen postea<br />

oblitus iniuriae, memor patriae, a Gallis iterum liberavit<br />

(Aug. civ. 4,7 [CCL 47, Z.16–19]).<br />

Das noble Verhalten des Camillus gewinnt so eine Dimension, die es als<br />

Vorbild auch für Christen, selbst in deren ureigenen Angelegenheiten,<br />

interessant macht. Camillus wird deshalb auch in dem für Augustins<br />

differenzierenden Exemplagebrauch so zentralen Kapitel 5,18 neben L.<br />

Iunius Brutus, M. Curtius, den Deciern, Regulus, Q. Cincinnatus und<br />

anderen erwähnt. Er, der sein undankbares Vaterland noch einmal gegen<br />

die Gallier verteidigte, quia non habebat potiorem (Aug. civ. 5,18 [CCL<br />

47, Z.39f]), mutiert so maßstabsgetreu zu einem Exemplum für Christen.<br />

Diese müßten ihrer Kirche umso mehr auch dann die Treue halten, wenn<br />

die Hierarchie sie ungerecht behandle. Nicht nur, daß sie selbst nicht der<br />

Häresie anheimfallen sollen – sie sind obendrein auch verpflichtet, den<br />

Kampf der Kirche gegen häretische Bestrebungen aktiv und ohne Einschränkung<br />

zu unterstützen, trotz erlittener Kränkung, cum alia [sc.<br />

ecclesia] non sit, non ubi vivatur in hominum gloria, sed ubi vita<br />

adquiratur aeterna (Aug. civ. 5,18 [CCL 47, Z.45ff]).<br />

111 Aug. civ. 3,17 (CCL 47, Z.46): Ubi ergo erant illi dii [...]? und verkürzt bei den<br />

darauffolgenden Exempla: Ubi erant, quando [...]? (Z.49,53, 56f u.ö.).<br />

112 Diese Argumentation ist kontextbedingt durch den hier vorliegenden apologetischen<br />

Zweck. Sie findet eine Parallele in Ambr. epist. 73 (18),7 (dazu oben). Ansonsten<br />

ist für Augustin wie für Ambrosius Gott die einzige Instanz, die über<br />

Wohl und Wehe irdischer Staaten entscheidet (vgl. Aug. civ. 5,21: Gott war es,<br />

der Assyrern, Persern und Römern ihre regna gab).<br />

113 Aug. civ. 3,17 (CCL 47, Z.68–76).


Camillus 159<br />

Der Kirchenvater hat sich mit dieser Abstrahierung sehr weit von dem<br />

ansonsten üblichen Gebrauch des Camillus-Exemplums entfernt. Er hat<br />

dem Bild des Galliersiegers keine neuen Aspekte hinzugefügt, aber – das<br />

ist das eigentlich Fesselnde daran – er hat sie den über ihn zirkulierenden<br />

Vorstellungen abgewonnen. Camillus hat zu seiner Zeit der Kirche keinen<br />

Dienst erweisen können. Aber jeder Christ, der über die Ungerechtigkeit<br />

seiner Mitbrüder erhaben ist und sich nicht über die Gesamtkirche<br />

erhebt, kann nun vom Verhalten des Camillus lernen. Augustin hat eine<br />

Komponente der Camillusgeschichte in den Mittelpunkt seiner Überlegungen<br />

gerückt, die andere Autoren, auch Prudentius und Hieronymus,<br />

lieber stillschweigend umgangen haben.<br />

Umgekehrt haben sich im 4. und 5. Jahrhundert allein Heiden auf Camillus<br />

als zweiten Stadtgründer bezogen. Hier wird deutlich, daß nur bestimmte<br />

Überlieferungsstränge im Interesse der jeweils eigenen Sache<br />

aufgegriffen und für Exempla verfügbar gemacht worden sind. Unterschiedliche<br />

Aussagen, die ein Autor mit Hilfe des Camillus-Exemplums<br />

erzielen wollte, wurden allein über die Auswahl des vorhandenen Materials<br />

und seine Einbettung in den jeweiligen Kontext erzielt. Ein Problem,<br />

das heidnische und christliche Römer gleichermaßen betraf, waren<br />

die Germaneneinfälle. Sie sorgten für eine besondere Aktualität der Erinnerung<br />

an Camillus und lassen den Umgang mit seinem Exemplum<br />

vielleicht homogener erscheinen, als es ohne diese Bedrohung der Fall<br />

gewesen wäre.


4.1.3 Regulus: Opfergang nach Karthago<br />

Die Erinnerung an die Zeit der großen Auseinandersetzungen zwischen<br />

Rom und Karthago ist besonders eng mit dem Namen Scipio verknüpft.<br />

Soweit es den Bereich der Exempla betrifft, ragt aber noch eine andere<br />

Persönlichkeit dieser Zeit aus der Überlieferung heraus, M. Atilius<br />

Regulus. Stehen die Scipionen eher für die Überwindung des metus<br />

Punicus, der hier als Äquivalent zum metus Gallicus bereits angesprochen<br />

worden ist, so läßt sich an Regulus anschaulich demonstrieren,<br />

welch großer Mühen, verbunden mit Rückschlägen, es bedurfte, ehe der<br />

Erzfeind Karthago niedergerungen war.<br />

Mit Regulus kommen wir in die Zeit des ersten Punischen Krieges.<br />

Die Überlieferungssituation ist nun ungleich besser als bei L. Brutus und<br />

Camillus, auch wenn die entsprechenden Bücher des Livius (17f) zum<br />

Thema nicht erhalten sind. Unbestritten sind ein Sieg des Regulus über<br />

die karthagische Flotte und weitere Erfolge auf dem afrikanischen Festland<br />

256 v.Chr. und im Folgejahr. Dann aber hat Regulus die Bedingungen<br />

für einen Frieden mit den Karthagern offenbar zu hoch geschraubt<br />

und so deren Widerstandswillen noch einmal angefacht. Noch im Jahr<br />

255 v.Chr. kam es zur entscheidenden Niederlage der Römer, Regulus<br />

geriet in Gefangenschaft.<br />

Soweit, bis zur Gefangennahme des Regulus, scheint die Überlieferung<br />

auf historischen Tatsachen zu beruhen. 1 Die angebliche Rückkehr<br />

nach Rom jedoch, wo Regulus Verhandlungen führen sollte, ist wohl<br />

ebenso legendenhafte Ausschmückung wie alle weiteren, sich daran anknüpfenden<br />

Fortsetzungsgeschichten. Regulus soll sich vor dem Senat<br />

persönlich gegen die Annahme der karthagischen Vorschläge ausgesprochen<br />

haben. Im Anschluß an die Verhandlungen sei er wieder nach Karthago<br />

zurückgekehrt und dergestalt einem Eid nachgekommen, den er<br />

den Puniern gegenüber geleistet hatte. Diese sollen Regulus nach dem<br />

1 Vgl. Bengtson (1982) 82; Elimar Klebs, s.v. M. Atilius Regulus 51, in: RE 2,2<br />

(1896) Sp.2086–2092, hier: 2086ff. S. ebd. passim für das Folgende mit ausführlicher<br />

Analyse der zu Regulus verfügbaren Quellen; nützlich sind ferner die<br />

Monographie über das Regulus-Exemplum von der Antike bis in die frühe Neuzeit<br />

von Mix (1970) sowie Blättler (1945) und Lippold (1963) 34–41.


Regulus 161<br />

gescheiterten Vermittlungsversuch schließlich mit ausgesuchter Grausamkeit<br />

hingerichtet haben.<br />

Die Legendenbildung um Regulus setzte früh ein. Besonders Cicero<br />

und Livius scheinen zu dem Regulusbild beigetragen zu haben, das uns<br />

in den nachfolgend untersuchten Texten aus der Spätantike und auch<br />

schon in der Sammlung des Valerius Maximus entgegentritt. Es sind gerade<br />

diese legendenhaften Hinzufügungen, die einen Anreiz boten, die<br />

Gestalt des Regulus als Exemplum anzuführen. Von der Art des Umgangs<br />

mit seinem Exemplum her unterscheidet sich Regulus deshalb<br />

nicht von den vor ihm wirkenden L. Brutus und Camillus. Das vergleichsweise<br />

höhere Maß an Historizität, das den Überlieferungen über<br />

Regulus zugrundeliegt, hat offensichtlich nicht zu einem kritischeren<br />

Umgang mit seinem Exemplum geführt. Entscheidend ist das nicht. In<br />

der gesamten Antike waren die verschiedenen, über Regulus umlaufenden<br />

Berichte geglaubte Geschichte, die Menschen über Jahrhunderte<br />

hinweg bewegt hat. Ein Objekt von Quellenforschung war seine Biographie<br />

nicht. 2<br />

ARMUT, <strong>DIE</strong> NICHT SCHÄNDET<br />

Am Anfang unserer Betrachtung steht eine Episode aus dem Leben des<br />

Regulus, die mit seiner Abwesenheit während des ersten Punischen<br />

Krieges zusammenhängt. Ammian erwähnt in seinem ersten Romexkurs<br />

die inops uxor des Regulus, die samt ihren Kindern von Freunden unterstützt<br />

werden mußte (Amm. 14,6,11), als eines von mehreren Beispielen<br />

dafür, daß die Vorfahren, die schließlich erst die magnitudo Romana begründet<br />

haben, selbst „nicht mit Reichtum geglänzt haben“ (14,6,10). 3<br />

2 Mix (1970) 13 vermutet, “that a full, factual, and undistorted biography of<br />

Regulus was never written in antiquity, whatever the oral tradition might have<br />

been.” Trotz moderner Kritik – gemeint ist Klebs [Anm.1], RE 2,2, Sp.2092 –<br />

gelte: “What for Klebs was spectral was, for Cicero at least, vital and factual<br />

history.” (ebd. mit Cic. off. 3,99). Dies spiegeln auch die Breviarien des 4. Jh.s<br />

wider, in denen sich die im Text referierten Grundzüge der Regulusgeschichte<br />

sämtlich wiederfinden (dazu unten S.168).<br />

3 Übers. Seyfarth – non divitiis eluxisse. Damit steht Ammian ersichtlich in der<br />

Tradition Sallusts und anderer, die in der durch den Aufstieg Roms zur Weltmacht<br />

begründeten Modernisierung und den damit verbundenen ‚Modernisierungsverlusten‘<br />

zugleich eine fast tragisch zu nennende Gefahr für die Grund-


162 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Mit der Exemplareihe verarmter Helden der Frühzeit möchte der Historiker<br />

seine Kritik am Senatorenadel seiner Zeit untermauern. Dabei wird<br />

nicht, wie sonst so oft, die Vergangenheit von der Gegenwart übertroffen,<br />

vielmehr stellt sie einen Maßstab dar, der in der Gegenwart nicht<br />

mehr erreicht, ja sogar mißachtet wird. 4<br />

Darauf, daß Ammian das Regulus-Exemplum aus der Sammlung des<br />

Valerius Maximus bezogen hat und nicht aus einer anderen Quelle, deuten<br />

die im Kontext gegebenen Exempla. Sie finden sich in dieser Zusammenstellung<br />

auch im Kapitel De paupertate bei Valerius Maximus.<br />

Neben Regulus’ Gattin wird Valerius Publicola erwähnt, dessen Begräbnis<br />

nur durch Spenden finanziert werden konnte, ferner die Tochter eines<br />

nicht näher bezeichneten Scipio, deren Mitgift aus dem staatlichen<br />

aerarium bestritten werden mußte, als ihr verarmter Vater in der Ferne<br />

kämpfte. 5 Darüber hinaus schließen die Einzelheiten über die Scipiotochter<br />

eine andere Quelle als Valerius Maximus mit ziemlicher Sicherheit<br />

aus. 6<br />

Die Möglichkeit, im vorliegenden Fall die Herkunft der angeführten<br />

Exempla mit großer Wahrscheinlichkeit genau verfolgen zu können, gibt<br />

Anlaß zu der Frage, nach welchen Kriterien Ammian seine Auswahl<br />

vorgenommen hat. Für eine Erwähnung von Regulus und seiner Familie<br />

besteht kein zwingender Grund. Die anderen Exempla, die Valerius Maximus<br />

im Kapitel De paupertate (4,4) versammelt hatte, hätten sich<br />

ebensogut in Ammians Kritik an der Ignoranz der römischen Senatoren<br />

seiner Zeit eingefügt, schließlich finden sie in einem Zusammenhang<br />

Verwendung, für den sie auch Valerius Maximus vorgesehen hatte.<br />

Beide Autoren stellen den Bezug zu ihrer Gegenwart her und weisen<br />

mahnend darauf hin, daß die Größe des Imperiums nicht zuletzt<br />

lagen ebendieser Machtstellung erkennen, vgl. Sall. Catil. 2,4f (Zitat oben in Kap.<br />

3.1).<br />

4<br />

Zur Zeitkritik Ammians in seinen beiden Romexkursen 14,6 und 28,4 vgl. Hartke<br />

(1951) 62–65 u. Demandt (1965) 15–19.<br />

5<br />

Im einzelnen Val.Max. 4,4,1 (Kap. De paupertate): Valerius Publicola; 4,4,6:<br />

Frau und Kinder des M. Atilius Regulus (vgl. Sen. dial. 12,12,5). Nach Val.Max.<br />

4,4,10 soll Cn. Scipio den Senat von Spanien aus schriftlich um Unterstützung<br />

seiner Tochter gebeten haben. Valerius meint den 211 v.Chr. bei Kämpfen gegen<br />

Hasdrubal gefallenen Cn. Cornelius Scipio Calvus (cos. 222).<br />

6<br />

Näher dazu Finke (1904) 19 u. unten 4.1.4.


Regulus 163<br />

erheblichen materiellen Opfern der Vorfahren zu verdanken sei. 7 Ein<br />

Blick in die Facta et dicta des Valerius zeigt, daß Ammian für seine<br />

Darstellung offensichtlich die Beispiele mit den prominenteren Namen<br />

ausgewählt hat. Besonders wichtig ist dem Offizier Ammian, daß sich<br />

die großen Heerführer der Frühzeit im Krieg keine Vergünstigungen im<br />

Vergleich zu ihren Mannschaften zugebilligt haben. 8<br />

Mit anderen Worten: Ammian sucht bevorzugt nach Exempla von<br />

Feldherren, Regulus ist dafür eines von mehreren geeigneten Beispielen.<br />

9 Entscheidend für die letztlich vorgenommene Auswahl dürfte sein,<br />

daß Ammian mit den Namen Scipio und Regulus zwei für den Gründungsmythos<br />

des römischen Weltreichs unverzichtbare Bestandteile angesprochen<br />

hat. Beide Namen lassen an die großen Auseinandersetzungen<br />

mit den Puniern und die Überwindung dieses Gegners denken. 10 Ihre<br />

Erwähnung sollte geeignet dazu sein, Ammians Zeitgenossen zu beschämen.<br />

Bei der angeblichen Bedürftigkeit des Regulus und seiner Familie<br />

handelt es sich um einen Randaspekt der Überlieferung, die aus dem<br />

Patrizier Regulus „ein kleines armes Bäuerlein“ gemacht hat. 11 Dies ist<br />

7 Val.Max. 4,4 passim. In der Zusammenfassung des Kapitels (§ 11) heißt es u.a.:<br />

Haec igitur exempla respicere, his adquiescere solaciis debemus, qui parvulos<br />

census nostros numquam querellis vacuos esse sinimus. [...] iuro nullas divitias<br />

talium virorum paupertati posse praeferri. Bei Ammian klagt niemand, vielmehr<br />

ergeht sich der Senatsadel seiner Zeit in Prahlereien. Es besteht ebenfalls Unwissenheit<br />

über die kargen Lebensverhältnisse der Vorfahren: ignorantes profecto<br />

maiores suos, per quos ita magnitudo Romana porrigitur, non divitiis eluxisse<br />

(14,6,10).<br />

8 Amm. 14,6,10: nec opibus nec victu nec indumentorum vilitate gregariis<br />

militibus discrepantes. Es handelt sich hier um ein für Ammian zentrales Kriterium<br />

zur Beurteilung von Feldherren. Die Bescheidenheit Iulians als Befehlshaber<br />

trägt wesentlich zu Ammians positivem Urteil über den Kaiser bei, vgl.<br />

Amm. 16,5,3; 21,9,2; 25,2,2f u. 24,4,26f.<br />

9 Bei Val.Max. 4,4 hätten sich v.a. die legendären pflügenden Consuln L.<br />

Quinctius Cincinnatus (§ 7) und Atilius Serranus (§ 5) als Alternativen angeboten.<br />

10 Das gilt unabhängig davon, ob Scipio mit Cn. Scipio Calvus oder mit Scipio<br />

Africanus d.Ä. zu identifizieren ist. Das Problem sei hier nur angedeutet, ausführlicher<br />

unten in Kap. 4.1.4.<br />

11 Hampl (1959) 512. Dies entsprach „dem neuen romantischen Idealbild“ (ebd.),<br />

das in der späten Republik und frühen Kaiserzeit auf einen angeblich bäuerlichen<br />

und noch nicht vom Sittenverfall angekränkelten frührömischen Adel


164 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

allerdings erst relativ spät, nach Cicero, stärker betont worden. 12 Wohl<br />

auch deshalb wird die Armut des Regulus in unserem Untersuchungszeitraum<br />

nur selten beachtet. Lediglich Augustinus spielt auf sie an. Ein<br />

knapper Hinweis auf die öffentliche Unterstützung für Regulus’ Angehörige<br />

ob paupertatem findet sich ferner in De viris illustribus. 13 Symmachus<br />

verbindet in seinen Briefen mehrfach den Namen Atilius mit<br />

Landleben und Ackerbau, meint damit aber wahrscheinlich Atilius<br />

Serranus. Völlig ausgeschlossen ist es freilich nicht, daß dabei auch an<br />

den verarmten Landmann Atilius Regulus gedacht war. 14<br />

EIN SIEG NOCH IN <strong>DER</strong> NIE<strong>DER</strong>LAGE<br />

Alle anderen Erwähnungen des Regulus bei den untersuchten Schriftstellern<br />

beziehen sich auf sein Ende in karthagischer Gefangenschaft. Im<br />

Panegyricus des Claudian auf das vierte Consulat des Honorius aus dem<br />

Jahr 397 ist das Beispiel des Regulus Teil einer längeren Kette von Exempla,<br />

in der fast nur positive Gestalten aus der römischen Republik berücksichtigt<br />

sind. 15 Auch Mißgeschicke können wahren Verdiensten<br />

nicht im Wege stehen, so die Quintessenz der bisher angeführten Beispiele<br />

der Decii, des Horatius Cocles und des Mucius Scaevola. Dem<br />

zurückprojiziert wurde. Hampl rückt derlei Wunschvorstellungen, von denen<br />

auch die Forschung der jüngeren Vergangenheit nicht immer ganz frei gewesen<br />

ist, in einem immer noch lesenswerten Aufsatz zurecht (ebd. bes. 499–513 m. 513<br />

Anm.1).<br />

12<br />

Vgl. Mix (1970) 40.<br />

13<br />

Aug. civ. 1,24 (CCL 47, Z.26): in tanta victoria mansit pauperrimus; Vir.ill.<br />

40,2.<br />

14<br />

Symm. epist. 1,58 bezieht sich eindeutig auf Atilius Serranus und referiert kurz,<br />

daß dieser mitten bei der Aussaat ins Consulat berufen wurde; epist. 5,68 und<br />

7,15 beschwören dagegen nur einen Zusammenhang Atilius-rusticari herauf. In<br />

erster Linie ist sicher an Serranus gedacht, sonst fiele vermutlich das Cognomen<br />

(was aber keine völlige Sicherheit böte: auch Serranus war ein Regulus) oder ein<br />

anderer, deutlicherer Hinweis auf M. Regulus würde erfolgen. Die Assoziation<br />

mit diesem anderen Kleinbauern blieb den Adressaten der Briefe aber unbenommen<br />

(Val.Max. 4,4,5f [Kap. De paupertate] stellt diese explizit her, indem er die<br />

Exempla der Bauern Atilius Serranus und Atilius Regulus nacheinander<br />

vorstellt).<br />

15<br />

Claud. IV Hon. 401–418. Zu den beiden Exemplareihen in Claud. IV Hon. s.<br />

oben in Kap. 4.1.1.


Regulus 165<br />

fügt Claudian respektive Theodosius, der hier zu seinem Sohn Honorius<br />

spricht, nun neben Cato Uticensis das Beispiel des Regulus hinzu:<br />

discitur hinc nullos meritis obsistere casus:<br />

prorogat aeternam feritas tibi Punica famam,<br />

Regule; successus superant adversa Catonis.<br />

(Claud. IV Hon. 409ff).<br />

Daß das Schwergewicht hier auf positiv bewerteten Beispielen liegt, die<br />

sämtlich Krisenhaftigkeit und sogar Scheitern offen thematisieren, ist vor<br />

dem Hintergrund der Gildokrise im Jahr 397 zu sehen. Gildo hatte Italien<br />

von den Getreidelieferungen aus Afrika abgeschnitten und sorgte so für<br />

eine existentielle Bedrohung des Westreichs. Die genannten Exempla<br />

sind dazu angetan, die Moral des Publikums in einer noch völlig ungewissen<br />

Situation aufrechtzuerhalten – erst im Frühjahr 398 sollte es gelingen,<br />

die Revolte Gildos niederzuschlagen 16 : Erfolgreich überwundene<br />

Krisen der Vergangenheit mögen schon jetzt darauf hinweisen, daß auch<br />

ein Gildo überwunden werden kann. Noch aber steht als Drohung im<br />

Raum, daß Stilicho und Honorius vorläufig an Gildo in Afrika scheitern<br />

könnten, so wie Regulus einst an den Puniern gescheitert war, ein Feind<br />

indes, der später dauerhaft unterworfen werden konnte.<br />

Mit dem Exemplum des vor Karthago gescheiterten Regulus korrespondiert<br />

das Exemplum des Camillus, der Rom vom metus Gallicus und<br />

damit von der anderen großen existentiellen Gefährdung der Stadt befreit<br />

hatte. Im Vergleich zu Regulus stellt Camillus hier nur eine entferntere<br />

Parallele dar, die allerdings insofern besondere Geltung zu beanspruchen<br />

vermag, als sie den Zusammenhang von metus Gallicus und metus<br />

Punicus einmal mehr verdeutlicht. 17 Ein Gegenwartsbezug im engeren<br />

Sinne ergibt sich an der Wende zum Jahr 398 freilich nur über das Exemplum<br />

des Regulus.<br />

Die Frage, ob Claudian für diese Exemplakette auf ein Handbuch zurückgegriffen<br />

oder eigenständig mit Originalstellen bei Vergil, Livius<br />

und anderen gearbeitet hat, ist in der Forschung umstritten. 18 Die<br />

16 Vgl. Portmann (1988) 68. Ausführlich zu Gildo und den Hintergründen der Krise<br />

Al. Cameron (1970) 93–123, ferner Döpp, Zeitgeschichte (1980) 109–115, 121f.<br />

17 Vgl. dazu bes. zu den oben in Kap. 4.1.2 behandelten Claudianstellen.<br />

18 Al. Cameron (1970) 339 lehnt eine weitere Diskussion der Frage apodiktisch ab:<br />

“The handbook origin of these exempla is too obvious to need further comment.”


166 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Zusammenstellung der Kette sollte Claudian zumindest nicht von Valerius<br />

Maximus nahegelegt worden sein, dafür sind die Erwähnungen der<br />

einzelnen Helden zu verstreut. Ulrich Eigler hat die fraglichen Verse 396<br />

bis 418 unlängst als Ansatzpunkt seiner breit angelegten Studie über das<br />

Verhältnis von Literatur und Geschichte in der Spätantike gewählt. Er<br />

macht plausibel, daß sich Claudians Auswahl der Exempla an Vergil angelehnt<br />

haben muß. Von dreizehn Namen bei Claudian kommen zehn<br />

auch in der Aeneis vor. 19<br />

Zwei der drei Exempla, die bei Vergil fehlen, Mucius Scaevola und<br />

Regulus, 20 sind jedoch gemeinsam mit Cato Uticensis und Fabricius bei<br />

Seneca mehrfach Bestandteil von Exemplareihen, in denen es um Tapferkeit<br />

und Ausdauer geht. In De providentia bringt Seneca die Auffassung,<br />

Mucius, Fabricius, Regulus, Cato und andere seien nicht wirklich<br />

besiegt worden, in ähnlich prononcierter Form auf den Begriff wie Claudian:<br />

Magnum exemplum nisi mala fortuna non invenit (Sen. dial. 1,3,4).<br />

Gleiches gilt für einen Brief an Lucilius, wo Seneca mit denselben Namen<br />

operiert und zu einer nahezu identischen Aussage gelangt:<br />

Dic tibi ‘ex istis quae terribilia videntur nihil est invictum’. Singula vicere<br />

iam multi, ignem Mucius, crucem Regulus, venenum Socrates, exilium<br />

Rutilius, mortem ferro adactam Cato [...]. Fabricius divitias imperator<br />

reiecit, censor notavit; [...].<br />

(Sen. epist. 98,12f). 21<br />

Ähnlich Lehner (1984) 77, der stilistisch argumentiert. Portmann (1988) 67 bezweifelt<br />

die Verwendung eines Handbuchs. Steinbeiß (1936) 2f nimmt grundsätzlich<br />

für alle Texte Claudians eine unmittelbare Benutzung klassischer Autoren<br />

an.<br />

19 Eigler, lectiones 7f (A. Einleitung). Die Namen verteilen sich auf Heldenschau<br />

(Verg. Aen. 6,808–846): 7, und Schildbeschreibung (8,626–731): 3. Die von<br />

Claud. IV Hon. 406; 411 u. 413 berücksichtigten Mucius Scaevola, Regulus und<br />

Curius Dentatus fehlen hingegen. Vergil und besonders diese zentralen Passagen<br />

der Aeneis sind von allen Absolventen der spätantiken Schule verinnerlicht worden.<br />

Anders als bei Valerius Maximus ist deshalb nachzuvollziehen, daß Claudian<br />

eine Exemplareihe aus verschiedenen Büchern Vergils zusammengestellt<br />

haben soll.<br />

20 Auf die Nähe zu Vergil, aber auch darauf, „daß Claudian den Vergil keineswegs<br />

nur ausgeschrieben hat“, wie die Erwähnung von Scaevola und Regulus zeigt, hat<br />

schon Steinbeiß (1936) 8 Anm.16 hingewiesen.<br />

21 Nur geringfügig variierende Zusammenstellungen dieser Namen: Sen. epist.<br />

24,4–11 u. 67,7–13. S. auch Quint. inst. 12,3,30: an fortitudinem, iustitiam,


Regulus 167<br />

Daß der kaiserzeitliche Philosoph und Claudian die gleichen Exempla<br />

wählen, die Vergil nicht hat, deutet darauf hin, daß sich Claudian von<br />

Vergil u n d von Seneca oder aber einer anderen vermittelnden Quelle<br />

beeinflussen ließ, die ihrerseits die Exempla anders als Vergil zusammengestellt<br />

hätte. Ob Claudian die Schriften Senecas selbst konsultiert<br />

hat, muß allerdings offen bleiben, denn dieser war bei den Heiden in<br />

Claudians Zeit nicht sonderlich beliebt. 22 Andererseits läßt sich außer<br />

Seneca keine andere Quelle mit ähnlich dezidierter Aussage und gleicher<br />

Auswahl der Exempla, wie sie bei Claudian zu finden sind, identifizieren.<br />

23 Zwar stimmt ihre These mit den Intentionen Vergils in der Heldenschau<br />

und der Aeneis insgesamt 24 grundsätzlich überein, doch formulieren<br />

Claudian und Seneca an den genannten Stellen merklich prägnanter<br />

als Vergil.<br />

Hier wird erkennbar, daß die Aussage, die sich an Exempla knüpft,<br />

mindestens ebenso wichtig für einen Dichter wie Claudian ist wie der<br />

rein literarisch motivierte Bezug auf den vates und die von ihm vorgegebene<br />

Komposition der Exempla. Seneca gehört zudem nicht den Bildungsautoren<br />

an, die Eigler für maßgeblich bei der Auffindung historischer<br />

Stoffe in der lateinischen Literatur der Spätantike hält. 25 In jedem<br />

Fall aber tritt Theodosius nicht auf, um Honorius zu Stilübungen in<br />

lateinischer Grammatik zu ermahnen, sein Sohn soll vor allem aus der<br />

fidem, continentiam, frugalitatem, contemptum doloris ac mortis melius alii<br />

docebunt quam Fabricii, C u r i i , R e g u l i , Decii, M u c i i aliique<br />

innumerabiles? (Herv. Fy; gesperrt die drei Exempla, die bei Claudian [IV Hon.<br />

404–418], nicht aber bei Vergil berücksichtigt sind, vgl. oben).<br />

Etwa zwei Jahrzehnte nach Claudian begegnet in Aug. civ. 2,29 (CCL 47, Z.1f)<br />

eine ähnliche Auswahl von Namen, wobei diese nur allgemein die indoles<br />

Romana laudabilis repräsentieren sollen (s. unten mit Zitat Anm.59).<br />

22<br />

Vgl. Al. Cameron (1970) 333.<br />

23<br />

Cicero bietet zwar Ketten mit ähnlicher Zusammensetzung der Exempla wie<br />

Claudian oder auch Vergil, Regulus fehlt dabei aber regelmäßig. Gleiches gilt für<br />

Lucan, der z.T. von Cicero und Vergil abweichende Exemplareihen hat. Diskussion<br />

der in Frage kommenden Stellen bei Steinbeiß (1936) 8f Anm.15f; Seneca<br />

wird ebd. nicht in Erwägung gezogen.<br />

24<br />

Vergil will beschreiben, welcher Anstrengung (tantae molis) es bedurfte, Rom zu<br />

begründen (Aen. 1,33).<br />

25<br />

Vergil, Cicero, Sallust und Terenz, die Quadriga des Arusianus Messius, s.<br />

Eigler, lectiones 94 (B II. 1.3. bybliotheca Romana: Römische und Lateinische<br />

Literatur). Ob von diesen vier einer das (nicht erhaltene) Werk verfaßt hat, von<br />

dem Claudian statt von Seneca möglicherweise abhängt, ist nicht zu klären.


168 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Vergangenheit und für seine Regierungstätigkeit lernen. Entsprechend<br />

‚didaktisch‘ sind die Exempla in der Rede auf das vierte Consulat aufbereitet.<br />

26<br />

<strong>DER</strong> SINN VON REGULUS’ LEIDEN<br />

In dem von Claudian im Sommer 398 abgefaßten Epos über den Krieg<br />

gegen Gildo wird die Rückkehr des Regulus in karthagische Gefangenschaft<br />

als Teil einer Exemplakette über die Kriege Roms in Afrika angeschnitten.<br />

Eine alte resignierende Roma erscheint und vertritt die Auffassung,<br />

alles Leid, das Rom für diese Eroberungen auf sich genommen<br />

habe, sei vergebens, wenn die Stadt jetzt durch Gildo erfolgreich von den<br />

lebenswichtigen Getreidelieferungen abgeschnitten sei. 27 Durch die<br />

Rückeroberung Afrikas konnte diese Gefahr noch einmal abgewendet<br />

werden. Nur Stilichos Sieg hat den Nachruhm von Roms früheren Helden<br />

bewahren können, so stellt Claudian es in dem 400 verfaßten Panegyricus<br />

auf Stilichos Consulat dar. Hätte Stilicho die früheren römischen<br />

Triumphe nicht jüngst „wiederhergestellt“ – niemand wüßte mehr<br />

davon. Die Überbietungsfigur wird unter anderem auf das Exemplum<br />

des Regulus angewendet. 28<br />

Auch Ammian berührt die Frage nach dem Sinn von Regulus’ Leiden,<br />

wenn auch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt. Das Ende des Regulus<br />

in Karthago dient ihm als einer von zahlreichen, auch nichtrömischen,<br />

Belegen für die Launen der Fortuna, 29 die in Beziehung zur Ermordung<br />

des Gallus durch seinen Bruder Constantius II. im Jahr 354<br />

gesetzt werden.<br />

Die spätantike Breviarienliteratur beachtet Regulus genauso wie diejenigen<br />

Feldherren und Politiker der römischen Republik, die zum Perso-<br />

26<br />

Dieser Aspekt ist bei Eigler, lectiones passim zu sehr in den Hintergrund gedrängt;<br />

kritisch dazu bereits oben in Kap. 4.1.1 Anm.43.<br />

27<br />

Romas Klage: Claud. bellGild. 62–76; Regulus (78f) macht den Anfang der Exemplakette<br />

76–101.<br />

28<br />

Claud. Stil. 1,380 (zitiert unten in Kap. 4.1.4).<br />

29<br />

Amm. 14,11,29–34; Regulus: § 32; zur Ermordung des Gallus ausführlich § 1–<br />

23.


Regulus 169<br />

nenbestand bei Vergil gehören. Eutrop und De viris illustribus bieten<br />

über das, was zum Verständnis der oben behandelten Exempla nötig gewesen<br />

wäre, hinaus weitere Einzelheiten zu Regulus’ Laufbahn und zu<br />

den Umständen seines Todes in punischer Gefangenschaft. 30<br />

Die christliche Literatur:<br />

Orosius läßt es sich nicht nehmen, das Unglück des Regulus, seine grausame<br />

Hinrichtung und das Blutvergießen bei den vorangegangenen<br />

Kämpfen zwischen Römern und Puniern ebenfalls in seinen Historiae<br />

adversum paganos zu schildern. An Regulus selbst wird aber keine Kritik<br />

geübt, sieht man von der nicht weiter kommentierten Feststellung ab,<br />

daß er den Karthagern intolerabiles et duras condiciones pacis stellte<br />

(Oros. hist. 4,9,1).<br />

Möglicherweise hat Orosius es aus Respekt vor Augustin bewußt vermieden,<br />

das günstige Bild, das sein Lehrer in De civitate Dei von Regulus<br />

entworfen hatte, in Zweifel zu ziehen. 31 In der Bewertung der erwähnten<br />

Friedensbedingungen hält Orosius sich noch stärker zurück als<br />

Augustinus. 32 Seine mutmaßliche Vorlage Eutrop spitzt er hier nur leicht<br />

zu. 33 Dennoch war Orosius darüber hinaus vielleicht bekannt (zumindest<br />

vom Hörensagen), daß Regulus von der griechischen Geschichtsschrei-<br />

30 Eutr. 2,17 (erstes Consulat); 2,21; 2,24,2; 2,25; Vir.ill. 40 (§ 1: Sieg über die<br />

Sallentiner; setzt als erster Römer mit Flotte nach Afrika über; § 4: Beschreibung<br />

der Hinrichtung).<br />

31 Orosius waren, hist. 1 prol. 11 nach zu schließen, die ersten Bücher von Augustins<br />

„Gottesstaat“ bekannt, quorum iam decem orientes radii mox ut de specula<br />

ecclesiasticae claritatis elati sunt toto orbe fulserunt; soeben schließe Augustin<br />

Buch 11 ab. Für Orosius’ Kenntnis der zehn Bücher, die Augustin bis 417/18 fertiggestellt<br />

hatte, spricht auch, daß der Bischof von Hippo neue Teile von De<br />

civitate Dei gewöhnlich immer sofort veröffentlicht hat, s. Mommsen (1959) 329.<br />

32 Vgl. Aug. civ. 3,18 (CCL 47, Z.23–33, bes. Z.27ff; zitiert unten Anm.60). Insgesamt<br />

urteilt Orosius (hist. 4,8,10–9,5; 4,10,1) recht nüchtern über Atilius, eine für<br />

ihn bemerkenswerte Ausnahme. Die Faszination, die Regulus auf Augustin<br />

auszuüben vermochte (dazu unten), teilt er nicht.<br />

33 Vgl. Eutr. 2,21,4: quam [sc. pacem] cum Regulus nollet nisi durissimis<br />

condicionibus dare, Afri auxilium a Lacedaemoniis petiverunt. Stattdessen sieht<br />

„Orosius hier gewissermaßen mit karthagischen Augen“, so Lippold (1954) 267;<br />

ebd. passim gründliche Analyse der Parallelüberlieferung zu Orosius.


170 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

bung, ganz im Gegensatz zur römischen Annalistik, gerade dieses Punktes<br />

wegen ungünstig beurteilt wurde. 34<br />

Daß Hieronymus Regulus als Exemplum eines vorbildlichen römischen<br />

Feldherrn uneingeschränkt akzeptiert, wurde bereits im vorangegangenen<br />

Kapitel erörtert. 35 Ambrosius, darauf wurde ebenfalls schon<br />

eingegangen, steht den Exempla aus der Geschichte Roms skeptisch gegenüber,<br />

zumal wenn aus ihnen Kronzeugen der heidnischen Kulte gemacht<br />

werden. 36<br />

<strong>DIE</strong> REGULUSBIL<strong>DER</strong> AUGUSTINS<br />

In dem rein theologischen Kontext des Pelagianismusstreits hat auch<br />

Augustinus eine nicht zu überbrückende Distanz zu den Helden der Exempla<br />

geltend gemacht. Ohne Taufe und ohne wahren Glauben hat selbst<br />

Römern mit gutem Leumund wie Regulus immer noch die wahre virtus<br />

gefehlt. Sie haben keine Aussicht auf das Himmelreich, so die schroffe<br />

Haltung, die Augustinus in Contra Iulianum vertritt. 37 Zuvor hatte Augustin<br />

es bereits abgelehnt, mit dem Bischof von Aeclanum über Fabricius,<br />

Fabius, Scipio und Regulus zu diskutieren, 38 tanquam in antiqua<br />

Romana curia loqueremur (c.Iul. 4,17 [PL 44, 745]). Allerdings ist es<br />

34 V.a. Diodor (23,15,1–3) tadelt die Überheblichkeit, ���� ����������� ���� ����<br />

�������������, des Atilius (§ 1), mit der dieser eine Armee verspielt und Rom in<br />

Schwierigkeiten gestürzt habe, schließlich habe er den Kampfeswillen der Karthager<br />

erst durch überzogene Friedensbedingungen angestachelt; s. auch Diod.<br />

23,12f; Polyb. 1,35,2ff; ferner Dio Cass. 11,22f. Näher zu den unterschiedlichen<br />

Überlieferungssträngen Lippold (1963) 35f u. 39. Die Benutzung griechischer<br />

Quellen durch Orosius wird in der Forschung z.T. in Erwägung gezogen, bleibt<br />

aber umstritten, vgl. Goetz (1980) 26. Deutliche Parallelen zu Cassius Dio sowie<br />

zu Polybios stellt Lippold (1954) 280f fest, tendiert jedoch eher zu einer gemeinsamen<br />

vermittelnden Quelle als zu unmittelbarer Benutzung durch Orosius (z.B.<br />

ebd. 259).<br />

35 Hier. epist. 58,5,2 (zitiert oben in Kap. 4.1.2).<br />

36 Ambr. epist. 73 (18),7 (CSEL 82.3, Z.54f): Quid de Atilio loquar qui militiam<br />

etiam mortis impendit? (unmittelbar im Anschluß an den oben in Kap. 4.1.2<br />

zitierten Satz über Camillus).<br />

37 Aug. c.Iul. 4,26 (PL 44, 751); näher dazu oben in Kap. 4.1.2.<br />

38 Augustin scheint sich dabei auf eine Exemplareihe in Iulians Libri IV ad<br />

Turbantium zu beziehen (= ebd. 2 frg.106 Bruckner [CCL 88, 364, Z.63ff]).


Regulus 171<br />

nicht der theologische Kontext allein, der Augustin zu solcher Zurückweisung<br />

veranlaßt, sondern auch die kontroverse Gesprächssituation.<br />

Am Umgang Augustins mit dem Regulus-Exemplum läßt sich besonders<br />

gut verfolgen, wie sehr der Kirchenvater die Bewertung heidnischer<br />

Exempla vom Kontext und vor allem vom Publikum der jeweiligen<br />

Schrift abhängig macht. Seinem Amtsbruder in Thagaste, dem Jugendfreund<br />

Alypius, vermag Augustin nämlich ohne solcherlei Bedenken<br />

auseinanderzusetzen, daß im Exemplum des Regulus eine grundsätzliche<br />

Warnung liege, Eide zu leisten.<br />

Aktueller Hintergrund für die Diskussion über das Wesen des Eides in<br />

Brief 125 sind die Tumulte während eines Aufenthalts von Alypius in<br />

Hippo Regius. Alypius hatte Augustin im Frühjahr 411 gemeinsam mit<br />

dem aus Italien geflohenen Pinianus und seiner Frau Melanie d.J. aufgesucht.<br />

Dabei hatte die in der Bischofskirche versammelte Gemeinde versucht,<br />

Pinianus zur Priesterweihe und damit zum Bleiben in Hippo zu<br />

nötigen. So hoffte sie, an Reichtum und Einfluß des in christlicher<br />

Askese lebenden Paares teilhaben zu können. Pinianus fühlte sich ernsthaft<br />

bedroht und wußte sich nicht anders zu helfen als mit einem Eid: Er<br />

werde sich, wenn nicht in Hippo, dann auch andernorts nicht zum Priester<br />

weihen lassen. Als das Volk sich damit allein nicht zufrieden gab,<br />

schwor Pinianus überdies, auch ungeachtet der abgelehnten Weihe künftig<br />

Wohnung in Hippo Regius nehmen zu wollen. Bis zum nächsten Tag<br />

waren jedoch er und Melanie überstürzt nach Thagaste abgereist. 39<br />

Wegen der Vorkommnisse in seiner Bischofskirche hat Augustin sich<br />

und seine Gemeinde in zwei Schreiben gerechtfertigt, die an Alypius und<br />

an Albina, Pinianus’ Schwiegermutter, gerichtet waren und mit denen<br />

Augustin auf Vorhaltungen der beiden reagiert. Alypius muß besänftigt<br />

werden, weil ihn die aufrührerische Menge in der Basilika beleidigt<br />

hatte. 40 Des weiteren widerspricht Augustin energisch der Auffassung,<br />

39 Detaillierter Bericht über die tumultuarischen Vorgänge in der Kirche: Aug. epist.<br />

126,1–6. Zur Pinianusaffäre insgesamt auch van der Meer (1958) 164–168 u.<br />

Morgenstern (1993) 13f, 74ff.<br />

40 Alypius war unterstellt worden, er wolle Pinianus und Melanie aus Habgier an<br />

Thagaste binden, zum Wohle seines eigenen Bistums – ein Vorwurf, den Albina<br />

ihrerseits brieflich gegen die Gemeinde von Hippo Regius erhoben hatte, vgl.<br />

Aug. epist. 125,1f.


172 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

der gewaltsam erpreßte Eid des Pinianus könne nicht bindend sein:<br />

Pinianus habe schließlich nichts Unrechtes beeiden müssen. Selbst wenn<br />

Gefahr für Leib und Leben bestanden hätte – einen Meineid würde auch<br />

das nicht rechtfertigen. 41 Selbst Regulus habe nach diesem Grundsatz<br />

gehandelt, obwohl er als Heide nur ficta nescio qua necessitate (Aug.<br />

epist. 125,3 [CSEL 44, 6, Z.1]) zur Rückkehr nach Karthago verpflichtet<br />

gewesen sei. Dafür erführen er und seinesgleichen auch noch heute von<br />

Christen Bewunderung, 42 aber:<br />

nescio quis ille Regulus nihil in scripturis sanctis de impietate falsae<br />

iurationis audierat, nihil de Zachariae falce didicerat et nimirum<br />

Carthaginensibus non per sacramenta Christi sed per daemonum<br />

inquinamenta iuraverat et tamen certissimos cruciatus et horrendi exempli<br />

mortem non, ut iuraret necessitate, pertimuit, sed libera voluntate, quia<br />

iuraverat, ne peieraret, excepit.<br />

(Aug. epist. 125,3 [CSEL 44, 5, Z.15–21]).<br />

Augustin konnte und mußte in diesem Fall sicher davon ausgehen, daß<br />

der langjährige Vertraute das Regulus-Exemplum goutieren würde.<br />

Nachdem das Verhältnis zwischen den Freunden ohnedies schon gespannt<br />

war – der Brief beginnt mit einer Entschuldigung –, mußte Augustin<br />

Alypius auch noch klarmachen, daß seine Meinung über die Gültigkeit<br />

von Pinianus’ Eid nicht akzeptabel sei. Wenn auch nur der Hauch<br />

einer Gefahr bestanden hätte, daß eventuell ihm selbst ein Jargon „wie in<br />

der Curie“ vorgehalten worden wäre – Augustinus hätte in einer Situation<br />

wie dieser, in der alle weiteren Irritationen zu vermeiden waren, gewiß<br />

auf das Exemplum eines heidnischen Römers verzichtet.<br />

Bemerkenswert ist immerhin, daß Augustin in demselben Argumentationszusammenhang,<br />

in dem er gegenüber Alypius das Regulus-<br />

41 Aug. epist. 125,3 (CSEL 44, 5, Z.1–15). Vgl. auch epist. 126,12ff (an Albina): Im<br />

Augenblick, solange Pinianus tatsächlich beabsichtige, demnächst zurückzukehren,<br />

habe er seinen Eid noch nicht gebrochen. Ohne ihm offen eine entsprechende<br />

Absicht zu unterstellen, scheint Augustinus die Gefahr gleichwohl sehr<br />

ernst zu nehmen, daß Pinianus’ Schwur sich als Meineid erweisen könnte.<br />

42 Aug. epist. 125,3 (CSEL 44, 6, Z.5ff): solemus haec quamvis in hominibus a<br />

Christi gratia et nomine alienis cum ingenti admiratione laudare. Damit endet<br />

der Exkurs zu Regulus. Die Nachricht, daß Regulus aus der Senatorenliste gestrichen<br />

worden sei, weil er die Erwartungen der Karthager (!) an den ihnen gegenüber<br />

geleisteten Eid nicht vollständig erfüllt habe (ebd. [CSEL 44, 5, Z.21 – 6,<br />

Z.4]), entbehrt, was die Begründung betrifft, vermutlich jeglicher Grundlage,<br />

dazu Mix (1970) 20 m. Anm.61.


Regulus 173<br />

Exemplum fallen läßt, bei Albina auf dieses oder ein anderes römisches<br />

Exemplum verzichtet. Vielleicht unterstellte Augustin, daß sie das Exemplum<br />

des Heiden Regulus nicht so einleuchtend finden würde wie<br />

Alypius. Bei ihr hätte es gegebenenfalls sogar zu den eben erwogenen<br />

Irritationen geführt, zumal ihr Brief ohnehin noch heftigere Beschuldigungen<br />

gegen Augustin enthalten zu haben scheint als der seines Amtsbruders<br />

in Thagaste. 43 Und im Unterschied zu Alypius war Albina auch<br />

keine langjährige Vertraute. 44<br />

Gegenüber Alypius hatte Augustin argumentiert, daß sogar Heiden<br />

wie Regulus eine Scheu davor empfunden hätten, von einem Eid abzuweichen.<br />

Pinianus aber hatte im Namen Gottes geschworen, eine Selbstverständlichkeit,<br />

der in Brief 125 nur ganz knapp am Rande Ausdruck<br />

verliehen wird. 45 Anders dagegen in Brief 126 an Melanies Mutter: Heiden<br />

kommen darin nicht vor. Die Beweisführung kreist näher um das<br />

eigentliche Problem, daß Christen keine Eide leisten sollen, diese aber,<br />

so sie einmal im Namen Gottes geleistet worden sind, erst recht eingehalten<br />

werden müssen. Augustin gibt ein Beispiel (kein Exemplum!),<br />

hinter dem die Geschichte des Regulus nurmehr erahnt werden kann:<br />

hostiles [...] confligunt et tamen, cum invicem iurant, laudamus fidem<br />

servantes, fallentes autem merito detestamur. (epist. 126,11 [CSEL 44,<br />

16, Z.22ff]). Daß diese hostiles Christen sein könnten, wird auffälligerweise<br />

gar nicht erst in Erwägung gezogen. Denn weiter heißt es, die<br />

nämlichen Feinde würden Eide nur aus Angst vor Gefangenschaft und<br />

Tod leisten und einhalten – sacrilegii, periurii crimine detinentur etiam<br />

tales homines (Aug. epist. 126,11 [CSEL 44, 16, Z.28f]). Aus Karthago<br />

43 In ihrem Fall wußte Augustin sich seinerseits nicht anders zu helfen als mit einem<br />

Schwur, um sich von den Vorwürfen, die sie gegen ihn erhoben hatte, zu entlasten<br />

(epist. 126,8f). Hierüber berichtet er sogar Alypius in epist. 125,2 (quid de<br />

nobis senserit, paene clamavit [CSEL 44, 3, Z.26]), um ihm zu zeigen, daß auch<br />

er unter den Folgen der Tumulte um Pinianus zu leiden habe und beleidigt worden<br />

sei.<br />

44 Bei ihr dürfte in besonderem Maß zutreffen, was von Albrecht (1994) 1338 allgemein<br />

zur Korrespondenz Augustins bemerkt. Aus den unterschiedlichen Stilarten<br />

in den Briefen spreche „eine Persönlichkeit, die ihr Innerstes abzuschirmen<br />

weiß und sich nur so weit öffnet, wie dies dem augenblicklichen Anlaß gemäß<br />

ist.“<br />

45 Aug. epist. 125,4 (CSEL 44, 6, Z.12f).


174 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

und Rom sind abstrakte Feinde geworden. Mit dem Exemplum des<br />

Regulus wird Albina verschont.<br />

Daß Augustin Albina ausdrücklich auf seine ausführlichere Erörterung<br />

zum Problem des Eides im Brief an Alypius hingewiesen hat, 46 spricht<br />

nicht gegen diese Feststellung. Es ist relativ wahrscheinlich, daß Albina<br />

das Schreiben mit dem darin enthaltenen heidnischen Exemplum hat einsehen<br />

dürfen: Gemeinsam mit Pinianus und Melanie hielt sie sich in der<br />

Nähe des Alypius auf, alle drei waren Betroffene der Affäre. Zudem<br />

wurden Briefe von berühmten Persönlichkeiten, besonders solche mit<br />

lehrhaften Inhalten, nicht erst seit der Spätantike gern auch Dritten zugänglich<br />

gemacht. 47 Sofern Albina Brief 125 zu lesen bekam, hat sich ihr<br />

erst recht die Möglichkeit eröffnet nachzuvollziehen, daß Augustin das<br />

Regulus-Exemplum, das in dem Brief an sie fehlte, ganz auf Alypius hin<br />

zugeschnitten hatte. Das individuelle Eingehen auf die Erwartungen des<br />

oder der Adressatin aber war nichts anderes als ein Gebot der Höflichkeit.<br />

Albina wird das zu schätzen gewußt haben.<br />

Auf Augustin selbst scheint das Regulus-Exemplum nachhaltigen Eindruck<br />

gemacht zu haben. Er konnte sich regelrecht daran ‚begeistern‘ 48<br />

wie in De civitate Dei deutlich wird, wo M. Atilius Regulus sogar ein<br />

eigenes Kapitel (1,15) gewidmet ist. Regulus stellt für den Kirchenvater<br />

in gewisser Weise ein Vorbild dar, auch wenn er vorrangig ein Vorbild<br />

der anderen, Augustins heidnischer Gegner, bleibt, mit denen er sich<br />

vornehmlich in den ersten fünf Büchern des „Gottesstaates“ auseinandersetzt.<br />

Dennoch nimmt das Exemplum des Regulus im Urteil des<br />

Augustin eine Sonderstellung gegenüber dem aller anderen Römer ein.<br />

Das wird durch die Anordnung in De civitate Dei noch unterstrichen:<br />

Regulus ist die erste Persönlichkeit der römischen Geschichte, die Erwähnung<br />

findet. Sie wird sogleich als nobilissimum exemplum eingeführt<br />

46 Aug. epist. 126,11 (CSEL 44, 16, Z.12ff).<br />

47 Oft, wie z.B. bei den sehr geschätzten Briefen des Symmachus, geschah das auch<br />

nur zum Beweis des Prestiges, das man als Empfänger genoß; Überblicke zur<br />

brieflichen Kommunikation in der Spätantike bei Dihle (1989) 575f u. Fuhrmann<br />

(1994) 191, 262–266.<br />

48 Pöschl (1954/83) 217, vgl. Carlson (1948) 103.


Regulus 175<br />

(Aug. civ. 1,15 [CCL 47, Z.2f]). 49 Später bezeichnet Augustin Regulus<br />

als den besten Inter omnes suos laudabiles et virtutis insignibus inlustres<br />

viros (civ. 1,24 [Z.24f]), die er den Römern durchaus nicht in Abrede<br />

stellt.<br />

Demonstriert Augustin in den meisten anderen Fällen lediglich, daß<br />

das jeweilige Exemplum gar nicht so vorbildlich ist wie gemeinhin dargestellt,<br />

so geht er mit der Geschichte des Römers und Heiden Regulus<br />

über dieses traditionelle apologetische Argumentationsmuster hinaus. Sie<br />

dient ihm ihrerseits sogar dazu, andere römische Exempla bzw. die Tugenden,<br />

für die sie stehen, zu entwerten. 50 Nachdem Augustin sich über<br />

mehrere Kapitel hinweg mit dem Problem des Selbstmords befaßt hat<br />

und an seiner Ablehnung durch die christliche Ethik keinen Zweifel gelassen<br />

hat, 51 äußert er apodiktisch, er ziehe ex litteris eorum Regulus<br />

dem Cato Uticensis vor (civ. 1,24 [CCL 47, Z.7]). Nicht nur, daß letzterer<br />

wie die ebenfalls ausführlich behandelte Lucretia Selbstmord begangen<br />

hat – Catos Selbstmord war kein Zeichen für animi magnitudo, 52<br />

49<br />

Die Technik, mit der Augustinus das Regulus-Exemplum in den Zusammenhang<br />

der civ. 1,15 vorangehenden Kapitel einbettet, hat Honstetter (1977) 126–132<br />

ausführlicher behandelt: Der Ereignisse von 410 eingedenk werden Leiden aufgezählt,<br />

die ein gläubiger Christ geduldig ertragen müsse (Verlust irdischen<br />

Reichtums: 1,10; Tod: 1,11; Gefangenschaft: 1,14f), auf die dann das Regulus-<br />

Exemplum im Sinne der argumentatio angewendet wird.<br />

50<br />

Vgl. Honstetter (1977) 185–191 über Augustins Verfahrensweisen bei der Umdeutung<br />

von Exempla, die nicht bloß beiläufig in seine Argumentation einfließen.<br />

Solchen Exempla, die bislang als „Träger“ von Werten fungiert hatten und die<br />

der christliche Bischof nicht länger hinnehmen will, kommt nun ein „Eigeninteresse“<br />

zu (ebd. 190). Das ist etwa bei Lucretia (Aug. civ. 1,19) und Cato Uticensis<br />

(1,23) der Fall. Daneben finden sich in Aug. civ. auch zahlreiche Exempla, die<br />

ganz im traditionellen Sinne gebraucht werden; ausführlicher zu Honstetters Unterscheidung<br />

von Stütz- und Kontrastexempla bei Augustin oben 3.4.<br />

Anders als das Regulus-Exemplum läßt sich das ebenfalls positiv bewertete Exemplum<br />

von Camillus (s. oben 4.1.2) nicht zur Gruppe der Kontrastexempla<br />

rechnen. Augustin wendet es ganz konventionell an, denn das Schicksal des Camillus<br />

war auch in der herkömmlichen, dem Kirchenvater vorliegenden Überlieferung<br />

schon als Beispiel für Undankbarkeit zu den Schattenseiten der römischen<br />

Geschichte gerechnet worden.<br />

51<br />

Aug. civ. 1,17–27; am deutlichsten in civ. 1,20 unter Verweis auf das fünfte<br />

Gebot.<br />

52<br />

Vgl. Aug. civ. 1,22 (der Begriff: CCL 47, Z.4). Zu Cato: civ. 1,23 (Z.22ff), vgl.<br />

auch 19,4 (CCL 48, Z.125ff).


176 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

sondern lag einzig in falschverstandener Scham oder sogar im Neid auf<br />

Caesars Ruhm begründet.<br />

Die Erklärung indes, die der Kirchenvater für die Überlegenheit des<br />

Regulus-Exemplums in Kapitel 1,24 zunächst gibt, mutet auf überraschende<br />

Weise „römisch“ an. Regulus sei erst nach rühmenswerten Erfolgen<br />

über einen fremden Gegner in Gefangenschaft geraten, Cato dagegen<br />

in einem bedauerlichen Bürgerkrieg gegen Römer unterlegen. 53<br />

Erst im folgenden kommt Augustin auf die Selbstmordproblematik zurück<br />

und preist Regulus, der seinen Eid gegenüber den Puniern nicht<br />

brechen wollte, als vitae huius contemptor (civ. 1,24 [CCL 47, Z.21]),<br />

der den Selbstmord als Verbrechen abgelehnt habe. Das ist „für einen<br />

Heiden ein sehr beachtliches Zugeständnis“. 54 Als einem von vielen<br />

Verteidigern des irdischen Vaterlandes kommt Regulus dadurch auch für<br />

Christen, die sich nach dem Himmelreich sehnen, eine Vorbildfunktion<br />

zu.<br />

Obwohl dieser sich nur um den „Weltstaat“ gesorgt hatte, gesteht Augustin<br />

der Eidestreue des Regulus in De civitate Dei eine durchaus religiöse,<br />

wenn auch falsche Motivation zu, anders als noch in den Briefen<br />

125,3 bzw. auch 126,11. 55 Dies versichert Regulus natürlich auch der<br />

Aufnahme in das Kapitel 5,18 (CCL 47, Z.84–96), das die partielle Vorbildfunktion<br />

aller in den vorangegangenen Büchern von Augustin halb-<br />

53 Aug. civ. 1,24 (CCL 47, Z.8–12): Cato enim numquam Caesarem vicerat, cui<br />

victus dedignatus est subici et, ne subiceretur, a se ipso elegit occidi: Regulus<br />

autem Poenos iam vicerat imperioque Romano Romanus imperator non ex<br />

civibus dolendam, sed ex hostibus laudandam victoriam reportaverat. Augustin<br />

läßt seine Abscheu über die Bürgerkriege in civ. 3,27–30 u.ö. erkennen, dazu<br />

Maier (1955) 111f. Daß die Zeit der Bürgerkriege (dazu ausführlicher in Kap.<br />

4.2.1 u. 4.2.2) noch in der Spätantike als das Trauma der römischen Geschichte<br />

schlechthin empfunden wurde, macht z.B. Pan.Lat. 12 (9),20,3–21,1 (auf Constantin)<br />

von 313 mit Gegenüberstellung der Versöhnungsbereitschaft Constantins<br />

und den von Cinna, Marius und Sulla verübten Greueln deutlich, dazu Portmann<br />

(1988) 38. S. auch ebd. 34 u. 41 zu Pan.Lat. 6 (7),19,3 bzw. 4 (10): Dort weichen<br />

die Redner einer naheliegenden Kontrastierung der aktuellen bürgerkriegsähnlichen<br />

Situation mit den Bürgerkriegen der späten Republik bewußt aus.<br />

54 Maier (1955) 88.<br />

55 Aug. civ. 1,15 (CCL 47, Z.1): religionis causa (s. auch Z.1–43); 1,24 (Z.28–30):<br />

terrenae patriae defensores deorumque licet falsorum, non tamen fallaces<br />

cultores, sed veracissimi etiam iuratores. Zu civ. 1,24 s. auch unten am Kapitelende.


Regulus 177<br />

wegs positiv bewerteten Exempla 56 für Christen zum Inhalt hat. In bezug<br />

auf Regulus variiert Augustin dort abermals den Gedanken von Kapitel<br />

1,24.<br />

Bei drei weiteren Erwähnungen des Regulus geht es Augustin, dem<br />

apologetischen Zweck des ersten Teils von De civitate Dei entsprechend,<br />

um den Nachweis, daß die heidnischen Götter nutzlos sind und ihre Verehrung<br />

sinnlos war. Die aktuellen Vorwürfe der Heiden gegen die<br />

Christen, die nach der Plünderung Roms aufgekommen waren und die<br />

auch manche Christen wieder an ihrem Glauben zweifeln ließen, 57 werden<br />

so als gegenstandslos abgewiesen. Schließlich haben die römischen<br />

Staatsgötter sogar einen ihnen treu ergebenen Menschen wie Regulus im<br />

Stich gelassen. 58 Am Ende des zweiten Buchs ergeht daher der Aufruf an<br />

die Nachkommen des Regulus und anderer berühmter Römer, sich von<br />

den Dämonen abzuwenden und zum christlichen Gott zu bekehren. 59<br />

56 In civ. 5,18 (CCL 47, Z.86–96) ist Regulus zwar nur einer unter vielen vorbildhaften<br />

Römern, doch ändert das nichts an der besonderen Geltung des Regulus-<br />

Exemplums für Augustin. Der Bischof von Hippo läßt aber allein Regulus die<br />

Ehre einer solchen gesonderten Hervorhebung als Muster an Redlichkeit<br />

wie in civ. 1,15 u. 24 zukommen. Auch Camillus (s. oben 4.1.2) kann ihm diesen<br />

Rang nicht streitig machen, denn der „zweite Gründer Roms“ stellt im wesentlichen<br />

nur ein Medium dar, an dem sich Undankbarkeit und Ungerechtigkeit seiner<br />

Mitbürger demonstrieren lassen.<br />

57 Auch war die heidnische Kultur bei den christlichen Aristokraten lebendig geblieben,<br />

was in der Situation nach 410 eine zusätzliche Belastung darstellte. Sie,<br />

die durch Flucht aus Italien z.T. in seinen näheren Gesichtskreis gerückt waren,<br />

bilden eine wichtige Zielgruppe von Aug. civ., s. dazu ausführlich Brown (1975)<br />

263–271, 274 u. 252f, vgl. auch Zwierlein (1978) 56ff.<br />

58 Aug. civ. 2,23 (CCL 47, Z.12–15); ebd. (Z.23–30) Vergleich mit Marius, der das<br />

Gegenteil von Regulus verkörpert: glücklich, aber charakterlich schlecht. In civ.<br />

3,20 (Z.47–54 m. 62f) wird eine Parallele zwischen Regulus und dem bündnistreuen<br />

Sagunt gezogen. Die mit Rom verbündete Stadt war 219 v.Chr. von<br />

Hannibal belagert und erobert worden, was letztlich den zweiten Punischen Krieg<br />

auslöste. Auch hier hätten „die Götter, diese Schwelger und Nichtsnutze, die nach<br />

Opferfett gieren“ (Übers. Thimme) – dii helluones atque nebulones,<br />

sacrificiorum adipibus inhiantes (Z.20f), nicht geholfen, trotz der von den<br />

Saguntinern bewiesenen Treue, die nicht zu den Karthagern übergelaufen waren.<br />

59 Aug. civ. 2,29 (CCL 47, Z.1f): Haec potius concupisce, o indoles Romana<br />

laudabilis, o progenies Regulorum Scaevolarum, Scipionum Fabriciorum. Diesselbe<br />

Zusammenstellung berühmter Römer aus der Zeit der Republik (jeweils<br />

ohne die Scipionen): Sen. epist. 98,12; Quint. inst. 12,3,30; Claud. IV Hon. 406–<br />

414. Im Sinne der oben S.166f geführten Auseinandersetzung mit den Thesen


178 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Einzig die in De civitate Dei 3,18 aufscheinende Kritik wirft einen<br />

leichten Schatten auf ein ansonsten makelloses Bild vom Römer Regulus.<br />

Nachdem alle Aspekte der Reguluslegende bereits angeschnitten<br />

worden sind, wird ihm hier Ruhmsucht vorgeworfen. Die von ihm gestellten<br />

Bedingungen für einen Friedensschluß seien für die Karthager<br />

unannehmbar gewesen. Indem er sie so zur Fortsetzung des ersten Punischen<br />

Krieges angestachelt habe, habe Regulus mittelbar selbst die Voraussetzungen<br />

für seine Gefangennahme geschaffen. 60<br />

Für die Schilderung von Regulus’ Schicksal hat Augustin zweifelsfrei<br />

das Breviarium des Eutrop benutzt, daneben kommt auch Livius als<br />

Quelle in Frage. 61 Im Mittelpunkt von Augustins Überlegungen steht das<br />

Festhalten des Regulus an seinem Eid. Daneben berichtet er aber auch<br />

über die Art von Regulus’ Tod und die vorherigen erfolgreichen Kämpfe<br />

von Ulrich Eigler ist bemerkenswert, daß Regulus und Mucius Scaevola, die<br />

nicht zum Personenbestand bei Vergil gehören, immer wieder gemeinsam als Teil<br />

von Exemplaketten anzutreffen sind.<br />

60 Die Kritik wird aber bereits durch den Gesamtzusammenhang der Stelle wieder<br />

abgeschwächt, sie sei deshalb vollständig wiedergegeben:<br />

Nihil sane miserabilius primo Punico bello accidit, quam quod ita Romani victi<br />

sunt, ut etiam Regulus ille caperetur, cuius in primo et in altero libro mentionem<br />

fecimus, vir plane magnus et victor antea domitorque Poenorum, qui<br />

etiam ipsum primum bellum Punicum confecisset, nisi aviditate nimia laudis et<br />

gloriae duriores condiciones, quam ferre possent, fessis Carthaginiensibus<br />

imperasset. Illius viri et captivitas inopinatissima et servitus indignissima, et<br />

iuratio fidelissima et mors crudelissima si deos illos non cogit<br />

e r u b e s c e r e , verum est quod aerii sunt et non habent sanguinem. (Herv. Fy;<br />

Aug. civ. 3,18 [CCL 47, Z.23–33]).<br />

Einen weiteren Ansatzpunkt der Distanzierung von Regulus glaubt Honstetter<br />

(1977) 130 in der Praeteritio erkennen zu können, mit der Augustin die Frage, ob<br />

Regulus neben virtus auch die virtus vera besessen habe, implizit verneint (civ.<br />

1,15 [Z.44–49]). Das kann aber noch nicht Kritik bedeuten, denn der Begriff der<br />

veritas ist in der Sprache Augustins letztlich mit Gott selbst verknüpft (civ. 19,4<br />

[CCL 48, Z.17ff]), s. dazu bereits oben 4.1.2 zu Aug. c.Iul. 4,26. Regulus hätte<br />

vera virtus nur durch vera pietas erreichen können. Diese aber mußte ihm in vorchristlicher<br />

Zeit verschlossen bleiben, vgl. hierzu Christes (1980) 173.<br />

61 Z.T. wörtliche Verwendung von Eutr. 2,25,3 in Aug. civ. 5,18 (CCL 47, Z.86–<br />

92), vgl. Hagendahl (1967) 174 (Nr.386). Zu den Vorlagen für die Darstellung<br />

des Regulus in civ. 1,15; 1,24 u. 5,18 s. Angus (1906) 75f, 82 u. 126 sowie<br />

Hagendahl (1967) 655, 658.


Regulus 179<br />

in Afrika. Ferner wird auf die Armut des Regulus angespielt. 62 Augustin<br />

bietet damit eine der ausführlichsten Darstellungen der Regulusgeschichte<br />

in der Spätantike. Innerhalb von De civitate Dei ist diese Ausführlichkeit<br />

keine Besonderheit. Auch anderen typischen Exemplahelden<br />

aus der Geschichte Roms wird dort große Aufmerksamkeit gewidmet,<br />

Augustin begnügt sich nicht mit dem bei anderen Autoren vielfach zu<br />

beobachtenden ‘name dropping’.<br />

REGULUS: EIN <strong>RÖMISCHE</strong>R „MÄRTYRER“?<br />

Die günstige Darstellung des Regulus in Augustins „Gottesstaat“ gibt<br />

noch einmal Anlaß zu der Frage, welchen Umständen dieser unterlegene<br />

Feldherr seine Beliebtheit verdankt hat. Wie eingangs festgestellt, können<br />

die wenigen historisch gesicherten, aber recht dürren Bestandteile<br />

seiner Biographie nicht dafür verantwortlich gemacht werden. Vielmehr<br />

waren es die Tragik seines ehrenhaften Scheiterns und eine dramatische<br />

Abfolge von Ereignissen – die Gefangennahme, das Plädoyer vor dem<br />

römischen Senat gegen alle Zugeständnisse an den Feind, die freiwillige<br />

Rückkehr in karthagische Gefangenschaft und schließlich die näheren<br />

Umstände seines Todes –, die Regulus als moralisierendes Exemplum in<br />

besonderer Weise geeignet erscheinen ließen, für Augustin und andere<br />

Autoren.<br />

Die Hinrichtung des Regulus läßt sich bündig als „Martyrium“ umschreiben.<br />

63 Das entspricht allgemeinem Sprachgebrauch. Dennoch haben<br />

wir den Ausdruck auf den vorangegangenen Seiten bewußt vermieden.<br />

Hätten wir es hier allein mit der Literatur von Heiden zu tun gehabt,<br />

wäre nichts dagegen einzuwenden gewesen. Die christlichen Schriftsteller<br />

jedoch, denen unser Augenmerk in der zweiten Hälfte des Kapitels<br />

gegolten hat, haben unter einem Martyrium etwas vollkommen anderes<br />

verstanden, ein Bekenntnis zum christlichen Glauben in allerletzter<br />

62 Hinrichtungsart: Aug. civ. 1,15 (CCL 47, Z.12–16); 2,23 (Z.12ff). Siege vor der<br />

Gefangennahme: 1,24 (Z.10ff); 3,18 (Z.26f). Armut: 1,24 (Z.26; zitiert oben<br />

Anm.13).<br />

63 Etwa Blättler (1945) 26, 31 u.ö.; Lippold (1963) 39 u. 36 Anm.156; Klebs<br />

[Anm.1], RE 2,2, Sp.2092: Die „breite Ausmalung des Martyriums“ würde „der<br />

Phantasie eines Folterknechtes alle Ehre machen“; Hampl (1959) 512: „Märtyrer<br />

der römischen Sache“.


180 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Konsequenz, d.h. sie sind vom Wortsinn des „Zeugnisablegens“ ausgegangen.<br />

Die Regulusgeschichte besitzt allerdings auch unter diesem Gesichtspunkt<br />

Züge, die sie in die Nähe eines „Martyriums“ rücken. Auch<br />

ein Christ konnte anerkennen, daß Regulus sein Leben für eine wie auch<br />

immer zu beurteilende Überzeugung hingegeben hatte.<br />

Augustins Gedanken kreisen mehrfach um die Grundsatztreue des<br />

Atilius. In De civitate Dei spricht er sogar explizit von religiösen Motiven,<br />

die Regulus dabei geleitet haben sollen, an seinem Eid festzuhalten.<br />

Die Frage, ob Regulus auch ein „Märtyrer“ war, haben aber weder der<br />

Bischof von Hippo noch die anderen hier untersuchten Autoren konkret<br />

aufgeworfen. Die Antwort kann gleichwohl erschlossen werden, aus den<br />

Zeugnissen frühchristlicher Schriftsteller und aus dem „Gottesstaat“<br />

selbst.<br />

Im Laufe des fünften Buches stellt Augustin irdische Ruhmsucht und<br />

das missionarische Wirken von Aposteln und Märtyrern einander gegenüber.<br />

Vordergründig verständnisvoll, räumt er ein, daß den heidnischen<br />

Römern kaum anderes übrigblieb, als nach weltlicher Glorie zu streben.<br />

So konnten sie wenigstens durch ihren Nachruhm zu einer Art Leben<br />

nach dem Tod gelangen. 64 Anders „die Märtyrer, welche durch ihre<br />

wahre Tapferkeit, weil durch wahre Frömmigkeit, sowie durch ihre unzählbare<br />

Menge, indem sie nicht etwa sich selbst Leid antaten, sondern<br />

zugefügte Leiden ertrugen, Leute wie Scävola, Curtius und Decius in<br />

den Schatten stellten“; ihnen ist das ewige Leben im himmlischen Königreich<br />

in Aussicht gestellt (Aug. civ. 5,14). 65 Der Name Regulus hätte<br />

sich lückenlos in die herbeizitierte Kette von Helden der Selbstaufopfe-<br />

64 Aug. civ. 5,14 (CCL 47, Z.50ff): quid aliud amarent quam gloriam, qua volebant<br />

etiam post mortem tamquam vivere in ore laudantium?<br />

65 Übers. Thimme – martyres, qui Scaevolas et Curtios et Decios non sibi inferendo<br />

poenas, sed inlatas ferendo et virtute vera, quoniam vera pietate, et innumerbili<br />

multitudine superarunt. (CCL 47, Z.43–46); s. auch ebd. (Z.46–52). Aug. civ.<br />

4,20 (Z.20–23) erwähnt die drei ebenfalls gemeinsam. Die Apposition verus markiert<br />

hier einmal mehr das entscheidende Kriterium, wonach ein Wert dem Christentum<br />

zuzuordnen ist. Aug. civ. 10,21 unterscheidet Märtyrer und Heroen vor<br />

allem mit Rücksicht auf den Sprachgebrauch in der Kirche. Denn an und für sich<br />

würden christliche Märtyrer das Ideal eines Heros besser erfüllen als die heidnischen<br />

Heroen selbst.


Regulus 181<br />

rung eingefügt. 66 Angesichts der prominenten Stellung, die Regulus in<br />

De civitate Dei einnimmt, ist nicht unbedingt verständlich, warum er hier<br />

fehlt. Vielleicht geht es Augustin nur um variatio, vielleicht wollte er<br />

aber auch Risse an dem fast idealen Bild vermeiden, das er zuvor von<br />

Regulus gezeichnet hatte. Der Leser versteht im übrigen auch so, daß<br />

Regulus kein Märtyrer sein kann, ebensowenig wie Scaevola, Curtius<br />

und Decius, nur wird es nicht direkt ausgesprochen. Daß er, ebenso wie<br />

die in Kapitel 5,14 Genannten, von weltlicher Ruhmsucht getrieben war,<br />

hatte Augustin bereits unmißverständlich zum Ausdruck gebracht. 67<br />

Mit seiner Anerkennung für Regulus steht Augustin auf christlicher<br />

Seite nicht allein. Immer wieder haben die frühen Kirchenväter gerade<br />

das Exemplum des Regulus für ihre Zwecke aufgegriffen. 68 Zwischen<br />

Regulus und den Christen, die das Martyrium erlitten hatten, haben sie,<br />

so scheint es, starke Affinitäten gesehen. Die Argumentation der frühchristlichen<br />

Apologetik geht meist dahin, daß weder die erniedrigende<br />

Art der Hinrichtung noch die Bereitschaft, diese freimütig auf sich zu<br />

nehmen, einen Rückschluß auf einen minderwertigen Charakter des Delinquenten<br />

erlauben. Dies wird als das eigentliche Tertium comparationis<br />

zwischen den Blutzeugen des Christentums und einem Heiden wie Regulus<br />

gesehen. 69 Nur innerhalb dieser engen Grenzen kann Regulus als<br />

“forerunner of Christian martyrs” 70 gedeutet werden.<br />

66 Regulus kommt in der Überlieferung in Kombination mit allen drei Genannten<br />

vor; Parallelstellen bei Adolf Lumpe, s.v. Exemplum, in: RLAC 6 (1966)<br />

Sp.1229–1257, hier: 1248ff, u. Carlson (1948) passim.<br />

67 Aug. civ. 3,18 (CCL 47, Z.28; zitiert oben Anm.60). Es ist die einzige Stelle, an<br />

der Regulus cupiditas gloriae angelastet wird. Im Unterschied zu anderen exemplarischen<br />

Gestalten der römischen Geschichte bleibt Regulus sonst in auffallendem<br />

Maß von diesem Vorwurf verschont.<br />

68 Carlson (1948) 102: “Of all the pagan examples cited by the apologists, Regulus<br />

evoked from them the greatest measure of unqualified admiration.” Ebd. 96–103<br />

umfassendes Belegmaterial; vgl. auch Honstetter (1977) 222 Anm.271f.<br />

69 Min.Fel. 37,3: Vos ipsi calamitosos viros fertis ad caelum; 37,5: Regulus (einmal<br />

mehr neben Mucius Scaevola). Vgl. Tert. nat. 1,18,3 u. 10; apol. 50,4ff (Regulus,<br />

Mucius u.a.); Arnob. nat. 1,40 (CSEL 4, 27, Z.7–15).<br />

70 Carlson (1948) 102. Gerade mit Blick auf Augustin verbietet es sich m.E., von<br />

Regulus als „pre-Christian martyr“ „in every sense“ zu sprechen (so aber Forman<br />

[1995] 210 Anm.13).


182 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Im Unterschied zu Augustin interessierten sich die Apologeten nur<br />

wenig für den in letzter Konsequenz eingehaltenen Eid. Dementsprechend<br />

billigten sie dem tapferen Verhalten von Regulus auch keine religiösen<br />

Beweggründe zu. Umgekehrt haben sie selbstverständlich auf den<br />

Glauben hingewiesen, der die christlichen Märtyrer auch bei schlimmsten<br />

Folterungen standhaft bleiben ließ. Die hypothetische Frage, ob Regulus<br />

als Märtyrer einzuschätzen sei, durfte deshalb schon vor Augustin<br />

als hinreichend, nämlich negativ, beantwortet gelten. Insofern bestand<br />

keine unmittelbare Notwendigkeit, den Leser von De civitate Dei noch<br />

einmal darauf hinzuweisen, daß Regulus kein Martyrium erduldet habe.<br />

Es bleibt also nur die Parallele der grausamen und entwürdigenden Art<br />

der Hinrichtung. Nach römischer Überlieferung ist Regulus auf einem<br />

speziellen Gerüst durch Schlafentzug getötet worden. Dieses Gestell<br />

wird erstmalig bei Seneca als crux bezeichnet, ein Detail, das Tertullians<br />

Interesse an Regulus in besonderer Weise geweckt zu haben scheint:<br />

Dieser, ein Römer, sei der erste gewesen, der am Kreuz gestorben sei. 71<br />

Mehr ist damit nicht gesagt, zumindest nicht an der Oberfläche des Textes!<br />

Mit Absicht hätte vermutlich kein kirchlicher Autor eine direkte<br />

Verbindungslinie von Regulus zu Christus gezogen. Das wäre als Ketzerei<br />

empfunden worden. Unterschwellig mag die Gemengelage von Todesart<br />

und religiös motivierter Eidestreue aber durchaus zu Assoziationen<br />

in diesem Sinne geführt haben. Dies würde ein Stück weit die Anziehungskraft<br />

erklären, die das Regulus-Exemplum seit dem<br />

2. Jahrhundert auf Christen ausgeübt hat.<br />

In diese Richtung weist jedenfalls der Schluß von De civitate Dei<br />

1,24, dem Kapitel, in dem Augustin Regulus als besten aller lobenswerten<br />

und berühmten Römer bezeichnet hat: Regulus verübt nicht Selbstmord,<br />

sondern begibt sich, wiewohl den sicheren Tod vor Augen, in die<br />

Hände seiner „ Feinde“ , der Punier. Christen sollen umso weniger<br />

das Verbrechen der Selbstentleibung an sich verüben, falls Gott sie prüft<br />

und ihrerseits in die Hände von „ Feinden“ geraten läßt. Damit ist<br />

Augustin bereits bei Christus selbst angelangt: „Er, der selbst von seiner<br />

erhabenen Höhe so d e m ü t i g um ihretwillen herabstieg, wird sie“, die<br />

71 Tert. nat. 1,18,3: Crucis vero novitatem [...] Regulus vester libenter dedicavit;<br />

1,18,10: crucem, configendi corporis machinam, nullus adhuc ex vobis Regulus<br />

pepigit; vgl. Sen. epist. 98,12 (Zitat oben S.166) mit Carlson (1948) 102f.


Regulus 183<br />

leidgeprüften Gläubigen, „in ihrer D e m ü t i g u n g nicht verlassen“<br />

(Aug. civ. 1,24). 72 Um Regulus als unmittelbaren Vorläufer Christi zu<br />

konstituieren, hätte nur noch hinzugefügt werden müssen, was der Text<br />

ohnedies impliziert: In die Gefangenschaft von Feinden zu geraten (oder<br />

gar darin getötet zu werden) ist eine Demütigung. Christus und Regulus<br />

haben eine solche real durchlitten. An den „einfachen“ gläubigen Christen<br />

wird dagegen nur appelliert – gesetzt den Fall, daß er mit einer<br />

ebensolchen Situation konfrontiert ist, so möge auch er seine Gefangenschaft<br />

in Demut ertragen. Auf der Ebene des Textes ist die hypothetische<br />

Prüfung des „einfachen“ Gläubigen die einzige Schranke, die den unmittelbaren<br />

Vergleich Regulus-Christus gerade noch unterbindet.<br />

Augustinus ist mit keinem anderen römischen Exemplum so weit gegangen<br />

wie hier mit Regulus. Bei anderen Römern beschränkt er sich auf<br />

das, was in Kapitel 1,24 beinahe zur Nebensache degradiert wird, auf die<br />

praktische Nutzanwendung, die auch der Christ aus den Exempla der<br />

Heiden ziehen kann. 73<br />

Die Vorsicht, in der Aneignung heidnischer Exempla durch christliche<br />

Autoren – an biblischen Exempla hätte grundsätzlich kein Mangel bestanden<br />

74 – „noch keine echte Bindung an diese römischen Helden“ sehen<br />

zu wollen, ist grundsätzlich berechtigt. Sie fordert aber da zum Widerspruch<br />

heraus, wo Gültigkeit für dieses Urteil auch hinsichtlich des<br />

Verhältnisses von Augustin zu Regulus beansprucht wird. 75 Dagegen<br />

sprechen die merkwürdige und in Augustins Werk einzigartige Argu-<br />

72 Herv. Fy; Übers. Thimme (im folgenden der gesamte relevante Passus) – hi [Verallgemeinerung,<br />

die aber unmißverständlich von Regulus ausgeht; Fy] ab<br />

h o s t i b u s victi se ipsos ferire noluerunt et, cum mortem minime formidarent,<br />

victores tamen dominos ferre quam eam sibi inferre maluerunt: quanto magis<br />

Christiani, verum Deum colentes et supernae patriae suspirantes, ab hoc facinore<br />

temperabunt, si eos divina dispositio vel probandos vel emendandos ad tempus<br />

h o s t i b u s subiugaverit, quos in illa h u m i litate non deserit, qui propter<br />

eos tam humiliter altissimus venit (Herv. Fy; CCL 47, Z.31–38).<br />

73 Am deutlichsten in Aug. civ. 5,18. Zur Sonderstellung des Regulus unter den dort<br />

Genannten vgl. oben Anm.56. Die Behauptung von Honstetter (1977) 132, daß<br />

„Anerkennung und Kritik“ für Regulus „ i m m e r n u r [...] in ihrer Funktion<br />

gegenüber einzelnen Beweiszielen“ (Herv. Fy) zu begreifen seien, trifft deshalb<br />

gerade auf Atilius nicht zu (s. auch unten im Text).<br />

74 Vgl. Carlson (1948) 94 u. Lumpe [Anm.66], RLAC 6, Sp.1245ff.<br />

75 So jedoch Maier (1955) 91.


184 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

mentation mit einem Regulus, der anders als Cato „im Felde unbesiegt“<br />

blieb, in De civitate Dei 1,24 sowie der Umstand, daß die Kritik in Kapitel<br />

3,18 vor dem Hintergrund einer ansonsten durchgängig positiven<br />

Beurteilung dieses Römers verblassen muß.<br />

Gegen die älteren Positionen von Franz Georg Maier und von<br />

Johannes Straub – im Gegensatz zu Maier wollte er im „Gottesstaat“ vor<br />

allem ein Werben Augustins um die conversio der Römer erkennen 76 –<br />

wird inzwischen eingewandt, daß die „Frage nach der Anerkennung, die<br />

Augustin dem römischen Staat angedeihen läßt oder versagt“, den Exempla<br />

in De civitate Dei „nicht adäquat“ sei. 77 Das bedeutet aber noch<br />

nicht, daß Augustin „das Regulus-Exemplum“ dort nur „aus rein rhetorischen<br />

und polemischen Gründen eingeführt“ hat, wie Robert Honstetter<br />

behauptet. 78 Die langen Passagen zu Regulus, die Sonderstellung gegenüber<br />

anderen Exempla im „Gottesstaat“ und vor allem die Affinität zum<br />

christlichen Märtyrer deuten m.E. auf eine echte persönliche Anteilnahme<br />

Augustins am Schicksal dieses Helden hin. Daß Regulus ein Römer<br />

war, ist für die Anerkennung seiner Leistung jedoch in der Tat unerheblich.<br />

Diesbezüglich ist die Kritik an Straub gerechtfertigt.<br />

In der Aneignung heidnischer Exempla durch christliche Autoren hat<br />

Mary Louise Carlson “commonplaces of a new dialectic“ gesehen, die<br />

geeignet waren, einem traditionell denkenden römischen Publikum die<br />

neuartigen Wertvorstellungen des Christentums zu vermitteln. 79 Das<br />

Regulus-Exemplum stützt ihren Befund in doppelter Hinsicht: Es ist<br />

nicht erst von der christlichen Literatur „entdeckt“ worden, auch wenn<br />

das Interesse dort ein wenig größer zu sein scheint als in den von Heiden<br />

verfaßten Texten – dies zumindest der Eindruck, den die hier untersuchten<br />

Texte aus dem 4. und 5. Jahrhundert vermitteln. Auch zuvor, in der<br />

späten Republik und in der frühen Kaiserzeit, ist stets Interesse an<br />

76 Straub (1954/72), bes. 291f.<br />

77 Honstetter (1977) 132 in Hinsicht auf Regulus. Thraede (1977) 143 kommt auf<br />

anderem Weg (mit Blick auf sämtliche 22 Bücher von Aug. civ.) zu dem gleichen<br />

Ergebnis: „Die Frage nach ‚Rom‘ führt nur auf Umwegen ins Zentrum des augustinischen<br />

Gedankengebäudes“. Thraede vermittelt zwischen den Auffassungen<br />

Straubs und Maiers, neigt insgesamt aber eher letzterem zu, s. ebd. 100f u. 134–<br />

142.<br />

78 Honstetter (1977) 132.<br />

79 Carlson (1948) 104.


Regulus 185<br />

Regulus bekundet worden. Es handelte sich um ein „etabliertes“ Exemplum.<br />

Daß Vergil es nirgends in seinem Werk aufgreift, hat die Verbreitung<br />

und Beliebtheit des Regulus-Exemplums nicht ernsthaft beeinträchtigt.<br />

80 „Dialektik“ legt Augustin z.B. in dem Abschnitt an den Tag,<br />

in dem er Regulus zu einem Exemplum gegen den Selbstmord umfunktioniert.<br />

Jegliche Diskussion über Regulus’ märtyrerhaftes Ende setzte<br />

ebenfalls eine dialektische Verfahrensweise voraus.<br />

Dem Exemplum des Regulus hatte in der herkömmlichen, nichtchristlichen<br />

Literatur keine „Theorie“ des Martyriums zugrundegelegen.<br />

Theorien sind dem römischen Exemplum grundfremd. Stattdessen hatte<br />

das Exemplum in Rom stets auf dem Einzelfall aufgebaut, es war kein<br />

Ideal, sondern günstigstenfalls dessen Manifestation. „Römische Heilige“<br />

im umfassenden, christlichen, Sinn hat es deshalb zu keiner Zeit<br />

gegeben. 81 Gleiches gilt für Märtyrer. Exemplarische Helden, die ihr Leben<br />

für die römische Sache und die damit verbundenen Wertvorstellungen<br />

hingaben, besaßen keinen religiösen Antrieb für ihr Handeln. Die<br />

„quasi-asketischen Elemente“, die sich auch an einer Gestalt wie Regulus<br />

entdecken lassen, waren „nicht religiös motiviert“. 82 Erst Augustin<br />

hat hinter Regulus’ Handeln ein solches Motiv vermutet. 83 Er ist darin<br />

deutlich über die frühchristliche Apologetik hinausgegangen, die sich bis<br />

dato stets nur für die Todesarten von exemplarischen Römern wie Atilius<br />

Regulus interessiert hatte.<br />

80 Das zeigen die zahlreichen Belege bei Cicero (hervorgehoben sei off. 3,99–115),<br />

Seneca und Valerius Maximus, in dessen Exemplasammlung Regulus an sechs<br />

verschiedenen Stellen aufgeführt ist; übersichtliche Auflistung dieser und anderer<br />

Stellen: Mix (1970) 56ff.<br />

81 Cancik (1977) 7. Es hat durchaus römische sancti gegeben, diese waren aber<br />

keine Heiligen im heute geläufigen Sinne. Cancik formuliert daher bewußt im<br />

Konjunktiv: „Der äquivalente römische Ausdruck für das, was die Christen<br />

‚sancti‘ nannten, wäre exemplum, exemplar“ (ebd. 7).<br />

82 Cancik (1977) 14, der dies am Fall des Cato Uticensis darlegt; dazu ebd. 11–15.<br />

83 Bereits Cic. off. 3,102 diskutiert eine religiöse Bindung an den Eid, kommt aber<br />

zu einem abschlägigen Ergebnis. Wenn Regulus seinen Eid nicht eingehalten<br />

hätte, hätte es ihm nicht schlechter ergehen können als in Karthago, selbst für den<br />

Fall, daß er damit allen Zorn Iuppiters auf sich gezogen hätte, vgl. auch off. 1,39f.<br />

Entscheidend für die Bindung an den Eid ist nicht Iuppiter, sondern das Fetialoder<br />

Kriegsrecht, s. off. 1,36.


4.1.4 Die Scipionen: Aufstieg zur Weltmacht<br />

Die Scipionen, ein Zweig der gens Cornelia, waren im ausgehenden<br />

3. und im 2. Jahrhundert v.Chr. eine der bedeutendsten Familien des republikanischen<br />

Rom. Innerhalb dieser Familie kommt den beiden Trägern<br />

des cognomen Africanus mit Sicherheit die größte Bedeutung zu.<br />

Publius Cornelius Scipio Africanus der Ältere behielt 202 v.Chr. in der<br />

Schlacht bei Zama die Oberhand über das punische Heer Hannibals, P.<br />

Cornelius Scipio Aemilianus Africanus Numantinus eroberte und zerstörte<br />

Karthago 146 und Numantia im Jahr 133. 1 In den meisten Fällen,<br />

in denen die Quellen pauschal von Scipionen sprechen, ist an einen der<br />

Africani oder beide zusammen gedacht.<br />

Die folgende Darstellung wird sich deshalb ganz auf diese beiden<br />

Feldherren konzentrieren. Ihnen verdankt der Name Scipio seinen besonderen<br />

Klang. Ohne sie, die beide erfolgreich gegen Karthago gekämpft<br />

und endgültig zur Überwindung der von dieser Stadt ausgehenden<br />

Gefahr beigetragen haben, wäre manch anderer Familienangehörige,<br />

so steht zu vermuten, mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Die Auseinandersetzung<br />

mit Karthago aber war eine der einschneidendsten Erfahrungen<br />

überhaupt, die Rom in seiner Geschichte gemacht hat, neben den<br />

verschiedenen Galliereinfällen und neben den späteren Bürgerkriegen.<br />

<strong>DIE</strong> SCIPIONEN: ÜBERWIN<strong>DER</strong> DES METUS PUNICUS<br />

In engem Anschluß an die beiden vorangegangenen Kapitel wenden wir<br />

uns daher zunächst solchen Exempla zu, in denen der zweite und dritte<br />

Punische Krieg sowie die endgültige Überwindung des metus Punicus<br />

nach der Vernichtung Karthagos durch Scipio Aemilianus thematisiert<br />

werden. Zwei Beispiele hierfür wurden bereits in Verbindung mit dem<br />

Camillus-Exemplum erörtert: In der Historia Augusta soll eine Erwähnung<br />

der Scipionen auch an den anderen großen Gegner Roms, an Karthago,<br />

denken lassen – neben den von Kaiser Claudius II. bzw. von<br />

1 Zu ihnen ausführlich: Walter Henze, s.v. P. Cornelius P.f.L.n. Scipio Africanus<br />

(maior) 336, in: RE 4,1 (1900) Sp.1462–1470; Friedrich Münzer, s.v. P.<br />

Cornelius Scipio Aemilianus Africanus 335, ebd. Sp.1439–1462.


Die Scipionen 187<br />

Camillus zurückgeschlagenen Goten / Galliern. 2 Der Bezug auf die<br />

Scipionen dient hier wie auch in Claudians erstem Panegyricus auf<br />

Olybrius und Probinus 3 dazu, das Bild von einem Rom zu vervollständigen,<br />

welches in seiner Geschichte existentielle Bedrohungslagen, metus<br />

Gallicus und metus Punicus, gemeistert hat.<br />

Claudians Gotenkriegsepos von 402 ist in weiten Teilen darauf angelegt,<br />

Stilicho auf eine Ebene mit dem legendären Galliersieger Camillus<br />

zu stellen und ihn nach dem Sieg bei Pollentia in den Rang eines neuen<br />

conditor urbis zu erheben. Demgegenüber müssen die Exempla anderer<br />

Feldherren von vornherein verblassen. Stilicho übertrifft sie alle, 4 auch<br />

Scipio Africanus d.Ä., der den anderen großen Gegner Roms, die Karthager<br />

und ihren Befehlshaber Hannibal, nach 18 Jahren aus Italien hinausgedrängt<br />

hatte. Gelungen sei das aber nur, weil Fabius (mit seiner<br />

sprichwörtlichen Hinhaltetaktik) und Marcellus die Vorarbeiten dafür<br />

geleistet hätten. Stilicho hingegen vereint die Fähigkeiten aller drei<br />

Heerführer in sich. Alarich sei in kürzester Frist geschlagen worden und<br />

nicht erst nach dem Heranwachsen einer neuen Generation. 5 Schon<br />

durch die differenzierte Anwendung der Überbietungsfigur – Scipio wird<br />

auf Anhieb von Stilicho übertroffen, Camillus bleibt ihm (bei flüchtiger<br />

Betrachtung) ebenbürtig – wird deutlich, daß der Schwerpunkt des Vergangenheitsbezugs<br />

in Claudians Gotenkriegsgedicht nicht auf dem metus<br />

Punicus, sondern auf dem metus Gallicus liegt.<br />

Der Hinweis auf die beiden Erzfeinde und die erfolgreiche Bewältigung<br />

der mit ihnen verbundenen Furchtkomplexe hat sich einen festen<br />

Platz in der lateinischen wie auch in der griechischen Rhetorik der<br />

2 H.A. Claud. 1,3; dazu oben 4.1.2 mit Zitat.<br />

3 Claud. OlProb. 149; vgl. oben 4.1.2 mit Zitat. Mit dem „wilden Punier“ dürfte<br />

zuvörderst Hannibal, der Gegner des älteren Africanus, gemeint sein. Vor dem<br />

Hintergrund des Jahres 394 kann, wenn überhaupt, nur das Exemplum des<br />

Camillus eine gewisse Plausibilität für sich beanspruchen. Man hatte es erst<br />

kürzlich mit dem Gegner von nördlich der Alpen zu tun gehabt, der beinahe<br />

untrennbar mit dem Namen Camillus verbunden war, den Galliern, genauer, dem<br />

Franken Arbogast.<br />

4 Claud. bellGet. 430; Zitat oben in Kap. 4.1.2, wo auch die Stilisierung Stilichos<br />

als neuer Camillus ausführlich nachgezeichnet wird.<br />

5 Claud. bellGet. 138–154 (Scipio d.Ä.: 141).


188 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Spätantike bewahrt, im 4. und 5. Jahrhundert, ja sogar noch in justinianischer<br />

Zeit. 6<br />

Um die Erinnerung an Gallier- und Puniergefahr zusammen aufleben<br />

zu lassen, lassen die spätantiken Schriftsteller und Redner es meist mit<br />

nur einem der beiden möglichen Bezugspunkte in der Gegenwart bewenden:<br />

Im allgemeinen ist es die Auseinandersetzung mit den germanischen<br />

Völkern im Norden, die sie zu den genannten Vergleichen anregt.<br />

Die Nachwirkung der Kriege mit den Galliern und den Puniern ist aber<br />

über die Zeiten hinweg offensichtlich so stark im kulturellen Gedächtnis<br />

der Römer haftengeblieben, daß die Erwähnung eines dieser Feinde beinahe<br />

automatisch nach ergänzender Nennung auch des anderen großen<br />

Rivalen (in den meisten Fällen also: der Punier) verlangte. 7<br />

Das zeigt sich umso deutlicher, je allgemeiner der Rückbezug auf die<br />

Vergangenheit gehalten ist. So macht der Autor der Historia Augusta in<br />

der Probus-Vita deutlich, daß der Soldatenkaiser, der an zahlreichen<br />

Fronten Krieg geführt hatte, dem Reich nach allen vier Himmelsrichtungen<br />

Sicherheit gebracht habe. 8 Leider sei die historia dieses Mannes,<br />

qualem non habent bella Punica, non terror Gallicus, non motus Pontici,<br />

non Hispaniensis astutia, nahezu in Vergessenheit geraten (H.A. Prob.<br />

1,4).<br />

Die Stelle ist ein besonders anschaulicher Beleg für die geographische<br />

bzw. ethnische Motivierung von Vergangenheitsbezügen: Die jeweiligen<br />

Länder- bzw. Völkernamen rufen augenblicklich die damit verbundenen<br />

Konflikte in Erinnerung. 9 Hinsichtlich der Punischen Kriege hat der<br />

6 Vgl. dazu mit Beispielen Günther (1992).<br />

7 Erkennbar z.B. bei Amm. 17,1,14. Ausgangspunkt für den Bezug auf metus<br />

Punicus und Gallicus ist der Feldzug, den Iulian in Gallien gegen die Alamannen<br />

geführt hat: Hoc memorabili bello comparando quidem Punicis et Teutonicis, sed<br />

dispendiis rei Romanae peracto levissimis.<br />

8 H.A. Prob. 1,3. Probus (276–282) kämpfte unter anderem an Rhein und Donau,<br />

im Orient und in Ägypten, s. Eutr. 9,17,1 u. Walter Henze, s.v. M. Aurelius<br />

Probus 194, in: RE 2,2 (1896) Sp.2516–2523. Was die H.A. darüber hinaus über<br />

ihn berichtet, dürfte wegen des in H.A. Prob. 1,3 selbst eingeräumten Quellenmangels<br />

weitgehend erfunden sein, s. Müller, Eutr. (1995) 277f.<br />

9 Auch eine zusammenhängende Darstellung wie ein Breviarium kann hieraus ihr<br />

Gliederungsschema beziehen. Festus widmet seine Kapitel jeweils einer Region,<br />

die mit Rom im Krieg gestanden hat. Über Scipio Aemilianus heißt es daher im<br />

Kapitel zu Afrika nur lakonisch: Ter Africa rebellavit; ad extremum, deleta per


Die Scipionen 189<br />

Autor wahrscheinlich an Publius Scipio Africanus gedacht (einen oder<br />

alle beide), der ein Kapitel später erwähnt wird. 10 Da über die gewöhnliche<br />

Nord-Süd-Topik hinausgegangen wird, müssen neben Galliern und<br />

Puniern zwei weitere Gegner Roms genannt werden. Orient und Okzident<br />

werden durch Pontus und Spanien repräsentiert. 11 In diesem Fall<br />

stehen die Bezüge auf metus Punicus und Gallicus gleichberechtigt nebeneinander<br />

und neben den Bezügen auf die Feinde in Ost und West.<br />

Probus, der weltumspannende Sicherheit hergestellt haben soll, kann<br />

keinem der genannten Gegner in besonderer Weise zugeordnet werden.<br />

Gleiches gilt für die laudes Romae im dritten Buch von Claudians<br />

Panegyricus auf Stilicho. Hier werden die weltumspannenden Eroberungen<br />

Roms zur gleichen Zeit und an allen Fronten betont, die zur Friedensherrschaft<br />

Roms über die ganze Welt geführt haben. 12 Für unseren<br />

Zusammenhang wichtig ist die enge Verbindung zwischen gallischer und<br />

punischer Gefahr, die auch hier in den Mittelpunkt gerückt wird. 13<br />

Wie stark der hier geschilderte Konnex von historischen Römern, ihren<br />

Gegnern und der Weltregion, aus der diese Gegner stammten, in der<br />

Spätantike verinnerlicht werden und in welchem Maße er sich verselbständigen<br />

konnte, zeigt die Biographie der drei Gordiane in der Historia<br />

Africanum Scipionem Carthagine, provincia facta est (Festus 4). Vgl. entsprechend<br />

den auf Africanus d.Ä. und andere Scipionen zu beziehenden Vermerk im<br />

Abschnitt über Spanien (Festus 5).<br />

10 H.A. Prob. 2,4.<br />

11 Mit dem „Aufruhr von Pontus“ wird vermutlich auf Mithridates, der in H.A.<br />

Prob. 2,3 genannt wird, angespielt. Die „spanische Verschlagenheit“ läßt sich auf<br />

die Feldzüge der ebd. 2,4 genannten Publius Scipio Africanus (in diesem Fall:<br />

maior) und Lucius Scipio (gemeint wäre Asiagenus, cos. 190 v.Chr. und Bruder<br />

des älteren Africanus) in Spanien beziehen (diese Identifikation schlagen Elke<br />

Merten, Alfons Rösger u. Nicole Ziegler in einer Erläuterung zu Ernst Hohls<br />

H.A.-Übersetzung [BAW], Bd.II [1985] 415f Anm.16, vor). Für den terror<br />

Gallicus (Prob. 1,4) läßt sich in der Vita kein passendes Exemplum finden.<br />

12 Claud. Stil. 3,138–149.<br />

13 Claud. Stil. 3,140–143: haec obvia fatis | innumeras uno generet cum tempore<br />

pugnas, | Hispanas caperet, Siculas obsideret urbes | et Gallum terris<br />

prosterneret, aequore Poenum. Um der Variation willen wird auf die unterschiedliche<br />

Art der römischen Siege hingewiesen: Gallien wurde zu Land, Karthago<br />

vom Meer aus erobert. Durch Hinweise auf die Schlachten bei Cannae und<br />

an der Trebia wird ebd. 145ff zeitlich ein Bezug zum zweiten Punischen Krieg<br />

sowie zu Hannibal und Scipio Africanus d.Ä. hergestellt.


190 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Augusta. Die Verbindungslinie zwischen Gordian I. und den Scipionen<br />

wird vom Autor der Vita allein über die Wirkungsstätte des Kaisers,<br />

Afrika, herstellt. Manche gingen in ihren Deutungen sogar noch weiter:<br />

addunt quidam Africani cognomentum Gordiano idcirco inditum, non quod in<br />

Africa imperare coepisset, sed quod de Scipionum familia originem traheret.<br />

(H.A. Gord. 9,4). 14<br />

Ansonsten sind ernst zu nehmende und sachlich einigermaßen nachvollziehbare<br />

Bezüge auf den metus Punicus allein ungleich seltener als solche<br />

auf den metus Gallicus. Eines der wenigen Beispiele bietet Ammianus<br />

Marcellinus. In einer Ansprache, die Iulian während des Perserfeldzuges<br />

363 an seine Soldaten gerichtet habe, zeigt sich der Kaiser bei<br />

Ammian innerlich schon darauf vorbereitet, sich in sein von der Gottheit<br />

vorherbestimmtes Schicksal zu fügen. Widrigenfalls, falls der jetzige<br />

Waffengang in einem Fiasko enden sollte, werde er sich ebenso für Rom<br />

aufopfern wie einst Curtius, Mucius Scaevola und die Decier. 15 In diesem<br />

Zusammenhang läßt Ammian den nur kurze Zeit später tatsächlich<br />

gescheiterten Iulian daran erinnern, daß es mehrerer Generationen bedurft<br />

hatte, ehe Rom seine gefährlichsten Gegner unschädlich machen<br />

konnte. Insbesondere bei Karthago, das der jüngere Scipio schließlich<br />

hatte niederringen können, sei dies der Fall gewesen. 16<br />

Das Tertium comparationis zwischen den Punischen Kriegen und dem<br />

gegenwärtigen Heereszug liegt in der befürchteten Dauer der Auseinandersetzung<br />

mit den Persern. Auch steht in beiden Fällen das Motiv im<br />

Vordergrund, einen Rivalen der römischen Herrschaft auf immer<br />

14 Ähnlich H.A. Gord. 17,2; vgl. auch 5,5. Die Stilisierung Gordians I. als Scipio<br />

zieht sich durch das erste Drittel der Gordianen-Vita, welches sich mit dem älteren<br />

Gordian, Kaiser im Jahr 238, befaßt: Er ist Legat seines Vaters (angeblich)<br />

exemplo Scipionum (9,6) und wird in Anwesenheit von Männern, die tatsächlich<br />

den Namen Scipio tragen, als „wahrer Scipio“ akklamiert (5,7: ‘novo Scipioni,<br />

vero Scipioni, Gordiano proconsuli.’).<br />

15 Amm. 23,5,19.<br />

16 Amm. 23,5,20: plures absumptae sunt maioribus nostris aetates, ut interirent<br />

radicitus, quae vexabant. devicta est perplexo et diuturno Marte Carthago, sed<br />

eam dux inclutus timuit superesse victoriae. evertit funditus Numantiam Scipio<br />

post multiplices casus obsidionis emensos. Auch im Falle Numantias betont<br />

Ammian die lange Dauer der Belagerung.


Die Scipionen 191<br />

auszuschalten. 17 Geographische oder ethnische Gemeinsamkeiten zwischen<br />

Iulians Persienzug und der von Scipio Aemilianus zu einem siegreichen<br />

Abschluß gebrachten Auseinandersetzung mit Karthago gibt es<br />

schlechterdings nicht. Umso stärker tritt der Charakter der Punischen<br />

Kriege als zentraler Bewährungsprobe in der römischen Geschichte hervor.<br />

Hierin sieht Ammian / Iulian die entscheidende Parallele zu dem gegenwärtigen<br />

Konflikt mit den Persern. Die Verbindung, die auf diese<br />

Weise zwischen den beiden Konflikten hergestellt wird, entspricht sehr<br />

viel stärker, als es sonst beim spätantiken Umgang mit Exempla der Fall<br />

ist, einem modernen Verständnis des historischen Vergleichens.<br />

Andererseits macht gerade dies das Punier-Scipio-Exemplum in gewisser<br />

Weise austauschbar. Warum, so läßt sich fragen, hat Ammian hier<br />

nicht mit einem Exemplum aus dem Umfeld des metus Gallicus, etwa<br />

Camillus oder Marius, operiert? Durch einen Hinweis auf die Auseinandersetzung<br />

mit den Galliern hätte sich der Aspekt der lang anhaltenden<br />

Gefahr sogar noch besser zum Ausdruck bringen lassen. Schließlich<br />

„war der metus Gallicus über 300 Jahre lang mehr oder weniger kräftig<br />

am Werke gewesen“, während die Gefahr, die von Karthago ausgegangen<br />

war, Rom nur 70 Jahre lang in Atem gehalten hatte und nach Eroberung<br />

und Zerstörung der Stadt ein für allemal gegenstandslos geworden<br />

war. 18 Einem Vergleich mit den zahlreichen Kriegen Roms mit den<br />

Galliern dürfte indes ein gewichtiges Hindernis entgegengestanden haben:<br />

Für Iulians Argumentation ist es von zentraler Bedeutung, mit einem<br />

„historischen“ Gegner operieren zu können, dessen Unterwerfung<br />

ein abgeschlossenes Kapitel darstellte.<br />

So gesehen macht die Ammianstelle auf einen gravierenden Unterschied<br />

zwischen metus Gallicus und metus Punicus aufmerksam: Anders<br />

als die Gefährdung durch die Punier 19 war die Bedrohung durch die<br />

Nachfahren der Gallier immer noch bedrückende Realität. 20<br />

17 Amm. 23,5,20: ne imperio subcrescerent aemulae – hier explizit nur auf Fidenae<br />

bezogen. Als weitere Unterlegene Roms werden die Faliscer und Veii genannt.<br />

18 Bellen (1985) 43.<br />

19 Die (spätere!) Gildo-Krise kann, wenn auch nur in übertragenem Sinne, als Ausnahme<br />

hiervon verstanden werden. Dies ist der Fall bei Claudian, worauf im folgenden<br />

Abschnitt näher eingegangen wird. Der von ihm angestellte Vergleich<br />

zwischen dem Mauren und Hannibal hinkt allerdings insofern, als es sich bei


192 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

EIN NEUER SCIPIO AFRICANUS: <strong>DER</strong> FELDHERR STILICHO<br />

Die Punischen Kriege haben sich in dem in dieser Arbeit untersuchten<br />

Zeitraum nur angesichts der Gildokrise 397/98 unmittelbar als Objekt für<br />

einen Vergleich mit der Gegenwart angeboten, zumindest was die offensichtlich<br />

für besonders wichtig gehaltenen geographischen Gemeinsamkeiten<br />

anbelangt. Das kommt vor allem bei Claudian zum Ausdruck. Die<br />

Werke Claudians, die sich von den Ereignissen um Gildo ausgehend den<br />

Scipionen und dem Kampf Roms gegen Karthago zuwenden, seien deshalb<br />

zusammenhängend untersucht, bevor wir uns wieder anderen Autoren<br />

zuwenden.<br />

Ende 397 hatte der comes Africae Gildo, ein Sohn des maurischen<br />

Königs Nubel, die Ausfuhr von Getreide nach Italien eingestellt. Vermutlich<br />

wollte er sich damit der Unterstützung seiner Machtposition<br />

durch den Eunuchen Eutropius, praepositus sacri cubiculi in Constantinopel,<br />

versichern und auf diese Weise den zwischen dem Ostreich und<br />

dem Hof des Honorius in Mailand schwelenden Konflikt zunutze machen.<br />

21 Da Gildos Blockadepolitik die Versorgung Italiens und insbesondere<br />

Roms in Frage stellte, sah sich der Westen existentiell bedroht.<br />

Unter diesen Umständen mag die Frage von Claudians Roma in De bello<br />

Gildonico, ob die früher gegen Karthago geführten Kriege überhaupt einen<br />

Sinn gehabt hätten, in der Tat nahegelegen haben. 22 In der 397 abgefaßten<br />

Rede auf das vierte Consulat des Honorius, zu einer Zeit, als ein<br />

glückliches Ende der Versorgungskrise noch nicht in Sicht war, hatte<br />

Claudian mittels seiner Exemplaauswahl zu verstehen gegeben, daß ein<br />

Gildo um einen im Reichsdienst stehenden, rebellierenden comes Africae<br />

handelte.<br />

20<br />

Den mit den Galliern verbundenen „Furchtkomplex“ (Bellen [1985] 43) hat Rom<br />

anscheinend nie völlig abgelegt. Obwohl Caesar Gallien unterworfen hatte, rief<br />

Varus’ Niederlage im Teutoburger Wald 9 n.Chr. noch einmal den metus<br />

Gallicus hervor (ebd. 44). Über den von Bellen untersuchten Zeitrahmen hinaus<br />

stellt die ‚gallische Gefahr‘ jedoch, wie wir gesehen haben, auch in der Spätantike<br />

noch ein geeignetes Raster für Vergleiche mit der zeitgenössischen Bedrohung<br />

durch die Barbaren dar.<br />

21<br />

Vgl. Jones (1964/86) 183f, s. auch Scholten (1995) 225 u. die oben in Kap. 4.1.3<br />

genannte Literatur.<br />

22<br />

Claud. bellGild. 76f: ideone tot annos | flebile cum tumida bellum Carthagine<br />

gessi?


Die Scipionen 193<br />

Scheitern des Westreiches in der Frage Gildos nicht auszuschließen sei. 23<br />

Mitte 398 ist dies Vergangenheit: Romas Klage ist Teil eines Rückblicks,<br />

der bei aller dramatischen Übersteigerung noch etwas von der<br />

verzweifelten Situation Italiens in der zweiten Jahreshälfte 397 bis zur<br />

Niederwerfung Gildos im Frühjahr des darauffolgenden Jahres erkennen<br />

läßt.<br />

Anders als in dem zu Beginn des Jahres 398 gehaltenen Consulatspanegyricus<br />

auf Honorius bleibt Roma bzw. Claudian, nicht bei den<br />

Mißerfolgen, der Gefangennahme des Regulus, der Schlacht bei Cannae<br />

und dem Vordringen Hannibals bis zum Collinischen Tor, stehen. 24 Indem<br />

Roma in ihrer Klage die früheren römischen Erfolge in Afrika erwähnt,<br />

zwei davon von den Scipionen erfochten, 25 arbeitet Claudian<br />

mittelbar schon auf die Peripetie hin, Stilichos und Honorius’ Entscheidung<br />

zum rettenden Eingreifen. Sie senden Mascezel gegen den eigenen,<br />

mit ihm verfeindeten Bruder, Gildo, aus. 26 Die Niederwerfung Gildos<br />

durch Mascezel wäre Thema des zweiten Buches von De bello Gildonico<br />

gewesen. Nachdem Stilicho Mascezel, der ihm aufgrund seines Erfolgs<br />

gefährlich zu werden drohte, beseitigt hatte, ist dieses Buch nicht mehr<br />

veröffentlicht worden. 27<br />

Dafür ist Claudian in dem 399/400 verfaßten Panegyricus auf das<br />

Consulat Stilichos noch einmal auf den Sieg des Westreichs über Gildo<br />

zurückgekommen. Alan Cameron hat freilich vor dem Versuch gewarnt,<br />

den Inhalt von De bello Gildonico, Buch 2 einfach aus der Consulatsrede<br />

23 Claud. IV Hon. 404–411 (im Rahmen der Theodosiusrede); darunter auch der<br />

von den Puniern zu Tode gepeinigte Regulus (410f); vgl. oben 4.1.3.<br />

24 Claud. bellGild. 76–86 (Regulus: 78f; dazu oben 4.1.3).<br />

25 Claud. bellGild. 86f: Gildonis ad usum | Carthago ter victa ruit? – d.h. 241, 201<br />

und 146 v.Chr. Mit dem zweiten und dritten Sieg sind indirekt die beiden Scipiones<br />

Africani genannt. Namentlich erwähnt werden sie erst v.94f: in Bocchi<br />

regnum sudavit uterque | Scipio. Der Name des Maurenkönigs Bocchus – gemeint<br />

ist wohl der Schwiegervater und Verbündete Iugurthas im Krieg gegen die<br />

Römer – dient hier als Metonymie für Afrika / afrikanisch, so Olechowska, Claud.<br />

bellGild. (1978) 152.<br />

26 Claud. bellGild. 387–415.<br />

27 Nach Zos. 5,11,4f stürzte Stilicho Mascezel eigenhändig von einer Brücke. Näher<br />

zum nicht publizierten zweiten Buch von bellGild., das Claudian wahrscheinlich<br />

überhaupt nicht mehr geschrieben hat, Al. Cameron (1970) 115–118,<br />

Olechowska, Claud. bellGild. (1978) 5f u. Döpp, Zeitgeschichte (1980) 135ff.


194 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

rekonstruieren zu wollen. 28 Zuviel habe sich zwischen Sommer 398 und<br />

Januar 400 geändert. Entscheidend ist, daß Eutropius inzwischen entmachtet<br />

war und daß Stilicho vom Ostreich nicht weiter als hostis<br />

publicus verunglimpft wurde. Dergestalt war es Claudian möglich, neben<br />

dem Beitrag, den Mascezel zum Sturz Gildos geleistet hatte, auch die<br />

Rolle, die Honorius im ersten Buch des Gildoepos noch gespielt hatte, so<br />

weit herunterzuspielen, daß der Erfolg Stilicho nun allein zugeschrieben<br />

werden konnte. “Hence if the victory is to be Stilico’s, not Mascezel’s, it<br />

can now be magnified instead of belittled”. 29<br />

Den Vergangenheitsbezug, den die Roma im Epos über den Krieg gegen<br />

Gildo nur en passant aufgenommen hatte, hat Claudian in den drei<br />

Büchern De consulatu Stilichonis konsequent zu Ende geführt. Stilicho<br />

wird dort in auffälliger Weise mit den Siegern über Karthago, den beiden<br />

Scipionen, in Verbindung gebracht.<br />

Das erste Buch des Panegyricus auf Stilicho geht ausführlich auf die<br />

Rebellion Gildos und deren Beendigung ein. 30 Ähnlich subtil wie in De<br />

bello Gildonico arbeitet Claudian auch hier mit geographischen Namen,<br />

um die Erinnerung an die Punischen Kriege zu evozieren: Libya habe<br />

sich gemeinsam mit Ostrom dazu verschworen, Rom auszuhungern, 31<br />

Carthago wird wie selbstverständlich mit dem Epitheton hostilis versehen.<br />

32 Die geographischen Bezeichnungen besagen für sich genommen<br />

wenig. Sie werden aber vom Schluß des ersten Buches her verständlich<br />

und beziehen von dort ihre Bedeutung.<br />

28 Al. Cameron (1970) 118.<br />

29 Al. Cameron (1970) 118. “The reader is so carried away by the power of<br />

Claudian’s rhetoric that he almost forgets for the moment that Stilico had stayed<br />

behind in Italy all the while.” (ebd.), vgl. Claud. Stil. 1,268f u. 333–368. Den<br />

Anteil Mascezels am Sieg gegen Gildo hatte Claudian allerdings schon in<br />

bellGild. so gering als möglich veranschlagt (ebd. 116).<br />

30 Claud. Stil. 1,246–385.<br />

31 Claud. Stil. 1,269–281; bes. 279ff: hinc [sc. Africa] frugibus atra negatis |<br />

urgebat trepidamque fames obsederat urbem. | exitiale palam Libycum.<br />

32 Das fällt umso stärker auf, als es bei den hostilis salvae Carthaginis arces in<br />

Claud. Stil. 1,343 inhaltlich um etwas völlig anderes geht. Dank des zurückhaltenden<br />

Vorgehens von Stilicho gegen die Rebellion – er war überhaupt nicht in<br />

Afrika –, habe Gildo sich in relativer Sicherheit gewogen und sich nicht zu einer<br />

Taktik der verbrannten Erde verleiten lassen. Dies sei sowohl dem tyrischen<br />

Ackerland als auch der Stadt Karthago zugute gekommen (ebd. 341–346).


Die Scipionen 195<br />

Das Buch endet mit einer Eloge auf Stilicho. Eingeleitet wird diese<br />

von einem Vergleich Gildos mit früheren Feinden, die Rom besiegt<br />

hatte. Im Unterschied zu den Exempla aus der Expansionsphase des römischen<br />

Reiches 33 sei es bei Gildo nicht nur um eine Grenzerweiterung<br />

gegangen, sondern ums Äußerste. Roms Existenz habe wegen des Getreidemangels<br />

auf dem Spiel gestanden. Die Stilicho zugeschriebene<br />

Rückeroberung Libyens bzw. Afrikas wird deshalb vom Panegyriker höher<br />

bewertet als die ursprüngliche Unterwerfung Libyens, 34 die nach dem<br />

Rückschlag für Regulus im ersten Punischen Krieg und der hinhaltenden<br />

Taktik des Q. Fabius Maximus Cunctator erst den Scipionen gelungen<br />

war. Indem Stilicho Roms Besitz in Afrika wahren konnte, hat er auch<br />

die Taten der genannten Feldherren dem Vergessen entrissen, dem sie<br />

sonst unweigerlich anheimgefallen wären:<br />

quis Punica gesta,<br />

quis vos, Scipiadae, quis te iam, Regule, nosset,<br />

quis lentum caneret Fabium, si iure perempto<br />

insultaret atrox famula Carthagine Maurus?<br />

haec omnes veterum revocavit adorea lauros;<br />

restituit Stilicho cunctos tibi, Roma, triumphos.<br />

(Claud. Stil. 1,380–385). 35<br />

Die Bewahrung des Bestehenden ist ein besonderes Anliegen Claudians<br />

im Panegyricus auf Stilicho, das dort noch mehrfach zum Ausdruck gebracht<br />

wird. 36 Im vorliegenden Fall geht es Claudian um die Bewahrung<br />

des kulturellen Gedächtnisses oder, um es in römischen Begriffen auszudrücken:<br />

um die Bewahrung der exempla durch die facta Stilichos. Die<br />

Voraussetzungen für den Vergleich seiner Person mit den Scipionen hat<br />

Stilicho gleichsam selbst geschaffen, indem er Rom vor dem Untergang<br />

bewahrt hat. 37<br />

33<br />

Claud. Stil. 1,370ff; erwähnt werden Tigranes I., Mithridates VI. von Pontus,<br />

Pyrrhus, Antiochos III., Iugurtha, Perseus und Philipp V. (zu den Namen vgl.<br />

Portmann [1988] 82).<br />

34<br />

Claud. Stil. 1,373–380; bes. 373f: hi propagandi ruerant pro limite regni; | hic<br />

stabat Romana salus. – und 376f: discrimine Roma supremo | inter supplicium<br />

populi deforme pependit.<br />

35<br />

Zu Regulus in Claud. bellGild. und Stil. bereits oben in Kap. 4.1.3.<br />

36<br />

Z.B. Claud. Stil. 2,323–327 (vgl. oben in Kap. 4.1.1).<br />

37<br />

Vergleichbar auch Claud. Stil. 3,70f: Ohne Stilichos Sieg über Gildo wäre die<br />

Pracht der Stadt Rom mit ihren Tempeln und Triumphbögen nurmehr eine fabula


196 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Buch 2 enthält nur eine Bezugnahme auf die Scipionen. Roma möchte<br />

einer Reihe früherer römischer Consuln und Feldherren in der Unterwelt<br />

Bericht darüber erstatten, daß Stilicho das Amt eines Consuls in ihrer<br />

Stadt übernommen habe. Die urbs wird als in zweifacher Hinsicht gerettet<br />

angesehen. Die Meldung von der Rückeroberung Afrikas aus der<br />

Gewalt Gildos gilt in besonderer Weise den Scipionen. Zum anderen<br />

geht es Roma aber auch um die Würde des Consulats. Das Consulat des<br />

Freigelassenen und Eunuchen Eutropius im Jahr 399 war im Westreich<br />

als Skandal empfunden und nicht anerkannt worden. Die Mitteilung, daß<br />

es damit nach Entmachtung und Tod des Eutropius ein Ende hat, richtet<br />

sich an die Curier, Fabricier, Catones, Brutus sowie an die Scipionen. 38<br />

Es ist bezeichnend für den sorgfältigen Umgang Claudians mit den<br />

von ihm heraufbeschworenen Vergangenheitsbildern, daß er hier abermals<br />

einen Bezug, den er in einem früheren Werk schon einmal hergestellt<br />

hatte, schlüssig weiterführt. 39 Roma hatte die Scipionen und die<br />

neben ihnen genannten Römer aus der Unterwelt bereits in der Invektive<br />

gegen Eutropius angerufen: Es sei unerträglich, wie der Eunuch ihr<br />

Vermächtnis und das ehedem von ihnen bekleidete Consulat entehre. 40<br />

vergangener Zeit – haec fabula certe | cuncta forent, si Poenus adhuc incumberet<br />

Austro.<br />

38<br />

Claud. Stil. 2,378–385; bes. 383ff: audiat hoc senior Brutus Poenisque tremendi |<br />

Scipiadae, geminis tandem quod libera damnis | unius auxilio fasces Libyamque<br />

recepi. Die Verbindung Scipiadae-Libya ist Verg. Aen. 6,843 entlehnt, hier aber<br />

ganz auf die Gegenwart gemünzt: Stilicho hat den Sieg über Gildo in Afrika /<br />

Libya angebahnt und die fasces des Brutus (vgl. Verg. Aen. 6,818) wieder<br />

zurückerhalten, die im Ostreich durch den Eunuchen Eutropius befleckt worden<br />

waren; s. dazu auch oben Kap. 4.1.1.<br />

Es ergänzt das hier entworfene Bild einer vollständig wiederhergestellten Ordnung,<br />

daß sich die Bevölkerung des in Stil. 1,343 noch als feindlich apostrophierten<br />

Karthago nun gegenseitig im Lob für Stilicho übertrifft, der sie von der<br />

Gier des Großgrundbesitzers Gildo befreit hat (Stil. 2,190f). Wenn unmittelbar<br />

vor den Puniern auch von Danksagungen aus Gallien die Rede ist (2,186–189) –<br />

hinzu kommen weitere Völker (2,191–207) –, ist dies wohl seinerseits, im Hinblick<br />

auf den engen Zusammenhang von gallischer und punischer Gefahr, kein<br />

Zufall.<br />

39<br />

Vgl. oben S.194 zur Gegenüberstellung von Punischen Kriegen und Gildorebellion<br />

in Claud. bellGild. und Stil.<br />

40<br />

Claud. Eutr. 1,449–465 (vgl. auch 436–449), hier 455: Scipiadae; v.461ff (Anspielung<br />

auf Africanus d.Ä.): eunuchi [...] rapuere tremendas | Hannibali<br />

Pyrrhoque togas.


Die Scipionen 197<br />

Die beschwörenden Worte Romas über die Würde des Consulats, zu<br />

denen es ihn 399 angesichts des Eutropius noch gedrängt hatte, läßt<br />

Claudian nicht einfach im luftleeren Raum verhallen, wie De consulatu<br />

Stilichonis zeigt. Das ist der Dichter anscheinend sich und seinem Publikum<br />

bei Hof schuldig. Nachdem das Consulat zwischenzeitlich durch die<br />

Absetzung des Eutropius rehabilitiert worden ist, ist es nur folgerichtig<br />

und geradezu ein Gebot der Höflichkeit, wenn Roma die zuvor alarmierten<br />

republikanischen Feldherren jetzt mit dieser guten Nachricht beruhigt.<br />

Doch zurück zur Consulatsrede auf Stilicho. Das dritte Buch ist berühmt<br />

für das darin enthaltene Romlob der Verse 130 bis 173. Diese Passage<br />

ist häufig ins Zentrum von Untersuchungen gerückt worden, die<br />

sich mit der sogenannten Romidee befassen. 41 Werner Portmann hat gegenüber<br />

solchen Interpretationsansätzen betont, daß die panegyrische<br />

Absicht in De consulatu Stilichonis den traditionalistischen Unterton des<br />

Ganzen bei weitem übertreffe. 42 Denn das Lob auf die Stadt Rom und<br />

ihre Geschichte ist seinerseits ganz dem Lob Stilichos verpflichtet. 43 Das<br />

bedeutet: Die geschichtliche Rückerinnerung hat dienende Funktion.<br />

Roms Geschichte wird nicht idealisiert, so wie es auch in den meisten<br />

anderen spätantiken Texten mit Vergangenheitsbezügen der Fall ist. 44<br />

Um Reminiszenzen an Vergils Heldenschau handelt es sich bei der erwähnten<br />

Passage und bei Claud. Stil. 2,378–385 allenfalls indirekt (vgl. Aen. 6,818:<br />

Brutus; 841–844: Cato, Scipionen, Fabricius). Claudian setzt in beiden Fällen einen<br />

eigenen Akzent, indem er Brutus und Cato zum wiederholten Mal eng zusammenrückt<br />

(Brutus ist bei Vergil deutlich von den anderen drei geschieden); s.<br />

auch oben Kap. 4.1.1. Daß Claud. Eutr. 1,449–465 für Stil. die entscheidende Referenzstelle<br />

ist, wird oben im Text begründet.<br />

41 Z.B. bei Fuhrmann (1968) 551ff u. Klein (1985) 117f, 123f. Laut Klein sollen die<br />

genannte u.a. Claudianpassagen angeblich zeigen, daß der Dichter vom „Rommythos<br />

[...] ganz und gar durchdrungen“ sei (ebd. 124); s. dazu auch die kritischen<br />

Bemerkungen zum Konzept der ‚Romidee‘ oben in der Einleitung (Kap. 1).<br />

42 Portmann (1988) 88: „Die historischen Rückblicke im dritten Buch außerhalb des<br />

Romlobes lassen keine Ehrfurcht vor der römischen Geschichte erkennen. Deren<br />

Bedeutung wird angesichts Stilichos völlig relativiert.“ S. auch ebd. 81, 87f u.<br />

bes. 246f Anm.19.<br />

43 Vgl. die einrahmenden Verse Claud. Stil. 3,130 u. 174ff.<br />

44 Eine Besonderheit der laudes Romae (Claud. Stil. 3,130–173) ist freilich, daß sie<br />

nur auf Ereignisse der römischen Geschichte wie die Siege über Gallier und Punier,<br />

die Niederlagen an der Trebia und bei Cannae, die Eroberung Britanniens<br />

und dergleichen, nicht aber auf die dabei handelnden Personen eingehen. Das


198 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Sie ist jedoch ein fester Maßstab, der an den Gelobten, Stilicho, angelegt<br />

wird. Daß die dabei angestellten Vergleiche zugunsten des Gefeierten<br />

ausfallen und daß sie nicht die Vergangenheit, sondern ihn, Stilicho, zum<br />

Ideal erheben, liegt in der Natur der panegyrischen Sache. Im Falle der<br />

laudes Stilichonis sind es vor allem die Scipionen, an denen Stilicho<br />

immer wieder und zu seinen Gunsten gemessen wird.<br />

Der erstmals im Gildoepos angestellte Vergleich Stilicho-Scipionen<br />

erreicht in der Praefatio zum abschließenden Buch des Stilicho-Panegyricus<br />

seinen Höhepunkt. Das Lob Stilichos ist ganz an der Person des<br />

älteren Africanus ausgerichtet. Dieser tritt von nun an deutlich in den<br />

Vordergrund, nachdem Claudian zuvor nur an einer Stelle auf Scipio<br />

Africanus d.Ä. allein angespielt hatte. 45 Der Maior Scipiades habe es geschafft,<br />

den Kampfplatz der Punica bella nach Afrika zu verlegen<br />

(Claud. Stil. 3 praef. 1f). Stets in Begleitung des Ennius, 46 sei er immer<br />

auch ein Freund der Musen gewesen. Auf diese Weise erscheint der Sieg<br />

über beide Karthagos, d.h. auch über Neu-Karthago, gleichermaßen als<br />

ein Triumph des Dichters. Claudian feiert den Reichsfeldherrn Stilicho<br />

als neuen, „unseren“, Scipio, der einen noch furchterregenderen<br />

Hannibal zu Fall gebracht habe als jener: den Mauren Gildo.<br />

Noster Scipiades Stilicho, quo concidit alter<br />

Hannibal antiquo saevior Hannibale<br />

(Claud. Stil. 3 praef. 21f). 47<br />

dritte Buch von Stil. enthält Exempla überhaupt nur an zwei Stellen (v.31–36: der<br />

Neid von Mitbürgern auf die Triumphatoren Fabricius, Aemilius Paullus, Marius<br />

und Pompeius; ferner L. Iunius Brutus in v.192).<br />

45 Claud. Eutr. 1,462f erwähnt den Sieg über Hannibal. Auch dieser eine Fall wird<br />

dadurch relativiert, daß kurz davor in v.455 mit Scipiadae noch beide Africani<br />

gemeint gewesen sein dürften (s. oben Anm.40).<br />

46 Claud. Stil. 3 praef. 3ff; 11–20. Obgleich in der Antike vielfach kolportiert<br />

wurde, Ennius habe Scipio Africanus d.Ä. auf seinen Feldzügen begleitet, ist dies<br />

historisch nicht korrekt. In gutem Verhältnis zueinander standen Feldherr und<br />

Dichter gleichwohl. Auch hat der Dichter die Taten des Scipio in zwei Werken<br />

verherrlicht, s. Döpp, Claudian (1980) 17f Anm.17. Vielleicht liegt hier eine<br />

Dublette zur Beziehung zwischen Polybios und jüngerem Scipio vor, der sich auf<br />

dem Feldzug in Afrika tatsächlich in Begleitung „seines“ Historikers befand.<br />

47 Dem entspricht, daß Claudian sich als neuer Ennius stilisiert: Roma hat ihn damit<br />

beauftragt, die Taten Stilichos zu besingen, s. Stil. 3 praef. 23f.


Die Scipionen 199<br />

Zu Beginn des eigentlichen dritten Buches wird die soeben zitierte Aussage<br />

noch einmal variiert: Ganz Rom soll Stilicho, den Verteidiger Afrikas,<br />

ehren, der die Punier „erneut“ unter das römische Joch gebracht<br />

hat. 48 Der Name Scipio fällt nicht mehr, durch die Angabe iterum<br />

(Claud. Stil. 3,8) wird jedoch eine erkennbare Linie zwischen den Siegern<br />

in Vergangenheit (Scipio Africanus) und Gegenwart (Stilicho) gezogen.<br />

FELDHERR UND MUSENFREUND<br />

Die Stilisierung der Scipionen zu Musenfreunden durchzieht die antike<br />

Literatur bis in unseren Untersuchungszeitraum. Erinnert sei in diesem<br />

Zusammenhang an den sogenannten Scipionenkreis, der sich um den<br />

jüngeren, Aemilianus, geschart haben soll und dem unter anderem die<br />

Griechen Polybios und Panaitios zugerechnet werden, 49 ferner an die<br />

Rolle des jüngeren Scipio als Dialogpartner bei Cicero. 50 In der Regel ist<br />

es allein der jüngere Africanus, der als Geistesmensch und Feldherr in<br />

einer Person charakterisiert wird – Claudians Stilicho-Panegyricus stellt<br />

diesbezüglich eine Ausnahme dar.<br />

Laut Ammian wußte Iulian von einem erfolgreichen Angriff, den Scipio<br />

Aemilianus gemeinsam mit Polybios auf eines der Stadttore von<br />

Karthago durchgeführt haben soll. Iulians eigener Versuch, mit einem<br />

kleinen Stoßtrupp in die belagerte persische Stadt Pirisabora einzudringen,<br />

war soeben gescheitert. 51 Hinter dem Vergleich, den Ammian<br />

48 Claud. Stil. 3,6–8: venerare curulem, | quae tibi restituit fasces; complectere<br />

dextram, | sub iuga quae Poenos iterum Romana redegit. In v.13 wird Stilicho als<br />

defensor Libyae bezeichnet.<br />

49 Näher dazu Astin (1967) 294–299. Für gänzlich unhistorisch hält Strasburger<br />

(1966/82) den ‚Scipionenkreis‘; es handle sich um eine Fiktion, die primär auf<br />

Cicero zurückgehe.<br />

50 In diesem Zusammenhang werden nachfolgend nur Belegstellen berücksichtigt,<br />

die über den Zweck, ein Cicerozitat einzuleiten, hinausgehen und unmittelbare<br />

Äußerungen der Spätantike zur Gestalt des jüngeren Africanus darstellen.<br />

51 Amm. 24,2,16f. Die Scipio-Polybios-Episode ist nur bei Ammian überliefert (vgl.<br />

Münzer [Anm.1], RE 4,1, Sp.1449), vielleicht, weil Ammian sie als besonders geeignet<br />

für die eigene Selbstdarstellung als Militär und Historiker empfand. Sollte<br />

er, was m.E. nicht auszuschließen ist, die Geschichte erfunden haben, so hätte es<br />

dafür keiner sonderlich großen Erfindungsgabe bedurft, denn die Anekdote ist


200 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

solchermaßen zwischen Iulian und Scipio anstellt, dürfte nicht zuletzt<br />

der Wunsch gestanden haben, sich selbst auf eine Stufe mit dem Historiker<br />

der Punischen Kriege zu stellen, “as Polybius to Julian’s Scipio<br />

Aemilianus – the authoritative interpreter of an important historical<br />

personage”. 52 Die Episode um Scipio und Polybios dient damit auch dem<br />

Selbstlob des Historikers Ammian, auch wenn er vordergründig nur die<br />

Gedanken Iulians wiedergibt, der vermittels eigener Lektüre von der Begebenheit<br />

gewußt habe. 53<br />

Symmachus erwähnt die enge Beziehung des Scipio Aemilianus zu<br />

dem Stoiker Panaitios zweimal in seinem Werk. In einem Brief von 378<br />

gratuliert er dem Dichter Ausonius, der von Gratian für das darauffolgende<br />

Jahr zum Consul designiert worden war. Der eruditissimus<br />

imperator habe ihn mit dem Consulat betraut, im Unterschied zu früheren<br />

Politikern, die die Gebildeten in ihrer Nähe nicht mit solchen munera<br />

belohnt hätten. Unter anderen habe auch Scipio Africanus d.J. dem<br />

Panaitios nicht die verdienten liberalium disciplinarum pretia zukommen<br />

lassen (Symm. epist. 1,20,2). 54<br />

Ein Jahrzehnt zuvor, 55 im Panegyricus für Gratian, hatte Symmachus<br />

die Rastlosigkeit des jungen Kaisers gelobt, der sich trotz Beanspruchung<br />

durch die Kriegführung noch Zeit für die Bildung nehme, 56<br />

gleichfalls unter Hinweis auf das Beispiel Panaitios-Scipio. Damit läßt<br />

angesichts dessen, was über die Beziehung zwischen Scipio und Polybios bekannt<br />

war, in jedem Fall glaubwürdig; s. auch das Folgende.<br />

52<br />

Barnes (1990) 67.<br />

53<br />

Amm. 24,2,16: legerat enim. Bei Amm. 23,5,21 beschreibt Iulian sich selbst als<br />

antiquitatum peritus, nachdem er ebd. 20 (dazu oben) eine Reihe von Exempla in<br />

einer Rede an seine Soldaten angeführt hat.<br />

54<br />

Darüber hinaus nennt Symm. epist. 1,20,2 als Beispiele Ennius und Fulvius<br />

Nobilior, den Grammatiker Aurelius Opillus und Rutilius Rufus, den<br />

Demosthenesschüler Kineas und Pyrrhus sowie Metrodoros aus Skepsis und<br />

Mithridates von Pontus. Ähnlich Them. or. 34,8: Scipio habe Panaitios keinerlei<br />

politischen Einfluß eingeräumt – anders als Theodosius, der ihn, Themistios, 384<br />

zum Stadtpräfekten von Constantinopel ernannt hatte.<br />

55<br />

Zur schwierigen Datierung von Symm. or. 3 (ca. 368/69) s. Pabst, Symm. or.<br />

(1989) 152f.<br />

56<br />

Symm. or. 3,7: tropaeis et litteris occupatus otiosa cum bellicis negotia miscuisti.<br />

Der „Topos ‚Philologe und Soldat‘“ begegnet häufig (Hartke [1951] 56 Anm.1),<br />

so schon bei Suet. Aug. 84,1. Besonders häufig arbeitet Ammian mit ihm, um<br />

Iulian zu charakterisieren, z.B. Amm. 16,5,4; 25,2,3 u. 25,4,4f.


Die Scipionen 201<br />

der Gefeierte Anzeichen für ein Wiederaufleben von alten Tugenden erkennen,<br />

denn auch Panaitios habe sich stets an der Seite des jüngeren<br />

Africanus aufgehalten. 57 Für Symmachus erscheinen dieses und die übrigen<br />

davor genannten Exempla nur deshalb glaubhaft – iam credimus<br />

vetustati 58 –, weil ein Gratian es auch in der Gegenwart schafft, Zeit und<br />

Interesse für die Geschichtsschreibung und für andere literarische Erzeugnisse<br />

aufzubringen, trotz der Belastung als Heerführer (Symm. or.<br />

3,7).<br />

Es ist bemerkenswert, daß auch in einem solchen eher geistigen Zusammenhang<br />

ein starkes Bedürfnis besteht, die Ebenbürtigkeit der zeitgenössischen<br />

und der in einer vergangenen Epoche erbrachten Leistungen<br />

zu postulieren 59 bzw. das Gegenwärtige höher als das Vergangene<br />

anzusiedeln. Auch Macrobius bekundet dieses Interesse in der Einleitung<br />

seiner Saturnalien. Die Gesprächspartner in dem 383 spielenden Dialog,<br />

Praetextatus, Symmachus, Nicomachus Flavianus und andere, stünden<br />

57 Symm. or. 3,7: agnosco in te non adumbrata vestigiis sed expressa veterum signa<br />

virtutum. [...] Africanum illum terra marique victorem lectionis particeps et<br />

laboris Panaetius non reliquit. Auch hier präsentiert Symmachus darüber hinaus<br />

weitere Exempla, Fulvius Nobilior und, fälschlicherweise, Accius (statt Ennius, s.<br />

Pabst, Symm. or. [1989] 157 Anm.34); Alexander habe im Feld sogar beinahe<br />

eine militia philosophorum um sich geschart.<br />

58 Das sonst übliche panegyrische Verfahren erscheint hier in Umkehrung: Die Gegenwart<br />

stellt ein gleichsam nachgereichtes Exemplum für die Vergangenheit dar.<br />

Deutlich zutage tritt diese Haltung z.B. auch bei Symm. or. 1,5; Amm. 31,4,7f;<br />

Iul. or. 1,28B u. Pan.Lat. 4 (10),15,5. Herzog (1971) 179 hat in diesem Zusammenhang<br />

von einer neuen „panegyrischen Logik“ gesprochen, vor der nurmehr<br />

„das durch die gefeierte Gegenwart Übertrumpfte auf eine Wahrheit Anspruch<br />

erheben“ kann.<br />

59 Vgl. auch Symm. epist. 4,24,1: Das Lob des jüngeren Africanus für Iugurtha wegen<br />

dessen Anteil an der Eroberung Numantias (Symmachus verweist auf ein bei<br />

Sall. Iug. 9,2 wiedergegebenes Schreiben Scipios) könne man Wort für Wort<br />

auch Symmachus’ Freund Florentinus zusprechen, quia ut ambo in negotiis suis<br />

pari gloria splenduerunt, ita utriusque virtuti idem testimonii honor congruit. Die<br />

Datierung des Briefs 4,24 an Protadius schwankt zwischen 379 und 402, s.<br />

Marcone, Symm. epist. 4 (1987) 64f. Weitergehende Überlegungen zu den Zeitumständen,<br />

vor deren Hintergrund der spätantike Briefschreiber sich indirekt Scipios<br />

d.J. als Gewährsmann für die Leistungsfähigkeit der Gegenwart versichert,<br />

verbieten sich daher.


202 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

den früheren Dialogpartnern Ciceros, Scipio, Laelius und Cotta, in nichts<br />

nach. 60<br />

Ein wichtiges Mittel, der Bewunderung (oder auch dem Abscheu) für<br />

eine berühmte Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen, ist es, diese selbst<br />

zu zitieren. Von Scipio Africanus d.J., der ein hohes Ansehen als Redner<br />

über seinen Tod hinaus besaß, sind zahlreiche Sentenzen überliefert. 61<br />

Zwei ihm zugeschriebene Aussprüche zitiert die Historia Augusta. Scipio<br />

erscheint in beiden Fällen als moralische Instanz, als Feldherr, der<br />

über seinem vordergründig zerstörerischen Wirken immer auch das Ziel,<br />

Frieden zu schaffen, im Auge behielt. Die Friedensliebe des Antoninus<br />

Pius wird mit einer sententia Scipios, qua ille dicebat malle se unum<br />

civem servare quam mille hostes occidere, begründet, die sich der Kaiser<br />

zu eigen gemacht habe (H.A. Pius 9,10). 62<br />

Auch in der Vita von Maximus und Balbinus rekurriert der Autor auf<br />

Scipios Augenmaß. Das Glückwunschschreiben eines Consuls an die<br />

Adresse von Pupienus und Balbinus habe ausdrücklich auf die berühmte<br />

Gebetsformel Scipios d.J. Bezug genommen, um dem Wunsch nach Erhalt<br />

der felicitas des orbis Romanus unter dem gegenwärtigen Kaiserpaar<br />

Ausdruck zu verleihen:<br />

nam cum ad vos respicio, nihil aliud optare possum, quam quod apud deos<br />

dicitur victor Carthaginis precatus, ut scilicet in eo statu rem p. servarent, in<br />

quo tunc esset, quod nullus melior inveniretur.<br />

(H.A. Max.Balb. 17,8).<br />

Das vermutlich fingierte Schreiben greift die Worte Scipios auf, mit denen<br />

dieser Rom während seiner Censur für saturiert erklärt haben soll.<br />

Daß der Gebetstext wahrscheinlich seinerseits eine Erfindung darstellt,<br />

ist ausnahmsweise nicht dem Verfasser der Historia Augusta anzulasten,<br />

60 Macr. Sat. 1,1,4: neque enim Cottae, Laelii, Scipiones amplissimis de rebus,<br />

quoad Romanae litterae erunt, in veterum libris disputabunt: Praetextatos vero,<br />

Flavianos, Albinos, Symmachos et Eustathios, quorum splendor similis et non<br />

inferior virtus est, eodem modo loqui aliquid licitum non erit. Zu den Datierungsfragen<br />

bezüglich des Dialogs und seines Autors vgl. unten Anm.101.<br />

61 Rieger (1991) 175. Zu Ciceros Zeit waren Reden von Scipio Aemilianus noch<br />

zugänglich, vgl. Cic. Brut. 21,81. Astin (1967) 248–269 hat 68 Redenfragmente<br />

ermittelt.<br />

62 Zum Zusammenhang, in dem dieser Ausspruch Scipios möglicherweise gestanden<br />

hat, Münzer [Anm.1], RE 4,1, Sp.1455; dort auch Parallelstellen.


Die Scipionen 203<br />

sondern entweder Valerius Maximus, der in seiner Exemplasammlung<br />

schildert, wie Scipio d.J. die neue Formel eingeführt hat, oder aber einer<br />

früheren Vorlage. 63<br />

RELIGIOSITÄT<br />

Die Modifikation der beim lustrum des Censors gesprochenen Bitten für<br />

die Angelegenheiten des populus Romanus durch Scipio d.J. führt uns zu<br />

der besonderen Religiosität, die dem älteren Africanus nachgesagt worden<br />

ist. Dieser soll an eine göttliche Berufung seiner Person geglaubt<br />

und sich dem capitolinischen Iuppiter eng verbunden gefühlt haben. 64<br />

Polybios und Livius sind skeptisch und glauben, ein gerüttelt Maß an<br />

geschickter Selbstdarstellung beim älteren Scipio zu erkennen. 65 Das<br />

muß das Vorhandensein einer entsprechenden Überzeugung bei dem<br />

Betroffenen selbst aber nicht ausschließen. Scipio d.Ä. scheint sich, bei<br />

näherem Licht besehen, in seiner Religiosität ohnedies nicht gravierend<br />

von anderen römischen Feldherren unterschieden zu haben. 66<br />

Daß dies nicht erst von modernen Historikern so gesehen wird, beweist<br />

eine Exemplareihe, die Symmachus im Jahr 370 präsentiert. Am<br />

Ende des zweiten Panegyricus für Valentinian I. lobt er den geringen<br />

materiellen und zeremoniellen Aufwand, den der Sohn des Kaisers in<br />

seiner Residenz Trier treibe. 67 Dafür gebühre dem jungen Gratian eine<br />

Verehrung, die sich wohltuend absetzen könne von den Auswüchsen der<br />

Götterverehrung in der Republik. Der hier vorgenommene Vergleich<br />

zwischen der Verehrung eines (christlichen) Kaisers und den Kulten der<br />

alten Götter mag, zumindest auf den ersten Blick, einigermaßen disparat<br />

erscheinen. Doch konnte in panegyrischem Kontext ohne weiteres auch<br />

63<br />

Val.Max. 4,1,10 (Kap. De moderatione): “Satis” inquit “bonae et magnae sunt:<br />

itaque praecor tu eas perpetuo incolumes servent”. Als Erfinder der Gebetsformel<br />

kommt Valerius durchaus selbst in Frage, s. Astin (1967) 330. Ebd. 325–331<br />

ausführliche Diskussion der in sich unstimmigen Anekdote.<br />

64<br />

Liv. 26,19,4ff.<br />

65<br />

Polyb. 10,2,12f; Liv. 26,19,3–9.<br />

66<br />

Lippold (1963) 360 u. 365; skeptisch auch Heuß (1987) 92. Anders Bengtson<br />

(1982) 109 u. 102, der in der Religiosität einen entscheidenden Schlüssel zum<br />

Verständnis der Persönlichkeit Scipios d.Ä. sieht. Für eine eingehendere Auseinandersetzung<br />

mit dem Problem s. Lippold, 358–365.<br />

67<br />

Symm. or. 2,31f; zum Hintergrund Pabst, Symm. or. (1989) 226.


204 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

ein christlicher Kaiser als gottähnlich bezeichnet werden, ohne daß dies<br />

Anstoß erweckt hätte. 68 Symmachus kritisiert, daß die führenden gentes<br />

in republikanischer Zeit einer unübersehbaren Zahl von Gottheiten mit<br />

übertriebenen Aufwendungen gehuldigt und den Staat dadurch beinahe<br />

ruiniert hätten. Aus Prestigegründen hätten sich die großen Familien in<br />

Rom jeweils eine andere Gottheit zu besonderer Verehrung auserkoren,<br />

die Scipionen z.B. die Magna Mater. 69 Für den im Rahmen dieses Kapitels<br />

behandelten Gegenstand ist jedoch etwas anderes von größerer Bedeutung:<br />

In Symmachus’ Augen ragen die Scipionen, soweit es ihre<br />

Frömmigkeit betrifft, nicht im geringsten aus dem Kreis der anderen republikanischen<br />

nobiles heraus.<br />

Weniger im Hinblick auf Scipio als im Hinblick auf das Gesamtwerk<br />

des Symmachus bemerkenswert ist, wie kritisch der spätere Verfasser<br />

der dritten Relatio hier die Religion der Vorfahren beurteilt. Es ist irritierend,<br />

eine Schelte an römischer Vielgötterei, wie sie in Oratio 2,32 vorliegt,<br />

ausgerechnet aus seinem Munde zu vernehmen. Vierzehn Jahre<br />

später sollte gerade Symmachus für die materielle Unterstützung der verschiedenen<br />

Kulte und für deren Mannigfaltigkeit eintreten. 70 Auch wenn<br />

es sich 370 um die Lobrede für einen christlichen Kaiser handelt – ein<br />

zwingender Grund, das Thema der alten Religion in derart distanzierter<br />

Form aufzugreifen, ist nicht erkennbar. Vielmehr wäre Symmachus wie<br />

andere Redner vor und nach ihm auch frei darin gewesen, seinem Pan-<br />

68 Z.B. Symm. or. 1,1 u. 2,18. Zu dieser Problematik, auf die hier nicht näher eingegangen<br />

werden kann, Pabst, Symm. or. (1989) 294–299.<br />

69 Symm. or. 2,32: Quanto parcior vestri numinis cultus est quam deorum! illis<br />

singula templa fundantur et sua cuique altaria. inde, ut arbitror, maluerunt<br />

dispares ritus, ne in consortium cogerentur. [...] ipsas nobilium divisere gentes:<br />

Pinarios Hercules occupavit; Idaea mater legit hospites Scipiones; Veneriis<br />

sacris famulata est domus Iulia. orbem paene ipsum sumptus defecit, quia cultus<br />

inplevit. Die Überführung des Kultes der Magna Mater von Kleinasien nach Rom<br />

war unter dem Consulat des älteren Africanus 205 v.Chr. beschlossen worden, s.<br />

Cic. har.resp. 13,27; dazu mit weiteren Belegen Pabst, Symm. or. (1989) 152<br />

Anm.138.<br />

70 S. bes. Symm. rel. 3,7–11 u. 18. Hinzu kommt, daß or. 2,32 innerhalb der Reden<br />

bereits den stärksten Hinweis auf die heidnischen Überzeugungen des Symmachus<br />

darstellt. S. dazu Pabst, Symm. or. (1989) 294, die ebd. 292 zu Recht darauf<br />

aufmerksam macht, daß die Reden das verbreitete Bild vom aufrechten Heiden<br />

Symmachus keineswegs stützen, daß sich dieses vielmehr fast ausschließlich aus<br />

rel. 3 speist.


Die Scipionen 205<br />

egyricus ein mehr oder minder deutliches heidnisches Gepräge zu verleihen.<br />

71 Umso ernster ist seine „antipagane“ Stellungnahme zu nehmen. 72<br />

Aber noch etwas anderes wird deutlich: Der entscheidende Unterschied<br />

zur Situation von 384, als Symmachus die dritte Relatio verfaßte,<br />

besteht darin, daß 370, als der Panegyricus auf Valentinian I. gehalten<br />

wurde, eine scharfe religionspolitische Auseinandersetzung noch nicht<br />

auf der Tagesordnung stand. Symmachus mußte keine Rücksicht auf die<br />

Interessen einer heidnischen Senatspartei nehmen, welche zu diesem<br />

Zeitpunkt noch gar nicht existierte. 73<br />

Zurück zu der angeblich außerordentlichen Frömmigkeit des älteren<br />

Scipio Africanus. Nach Auffassung des Autors von De viris illustribus<br />

habe Scipio sich göttlicher Nähe erfreut und als Sohn Iuppiters gegolten.<br />

Dessen Tempel auf dem Capitol habe er häufig aufgesucht 74 und sich vor<br />

wichtigen Entscheidungen darum bemüht, Hilfe vom Gott selbst zu erlangen.<br />

75 Von der bei Polybios und Livius noch anzutreffenden Skepsis<br />

ist hier nichts mehr zu spüren. Wie erwähnt, dürfte Scipio Africanus d.Ä.<br />

sich in seiner Frömmigkeit nicht wesentlich von anderen herausragenden<br />

71<br />

Erinnert sei nur an die Panegyrici von Pacatus, Claudian, Libanios oder Themistios;<br />

vgl. auch Portmann (1988) 217ff.<br />

72<br />

Angesichts von Symm. or. 2,32 räumt sogar Klein, Symmachus (1986) 163 eine<br />

„tiefe Skepsis gegenüber aller kultischen Tradition“ ein, die neben Symmachus’<br />

„Versuch, die Verehrung der alten Götter zu bewahren“, stehe. „Er verfocht das<br />

Alte nicht, weil er im Herzen daran glaubte, sondern weil er nicht anders konnte.“<br />

(ebd. 164). Die Ablehnung einer übertriebenen Opfertätigkeit teilt Symmachus<br />

übrigens mit Ammian, der dies an dem von ihm sonst so verehrten Iulian kritisiert<br />

(Amm. 25,4,17).<br />

73<br />

Erst unter dem Druck kaiserlicher Hoheitsakte gegen die heidnischen Kulte ab<br />

382 kristallisierte sich in Rom eine heidnische Partei um Persönlichkeiten wie<br />

Symmachus, Flavianus und Volusianus aus: “the process of adaption of the new<br />

official religion was brutally halted”, nachdem die römische Aristokratie in den<br />

vorangegangenen Jahrzehnten bereits zu einem “modus vivendi” mit dem Christentum<br />

gefunden hatte, so Brown (1961/72) 181. S. auch ebd. 163, Pabst, Symm.<br />

or. (1989) 291f u. Salzman (1989), bes. 355f u. 362ff. Es waren “the circumstances<br />

which forced men such as Symmachus to adopt a dogmatic stand in defense<br />

of tradition” (ebd. 364).<br />

74<br />

Vir.ill. 49,1f<br />

75<br />

Vir.ill. 49,3: Nec hic quicquam prius coepit, quam in cella Iovis divtissime<br />

sedisset, quasi divinam mentem acciperet. Ähnlich Eutr. 3,20,1: cui viro divinum<br />

quiddam inesse existimabatur, adeo ut putaretur etiam cum numinibus habere<br />

sermonem.


206 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Persönlichkeiten der Republik unterschieden haben. Dies dürfte ein<br />

Grund sein, weshalb die Religiosität Scipios und seine enge Verbindung<br />

zum capitolinischen Iuppiter in der Spätantike kein tiefgreifendes Interesse<br />

hervorgerufen haben. Ausdrücklich als Vermutung formuliert, sei<br />

noch auf einen weiteren möglichen Grund hingewiesen: Für die religiöse<br />

Vorstellungswelt der Spätantike ist die Ansicht, daß der Mensch zeit seines<br />

Lebens von übernatürlichen und „unsichtbaren Gefährten“ begleitet<br />

werde, charakteristisch. 76 Vom 3. Jahrhundert an war dieser Glaube an<br />

den persönlichen Genius, Engel oder Dämon eine Selbstverständlichkeit,<br />

die Heiden und Christen miteinander teilten. 77<br />

Einen Eindruck davon vermittelt Ammianus Marcellinus mit einer<br />

Passage, die unter anderem Bezug auf den älteren Africanus nimmt: Seit<br />

Homer gebe es die Vorstellung, daß nicht die Götter, sondern Genien<br />

dem Menschen im Kampf und in anderen Ausnahmesituationen beistünden.<br />

78 Solche Genien hätten Pythagoras, Sokrates, Numa Pompilius, Scipio<br />

Africanus d.Ä., Marius, Octavian, Hermes Trismegistos, Apollonius<br />

von Tyana und Plotin zu ihrer Berühmtheit verholfen. Die Ammianstelle<br />

gibt einen Hinweis darauf, warum Scipios Religiosität kein Aspekt mehr<br />

war, der in spätantiken Exempla eigens hätte aufgegriffen werden müssen.<br />

Die Menschen dieser Zeit waren an den Gedanken gewöhnt, daß sie<br />

„ihre Welt mit unsichtbaren Wesen, die wesentlich mächtiger waren als<br />

sie selber“, teilten. Der „Glaube an das Übernatürliche“ verursachte<br />

76 Brown (1986) 101 sowie 51 u. 94ff. Ebd. 102 auch zu dem im folgenden behandelten<br />

Ammianabschnitt (die ebd. 150 Anm.55 angegebene Stelle ist zu Amm.<br />

21,14,3 zu korrigieren).<br />

77 Sie ist z.B. deutlich bei dem Konvertiten Constantin zu erkennen und sollte auch<br />

die Entwicklung des christlichen Heiligenkultes maßgeblich beeinflussen, s.<br />

Brown (1986) 94f, 114, 131 und (1991) 56–66.<br />

78 Amm. 21,14,5: itidem ... sempiternis Homeri carminibus intellegi datur non deos<br />

caelestes cum viris fortibus collocutos nec affuisse pugnantibus vel iuvisse, sed<br />

familiares genios cum isdem versatos. Anlaß für Ammians Exkurs (21,14) ist<br />

eine Vorahnung Iulians von seinem bevorstehenden Ende, die darauf gründet, daß<br />

ihn sein Genius – quod interdum affuisse sibi squalidius aestimabat et putabatur<br />

genius esse quidam tutelae salutis appositus – verlassen habe (§ 2). Zur Stelle<br />

und zu Ammians Vorstellung vom persönlichen genius s. Szidat III (1996) 174 u.<br />

Matthews (1989) 432–435. Auch mit dem Begriff ������� (§ 4 = Men.<br />

frg.714 Koerte) verbindet Ammian nur Gutes, er hat für ihn nichts Bedrohliches<br />

an sich. Allgemein zu Ammians tolerantem Monotheismus, der ihn von Iulian<br />

unterscheidet, Demandt (1965) 79–84 u. oben Anm.72.


Die Scipionen 207<br />

ihnen, wie Peter Brown betont, „weit weniger Aufregung [...], als man<br />

auf den ersten Blick meinen sollte“. 79 Die enge Bindung Scipios an den<br />

capitolinischen Iuppiter wird auf Menschen in einem derartigen geistigen<br />

Klima keinen besonderen Eindruck mehr gemacht haben, wenn sie bei<br />

den älteren Autoren davon erfuhren. Sie wird vielmehr als Selbstverständlichkeit<br />

empfunden worden sein. Dann aber war es überflüssig, sie<br />

innerhalb eines Vergangenheitsbezuges eigens hervorzuheben. 80<br />

BESCHEIDENHEIT UND DAS PROBLEM DES SITTENVERFALLS<br />

Die meisten Exempla zu den Scipiones Africani beziehen sich wenigstens<br />

indirekt auf die Punischen Kriege. Das Bild vom sieghaften Heerführer<br />

wird darüber hinaus, ähnlich wie schon bei Camillus und Regulus<br />

zu beobachten, aber auch mit bestimmten positiven Charakterzügen angereichert.<br />

Neben den besonderen Anforderungen, die ihr Feldherrnamt<br />

an sie stellt, legen die Scipionen eine auffällige Bescheidenheit an den<br />

Tag, sind sogar noch im Krieg um ihre Bildung bemüht und erfreuen<br />

sich der besonderen Gunst der Götter.<br />

Mit der Epoche, in der die römisch-punische Auseinandersetzung<br />

dank des Wirkens der Scipionen zu Ende geht, verbindet sich über die<br />

Belastung durch eine als existentiell empfundene Bedrohung hinaus<br />

noch ein besonderes Problem von grundsätzlicher Bedeutung. Die Zerstörung<br />

Karthagos 146 v.Chr. ist einer von mehreren Fixpunkten für die<br />

Datierung des angeblichen Sittenverfalls, der seither in Rom Einzug genommen<br />

habe. Daneben boten zwar auch noch andere Daten einen Ansatzpunkt,<br />

unter anderem die Vernichtung des makedonischen Königreiches<br />

168 v.Chr. 81 Nach der eindringlichen Darstellung Sallusts 82 hat sich<br />

79 Brown (1986) 40.<br />

80 Ähnliches ist auch bei Camillus zu beobachten. Seine enge Beziehung zur Mater<br />

Matuta, von der Livius und Plutarch berichten, wird in der Spätantike mit Ausnahme<br />

der Andeutung bei Prud. c.Symm. 2,556–563 nirgends gestreift; zur Stelle<br />

oben 4.1.2.<br />

81 Cato Censorius hat schon 195 v.Chr. einen Verfall der Moral gegeißelt, Naevius<br />

soll entsprechende Tendenzen sogar schon in der Zeit des ersten Punischen Krieges<br />

beklagt haben. Vgl. dazu und zum Folgenden Hampl (1959), bes. 498–505, u.<br />

Bringmann (1977), wo weitere Epochenansätze für den Sittenverfall in Rom diskutiert<br />

werden. Insgesamt erstreckt sich das Spektrum der von der antiken


208 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

das Jahr 146 aber schließlich auf Dauer als Epochendatum durchsetzen<br />

können. Die spätrepublikanische und frühkaiserzeitliche Publizistik hat<br />

jedenfalls in den meisten Fällen die Zerstörung Karthagos für den Beginn<br />

des Verfalls der Sitten in Rom verantwortlich gemacht.<br />

Diese Deutung verleiht der Ära der Scipiones Africani zusätzlich<br />

Züge einer Schwellenzeit für die gesamte römische Geschichte. Hinzu<br />

kommt, daß außenpolitischer Erfolg und innenpolitische Krise auch auf<br />

verwandtschaftlicher Ebene eng miteinander verknüpft zu sein scheinen.<br />

Die Auffassung, daß der Sieg über den Erzfeind Karthago zu sittlichem<br />

Verfall im Innern geführt habe, konnte sich daher umso leichter ausbreiten:<br />

133 v.Chr. endete der Versuch des Volkstribunen Tiberius<br />

Gracchus, die schwelende Agrarkrise zu bewältigen, in einer Katastrophe<br />

– zugleich das Jahr, in dem Numantia fiel. 83 Ti. und C. Gracchus waren<br />

Enkel des älteren Scipio Africanus, der jüngere Africanus in seinen<br />

letzten Lebensjahren ein unmittelbarer Gegenspieler des Ti. Gracchus. 84<br />

Seit dem Aufkommen von Geschichtsschreibung in Rom läßt sich der<br />

Trend erkennen, daß mit fortschreitender Zeit auch der Beginn des<br />

Sittenverfalls jeweils später angesetzt wurde. Dabei bestand die Neigung,<br />

„die vorhergehenden Zeiten in dieser Hinsicht noch relativ günstig<br />

zu beurteilen und die entscheidende Wendung zum Schlechten mit nicht<br />

allzu weit zurückliegenden Vorgängen in ursächlichen Zusammenhang<br />

zu bringen“. 85 Indem so „von Defizienz-Erfahrungen der Gegenwart“ 86<br />

Geschichtsschreibung angebotenen „Merkdaten“ (ebd. 32) über den Zeitraum von<br />

197 bis 60 v.Chr. (ebd. 28).<br />

82 Sall. Catil. 10.<br />

83 In modernen Darstellungen zur römischen Geschichte ist der Charakter von 133<br />

als Epochenjahr unumstritten. Heuß (1987) 130ff u. 558ff setzt mit diesem<br />

Datum sogar schon den Beginn der „römischen Revolution“ an, die über das<br />

Zeitalter der Bürgerkriege zum Principat des Augustus führte.<br />

84 Vgl. aus unserem Untersuchungszeitraum Macr. Sat. 3,14,6. Das dort angeführte<br />

Zitat aus einer Rede des Scipio Aemilianus gegen Ti. Gracchus dient als Beleg<br />

für den unter den nobiles in Rom bereits um sich greifenden Sittenverfall.<br />

85 Hampl (1959) 500, dort konkret zu Auffassungen der frühen Kaiserzeit. Das<br />

damit beschriebene Prinzip, „die Vergangenheit auf Kosten der Gegenwart zu<br />

überhöhen oder umgekehrt die eigene Zeit von der Vergangenheit her herabzusetzen“<br />

(ebd. 501f), hatte in Rom freilich allgemeine Gültigkeit. Auch den Griechen<br />

war eine solche Tendenz gegenüber den jeweils vorangegangenen Zeiten<br />

nicht fremd. Sie läßt sich dort sogar „bis Homer und Hesiod zurückverfolgen“<br />

(ebd. 502), in Rom mangels Quellen jedoch nur bis hinab ins 3. Jh. v.Chr.


Die Scipionen 209<br />

ausgegangen und eine angeblich bessere Vergangenheit als Vorbild für<br />

das Hier und Heute beschworen wurde, ist in der späteren Republik und<br />

der frühen Kaiserzeit der Fall einer „kontrapräsentischen“ Erinnerung,<br />

wie sie Jan Assmann definiert, 87 in Reinform gegeben. Das Besondere an<br />

dieser innerhalb von Kulturen nicht selten anzutreffenden Erscheinung<br />

ist, daß „kontrapräsentische Erinnerung“ in Rom über lange Zeit hinweg<br />

eine Konstante dargestellt hat, bei der die (negativen) Bezugspunkte in<br />

der Vergangenheit im Verhältnis zur Gegenwart jeweils mitgewandert<br />

sind.<br />

Bedeutsam für unser Thema ist, daß die meisten Ereignisse, die für<br />

den Beginn des Niedergangs in Rom verantwortlich gemacht worden<br />

sind, einerseits in den Zeitraum fallen, in dem die beiden Scipiones Africani<br />

gewirkt haben, daß die Festlegung eines allseits anerkannten „Verfallsdatums“<br />

aber andererseits nicht möglich war. Das hatte Folgen für<br />

die Exempla, die sich an die Scipionen knüpfen. Älterer und jüngerer<br />

Africanus stehen nicht mehr ausschließlich für die angeblich noch heile<br />

Welt, die römische Schriftsteller für die Zeit vor dem 2. Jahrhundert<br />

v.Chr. gern entworfen haben. 88 Das Ansehen der Scipionen selbst bleibt<br />

davon jedoch in den meisten Fällen unberührt, in den Augen vieler unserer<br />

Autoren bleiben sie moralische Leitbilder.<br />

Mehrfach rühmen spätantike Autoren Umsicht und persönliche Bescheidenheit,<br />

die beide Scipiones Africani als Feldherren an den Tag<br />

legten. So will Iulian Ammian zufolge nach ersten Erfolgen im Perserkrieg<br />

allen verweichlichenden Einflüssen aus dem Wege gehen. Er ahmt<br />

bewußt den älteren Scipio Africanus sowie Alexander nach, als er keine<br />

der gefangengenommenen persischen Jungfrauen ansieht oder berührt. 89<br />

86 Assmann (1992) 79.<br />

87 Assmann (1992) 79. Der Begriff „kontrapräsentisch“ ist Gerd Theissen (1988)<br />

171 u. bes. 174–179, entlehnt, wird von diesem aber weiter gefaßt als von<br />

Assmann.<br />

88 Vgl. Hampl (1959).<br />

89 Amm. 24,4,27: Alexandrum imitatus et Africanum, qui haec declinabant, ne<br />

frangerentur cupiditate, qui se invictos a laboribus ubique praestiterunt. In bezug<br />

auf Scipio d.Ä. spielt Ammian hier auf eine bei Polyb. 10,19 und Liv. 26,50 stark<br />

ausgeschmückte Episode nach der Eroberung von Neu-Karthago an. Scipio vergriff<br />

sich an keiner seiner Geiseln. Eine besonders schöne Jungfrau entließ er auf<br />

der Stelle, nicht ohne für sie und ihren Verlobten, einen Keltibererfürsten namens


210 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Der Autor der Historia Augusta beschreibt, wie Hadrian eine vorbildliche<br />

Ausdauer im Feld an den Tag gelegt und sich mit der Kost der einfachen<br />

Soldaten begnügt habe – exemplo Scipionis Aemiliani (H.A.<br />

Hadr. 10,2). 90 Dazu paßt, daß Scipio d.J. seinen Nachkommen nur ein<br />

karges Erbe hinterließ, wie der Verfasser von De viris illustribus zu berichten<br />

weiß. 91 Auch von anderen Helden der römischen Frühzeit wird<br />

kolportiert, sie hätten ihr Leben in Armut gefristet. Eine im letzten Kapitel<br />

behandelte Passage aus Ammians erstem Romexkurs erwähnt in<br />

diesem Zusammenhang neben Regulus und Valerius Publicola eine filia<br />

Scipionis, deren Mitgift aus der Staatskasse bestritten werden mußte<br />

(14,6,11). Seneca, der die Begebenheit mit dem Brautvater ebenfalls anschneidet,<br />

kommt schwerlich als Quelle in Frage. Durch das Regulus-<br />

Exemplum in der Trostschrift Ad Helviam matrem besteht zwar eine<br />

weitere Überschneidung zu Ammian, mit seinem dritten Exemplum für<br />

Armut weicht Ammian jedoch von Seneca ab. Statt Valerius Publicola<br />

nennt Seneca Menenius Agrippa. Der entscheidende Unterschied zu<br />

Ammian (und zu Valerius Maximus) ist jedoch, daß Seneca davon ausgeht,<br />

Scipio sei bereits verstorben, und daß er von Scipionis filiae im<br />

Plural spricht (dial. 12,12,6). 92 Demzufolge hat Ammianus Marcellinus<br />

seine drei Exempla mit großer Wahrscheinlichkeit dem Kapitel De<br />

paupertate (4,4) in den Facta et dicta des Valerius Maximus<br />

entnommen. 93<br />

Allucius, eine statthafte Mitgift aus der Beute beizusteuern. Die vielfach überlieferte<br />

Begebenheit u.a. bei Gell. 7,8,3 (dort Scipio und Alexander), Val.Max. 4,3,1<br />

(Kap. De abstinentia et continentia) u. Vir.ill. 49,8. Zur sexuellen Enthaltsamkeit<br />

Iulians auch Amm. 25,4,2f. Iulians Bescheidenheit hebt Amm. 16,5,1ff; 21,9,2 u.<br />

25,2,2 hervor.<br />

90<br />

Daneben werden Metellus und Traian als Vorbilder genannt. Eutr. 4,17,2 weist<br />

eigens auf die Geduld hin, mit der Scipio aus einem demoralisierten Haufen wieder<br />

das schlagfähige Heer geschaffen hatte, das Numantia und ganz Spanien<br />

unterwerfen sollte: is primum militem vitiosum et ignavum exercendo magis quam<br />

puniendo sine aliqua acerbitate correxit. Vgl. auch Vir.ill. 58,6; weitere Parallelstellen<br />

bei Münzer [Anm.1], RE 4,1, Sp.1455.<br />

91<br />

Vir.ill. 58,11; vgl. Münzer [Anm.1], RE 4,1, Sp.1461 mit Parallelüberlieferung.<br />

92<br />

Ebenso Sen. nat. 1,17,8.<br />

93<br />

Auch Frontin. strat. 4,3,4 berichtet von mehreren Töchtern. Apul. apol. 18 führt<br />

neben anderen dieselben Namen wie Ammian an (Scipio, Publicola, Regulus),<br />

streift die mit ihnen verbundenen Episoden aber nur. Plausible Argumente für die<br />

Abhängigkeit Ammians von Valerius Maximus (4,4,10), den Ammian auch sonst


Die Scipionen 211<br />

Valerius Maximus allerdings hatte explizit von Cn. Scipio gesprochen.<br />

94 Bei dem mittellosen Vater handelt es sich demnach um Cn. Scipio<br />

Calvus, der 211 v.Chr. im Kampf gegen Hasdrubal gefallen war. Das<br />

Exemplum der Scipiotochter gehört dennoch nur dem Anschein nach<br />

nicht zu unserem Thema, den spätantiken Exempla zu den Scipiones<br />

Africani. Ammian sollte gewußt haben, daß es sich bei dem von Valerius<br />

Maximus genannten Scipio nicht um einen der beiden Africani handelte.<br />

95 Doch hat er dieses Wissen nicht weitergegeben. Aber selbst<br />

wenn Ammian seine drei Exempla nicht aus der Sammlung des Valerius<br />

Maximus bezogen haben sollte – in jedem Fall verzichtete er darauf,<br />

seine Angaben durch ein Praenomen oder einen anderen Hinweis<br />

chronologischer oder geographischer Art zu präzisieren. Der klingende<br />

Name an sich muß hier für ihn ausschlaggebend dafür gewesen sein, das<br />

Exemplum eines Scipio anzuführen. 96 Einer der beiden Africani hätte<br />

benutzt hat (Blockley [1975] 21 Anm.18; Klotz [1942] 60f), führt Finke (1904)<br />

19 an. Zu dem hier behandelten Ammianabschnitt auch oben 4.1.3.<br />

94 Desgleichen Frontin. strat. 4,3,4 u. Apul. apol. 18. Helm (1939) 137 sieht bei dem<br />

in Val.Max. 4,4,10 genannten Scipio „offenbar zwei Fälle in der Familie vereinigt“.<br />

Hinter dem ebd. im Schlußsatz genannten Träger des Namen Scipio vermutet<br />

Helm ein anderes Mitglied der Familie. Am plausibelsten scheint ihm einer<br />

der Africani. Diese Auffassung vertreten auch die Kommentare von de Jonge,<br />

Amm. (1935) 139 und Édouard Galletier, in: Ammien Marcellin: Histoire, Bd.1,<br />

(CB) Paris 1968, 207 Anm.52. Sie verbinden das Scipio-Exemplum mit dem älteren<br />

Africanus und lasten den sich ergebenden Widerspruch allein Valerius<br />

Maximus an – m.E. voreilig:<br />

1.) Die Übereinstimmungen zwischen Amm. 14,6,11 und Valerius bestehen aufgrund<br />

des ersten Satzes von Val.Max. 4,4,10; dort bezieht sich Val.Max. aber<br />

noch ganz ausdrücklich auf Cn. Scipio. 2.) Ein expliziter Hinweis darauf, daß es<br />

sich bei dem verarmten Brautvater um einen Scipio Africanus handeln könnte,<br />

fehlt in den verfügbaren Quellen. Eine Gleichsetzung des Vaters mit einem der<br />

beiden Africani läßt sich nur mittelbar und nur auf eine einzige Bemerkung bei<br />

Sen. dial. 12,12,6 stützen. Demnach war es nur gerecht, daß der Staat, der Tribut<br />

von Karthago einzutreiben in der Lage war, für seinen Feldherrn Scipio (ohne<br />

Praenomen) aufgekommen sei. Als Quelle für Ammian scheidet Seneca aus den<br />

oben genannten Gründen jedoch aus.<br />

95 Über das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Cn. Scipio Calvus und älterem<br />

Africanus (sein Neffe) sowie über die Kämpfe des ersteren gegen Hasdrubal in<br />

Spanien ist Ammian informiert, wie 15,10,10f zeigt.<br />

96 Ähnliches läßt sich übrigens bei Valerius Maximus selbst beobachten, der im<br />

Abschnitt 7,5,2 vier verschiedene Scipionen zu einem einzigen Exemplum<br />

zusammenfaßt, als handle es sich um eine Person. Das geschah sicher nicht aus<br />

Absicht, ist aber natürliche Folge einer Katalogisierung von Exempla, bei der der


212 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

sicher besser in das Konzept Ammians gepaßt als der verhältnismäßig<br />

unbekannte Cn. Scipio Calvus, den er bei Valerius Maximus vorfand.<br />

Wie bereits erwähnt, scheint Ammian für die Exemplareihe im Absatz<br />

14,6,11 nach besonders bekannten römischen Feldherren gesucht zu haben.<br />

Mit Scipio und Regulus hatte er zwei Namen gefunden, die in ganz<br />

besonderer Weise für die punische Bedrohung und ihre Bewältigung stehen<br />

und damit für den Gründungsmythos des römischen Weltreichs<br />

schlechthin.<br />

Es ist nicht auszuschließen, daß Ammian aus genau diesem Grund<br />

darauf verzichtet hat, den Vornamen des verarmten Scipio anzugeben<br />

und seine Leser hier bewußt in die Irre führt. Ammian hätte dann die genaue<br />

Identität des Brautvaters offen gelassen, um die Gedanken der Leser<br />

auf d i e Scipionen schlechthin, die beiden Africani, zu lenken. 97<br />

Bei den soeben behandelten Exempla fehlt jeglicher Hinweis darauf,<br />

daß die Scipionen ihre besonderen Leistungen zu einer Zeit erbracht<br />

hatten, als sich ringsherum angeblich bereits sittliche Verfallserscheinungen<br />

aller Art bemerkbar machten. Anders bei Macrobius. Die Saturnalien<br />

zeigen einen Scipio Africanus Aemilianus, der sich mit der Vergnügungssucht<br />

seiner Mitbürger konfrontiert sieht. Einer der Gesprächsteilnehmer,<br />

Furius Albinus, referiert über die Sitten des Senatsadels in<br />

der Ära zwischen zweitem und drittem Punischen Krieg, über das Tanzen<br />

bei den Gastmählern, das er eines senatorischen Hauses für unwürdig<br />

erachtet, und über den in diesen Kreisen betriebenen Speiseluxus. Es<br />

ist ausgerechnet dieser von Distanz gekennzeichnete Abschnitt der<br />

Saturnalien, in dem die berühmten Worte fallen:<br />

vetustas quidem nobis semper, si sapimus, adoranda est. illa quippe saecula<br />

sunt quae hoc imperium vel sanguine vel sudore peperunt, quod non nisi<br />

virtutum faceret ubertas<br />

(Macr. Sat. 3,14,2).<br />

Finger vor allem auf bestimmte Tugenden gelegt wird, die nach Möglichkeit mit<br />

einem berühmten Namen verbunden sind.<br />

97 Wobei auch Cn. Scipio Calvus als Gegner Hasdrubals im Kontext des metus<br />

Punicus steht. Zu erwägen wäre ferner, daß Ammian die Sammlung des Valerius<br />

schon zu einem früheren Zeitpunkt konsultiert hatte und sich nicht mehr genau an<br />

den Vornamen des besagten Scipio erinnerte.


Die Scipionen 213<br />

Auch wenn Albinus auf diese Weise die Kritik an der Vergangenheit, die<br />

durchaus nicht frei von Fehlern war, vorab ein wenig entschärft 98 – im<br />

Vordergrund steht für ihn bzw. Macrobius, daß sich die als nüchterner<br />

charakterisierte Gegenwart dank ihrer Sittenstärke von manchem der<br />

früheren Laster frei gemacht habe. 99 Dieser Aspekt, das hohe Selbstwertgefühl,<br />

das mit der Bewunderung für die Frühzeit korrespondiert, 100<br />

darf bei der Interpretation des zitierten Satzes nicht übersehen werden. 101<br />

In Hinsicht auf das Tanzen, eine lascivia, qua nunc caremus (Macr. Sat.<br />

3,14,3), geht Albinus sogar so weit, sich einen Vergleich mit der Zeit der<br />

Republik zu verbitten:<br />

dic enim, Hore, qui antiquitatem nobis obicis, ante cuius triclinium modo<br />

saltatricem vel saltatorem te vidisse meministi?<br />

(Macr. Sat. 3,14,4).<br />

Es ist dieser Kontext, in dem Scipio Africanus Aemilianus zum Gewährsmann<br />

des Albinus wird. Ausgiebig zitiert letzterer aus einer Rede<br />

gegen Ti. Gracchus, in der Scipio sich über das standeswidrige Singen<br />

und Tanzen der senatorischen Jugend empört. Ungläubig nimmt Scipio<br />

zur Kenntnis, daß die Jugendlichen – immerhin die späteren Bewerber<br />

um öffentliche Ämter – sich sogar in Schauspielschulen unterrichten lassen,<br />

um dort Tänze zu erlernen, die sich nicht einmal ein schamloser<br />

Sklave herausnehmen würde. 102 Furius Albinus führt den jüngeren Afri-<br />

98<br />

In Macr. Sat. 3,14,4 relativiert Albinus ebenfalls nachfolgenden Tadel: ut ab illo<br />

ordiar tempore quod fuit optimis moribus.<br />

99<br />

Macr. Sat. 3,14,2: sed, quod fatendum est, in illa virtutum abundantia vitiis<br />

quoque aetas illa non caruit, e quibus non nulla nostro saeculo morum sobrietate<br />

correcta sunt. Vgl. § 3 (nostra emendatio) sowie den gesamten Abschnitt 3,14,1–<br />

4.<br />

100<br />

Macrobius wie auch Symmachus verleihen diesem Gefühl noch öfter Ausdruck<br />

wie die oben S.201 behandelten Stellen zeigen.<br />

101<br />

Eine Gefahr, in der m.E. Klein (1985) 107f u. Demandt (1989) 425 stehen; richtig<br />

hingegen Rosen, Geschichtsdenken (1982) 13. Al. Cameron (1984) 46 sieht<br />

Macrobius’ Anliegen in erster Linie in einer “nostalgic idealization of Symmachus<br />

and his friends”. Es ist nur konsequent, wenn die adoratio früherer Epochen<br />

demgegenüber abfällt. Um eine nachträgliche Verklärung der im Jahre 383<br />

am Dialog teilnehmenden Persönlichkeiten aus der Sicht der ersten Hälfte des<br />

5. Jh.s handelt es sich in jedem Fall, selbst wenn man Alan Camerons Spätdatierung<br />

der Saturnalien auf kurz nach 431 (ders. [1966] 36f u. passim) nicht folgen<br />

möchte (so v.a. Döpp [1978] 628–631); dazu auch oben Kap. 2.<br />

102<br />

Macr. Sat. 3,14,6ff; das Zitat: § 7 = ORF 1, Nr.21,9,30, S.133.


214 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

canus indes nicht nur als testis (Macr. 3,14,6) an, sondern macht auch<br />

deutlich, daß Scipio ganz persönlich bekümmert über das Verhalten der<br />

‚Jugend von heute‘ war (3,14,8: ingemuerit).<br />

Daß er Scipio Aemilianus von den Dekadenzerscheinungen zur Zeit<br />

des zweiten Punischen Krieges bewußt ausnimmt, beweist Albinus mit<br />

der Wahl eines weiteren Exemplums, das Ciceros De fato entnommen<br />

ist. 103 Als Scipio das Exemplar eines acipenser geschenkt bekommt, lädt<br />

er wahllos Freunde, die gerade vorbeikommen, zum gemeinsamen Verzehr<br />

des extrem seltenen Meeresfisches 104 ein. Sein Gefährte Pontius<br />

wendet daraufhin ein: ‘Scipio’, inquit, ‘vide quid agas, acipenser iste<br />

paucorum hominum est.’ (Macr. Sat. 3,16,4). Das mag sich auf die<br />

Größe des Fisches beziehen, gemeint sein kann aber auch, daß Pontius<br />

eine Delikatesse wie den acipenser nur ausgesuchten Feinschmeckern<br />

vorbehalten möchte. Der Textauszug läßt durchaus beide Deutungen zu.<br />

Gegen erstere ist einzuwenden, daß vermutlich schon Cicero die Fisch-<br />

Anekdote nicht in De fato eingefügt hatte, nur um mitzuteilen, daß Scipio<br />

d.J. keine Ahnung vom Kochen gehabt habe. 105 Aber es entspricht<br />

ganz der Absicht des Macrobius (und wohl auch Ciceros), wenn er einen<br />

Helden vorführen kann, der den lukullischen Genüssen seiner Zeitgenossen<br />

mit einer gewissen Unbedarftheit gegenübersteht. Da die Gesprächspartner<br />

überhaupt die Vorliebe früherer Zeiten für Luxus und zügellose<br />

Schlemmerei ins Visier genommen haben, 106 ist es wohl primär der Snobismus<br />

eines Angehörigen der Oberschicht zur Zeit der Republik,<br />

Pontius, der hier anprangert werden soll. Scipio, der den acipenser mit<br />

anderen teilen will, ist im Gegensatz dazu von keinerlei Streben nach<br />

Exklusivität angekränkelt.<br />

Dem Gespräch bei Macrobius ist zu entnehmen, daß Scipio Aemilianus<br />

weiterhin als moralisches Leitbild fungiert, auch wenn es um die<br />

103 Macr. Sat. 3,16,3f = Cic. fat. frg.5.<br />

104 Es handelt sich in der Tat um eine als Delikatesse hochgeschätzte Rarität, die<br />

Zoologen heute nicht mehr bestimmen können, s. Christian Hünemörder, s.v.<br />

Acipenser, in: DNP 1 (1996) Sp.88.<br />

105 Zudem wird Scipio selbst gesehen haben, wie klein der Fisch war; Pontius weist<br />

mit dem Demonstativum iste auf den Fisch hin.<br />

106 S. bes. Macr. 3,15,9; die gesamte Erörterung des Themas setzt unvermittelt in<br />

Kapitel 3,13 ein (am Anfang klafft eine größere Lücke) und erstreckt sich bis<br />

3,17.


Die Scipionen 215<br />

Sitten seiner Zeitgenossen nicht mehr zum besten bestellt gewesen sein<br />

mag. Daß die Integrität der Scipiones Africani, die so bedeutsame Siege<br />

für ihre Heimatstadt erfochten hatten, tatsächlich einmal von Autoren der<br />

Spätantike in Frage gestellt wird, stellt eine absolute Ausnahme dar.<br />

Doch der Vorwurf, vom Laster des Luxus befallen zu sein, ist selbst an<br />

ihnen nicht vorübergegangen. Es ist der ältere der beiden Africani, der in<br />

zwei Panegyrici als exemplum vitii herhalten muß. Symmachus und<br />

Pacatus erwähnen ihn beide in Exemplareihen berühmter und erfolgreicher<br />

Römer, die dennoch zeitweilig verweichlichten und sich dem Luxus<br />

hingaben. Damit bieten die Gescholtenen einen wirksamen Kontrast zu<br />

dem jeweils gefeierten Kaiser, Valentinian 368/69 bzw. Theodosius im<br />

Jahr 389.<br />

„Africanus soll sich ruhig der punischen Beute rühmen. Vorher aber<br />

streifte er, mit dem Pallium bekleidet, lange in Sizilien umher“, heißt es<br />

bei Symmachus (or. 1,16). 107 Dem Kaiser Valentinian dagegen gönne in<br />

Gallien niemand feriae proeliorum, am wenigsten er selbst, was nur unterstreicht,<br />

daß er maior Augustis, größer als die ebenfalls genannten<br />

Augustus, Tiberius und Marc Aurel ist (Symm. or. 1,16). 108 Bei Symmachus<br />

liegt das Schwergewicht auf Feldherren, die nach ihren Siegen erschlaffen<br />

oder durch ihr Verhalten weitere Siege sogar vereiteln wie<br />

Lucullus und Antonius. 109 Vergleichsweise milde urteilt Pacatus: Im<br />

Unterschied zu Theodosius hätten Scipio d.Ä., Sulla und Catulus sich<br />

eine Zeitlang dem Luxus hingegeben. Die „Schiffbrüchigen“ wieder auf<br />

den Pfad der Tugend zurückzuführen, habe ihre Zeitgenossen aber unnötig<br />

viel Kraft gekostet. Gleichwohl zählt Pacatus sie zu den bedeutendsten<br />

Vertretern Roms (Pan.Lat. 2 [12],7,4). 110 Das Ganze wird alles<br />

107<br />

Übers. Pabst – Iactet se Punicis Africanus exuviis, sed diu in Sicilia palliatus<br />

erravit. Scipio d.Ä. setzte sich entsprechenden Vorwürfen vor der Entscheidungsschlacht<br />

gegen Hannibal aus, s. Val.Max. 3,6,1 (Kap. Qui ex illustribus viris in<br />

veste aut cetero cultu licentius sibi quam mos patrius permittebat indulserunt) u.<br />

Liv. 29,19,12.<br />

108<br />

maior bezieht sich auf die früheren Kaiser und nicht etwa auf Valentinians Mitregenten<br />

Valens, s. Pabst, Symm. or. (1989) 137f Anm.95.<br />

109<br />

Die sehr sorgfältige Zusammenstellung der Exempla betont Pabst, Symm. or.<br />

(1989) 135f Anm.87.<br />

110<br />

Pan.Lat. 2 (12),7,4: An non clarissimos nominis Romani viros (Sullas Catulos<br />

Scipiones loquor) aliquantisper sibi luxuria vindicavit? – quos etsi ad portum<br />

mutati in melius flatus revexerint, diu tamen vitiorum turbo iactavit, et naufragos


216 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

in allem unter der Rubrik ‚Jugendsünden‘ verbucht. Den Gedanken, daß<br />

Theodosius sich derlei Verfehlungen nie hat zuschulden kommen lassen,<br />

vertieft Pacatus nicht weiter, 111 sehr zum Vorteil der nur maßvoll von<br />

ihm Kritisierten. 112<br />

Die Tatsache, daß Scipio repetundarum accusatus war, erwähnt nur<br />

das Breviarium De viris illustribus (49,17). Zur Frage von Scipios<br />

Schuld äußert sich der Autor zwar nicht, der Hinweis aber, daß es ein<br />

voluntarium exilium war, in das Scipio sich nach den vorangegangenen<br />

Zumutungen begab (49,18), 113 suggeriert dem Leser, daß er von Scipios<br />

atque fluitantes ab illis quibus mersabantur erroribus aegre aetas recepit. Es ist<br />

wahrscheinlich, daß Pacatus die drei Exempla Val.Max. 6,9,2; 5 u. 6 (Kap. De<br />

mutatione morum aut fortunae) entnommen hat, vgl. auch Nixon, in: Nixon /<br />

Rodgers, Pan.Lat. (1994) 457 Anm.30.<br />

111 Theodosius hebt sich in den Augen des Pacatus wohltuend von den unreifen Kinderkaisern<br />

vor ihm ab. Er hatte die nötige Reife, als er sein Herrscheramt antrat,<br />

vgl. Pan.Lat. 2 (12),7 mit Lippold (1968) 232ff.<br />

112 Pacatus bezieht sich in seinem Panegyricus auch auf Scipio Africanus d.J., genauer<br />

gesagt auf dessen Verhältnis zu seinem leiblichen Vater Aemilius Paullus.<br />

Das Verhältnis zwischen dem älteren Theodosius und seinem Sohn, dem späteren<br />

Kaiser, wird demgegenüber als harmonischer hingestellt. Es war nicht vom Ehrgeiz<br />

des Sohnes belastet. Früher als Scipio Aemilianus und die anderen Genannten<br />

habe der Sohn selbständig als Feldherr agieren dürfen, s. Pan.Lat. 2 (12),8,4f.<br />

Pacatus bewegt sich hier wieder ganz im üblichen Rahmen der rhetorischen<br />

Überbietungsfunktion. Eine besonders kritische Haltung des Pacatus gegenüber<br />

den Scipionen läßt der Panegyricus insofern nicht erkennen.<br />

113 Ferner macht Vir.ill. 49,19 deutlich, daß Scipio sich ungerecht behandelt fühlte:<br />

Er wünschte, nicht in seiner Heimatstadt Rom bestattet zu werden. Nach der ausführlichen<br />

Behandlung der Scipionenprozesse bei Liv. 38,50,4–60,10 wird das<br />

Thema in der kaiserzeitlichen Literatur zwar nurmehr selten aufgegriffen, die<br />

Sammlung des Valerius Maximus hätte mit mehreren Einträgen (3,7,1d; 1e;<br />

4,1,8; 5,3,2b; 2c) jedoch grundsätzlich das Material für eine spätere Verwendung<br />

als Exemplum bereitgestellt. Weitere nachlivianische Belege zu den Prozessen<br />

nennt Henze [Anm.1], RE 4,1, Sp.1470.<br />

Eine kritische Bemerkung erlaubt sich Vir.ill. 58,8 auch zum jüngeren Scipio am<br />

Ende eines insgesamt positiven Porträts. Dessen Polemik vor der Volksversammlung<br />

(Taceant, inquit, quibus Italia noverca, non mater est; et addidit:<br />

Quos ego sub corona vendidi. – dazu Münzer [Anm.1], RE 4,1, Sp.1456f) führt<br />

der Autor darauf zurück, daß Scipio Ob res gestas superbus geworden sei. Umgekehrt<br />

deutet Amm. 17,11,3 dergleichen als Neid, der Scipio Aemilianus wie<br />

auch anderen berühmten Feldherren entgegengeschlagen sei – eine anthropologische<br />

Konstante, denn, so § 2: „Boshaftigkeit fühlt sich durch die herrlichsten Taten<br />

jener Männer stets beleidigt“ (Übers. Seyfarth) – malignitatem spectatissimis<br />

actibus eorum offensam.


Die Scipionen 217<br />

Unschuld ausgehen kann. Das Schweigen der sonstigen Autoren zu den<br />

gegen Scipio Africanus maior und seine Vertrauten angestrengten Prozessen<br />

ist kennzeichnend für die insgesamt positive Vorstellung der<br />

Spätantike von den Scipionen, ein Eindruck, der sich noch verstärkt, bedenkt<br />

man die große Menge und Vielfalt der Bezüge auf die Scipiones<br />

Africani. 114<br />

SCIPIO: EIN NAME BÜRGT FÜR SEINE TRÄGER<br />

So bleibt festzuhalten: In den Exempla zu den beiden Africani überwiegt<br />

der Aspekt des Ruhms, den sie sich auf militärischem Gebiet erworben<br />

haben. Dem tritt gelegentlich das Bild des philosophisch geschulten und<br />

umfassend gebildeten Feldherrn zur Seite. Obwohl die Zerstörung Karthagos<br />

die Wende hin zu einem fortan stark von Pessimismus gekennzeichneten<br />

römischen Geschichtsverständnis markiert, 115 beschränken<br />

sich kritische Äußerungen zu den Scipionen selbst auf ein Minimum. 116<br />

Gelegentlich scheint es, als ob bei der Erwähnung von Scipiones oder<br />

Scipiadae 117 der Familienname mehr zähle als das Individuum. Viele<br />

114<br />

Der Vollständigkeit halber erwähnt seien die Bezüge auf die Scipiones Africani<br />

rein antiquarischen Charakters: Pan.Lat. 2 (12),5,4 (Siegesbeiname Numantinus);<br />

Macr. Sat. 1,6,26 mit 28 (Herkunft des Namen Scipio [„Stock“]); H.A. Heliog.<br />

26,2 (Elagabal nennt sich, wenn er die sog. Dalmatica trägt, Scipio, weil deren<br />

einer von seinen Eltern ebenso angezogen wurde). S. außerdem noch Amm.<br />

25,10,13 (ähnliche Todesumstände bei Iovian und Scipio Aemilianus – Ammian<br />

weiß nichts Genaueres darüber); Amm. 25,9,9f (hier strenge Maßstäbe an Verleihung<br />

eines Triumphes, der deshalb u.a. Scipio d.Ä. 206 v.Chr. verweigert wurde<br />

[vgl. Val.Max. 2,8,4f], dort die skandalöse Preisgabe von Nisibis durch Iovian).<br />

In der H.A. Sept.Sev. 21,1 wird der Topos von den unwürdigen Nachkommen<br />

u.a. auch auf Scipio (wohl Africanus d.Ä., s. Val.Max. 3,5,1) angewendet, vgl.<br />

auch oben in Kap. 4.1.2.<br />

115<br />

S. neben der oben S.207f bereits genannten Literatur Pöschl (1956/91) 177f mit<br />

180 u. 193–196.<br />

116<br />

Weniger der Kritik an den Scipionen als dem Nachweis für das eigene Urteil, das<br />

sich der geschichtsinteressierte Pescennius Niger zu bilden vermochte, dient der<br />

Hinweis in H.A. Pesc. 12,1f: in historiis [...] dilexit. interrogatus autem, quid de<br />

Scipionibus sentiret, dixisse fertur felices illos fuisse magis quam fortes; ausführlicher<br />

zu dieser Stelle oben Kap. 4.1.2 Anm.71.<br />

117<br />

Vergil (und mit ihm alle weiteren Dichter) gebraucht aus metrischen Gründen nur<br />

diese Kollektivbezeichnung. Aen. 6,843 u. georg. 2,170 stellen die einzigen Erwähnungen<br />

bei ihm dar, allein tritt in den Werken Vergils überhaupt kein Träger<br />

des Namen Scipio in Erscheinung.


218 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Autoren lassen offen, an welchen Scipio sie gerade denken. Der Kontext<br />

hilft nicht in jedem Fall weiter. Oft sind wir zur Klärung der genauen<br />

Identität des Genannten auf Parallelstellen bei Polybios, Livius, Valerius<br />

Maximus oder anderen Autoren angewiesen. Mit „Scipio“ können auch<br />

andere Angehörige, die zum Nachruhm dieser herausragenden Familie<br />

beigetragen haben, gemeint sein. Unter vielen anderen seien nur P. und<br />

Cn. Cornelius Scipio Calvus genannt, Vater bzw. Onkel des älteren Africanus,<br />

die beiden L. Cornelius Scipio Asiagenes / Asiaticus sowie die<br />

verschiedenen Träger des Cognomen Nasica, besonders hervorzuheben<br />

ist hier P. Cornelius Scipio Nasica Corculum. 118<br />

Ob das spätantike Publikum stets in der Lage war nachzuvollziehen,<br />

von welchem „Scipio“ gerade die Rede war, muß fraglich erscheinen. 119<br />

In abgeschwächter Form gilt das auch für die Unterscheidung zwischen<br />

älterem und jüngerem Africanus, zumal der Wunsch bestanden zu haben<br />

scheint, die Überlieferungen zu beiden Scipiones Africani einander anzugleichen<br />

und möglichst viele Parallelen zwischen beiden zu<br />

präsentieren. 120<br />

Es liegt deshalb nahe, daß sowohl die Autoren als auch ihr Publikum<br />

derlei Detailfragen als unwichtig empfunden haben. Wichtiger war ihnen<br />

wahrscheinlich, daß überhaupt ein Scipio als Exemplum für den jeweils<br />

gerade in Frage stehenden Sachverhalt angeführt werden konnte. 121<br />

Wenn z.B. Claudian in der Laus Serenae das Haus des Theodosius der<br />

Scipiadum gens gegenüberstellt, dann ist durchaus noch erkennbar, daß<br />

118 Gegenspieler des älteren Cato, setzte er sich gegen die restlose Vernichtung Karthagos<br />

ein, kämpfte aber ebenso wie Cato für den Erhalt altrömischer Sittsamkeit<br />

und verhinderte den Bau eines steinernen Theaters in Rom. Augustin hat deshalb<br />

Scipio Nasica in civ. fast soviel Interesse entgegengebracht wie dem jüngeren<br />

Africanus, s. civ. 1,30–33 u. 2,5.<br />

119 Daß auch schon vor unserem Untersuchungszeitraum Verwechslungen möglich<br />

waren (die später als solche erkannt wurden), zeigt Cic. Att. 6,1,17: Q. Metellus<br />

Scipio brachte bei der Aufstellung einer Ehrenstatue für seinen Urgroßvater Scipio<br />

Nasica dessen Ämterlaufbahn mit der des Scipio Africanus maior durcheinander,<br />

s. dazu auch Rieger (1991) 118.<br />

120 Ein Beispiel bei Münzer [Anm.1], RE 4,1, Sp.1442.<br />

121 Das dürfte z.B. für die bereits behandelten Stellen Claud. Eutr. 1,455; OlProb.<br />

149; bellGild. 86f; 94 und Stil. 1,380–384; H.A. Claud. 1,3; Gord. 9,4; 9,6; 17,2<br />

sowie Prob. 2,4 gelten, in gewisser Weise auch für Amm. 14,6,11 (s. oben S.212).


Die Scipionen 219<br />

dieser Vergleich seinen Ausgang von den beiden Africani her nimmt. 122<br />

Claudian geht es um die hohe Abkunft Serenas, der Nichte Theodosius’<br />

I. Angesichts der von den Theodosii erbrachten Leistungen sei<br />

Cornelia, die Tochter des älteren und Schwiegertochter des jüngeren<br />

Africanus, nach Auffassung des Dichters nicht mehr länger dazu berechtigt,<br />

sich ihrer Familie zu rühmen:<br />

claram Scipiadum taceat Cornelia gentem<br />

seque minus iactet Libycis dotata trophaeis.<br />

(Claud. carm.min. 30,42f).<br />

Die „libyschen Trophäen“ verweisen eher auf den jüngeren als auf den<br />

älteren Scipio. Für Claudians Anliegen ist dies freilich unerheblich. Ihm<br />

kommt es auf einen Vergleich der gentes an. Serena steht hierbei im<br />

Mittelpunkt. Ihr entspricht unmittelbar Cornelia, den Theodosii die beiden<br />

Scipiones Africani. 123<br />

Welchen Klang der Name Scipio dem Wirken der beiden Africani<br />

verdankt, ist besonders gut in dem chronologisch vorgehenden Breviarium<br />

des Eutrop zu verfolgen. Schon der ältere Africanus gilt dem Verfasser<br />

als vir Romanorum omnium et sua aetate et posteriore tempore<br />

fere primus (Eutr. 3,15,1). Als der Scipionis Africani nepos zu Beginn<br />

des dritten Punischen Krieges erstmals in Erscheinung tritt, erweist auch<br />

er sich sogleich als paratissimus ad dimicandum et consultissimus (Eutr.<br />

4,10,3). Trotz seines jugendlichen Alters erhält Scipio Aemilianus das<br />

consularische Kommando gegen die Punier, Cum igitur clarum Scipionis<br />

nomen esset (Eutr. 4,12,1), und verdient sich durch die Zerstörung Karthagos<br />

schließlich auch den Beinamen seines Großvaters, Africanus<br />

(4,12,2). Und noch für das Zeitalter der Bürgerkriege vermag Eutrop<br />

unter den Caesargegnern P. Cornelius Scipio ex genere antiquissimo<br />

122 Ebenfalls nur vermutet werden kann dies bei H.A. Aurelian. 9,4: quid non<br />

Corvinis et Scipionibus conferendum? Es ist nicht ersichtlich, warum der<br />

liberator Illyrici und Galliarum restitutor unbedingt mit den Africani verglichen<br />

werden muß, andererseits spricht bei einem Kaiser, der als dux magni totius<br />

exempli bezeichnet wird, auch nichts ernsthaft dagegen.<br />

123 Auf einem anderen Blatt steht, daß Serena und Cornelia ihre Bedeutung allein<br />

über die Taten ihrer männlichen Verwandten beziehen. Wenn Serena Cornelia an<br />

Glanz überbietet, wird das damit begründet, daß die Scipionen angeblich nur in<br />

Afrika triumphiert hätten, die beiden Theodosii dagegen in verschiedenen Regionen<br />

der Erde, in Schottland und im Süden (Claud. carm.min. 30,39–46).


220 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Scipionis Africani (6,23,2), einen von mehreren aus den führenden Familien<br />

Roms aufzubieten. Unerheblich, ob Eutrop wußte, daß dieser Scipio<br />

eigentlich ein Meteller war 124 – entscheidend ist, daß ihm der Name<br />

Scipio Gelegenheit gab, die Erinnerung an die beiden Africani zu pflegen,<br />

und zu zeigen, daß zu den duces Romani, wie Eutrop die Gegner<br />

Caesars bezeichnet, 125 auch ein Nachfahre dieser berühmten Männer gehörte.<br />

Die Art, wie Eutrop die Scipionen in seinem Breviarium behandelt, ist<br />

symptomatisch für das Gros der spätantiken Zeugnisse zu den Scipiones<br />

Africani. Die spätantike Literatur trägt der großen Bedeutung der beiden<br />

Scipiones Africani für die Geschichte Roms durch eine besonders große<br />

Zahl von Exempla Rechnung.<br />

Die bis hier behandelten Textstellen aus der nichtchristlichen Literatur<br />

sind in ihrer überwiegenden Mehrheit von Ehrfurcht gegenüber dem Geschlecht<br />

der Scipionen gekennzeichnet. Das Exemplum eines Scipio<br />

Africanus fügt sich in nahezu jedes Lob eines Römers problemlos ein.<br />

Im Vergleich mit Camillus und Regulus fällt jedoch auf, daß bei den<br />

spätantiken Exempla zu den Scipionen das anekdotische Element fast<br />

völlig ausbleibt. Die mitreißende oder auch besonders anrührende Episode<br />

aus ihrem Leben fehlt. So bleibt das Bild der Scipionen in der<br />

Spätantike trotz einer Fülle an Belegen, die von anderen geschichtlichen<br />

Gestalten aus der Zeit der Republik nicht erreicht wird, erstaunlich<br />

konturlos.<br />

124 Das Breviarium schweigt sich darüber aus, daß Q. Caecilius Metellus Pius Scipio<br />

von Q. Caecilius Metellus Pius adoptiert worden war, s. dazu Friedrich Münzer,<br />

s.v. Q. Caecilius Metellus Pius Scipio 99, in: RE 3,1 (1897) Sp.1224–1228, hier<br />

bes. 1224. Hinzu kommt, daß der Betroffene sich seiner Herkunft aus dem Hause<br />

der Scipionen nicht mehr allzu bewußt gewesen sei, wie Cic. Att. 6,1,17 (vgl.<br />

oben S.218) bemängelt (aus der Situation des Jahres 43 v.Chr. heraus gelangte<br />

Cic. Phil. 13,29 allerdings zu einem positiveren Urteil über den 46 bei Thapsus<br />

gefallenen Metellus Scipio).<br />

125 Der von Eutrop erwähnte Scipio wird außerdem als Schwiegervater des Pompeius<br />

vorgestellt. Weitere Gegner Caesars mit berühmten Vorfahren sind M. Porcius<br />

Cato und Sullas Sohn L. Cornelius Faustulus (Eutr. 6,23,2).


Die christliche Literatur:<br />

Die Scipionen 221<br />

In der christlichen Literatur werden die Scipionen deutlich seltener erwähnt.<br />

Die oben herausgearbeiteten Themen, in deren Rahmen heidnischen<br />

Autoren das Exemplum eines oder beider Scipiones Africani angebracht<br />

scheint, zeichnen sich hier nur in sehr groben Umrissen ab. 126<br />

Ein Interesse an Einzelheiten über die Scipionen fehlte dabei offensichtlich<br />

in noch stärkerem Maße als bei den nichtchristlichen Autoren.<br />

AUGUSTINUS: SCIPIO ZWISCHEN GESCHICHTE UND LITERATUR<br />

Augustinus berücksichtigt von einer Ausnahme abgesehen 127 nur den<br />

jüngeren Africanus. Die überwiegende Mehrheit der Erwähnungen in De<br />

civitate Dei verdankt Scipio seiner Rolle als fiktiver Dialogpartner in<br />

Ciceros De re publica, eine Schrift mit der Augustin sich intensiv auseinandersetzt.<br />

128 Von Scipio-Exempla zu sprechen verbietet sich hierbei,<br />

denn Augustin läßt durchgehend erkennen, daß es ihm um den Inhalt von<br />

Ciceros Dialog und nicht um den historischen Scipio Aemilianus geht. 129<br />

126 Ambr. epist. 73 (18),7 (CSEL 82.3, Z.55f): Africanus non inter Capitolii aras sed<br />

inter Hannibalis acies triumphum invenit. – ist zwar ein entfernter Anklang an<br />

die Scipio d.Ä. nachgesagte besondere Beziehung zum capitolinischen Iuppiter,<br />

doch wird dieses Thema in der Polemik gegen Symm. rel. 3 nicht weiter vertieft.<br />

Aus der speziellen Frontstellung des Jahres 384 heraus zieht Ambrosius den Einfluß<br />

Gottes auf die Geschichte vor Christi Geburt hier nicht in Betracht, sondern<br />

führt den Sieg über Hannibal ungewöhnlicherweise allein auf die menschlichen<br />

Anstrengungen Scipios zurück, dazu oben in Kap. 4.1.2, zur Stelle s. auch oben<br />

4.1.3.<br />

127 Aug. civ. 3,21 (CCL 47, Z.5–14): Das freiwillige Exil des älteren Africanus, der<br />

den Anklagen seiner Gegner weichen mußte und der erlittenen Ungerechtigkeit<br />

wegen auch an seinem Exilort Linternum bestattet werden wollte (in Anschluß an<br />

Liv. 38,53,8; vgl. Hagendahl [1967] 659 m. 662f), dient Augustin als Argument<br />

gegen Sallusts Bild von optimis moribus et maxima concordia (civ. 3,21 [CCL<br />

47, Z.2] = Sall. hist. 1 frg.11 M.) in Rom in der Zeit zwischen zweitem und drittem<br />

Punischen Krieg.<br />

128 Allgemein zum Umgang Augustins mit dem Scipio Aemilianus aus Ciceros De re<br />

publica in civ. s. Hagendahl (1969) 540f Anm.3 u. 541 Anm.1.<br />

129 Z.B. Aug. civ. 2,9 (CCL 47, Z.1f): Cicero testatur in libris, quos de re publica<br />

scripsit, ubi Scipio disputans ait; ebd. (Z.24f) sogar mit Buchangabe: Haec ex<br />

Ciceronis quarto de re publica libro ad verbum excerpenda arbitratus sum. S.<br />

ferner ebd. (Z.7f); 2,13 (Z.16f); 2,21 (Z.35ff) u. 3,15 (Z.18ff). Deutliche Differenzierungen<br />

in civ. 2,21 (Z.71f): Sicut etiam ipse Tullius non Scipionis nec


222 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Nur in einem Fall schlägt der Kirchenvater die Brücke zum historischem<br />

Scipio, und auch das nur in einem Nebensatz: Inducit [sc. Cicero]<br />

enim Scipionem, eum ipsum qui Carthaginem extinxerat, de re publica<br />

disputantem (Aug. civ. 2,21 [CCL 47, Z.7ff]). Im Rahmen der Auseinandersetzung<br />

mit Ciceros Staatsdefinition soll der Leser hier auf den<br />

Anachronismus aufmerksam gemacht werden, den Augustin zwischen<br />

der Forderung Scipios nach Gerechtigkeit im Staat und Sallusts Darstellung<br />

vom Tiefstand der Sitten in Rom erkennen will – sei doch der Tiefpunkt<br />

zu Scipios Zeit längst schon erreicht gewesen. 130<br />

Außerhalb der ausführlichen Referate aus Ciceros Staatsschrift geht<br />

Augustinus mit Scipio Africanus d.J. ähnlich um wie mit anderen Gestalten<br />

der römischen Geschichte, die in De civitate Dei berücksichtigt<br />

werden. Eine undurchlässige Grenze zwischen Literatur und Geschichte<br />

besteht für Augustin nicht. Der Aufruf, den falschen Göttern abzuschwören,<br />

ergeht an die Römer als Nachfahren von Männern wie den Scipionen,<br />

Regulus, Scaevola und Fabricius. 131 Scipio / die Scipionen ist dabei<br />

zusammen mit den anderen ganz als reale historische Persönlichkeit zu<br />

cuiusquam alterius, sed suo sermone loquens, u. ebd. (Z.109f): definitiones ipsius<br />

Ciceronis [...] loquente Scipione. Aug. civ. 19,21 (CCL 48, Z.21) spricht zwar<br />

von der Staatsdefinition Scipionis vel Ciceronis, doch gibt es aufgrund des Anfangssatzes<br />

des Kapitels (Z.4) auch hier keine Zweifel am fiktiven Charakter Scipios<br />

in Cic. rep. Gleiches gilt für die pathetische Anrede Scipios in zweiter Person<br />

in civ. 2,21 (CCL 47, Z.10–21); auch dort (Z.1f) geht Augustin vom Scipio<br />

der ciceronianischen Staatsschrift aus.<br />

Auf Cicerostellen fußen auch die Erwähnungen von Scipio Africanus d.J. in Aug.<br />

Contra adversarium legis et prophetarum 1,52 (CCL 49, Z.1496–1500) (Cic.<br />

De orat. 3,164) u. Aug. c.Iul. 4,59 (PL 44, 767) (Cic. rep. 4,1). In diesem Zusammenhang<br />

sei auch auf den in genauer Parallele zu Cic. off. 3,1 erfolgenden<br />

Hinweis auf Scipio d.Ä. hingewiesen, der in Ambr. off. 3,1,2 stehengeblieben ist,<br />

vgl. Davidson (1995) 319 (zu Ambr. off. auch oben in Kap. 2).<br />

130 Vgl. auch Aug. civ. 2,21 (CCL 47, Z.67–97): Sallusts Sittenbild entziehe Ciceros<br />

Definition vom Staat (Cic. rep. 1,39; überdies 2,69f) die Grundlage. Cicero habe<br />

das auch selbst eingeräumt, und zwar longe quidem post mortem Africani, quem<br />

in suis libris fecit de re publica disputare (Aug. civ. 2,21 [Z.96f]).<br />

131 Aug. civ. 2,29 (CCL 47, Z.1f) mit 2,28; dazu auch oben in Kap. 4.1.3. Distanz<br />

gegenüber diesen heidnischen Römern läßt auch Aug. c.Iul. erkennen (an Stelle<br />

von Mucius Scaevola tritt in c.Iul. 4,17 u. 26 [PL 44, 745 bzw. 751] Fabius, in<br />

4,26 kommt außerdem noch Camillus hinzu); zu diesen Stellen ausführlich bereits<br />

oben in Kap. 4.1.2 u. 4.1.3. Die Auswahl der von Augustin erwähnten römischen<br />

Feldherren scheint auf Iulian von Aeclanum zurückzugehen. Gleiches gilt<br />

vermutlich auch für den Bezug auf die Scipionen in c.Iul. 4,18 (PL 44, 746).


Die Scipionen 223<br />

verstehen. 132 Umgekehrt fällt jedoch auf, daß Scipio im 18. Kapitel des<br />

fünften Buches, dem eine Schlüsselstellung für Augustins Umgang mit<br />

dem römisch-heidnischen Erbe zukommt, 133 fehlt, wogegen die drei in<br />

dem Appell von Kapitel 2,29 zusammen mit Scipio angesprochenen<br />

Helden allesamt berücksichtigt werden. Eine Erwähnung ist Scipio dem<br />

Bischof schließlich im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Neuplatonismus<br />

im zehnten Buch wert. 134<br />

HIERONYMUS: SCIPIO UND <strong>DIE</strong> GENEALOGIE <strong>DER</strong> <strong>RÖMISCHE</strong>N NOBILES<br />

Grundsätzlich spiegeln Hieronymus’ Werke das Ansehen wider, das die<br />

Scipionen im 4. Jahrhundert noch genossen. Doch wie Augustin nimmt<br />

auch Hieronymus nicht konkret Stellung zu einzelnen Leistungen der<br />

Scipionen, weder zustimmend noch ablehnend. Seine Haltung der Persönlichkeit<br />

Scipios bzw. den Scipionen gegenüber läßt ebenfalls kein<br />

tiefergehendes Interesse erkennen und scheint von Gleichgültigkeit geprägt.<br />

In den meisten Fällen dient der Scipionenname bei Hieronymus<br />

nur dem Lob römischer nobiles bzw. ihrer Vorfahren, denn die von ihm<br />

angesprochenen Adeligen selbst haben sich der christlichen Askese verschrieben.<br />

Der Trostbrief an Eustochium anläßlich des Todes ihrer Mutter Paula<br />

bringt, obwohl Hieronymus dem Ahnenstolz der römischen Aristokratin<br />

durchaus Rechnung trägt, zum Ausdruck, daß Paula ihrer Abstammung<br />

von den Scipionen 135 wegen zwar nobilis genere, sed multo nobilior<br />

sanctitate gewesen sei (Hier. epist. 108,1,1). Bei Fabiolas Begräbnis versammeln<br />

sich dementsprechend auch mehr Menschen in Rom als bei den<br />

Triumphen von Scipio und anderen Feldherren. 136 Schließlich das Con-<br />

132 Das gilt auch für Aug. civ. 5,22 (CCL 47, Z.4f), wo die rasche Beendigung des<br />

dritten Punischen Krieges durch Scipio Aemilianus gestreift wird. Über die Kürze<br />

dieses Waffenganges habe Gott ebenso aus seiner Allmacht heraus entschieden<br />

wie über die quälend lange Dauer der vorangegangenen Kriege mit Karthago<br />

(5,22 passim).<br />

133 Auf die dialektische Aneignung der in den heidnischen Exempla zum Ausdruck<br />

kommenden römischen Tradition in Aug. civ. 5,18 ist in dieser Arbeit schon<br />

mehrfach hingewiesen worden, s. bes. oben 3.4.<br />

134 Aug. civ. 10,21 (CCL 47, Z.40–44); dazu unten mit Zitat.<br />

135 S. auch Hier. epist. 108,3,1 u. 108,33,2: Zitat der Grabinschrift für Paula.<br />

136 Hier. epist. 77,11,3 (Zitat oben in Kap. 4.1.2).


224 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

sulat: Zu Scipios Zeiten noch ein Ehrenerweis für den Amtsinhaber,<br />

werde es in der Gegenwart meist von Militärs und Emporkömmlingen<br />

bekleidet. Ein Aristokrat von heute wie Pammachius möge sich seine<br />

Reputation daher lieber durch lebenslange Askese erwerben statt durch<br />

ein nurmehr zweifelhaftes Ehrenamt von nur einjähriger Dauer. 137<br />

Es ist diese Haltung, die Anerkennung für einen heidnischen Römer<br />

ohne besondere Sympathie, 138 aus der heraus Hieronymus die Exemplareihen<br />

von Feldherren wie Scipio und Mönchsvätern wie Antonius in<br />

einem Atemzug unter dem Motto: habet unumquodque propositum<br />

principes suos, nebeneinanderzustellen vermag (epist. 58,5,2). 139<br />

<strong>DER</strong> SIEGESBEINAME AFRICANUS<br />

Eine der wenigen Stellen im Werk Augustins, die vom historischen Scipio<br />

handelt, setzt beim Siegesbeinamen Africanus an, und spielt seinen<br />

Träger (wohl den jüngeren Scipio) gegen die heidnischen Götter allgemein<br />

und die Neuplatoniker 140 im besonderen aus. Anders als die heidnischen<br />

Heroen, deren Name sich von Hera ableite, würden die christlichen<br />

Märtyrer nicht mit den Dämonen und der Göttin Iuno / Hera koexistieren,<br />

sondern diese überwinden, 141 daher:<br />

Non omnino, si dici usitate posset, heroes nostri supplicibus donis, sed<br />

virtutibus divinis Heran superant. Commodius quippe Scipio Africanus est<br />

cognominatus, quod virtute Africam vicerit, quam si hostes donis placasset,<br />

ut parcerent.<br />

(Aug. civ. 10,21 [CCL 47, Z.40–44]).<br />

137 Hier. epist. 66,7,3.<br />

138 Hier. Commentarii in Danielem 3,11 (CCL 75A, Z.1137f) ist lediglich eine<br />

nüchterne Fußnote zum biblischen Geschehen: Antiochos’ III. Eroberungen werden<br />

i.J. 190 v.Chr. in Asien durch Scipio Africanus d.Ä., qui Hannibalem vicerat,<br />

und seinen Bruder, L. Scipio Asiagenes (Hieronymus nennt ihn fälschlich Scipio<br />

Nasica, vermutlich eine Verwechslung mit Scipio Africanus’ Schwiegersohn P.<br />

Scipio Nasica, cos. 19l), gestoppt.<br />

139 Vollständiges Zitat oben in Kap. 4.1.2.<br />

140 Die Auseinandersetzung mit dem Neuplatonismus nimmt in Aug. civ. 10 (von<br />

dort stammt die hier behandelte Passage) breiten Raum ein, s. ebd. v.a. die Kapitel<br />

2f; 9ff; 21; 23f u. 26–32. Zur Stoßrichtung des gesamten „Gottesstaates“ gegen<br />

den Neuplatonismus, die gelegentlich unterschätzt wird, s. Thraede (1977)<br />

113f u. 127 u. oben 3.4.<br />

141 S. Aug. civ. 10,21 (CCL 47, Z.10–24).


Die Scipionen 225<br />

Konkret ist Augustinus im vorliegenden Fall nur am Namen Africanus<br />

interessiert. Auch andere Feldherren mit solchen Siegesbeinamen hätten<br />

genannt werden können. Die Bandbreite möglicher Namen, die Augustinus<br />

in diesem Zusammenhang hätte anführen können, läßt unter anderem<br />

142 eine Passage bei Hieronymus erahnen. Der Vorgang, daß der<br />

vormalige Saulus den Namen der ersten von ihm bekehrten Person, des<br />

Proconsuls L. Sergius Paulus, oder, so Hieronymus, der „ersten Beute<br />

der Kirche“ angenommen hatte, 143 wird auf eine Ebene mit dem römischen<br />

Brauch gestellt, Feldherren nach den von ihnen besiegten Ländern<br />

zu benennen:<br />

Ut enim Scipio, subiecta Africa, Africani sibi nomen assumpsit: et Metellus,<br />

Creta insula subiugata, insigne Cretici suae familiae reportavit: et<br />

Imperatores nunc usque Romani ex subiectis gentibus, Adiabenici, Parthici,<br />

Sarmatici nuncupantur: ita et Saulus ad praedicationem gentium missus, a<br />

primo Ecclesiae spolio proconsule Sergio Paulo, victoriae suae trophaea<br />

retulit, erexitque vexillum, ut Paulus diceretur e Saulo.<br />

(Hier. Commentarii in IV epistulas Paulinas. Ad Philemonem [PL 26, 604BC]).<br />

Die Tatsache, daß Hieronymus Scipio Africanus an die Spitze seiner<br />

Auswahl stellt und daß Augustinus sich bei seinem namenskundlichen<br />

Abstecher von vornherein auf das Beispiel des „Afrikasiegers“ Scipio<br />

beschränkt, weist indirekt auf den guten Ruf hin, der beiden Trägern dieses<br />

Namens bis in die Spätantike nacheilte. Die Bedeutung der beiden<br />

Feldherren, die für Rom schließlich den Sieg über die Punier errungen<br />

hatten, wird von christlichen Schriftstellern nirgends in Abrede gestellt.<br />

Auf einem anderen Blatt steht, daß die Persönlichkeit Scipio bei<br />

Christen kein besonderes Interesse zu wecken vermochte. Es fehlen die<br />

Angriffsflächen, denen die Exempla anderer Helden aus der Republik<br />

wie z.B. das des Republikgründers L. Brutus, ja sogar das Regulus-<br />

Exemplum ihre Erwähnung bei christlichen Schriftstellern häufig einzig<br />

142<br />

S. daneben auch Eutr. passim, der eine auffällige Vorliebe für die Erklärung<br />

neuer Beinamen (meist aufgrund militärischer Erfolge) an den Tag legt; z.B. Eutr.<br />

2,6,3f (M. Valerius Corvinus); 3,23,2 (Africanus d.Ä.); 4,4,3 (L. Scipio<br />

Asiagenes, außerdem noch einmal Africanus d.Ä.); 4,12,2 (Africanus d.J.); 6,11,2<br />

(Q. Caecilius Metellus Creticus). Vgl. auch die antiquarische Randbemerkung in<br />

Pan.Lat. 2 (12),5,4 zu Siegesbeinamen wie Macedonicus, Creticus oder<br />

Numantinus, ferner H.A. Gord. 9,3f u. 17,2 (Africanus; s. dazu oben).<br />

143<br />

Apg. 13,7–13 (referiert in Hier. Commentarii in IV epistulas Paulinas. Ad<br />

Philemonem [PL 26, 604AB]).


226 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

und allein verdanken, wie insbesondere aus Augustins „Gottesstaat“ ersichtlich<br />

ist. Hier dürfte der eigentliche Grund dafür zu suchen sein,<br />

warum die beinahe unüberschaubare Menge an Rückbezügen auf die<br />

Scipiones Africani in der von Heiden geschaffenen Literatur keine Entsprechung<br />

in den Werken ihrer christlichen Zeitgenossen gefunden hat.<br />

Die Alternative wäre gewesen, ernstlich am Denkmal der Scipionen zu<br />

rütteln, das über Jahrhunderte hinweg errichtet worden war. 144 Dazu<br />

hätte es freilich eines übermäßig hohen argumentativen Aufwands bedurft.<br />

OROSIUS: DAS ENDE <strong>DER</strong> SCIPIONEN UND <strong>DIE</strong> KRISE <strong>DER</strong> <strong>REPUBLIK</strong><br />

Diesen Aufwand hat aber sogar Orosius in seiner Weltgeschichte des<br />

Unglücks gescheut. Auch er hat nichts an den beiden Scipiones Africani<br />

auszusetzen, lobt sogar ihre Fähigkeiten als charismatische Heerführer.<br />

145 Zwar hätten die Armeen des Scipio Aemilianus Spuren ihres zerstörerischen<br />

Wirkens in Spanien und Afrika hinterlassen, 146 mit Kritik<br />

daran hält Orosius sich jedoch bemerkenswerterweise zurück.<br />

Alles Negative wird stattdessen vollständig auf die Zeitgenossen der<br />

beiden Scipionen projiziert: Der ältere Africanus muß sein Ende fern der<br />

undankbaren Heimat im Exil beschließen, 147 der jüngere fällt einem<br />

Mordkomplott zum Opfer, hinter dem die Gracchen vermutet werden. 148<br />

Die Zerstörung Karthagos kritisiert Orosius zwar heftig, aber sie wird<br />

nicht Scipio Aemilianus persönlich angelastet, sondern dem Sittenverfall<br />

144<br />

Henze [Anm.1], RE 4,1, Sp.1462 spricht von einem „Sagenkranz“, der sich trotz<br />

einer etwa im Vergleich zu Regulus günstigeren Überlieferungssituation rasch<br />

um Scipio Africanus d.Ä. gewunden hat und „der uns berechtigt, von einem<br />

Scipionenromane zu sprechen“ – ein Urteil, das hinsichtlich des jüngeren Scipio<br />

nicht revidiert werden muß. Auch er wird von den Quellen in starkem Maße<br />

idealisiert.<br />

145<br />

S. Oros. hist. 4,16,6 bezüglich des älteren (vgl. auch 4,19,2 u. 4,20,18 zu den von<br />

‚Ritterlichkeit‘ geprägten persönlichen Begegnungen mit Hannibal) und 4,21,2;<br />

5,7,6ff m. 15 bezüglich des jüngeren Scipio. Beide Africani schaffen es immer<br />

wieder, die brüchige Kampfmoral ihrer Heere wiederherzustellen.<br />

146<br />

Oros. hist. 4,21,1f; 4,23,1.<br />

147<br />

Oros. hist. 4,20,39.<br />

148<br />

Oros. hist. 5,10,10 formuliert das zwar nur als These, schließt sich dieser aber<br />

umgehend an (ob zu Recht, muß offen bleiben, vgl. Münzer [Anm.1], RE 4,1,<br />

Sp.1458f u. Bengtson [1982] 168).


Die Scipionen 227<br />

in Rom, der „Unbeständigkeit der erlahmenden Römer“ (Oros. hist.<br />

4,23,9). 149 So markiert das Ableben des jüngeren Africanus schließlich<br />

das Ende einer Epoche. Sein Tod öffnet dem Elend der kommenden<br />

Bürgerkriege Tür und Tor:<br />

Nicht ohne Grund möchte ich dies unter die größten Unglücksfälle für die<br />

Römer zählen, da in dieser Stadt die Energie und die Besonnenheit des Africanus<br />

so stark waren, daß bei seinen Lebzeiten kaum ein Bundesgenossenoder<br />

Bürgerkrieg hätte ausbrechen können.<br />

(Oros. hist. 5,10,9). 150<br />

149 Übers. Lippold – inconstantia torpescentium Romanorum. Leichtfertig und zu<br />

ihrem eigenen Schaden hätten sie Karthago, cotem illam magnam splendoris et<br />

acuminis sui (Oros. hist. 4,23,10), beseitigt. Rationale Gründe für diesen Zerstörungsakt<br />

kann Orosius in seiner Gesamtbilanz (4,23,8ff) keine ausmachen. Den<br />

Sinn von Numantias Zerstörung bezweifelt Oros. hist. 5,7,17f ebenfalls.<br />

150 Übers. Lippold – non temere inter maxima Romanorum mala recensuerim,<br />

praesertim cum tantum in ea urbe Africani vigor et modestia valeret, ut facile<br />

vivo eo neque sociale neque civile bellum posse exsistere crederetur.


4.2 Die späte Republik – Zeit zwischen „Mythos“ und<br />

„Geschichte“<br />

Die in den vorangegangenen Kapiteln verfolgten Exempla wiesen so gut<br />

wie keine Bezüge zur Regierungsform ihrer Zeit, der Republik, auf. 1<br />

Camillus, Regulus und die Scipionen haben in einer „mythischen“ Zeit<br />

des Werdens entscheidend zum Aufstieg Roms zur Weltmacht beigetragen,<br />

durch ihr moralisches Vorbild wie durch ihre militärischen Erfolge.<br />

Sie sind vor allem anderen überzeitliche Ikonen der auf sie projizierten<br />

Tugenden. In der späten Republik ist der Ausbau der römischen Weltmachtstellung<br />

im Prinzip abgeschlossen.<br />

Am Ende der ‘Roman revolution’ steht jedoch ein grundlegend gewandeltes<br />

Staatswesen mit einem Kaiser an der Spitze, wie es auch im<br />

vierten und fünften Jahrhundert noch besteht. Der Principat des Augustus<br />

markiert nicht nur den Anfang einer neuen Regierungsform, einer<br />

„‚republikanischen‘ Monarchie“ 2 , sondern zugleich auch das Ende der<br />

Bürgerkriege. Deshalb lassen sich die Personen, um die es in den nachfolgend<br />

behandelten Exempla aus der späten Republik geht, kaum von<br />

der Regierungsform, innerhalb derer sie wirkten, trennen. Die Phase von<br />

Roms Bürgerkriegen ist aufs engste mit den Namen Marius, Sulla,<br />

Caesar und schließlich Augustus verbunden. Die Geschichtserinnerung,<br />

die sich mit diesen Gestalten verbindet, steht im Zentrum der beiden folgenden<br />

Kapitel.<br />

Die römische Republik insgesamt ist die Zeit, aus der die Literatur der<br />

gesamten Kaiserzeit ihre meisten Exempla bezogen hat. Von ihrer Funktion<br />

innerhalb des kulturellen Gedächtnisses her läßt sich diese Ära als<br />

„mythische Zeit“, als „Zeit des Werdens“, begreifen. Das Ende dieser<br />

Phase markiert die Regierung des ersten Kaisers, Augustus. Jan<br />

Assmann zufolge ist „die historische Zeit nichts anderes als die Fortdauer<br />

des Gewordenen“. 3 Unsere Autoren betonen im Hinblick auf den<br />

regierenden oder einen früheren Kaiser immer wieder gern die Sicherheit<br />

1 Der Name L. Brutus ist in der spätantiken Literatur zwar eng mit dem Consulat<br />

verbunden, Aussagen über die Staatsform werden hieran jedoch nicht geknüpft,<br />

dazu oben 4.1.1.<br />

2 Die Formulierung bei Pabst, Symm. or. (1989) 190f u.ö.<br />

3 Dieses und das vorangegangene Zitat von Assmann (1992) 75.


4. Die Exempla aus der römischen Republik 229<br />

der eigenen Gegenwart und grenzen diese gegenüber der Unsicherheit<br />

früherer Zeiten ab – mit welcher Berechtigung auch immer. Im Einzelfall<br />

mag sich hinter dem Gebrauch von Exempla aus der unsicheren Spätphase<br />

der römischen Republik sogar eine Stellungnahme zu den Herrschaftsverhältnissen<br />

in dieser Epoche verbergen, 4 wenngleich diesbezüglich<br />

Skepsis angebracht ist. 5<br />

Falls der Verfassungswandel zwischen Republik und Principat jedoch<br />

einmal über ein Exemplum angeschnitten wird, beginnen die Grenzen<br />

zwischen „Mythos“ und „Geschichte“, zwischen „Werden“ und „Gewordenem“<br />

vollends zu verschwimmen. In diesem Zusammenhang ist<br />

daran zu erinnern, daß die Gebildeten des vierten und fünften Jahrhunderts<br />

ihre Schulbildung in erheblichem Maße aus der Lektüre von Autoren<br />

der klassischen Epoche, der späten Republik und der Augustuszeit,<br />

bezogen haben. 6 Wenn vielleicht auch nur umrißhaft, so erfuhren diese<br />

Schüler doch aus erster Hand von den Ereignissen, die unmittelbar zu<br />

der zum goldenen Zeitalter hochstilisierten Zeit des ersten Princeps hingeführt<br />

hatten.<br />

Die Exempla aus dem letzten Jahrhundert der Republik aber, von denen<br />

sie bei ihrer Lektüre erfuhren, beruhen in weitaus stärkerem Maße<br />

auf Fakten als noch diejenigen, die mit den weitgehend idealisierten 7 Gestalten<br />

der Frühzeit verbunden sind. Ein konventionelles Unterschei-<br />

4<br />

In seinem ersten Romexkurs bejaht Amm. 14,6,6 das monarchische Prinzip eindeutig<br />

unter Hinweis auf die gewalttätigen Wahlkämpfe der Republik und unter<br />

Berufung auf die sicheren Zeiten eines Numa Pompilius, die wieder eingekehrt<br />

seien. Vgl. auch Aug. civ. 5,26 (CCL 47, Z.40–43) über die Regierung des Theodosius<br />

unter direkter Bezugnahme auf den Bürgerkrieg der Republik (zur Stelle<br />

unten 4.2.1). Symm. or. 5,3 betont ebenfalls die Sicherheit in seiner eigenen Zeit;<br />

mit dem unbestimmten olim ist dort allerdings nicht die Republik, sondern die<br />

Schreckensherrschaft des Vicarius Urbis und späteren praefectus praetorio<br />

Maximinus (dazu Amm. 28,1,5–57) gemeint, vgl. Pabst, Symm. or. (1989) 266f.<br />

5 Hierzu Verf. (1996).<br />

6 Was diesen Befund als solchen betrifft, so sei die Übereinstimmung mit Eigler,<br />

lectiones betont, nicht aber mit seinen sich daran anschließenden Überlegungen,<br />

ebd. bes. 92–99 (B II. 1.3. bybliotheca Romana: Römische und Lateinische Literatur).<br />

7 Sogar bei Augustin kann durchaus von einer Idealisierung einiger früher Römer<br />

gesprochen werden. Neben Camillus und Regulus ist hier vor allem Scipio<br />

Nasica, der totius senatus vir optimus (Aug. civ. 1,30 [CCL 47, Z.14]), zu nennen;<br />

zu ihm s. auch Aug. civ. 1,30ff.


230 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

dungsraster von „mythisch“ und „historisch“ im Sinne von „erfunden“<br />

bzw. „wahr“ zugrunde gelegt, müßten spätestens die Exempla vom Ende<br />

der Republik als „historisch“ bezeichnet werden. Folgt man jedoch der<br />

Definition von Jan Assmann, wird man auch diesen Exempla „mythischen“<br />

Charakter zubilligen. Denn die Beendigung der Bürgerkriege, die<br />

erst mit dem Kaisertum gelang, ist zwar kein Vorgang mehr, der das<br />

Werden Roms an sich markieren würde, dafür aber das Werden der eigenen,<br />

im monarchischen Staat der Spätantike täglich erfahrenen<br />

Gegenwart.


4.2.1 Marius und Sulla: Die Zeit der Bürgerkriege<br />

In der Frage, wem größere Schuld am Bürgerkrieg zukomme und wer<br />

sich – hier ist besonders an die Proscriptionen zu denken – grausamer<br />

verhalten habe, Marius oder Sulla, bestand auch fünf Jahrhunderte später<br />

nicht immer Einigkeit. Neben vielen, die alle Bürgerkriegsparteien in<br />

Bausch und Bogen verurteilt und zwischen Marius, Sulla, Cinna und anderen<br />

keinen Unterschied gemacht haben, hat es auch in der Spätantike<br />

noch Stimmen gegeben, die deutlich für oder gegen einen der Genannten<br />

Partei ergriffen haben.<br />

Das Thema Bürgerkrieg vermochte im vierten und fünften Jahrhundert<br />

n.Chr. nicht zuletzt aufgrund eigener Erfahrungen 1 beträchtliche Emotionen<br />

freizusetzen. Gleichwohl handelt es sich dabei nur um einen von<br />

mehreren Aspekten, warum Autoren sich in dieser Zeit zu Marius und<br />

Sulla geäußert haben. Bei beiden bestanden die unterschiedlichsten<br />

Gründe, sich erinnernd in Beziehung zu ihnen zu setzen: die besonderen<br />

Fähigkeiten der beiden als Heerführer und Politiker in einer krisengeschüttelten<br />

Zeit, die Vielzahl der von dem homo novus 2 Marius bekleideten<br />

Consulate (sieben), 3 seine Siege über Iugurtha und über die<br />

Cimbern und anderes mehr. Von den nachfolgend behandelten Textstellen<br />

berührt denn auch nur knapp die Hälfte den Komplex der Bürger-<br />

1<br />

Mit der Abdankung Diocletians begann eine zwanzigjährige Phase von Bürgerkriegen,<br />

die erst mit der Alleinherrschaft Constantins ein Ende fanden; zu nennen<br />

sind hier insbesondere die Auseinandersetzungen Constantins mit Maxentius 312<br />

und mit Licinius 316–324. Neben diversen Usurpationen seien aus der nachfolgenden<br />

Zeit bürgerkriegsartige Konflikte zwischen Constantius II. und<br />

2<br />

Magnentius 350/51, Theodosius und Magnus Maximus 388, Theodosius und<br />

Arbogast (Eugenius-Usurpation) 393/94 sowie zwischen Honorius / Stilicho und<br />

Gildo 398 erwähnt. Ein Bürgerkrieg zwischen Constantius und Iulian blieb dem<br />

Reich nur wegen des plötzlichen Todes von Constantius 361 erspart.<br />

Auf die niedrige Herkunft des Marius spielen zwei Exempla bei Aurelius Victor<br />

an: Aur.Vict. Caes. 39,5f: Gerade Emporkömmlinge wie Diocletian, der sich als<br />

dominus und deus anreden ließ, und Marius übertreten die Grenzen der Konvention;<br />

33,9ff: Vergleich mit dem gleichnamigen Kaiser des gallischen Sonderreiches<br />

(269 n.Chr.), einem Schmied (dazu den Boer [1972] 76f).<br />

3<br />

Claud. IV Hon. 641f wünscht, Honorius möge Marius als adsiduus consul (v.641)<br />

an Consulaten übertreffen.


232 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

kriege. Eine Erwähnung von Marius oder Sulla an sich nötigte noch<br />

niemand dazu, sogleich auch der Bürgerkriege zu gedenken. 4<br />

MARIUS <strong>IM</strong> KERKER VON MINTURNAE<br />

Das gilt beispielsweise für eine Episode, die Symmachus 368/69 in seinem<br />

ersten Panegyricus auf Valentinian I. aufgreift. Darin geht es um<br />

den Niedergang des einst so furchterregenden Marius: Als der gealterte<br />

Feldherr bei Minturnae in Gefangenschaft gerät, wird ein Sklave beauftragt,<br />

ihn hinzurichten. Dieser freilich soll so berührt von der maiestas<br />

dessen gewesen sein, den er vor sich hatte, daß er nicht imstande war,<br />

den Tötungsbefehl auszuführen. 5<br />

Bei Symmachus bildet das Exemplum des altersschwachen Marius<br />

den Kontrast zur Lichtgestalt des regierenden Kaisers im Rahmen einer<br />

rhetorischen Überbietung. Vergleichspunkt ist für Symmachus die Metapher<br />

vom sidus, das im Falle Valentinians gerade erst aufgeht, während<br />

es bei Marius schon im Begriff steht unterzugehen. Zwar ist von terror<br />

die Rede (Symm. or. 1,5), doch das bezieht sich nicht auf Marius, den<br />

Kämpfer im Bürgerkrieg, sondern, mit positiver Konnotation, auf<br />

Valentinian, der diesen terror gleichsam von Natur aus ausstrahlt. Denn<br />

während die Anhänger des Iovinus, des Kommandeurs der Armee in<br />

Gallien, 6 den Lucillianus umgebracht hätten, seien dieselben meuternden<br />

4 Amm. 21,14,5 (vgl. dazu auch oben in Kap. 4.1.4), wo Marius in eine Reihe mit<br />

Numa Pompilius, Scipio Africanus d.Ä., Augustus u.a. gestellt wird, weil sie ihren<br />

Aufstieg dem Wirken von Genien zu verdanken hätten, ist nur ein Beispiel<br />

unter vielen. Das gilt erst recht für eine antiquarische Randbemerkung wie die bei<br />

Macr. Sat. 1,17,27 zur Entstehung des Namen Sylla. H.A. Gord. 3,2 belegt eher<br />

das Interesse Gordians d.Ä. an Cicero als an Marius: der Kaiser soll versucht haben,<br />

Cicero zu übertreffen, u.a. durch ein eigenes Marius-Gedicht.<br />

5 Symm. or. 1,5. In unserem Untersuchungszeitraum hat die Begebenheit von<br />

Minturnae außerdem noch Eingang in Vir.ill. 67,4f und Oros. hist. 5,19,7 gefunden.<br />

Näher zu der häufig ausgeschmückten Kerkerepisode (vgl. u.a. Liv. perioch.<br />

77,6; Val.Max. 2,10,6 [Kapitel De maiestate]; Lucan. 2,70–88; Vell. 2,19,2ff;<br />

Plut. Mar. 39,2ff) Rudolph Weynand, s.v. C. Marius C.f. 14, in: RE Suppl. 6<br />

(1935) Sp.1363–1425, hier: 1413f.<br />

6 Lucillianus, in dessen Stab Valentinian tätig war, sollte auf Geheiß seines<br />

Schwiegersohns, des neuen Kaisers Iovian, die Absetzung des Iuliananhängers<br />

Iovinus betreiben. Eine Rebellion von Lucillianus’ Soldaten vereitelte diese Pläne<br />

jedoch und verkehrte sie ins genaue Gegenteil: Nicht er, sondern Iovinus ging gestärkt<br />

aus dem Konflikt. Zu den Hintergründen der Ermordung des Lucillianus s.


Marius und Sulla 233<br />

Soldaten vor einem Mord an Valentinian zurückgeschreckt – der aber<br />

wurde nur kurze Zeit danach zum Augustus proklamiert. 7<br />

Auffällig ist die geradezu widerwillige Anführung dieses Exemplums<br />

durch Symmachus. Im Absatz zuvor hat der Redner bereits betont, daß er<br />

bei seiner Schilderung der Ereignisse rings um Lucillianus’ Ermordung<br />

exempla factorum zu bieten habe und nicht bloß figmenta carminum<br />

(Symm. or. 1,4). Das Marius-Exemplum wird denn auch mit einer skeptischen<br />

Stellungnahme gegen die Glaubwürdigkeit der Geschichtsschreibung<br />

eingeleitet: Credamus historiis minora iactantibus (Symm. or.<br />

1,5). 8 Der kurz abgehandelten Begebenheit folgt die Überbietung. Den<br />

terror des Valentinian stellt Symmachus der miseratio gegenüber, die<br />

dem senex Marius allein noch geblieben war. So ist auch die Schonung,<br />

die beide erfuhren, nicht dieselbe. 9 Sie verweist im Fall Valentinians bereits<br />

auf seine künftige Macht (in te sperabatur imperium). Abschließend<br />

erfolgt der bereits angesprochene Vergleich mit dem auf- bzw. untergehenden<br />

Gestirn.<br />

Pabst, Symm. or. (1989) 8f mit Amm. 25,8,8–11 u. 10,6–9. Iovian verstarb kurz<br />

nach den geschilderten Ereignissen unerwartet.<br />

7 Symm. or. 1,4 betont, daß die Meuterer dabei mit Bedacht (consilio) gehandelt<br />

hätten. Er unterstellt damit, sie hätten das Kaisertum Valentinians bereits vorausgeahnt<br />

(haesit ante te maestior rebellis instinctus). Die wundersame Verschonung<br />

Valentinians kann man im übrigen vermutlich genau zu den figmenta carminum<br />

zählen, die Symmachus im Satz zuvor gerade erst von sich gewiesen hat. Bei<br />

Ammian findet sich nur der Tatbestand wieder, daß Valentinian den Mördern des<br />

Lucillianus entging. Er berichtet, Valentinian habe von seinem Freund Primitivus<br />

in Sicherheit gebracht werden müssen (Amm. 25,10,7). Das klingt, so wenig wir<br />

die Glaubwürdigkeit Ammians hierin überprüfen können, glaubhafter als Symmachus’<br />

absichtsvolle Version der Ereignisse, denn immerhin begnügten sich die<br />

Soldaten nicht mit Lucillianus, sondern ermordeten auch Seniauchus, Tribun wie<br />

Valentinian.<br />

8 Vgl. dazu auch oben in Kap. 3.5.<br />

9 Dies wird auch durch die verschiedenen Synonyme für „schonen“ kenntlich gemacht.<br />

In or. 1,5 gebraucht Symmachus im Falle des Marius parcere (parcere<br />

legt die Betonung auf das „sich Mäßigen“ bzw. das „sich Zurückhalten“) – hier<br />

mag auch die Schonung Unterworfener in Verg. Aen. 6,853 mitgedacht werden.<br />

Bei Valentinian spricht Symmachus von tueri (hier liegt die Betonung auf: „sich<br />

einer Person annehmen“, „eine Person unter Aufsicht / Obhut nehmen“). So spiegelt<br />

sich auch in der Wortwahl wider, daß Valentinian mit Bedacht geschont<br />

wird, Marius aber nur aufgrund der Mäßigung eines Henkers, der nicht anders<br />

kann.


234 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

<strong>DER</strong> SIEG DES MARIUS ÜBER <strong>DIE</strong> C<strong>IM</strong>BERN UND TEUTONEN<br />

Daß Marius Feldherr im Bürgerkrieg war, übergeht Symmachus. Er bezeichnet<br />

ihn als ehemaligen virum toto orbe victorem (Symm. or. 1,5)<br />

und bezieht sich damit nur auf das Positive, die Siege über die Cimbern<br />

und Teutonen. In Anbetracht der nur geringen Zahl von Exempla in<br />

Symmachus’ Werk sollte man daraus allerdings keine voreiligen<br />

Schlüsse ziehen. Die maiestas des Marius wird zwar nicht in Frage gestellt,<br />

aber die Überbietung, zudem am Exemplum eines altersschwachen<br />

gebrochenen Mannes vorgenommen, fällt doch recht kräftig aus. Symmachus<br />

benötigt an diesem Punkt der Rede einen Gegensatz jung-alt und<br />

ein Exemplum, in dem eine Persönlichkeit aufgrund der von ihr ausgestrahlten<br />

Würde geschont wird. Bei Marius aber, auf dessen Exemplum<br />

diese Eigenschaften zutreffen, war es für den spätantiken Zuhörer gewiß<br />

leichter, maiestas im Sieger über die Cimbern und Teutonen widergespiegelt<br />

zu sehen als in dem Teilnehmer am Bürgerkrieg. 10<br />

Besonders deutlich zu erkennen ist dies an einer Stelle aus Claudians<br />

Bellum Geticum, die bereits in Zusammenhang mit dem Camillus-Exemplum<br />

behandelt wurde (oben 4.1.2) und auf die hier noch einmal einzugehen<br />

ist. Für das 402 nach Stilichos Sieg bei Pollentia von Claudian<br />

verfaßte Gedicht spielt, wie erwähnt, der Komplex des metus Gallicus<br />

bzw. metus Cimbrorum eine wichtige Rolle. Ebenso wie zuvor schon<br />

Camillus 11 wird am Ende des Epos auch Marius neben den neuen<br />

Gallier- oder Gotenbezwinger Stilicho gestellt. Claudian warnt die soeben<br />

zurückgeschlagenen Goten Alarichs und alle potentiellen Gegner,<br />

die in Zukunft beabsichtigen sollten, von den Alpen her in Italien einzufallen:<br />

10 Anders als Portmann (1988) 49 halte ich die Tatsache, daß Symmachus Marius<br />

maiestas zugesteht, nicht für besonders hervorhebenswert. Nur ist Marius der<br />

erste Römer in or. 1, von dem Symmachus etwas Positives zu berichten weiß, und<br />

das muß er umso mehr überbieten. M.E. paßt das Bild, das Symmachus von Marius<br />

gibt, voll in die vergangenheitskritische Tendenz der übrigen Rede, die<br />

Portmann (1988) 47 konstatiert (Exemplakette über die luxuria, die Scipio Africanus<br />

d.Ä., Lucullus, Marc Antonius und einige Kaiser vom Siegen abhielt, in<br />

§ 16 und eine Kritik am republikanischen Wahlverfahren § 9).<br />

11 Camillus: Claud. bellGet. 430–434. Zwei Jahre davor hatte Claudian Stilicho<br />

schon einmal als alium Camillum bezeichnet (Stil. 2,390). Ausführlicher oben in<br />

Kap. 4.1.2.


Marius und Sulla 235<br />

„hic Cimbros fortesque Getas, Stilichone peremptos<br />

et Mario claris ducibus, tegit Itala tellus.<br />

discite vesanae Romam non temnere gentes.“<br />

(Claud. bellGet. 645ff). 12<br />

Angesichts der Verehrung, die Marius wegen der Siege erfuhr, die er 102<br />

und 101 v.Chr. bei Aquae Sextiae bzw. Vercellae über die Teutonen und<br />

Cimbern errungen hatte, und angesichts dessen, daß er wie Camillus als<br />

neuer, d.h. dritter Gründer Roms gefeiert wurde, 13 ist evident, daß Claudian<br />

den Reichsfeldherrn Stilicho hier dezent, aber unverkennbar als<br />

vierten conditor urbis neben den beiden Exemplahelden zu plazieren<br />

sucht.<br />

Spätestens dabei wird auch deutlich, daß das Bild von Marius nicht<br />

völlig vom Bürgerkrieg überwölbt ist. Marius begegnet unstrittig als eine<br />

positive Persönlichkeit, die der in der Spätantike wieder sehr aktuellen<br />

Bedrohung durch die Barbaren entschlossen und erfolgreich entgegengetreten<br />

war. Allerdings ging die Verehrung in seinem Fall nie so weit<br />

wie bei Camillus. Marius ist nur selten explizit als neuer Stadtgründer<br />

bezeichnet worden, in unserem Untersuchungszeitraum sogar überhaupt<br />

nicht – auch Claudian stellt ihn nur indirekt als solchen dar. 14 Hatte die<br />

Charakterisierung des Camillus als neuer Romulus noch Eingang in das<br />

Breviarium des Eutrop gefunden, 15 so begnügt derselbe Autor sich bei<br />

Marius mit einer eher ernüchternden Analyse von dessen Anteil am Sieg<br />

über die Cimbern und Teutonen. Eutrop stellt zudem eine wenig schmeichelhafte<br />

Bilanz auf, die dokumentieren soll, daß Marius’ Kollege Q.<br />

12 Die Warnung wird ausgesprochen in einer Inschrift, die Claud. bellGet. 642ff für<br />

ein seiner Ansicht nach zu errichtendes Grabmonument für die gefallenen Gegner<br />

aus dem Norden vorschlägt.<br />

13 Plut. Mar. 27,9: �������� �� ��� ������� �������� �� ������� ������� ���������<br />

������������� ��� ���� �������� ���� ��������� ������� ������������ ����<br />

���������; Cic. Rab.Post. 27: quem vere patrem patriae, parentem, inquam,<br />

vestrae libertatis atque huiusce rei publicae possumus dicere. Vgl. Bellen (1985)<br />

39 u. Weynand [Anm.5], RE Suppl. 6, Sp.1396 mit weiteren Belegen für die<br />

Mariusverehrung nach 102/01 v.Chr.<br />

14 Zu Marius s. oben Anm.13, vgl. dagegen die umfangreicheren Belege zu Camillus<br />

(oben in Kap. 4.1.2). Iul. Caes. 323A rühmt die Feldherren Marius und Camillus<br />

zwar in einem Atemzug, bringt aber nur letzteren in Verbindung mit<br />

Quirinus / Romulus.<br />

15 Eutr. 1,20,5.


236 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Lutatius Catulus, mit dem er den Triumph über die Cimbern teilen<br />

mußte, größeren Anteil am Sieg von 101 gehabt habe. 16<br />

Das bedeutet aber nicht, daß Eutrop die Gefahr, die Rom mit Marius’<br />

Hilfe zu bewältigen hatte, herunterspielen würde. 17 Der Modellcharakter<br />

der Abwehr von Cimbern und Teutonen dürfte für ihn genausowenig einem<br />

Zweifel unterliegen wie für Ammian. Für letzteren, den Historiker<br />

und früheren Offizier, vermag Geschichte in der Situation nach der römischen<br />

Niederlage von Adrianopel durchaus tröstliche Züge anzunehmen.<br />

Aus der Tatsache, daß einer „Überflutung“ Italiens durch Teutonen und<br />

Cimbern einst doch noch Einhalt geboten werden konnte, bezieht<br />

Ammian Ermutigung für die Gegenwart: 18<br />

[...] Wenn man nämlich die Geschichte früherer und selbst kürzlich vergangener<br />

Menschenalter durchblättert, so wird es sich zeigen, daß derart furchtbare<br />

Erschütterungen schon oft stattgefunden haben. Von den fernen Gebieten<br />

des Ozeans her kommend, überschwemmten Italien unerwartet die Teutonen<br />

zusammen mit den Kimbern; aber nachdem sie dem römischen Staat unermeßliche<br />

Verluste zugefügt hatten, wurden sie in den letzten Schlachten<br />

16<br />

Eutr. 5,2: Marius habe demnach bei Vercellae nur zwei, Catulus hingegen 31<br />

gegnerische Feldzeichen erbeutet (vgl. auch Plut. Mar. 27,6f), ein Mißverhältnis,<br />

das möglicherweise auf Sullas voreingenommene Sicht der Dinge zurückzuführen<br />

ist, s. dazu Müller, Eutr. (1995) 202 u. Weynand [Anm.5], RE Suppl. 6,<br />

Sp.1394ff (aus dem Augenzeugenbericht Sullas über Vercellae schöpft Plut. Mar.<br />

25,6 u. 26,6). Schon der bekannten Ehrungen für Marius wegen wirkt die ungünstige<br />

Variante der Überlieferung, auf die Eutrop hier zurückgreift, nicht sonderlich<br />

glaubhaft.<br />

17<br />

Eutr. 5,1 betont vielmehr den timor Romae grandis (§ 2) vor den Germanorum et<br />

Gallorum gentes (§ 1).<br />

18<br />

Ähnlich Vittinghoff (1964) 549, der, u.a. von Amm. 31,5,10–17 ausgehend, das<br />

spätantike Geschichtsverständnis wie folgt resümiert: „Die Allgegenwart der<br />

römischen Geschichte, vor allem der Republik, weist eine statische Geschichtsbetrachtung<br />

sofort auf jeweils erfolgreich überstandene außenpolitische Krisen<br />

hin, deren Standardbeispiele allen geläufig waren: Auf den Galliereinbruch des<br />

4. Jahrhunderts v.Chr., auf die Samniten, Pyrrhus und Hannibal, auf Cimbern und<br />

Teutonen, aber auch vereinzelt, wie z.B. bei Ammian, auf den ‚Markomannenkrieg‘<br />

unter Marcus und die Abwehrkämpfe des 3. Jahrhunderts n.Chr. So konnte<br />

man unheilvolle militärische Niederlagen und bedrohliche Situationen der Gegenwart<br />

abschütteln und innerlich erträglich machen.“


Marius und Sulla 237<br />

von berühmten Heerführern geschlagen und mit der Wurzel ausgerottet und<br />

lernten in den höchsten Gefahren, was kriegerische Macht im Bunde mit<br />

Klugheit vermag.<br />

(Amm. 31,5,11f). 19<br />

Selbst wenn der Name ungenannt bleibt – es ist die Leistung des Marius,<br />

die hier zum Vermächtnis für Rom im Angesicht einer seinen Bestand<br />

gefährdenden Völkerwanderung erhoben wird. 20 Der Plural duces<br />

amplissimi ist für sich genommen zu unspezifisch, um als Stellungnahme<br />

zu Catulus’ Anteil am Sieg von Vercellae gedeutet werden zu können.<br />

Daß Catulus im allgemeinen keine vergleichbare Rolle in der Erinnerung<br />

an die Auseinandersetzungen Roms mit den Galliern spielt, deutet sich<br />

auch bei Festus an. In dem Kapitel seines Breviariums, das die jahrhundertelange<br />

Konfrontation Roms mit den gallischen Völkerschaften abdeckt,<br />

erwähnt er überhaupt nur drei römische Feldherren namentlich:<br />

Camillus, Marius und Caesar. Die geglückte Abwehr der Teutonen und<br />

Cimbern (= Galli) von 102/01 v.Chr. weist Festus dabei einzig und allein<br />

Marius zu. 21 Wie Festus hält es auch der Autor des ausführlicheren Breviariums<br />

De viris illustribus. Er würdigt Catulus keines Wortes, auch<br />

nicht indirekt, als Kollegen des Marius. 22<br />

Von der Wertschätzung, die Pescennius Niger nach Maßgabe der<br />

Historia Augusta für Marius an den Tag gelegt haben soll, war bereits in<br />

einem der vorangegangenen Kapitel (4.1.2) die Rede. Die dort behandelte<br />

Stelle ist ein weiterer Beleg für die überwiegend positive Beurteilung<br />

des Marius bei den hier untersuchten Autoren. Indem Marius direkt<br />

19 Übers. Seyfarth (lat. Zitat gegenüber dem Text oben erweitert) – negant<br />

antiquitatum ignari tantis malorum tenebris offusam aliquando fuisse rem<br />

publicam, sed falluntur malorum recentium stupore confixi. namque si superiores<br />

vel recens praeteritae revolvantur aetates, tales tamque tristes rerum motus<br />

saepe contigisse monstrabunt. inundarunt Italiam ex abditis oceani partibus<br />

Teutones repente cum Cimbris, sed post inflictas rei Romanae clades immensas<br />

ultimis proeliis per duces amplissimos superati, quid potestas Martia adhibita<br />

prudentia valet, radicitus exstirpati discriminibus didicere supremis.<br />

20 Vgl. Straub (1943/72) 199f: „Was Ammian von der Überwindung der Cimbern<br />

und Teutonen sagt, schwebt ihm gewiß als erstrebenswertes Ziel für die eigene<br />

Zeit vor“.<br />

21 Festus 6: Marius Gallos de Italia expulit, transcensis Alpibus feliciter adversus<br />

eos pugnavit. Auch die drei anderen Galliersieger werden ebd. genannt.<br />

22 Die einschlägige Passage zu Marius’ Triumph über die Cimbern und Teutonen ist<br />

Vir.ill. 67,2.


238 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

neben Camillus erwähnt wird als eines von Pescennius’ Vorbildern aus<br />

der Geschichte, stellt sich einmal mehr der Zusammenhang mit dem<br />

Komplex des metus Gallicus und seiner Überwindung durch die beiden<br />

Feldherrn ein. 23<br />

<strong>DIE</strong> ÜBERWÄLTIGUNG IUGURTHAS<br />

Der homo novus Marius hat sich spätestens in dem 105 v.Chr. siegreich<br />

beendeten Iugurthinischen Krieg einen Namen gemacht. Aufgrund dieses<br />

Erfolges und unter dem Eindruck der Katastrophe von Arausio<br />

(Orange, ebenfalls 105) stehend, 24 wählte man ihn viermal hintereinander<br />

von 104 bis 101 zum Consul und legte die Abwehr der Cimbern in<br />

seine Hände. Der Triumph über Iugurtha hat entscheidend zu dem mehrheitlich<br />

wohlwollenden Mariusbild der Spätantike beigetragen. Dies bezeugen<br />

besonders einige Stellen bei Claudian.<br />

Als der comes Gildo 397/98 Italien durch das Einstellen der Getreidelieferungen<br />

aus Afrika in eine tiefe Versorgungskrise stürzte, hat sich ein<br />

Vergangenheitsbezug auf das Gegnerpaar Marius-Iugurtha wohl vor allem<br />

wegen der numidischen Herkunft der beiden Feinde Roms Iugurtha<br />

und Gildo angeboten. Der klagenden Roma in De bello Gildonico dient<br />

Marius’ Sieg über Iugurtha als ein Beispiel für all die Kriege in Afrika,<br />

die Rom angesichts des bevorstehenden Hungertodes umsonst erlitten<br />

haben werde, falls Numidien endgültig in die Hände eines Gildo fallen<br />

sollte. 25 Eineinhalb Jahre später, nach der inzwischen erfolgten Rückeroberung<br />

von Afrika und Siegen über die Germanen, heißt es dann in der<br />

Rede auf Stilichos Consulat, Rom habe noch keinen seiner Feldherrn so<br />

triumphal empfangen wie den neuen Amtsinhaber, auch nicht Marius,<br />

den Sieger über Iugurtha und Eroberer Numidiens. 26 Stilicho, der ohne-<br />

23<br />

H.A. Pesc. 12,1; s. auch oben 4.1.2 Anm.71. Der Eindruck wird noch dadurch<br />

verstärkt, daß im darauffolgenden Satz das eigenwillige Urteil des Pescennius<br />

über die Scipionen wiedergegeben wird (§ 2; vgl. oben 4.1.4 Anm.116), wodurch,<br />

zumindest assoziativ, auch eine Verbindung zum metus Punicus hergestellt ist.<br />

24<br />

Zur Stimmung in Rom vgl. Sall. Iug. 114 u. Plut. Mar. 11,1f.<br />

25<br />

Claud. bellGild. 92f. Ausführlich zur historischen Einordnung oben in Kap. 4.1.3<br />

und bes. 4.1.4.<br />

26<br />

Claud. Stil. 3,30–35. Anders als in Romas Klage in bellGild. 62–101 ist Claudians<br />

Blick um die Jahreswende 399/400 nicht mehr ausschließlich auf Afrika<br />

und auf Exempla, die in diesem Raum anzusiedeln sind, fixiert.


Marius und Sulla 239<br />

hin alles menschliche Maß hinter sich läßt, überbietet Marius ebenso wie<br />

alle anderen genannten Feldherren aus der Republik, Fabricius Luscinus,<br />

Aemilius Paullus und Pompeius Magnus. 27<br />

Das Epos über den Gotenkrieg stellt Marius’ Sieg über Iugurtha in<br />

eine Reihe mit den Erfolgen des Curius Dentatus über Pyrrhus und des<br />

Aemilius Paullus über den letzten Makedonenkönig Perseus. 28 In einer<br />

Rangskala der Widrigkeiten, gegen welche diese Siege erfochten werden<br />

mußten, steht die Vertreibung des Pyrrhus Claudians Ansicht nach zwar<br />

über der Gefangennahme Iugurthas, 29 eine Absicht, Marius in irgendeiner<br />

Form abzuwerten, ist aber nicht zu erkennen. Denn ohnehin kommt<br />

Claudian hier erneut zu dem Ergebnis, daß alle genannten Siege von dem<br />

Stilichos übertroffen werden. Nur dieser habe es ohne die Vorarbeit anderer<br />

Feldherren ganz allein mit seinem Gegner, den Goten Alarichs,<br />

aufgenommen.<br />

Der Anteil des Marius an der Niederwerfung Iugurthas war indes von<br />

Anfang an umstritten. Sulla, Quaestor des Marius im Jahr 107 v.Chr.,<br />

beanspruchte es als seine eigene Leistung, Iugurtha gefangengesetzt zu<br />

haben. Schließlich war er es gewesen, der den maurischen König<br />

Bocchus dazu bewegt hatte, seinen Schwiegersohn Iugurtha zu verra-<br />

27 Claud. Stil. 3,39f: solus hic invidiae fines virtute reliquit | humanumque modum.<br />

Portmann (1988) 88 erkennt hierin den „Höhepunkt“ der „panegyrische[n] Argumentation<br />

in bezug auf Stilicho“ überhaupt; vgl. auch Al. Cameron (1970)<br />

152f, der in der Unbeliebtheit von Marius in Senatskreisen und der des Pompeius<br />

bei der breiten Masse ein weiteres Moment der Überbietung zugunsten Stilichos<br />

erkennt.<br />

28 Marius in Claud. bellGet. 126; die gesamte Exemplareihe mit der Überbietung:<br />

124–139. In bellGet. 140–153 wird diese Reihe von in der römischen Geschichte<br />

überwundenen Gefahren fortgeführt und erweitert: Pyrrhus und alle seine Gegner<br />

vor Curius Dentatus, P. Decius Mus (vermutlich der jüngste Decius, Sohn bzw.<br />

Enkel der beiden anderen Decier, so Portmann [1988] 335) und Fabricius<br />

Luscinus sowie Hannibal und alle seine Gegner von Fabius Maximus Cunctator<br />

über Marcellus bis zu P. Cornelius Scipio d.Ä. (vgl. auch oben in Kap. 4.1.4)<br />

werden ebenfalls angeführt, um den Ausnahmecharakter von Stilichos Leistung<br />

zu belegen.<br />

29 Warum, begründet Claud. bellGet. 128 nicht näher, das Passiv (plus laudatur)<br />

deutet aber auf irgendeine Tradition hin, der sich Claudian entweder nur anschließen<br />

muß oder die er einfach als vorhanden hinstellt.


240 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

ten. 30 Ein Brief des Symmachus aus dem Jahr 375 scheint auf den Konflikt<br />

zwischen Sulla und Marius über die Rolle des jeweils anderen bei<br />

der Beendigung des Iugurthinischen Krieges Bezug zu nehmen.<br />

Symmachus, der sich nach dem erfolgreich beendeten proconsularischen<br />

Imperium in Afrika den Anfeindungen und dem Neid von, so ist<br />

zu vermuten, 31 Anhängern seines Nachfolgers Paulus Constantius ausgesetzt<br />

sah, reagiert darin auf die Ermunterung seines Briefpartners, sein<br />

Ungemach aequo animo zu tragen (Symm. epist. 9,115,1). Die Opponenten<br />

des Symmachus hatten mit Erfolg die Aufstellung einer Statue<br />

verhindert, mit der ihn der magister equitum Theodosius d.Ä. für die bei<br />

der Niederwerfung des maurischen Usurpators Firmus geleistete Unterstützung<br />

hatte ehren wollen. 32 Doch Symmachus läßt es sich, unter Hinweis<br />

auf zwei Exempla, nicht verdrießen: qui noverim Marcellorum<br />

monumenta sublata Verre praetore et Marianis trophaeis nequaquam<br />

manus invidas pepercisse? [...] nihil moror statuas et publica falsa<br />

titulorum (epist. 9,115,1). Dabei bezieht sich das erste Beispiel auf einen<br />

Fall von Diebstahl, der politisch überhaupt nicht mehr gegen den Sieger<br />

über Syrakus und Akragas M. Marcellus gerichtet sein konnte. 33 Mit den<br />

„Siegeszeichen des Marius“ dürfte hingegen eine Anspielung auf den<br />

von Sulla mit einigem Erfolg behaupteten Anspruch auf den Sieg über<br />

Iugurtha vorliegen. 34 Symmachus sieht demzufolge den Hauptanteil am<br />

Sieg bei Marius. Daß auch ein Marius um die Früchte seines Erfolges<br />

hatte betrogen werden sollen, scheint für Symmachus einen gewissen<br />

Trost zu bedeuten, es relativiert seine eigene Lage.<br />

30 Vgl. Sall. Iug. 111ff. Zum Anspruch Sullas auf den Sieg über Iugurtha bes. Plut.<br />

Sull. 3,8f u. Mar. 10,8f; ferner Val.Max. 8,14,4 (Kapitel De cupiditate gloriae).<br />

S. dazu auch Franz Fröhlich, s.v. L. Cornelius L.f.P.n. Sulla Felix 392, in: RE 4,1<br />

(1900) Sp.1522–1566, hier: 1525.<br />

31 Vgl. dazu und zum Folgenden Seeck, Symm. (1883) XLVIII. Symmachus spricht<br />

von aemulorum facta inproba und ingratorum foeda decreta (epist. 9,115,1).<br />

32 Zu den Beziehungen zwischen dem Heermeister Theodosius und Symmachus s.<br />

Matthews (1971); zu der von Theodosius 374 niedergeschlagenen Firmus-Usurpation<br />

Demandt (1989) 113f.<br />

33 Vgl. Cic. Verr. 2,1,11 mit 2,2,4.<br />

34 Zu den vielen Neidern des Marius vgl. unter den oben Anm.30 genannten Stellen<br />

bes. Plut. Mar. 10,8. Daß beide Besiegte, der bei Symmachus nicht genannte<br />

Firmus und Iugurtha, aus Afrika stammen unterstützt die im Text vorgeschlagene<br />

Deutung zusätzlich.


Marius und Sulla 241<br />

Die Umstände der Gefangennahme Iugurthas eröffnen einen gewissen<br />

Spielraum, wenn es darum geht, im nachhinein Sympathien auf Marius<br />

bzw. Sulla zu verteilen. Dies zeigt eine Gegenüberstellung von Eutrop<br />

und Claudian. Eutrop legt sich eindeutig zugunsten Sullas fest: 35 Im<br />

Iugurthinischen Krieg läßt er Marius erst in Erscheinung treten, als der<br />

Consul Q. Caecilius Metellus kurz vor dem endgültigen Durchbruch<br />

steht. Daß Metellus durch Marius um den greifbar nahen Sieg über<br />

Iugurtha gebracht worden sei, wird zwar allenfalls zwischen den Zeilen<br />

vertreten. 36 Aber es fällt Eutrop nach dieser Darstellung nicht mehr allzu<br />

schwer, Sullas Beitrag zum Erfolg ins rechte Licht zu rücken. Marius’<br />

eigener Anteil am Sieg über Iugurtha kann nicht mehr sonderlich groß<br />

ausfallen:<br />

aliquanta et ipse [sc. C. Marius] oppida Numidiae cepit belloque terminum<br />

posuit capto Iugurtha per quaestorem suum Cornelium Sullam, ingentem<br />

virum, tradente Boccho Iugurtham qui pro eo ante pugnaverat.<br />

(Eutr. 4,27,2).<br />

Verrat liegt also Eutrop zufolge nur auf seiten des Bocchus vor. Sulla ist<br />

dagegen ein ehrenwerter Mann ohne Tadel – keine Rede davon, daß er<br />

von einer List profitiert habe. 37 Umgekehrt erhebt Claudian (der Marius<br />

ausnehmend wohlgesinnt ist) genau diesen Vorwurf gegen Sulla. Einer<br />

in der Rede auf das sechste Consulat des Honorius auftretenden Roma<br />

dient Sulla als Muster für Verrat und Täuschung: Gildo sei fünf Jahre<br />

zuvor nicht Bocchi Syllaeque dolis (Claud. VI Hon. 383) gefangengenommen<br />

worden wie Iugurtha, sondern vi et armis (v.382). Daß der<br />

Quaestor Sulla diese kriegsentscheidende List unter dem Oberbefehlshaber<br />

Marius anwandte, bleibt hier wohl nicht nur um der Kürze willen<br />

unerwähnt, es würde auch nicht in das von Claudian erwünschte Mariusbild<br />

passen. Denn an anderer Stelle ist es bei Claudian, wie wir gesehen<br />

35 Ebenso wie Liv. perioch. 66.<br />

36 Eutr. 4,27,1: Iugurtham variis proeliis vicit [...]. et, cum iam finem bello positurus<br />

esset, successum est ei a C. Mario. Am Ende erwähnt Eutrop jedoch, daß<br />

Metellus doch noch zu seinem Recht kam und gemeinsam mit Marius einen<br />

Triumph feiern durfte (ebd. § 4).<br />

37 Festus 4 vermeidet auch in diesem Zusammenhang jede Verkomplizierung: Im<br />

Kapitel zu Roms Kriegen in Afrika ist es Marius, der Iugurtha gefangennimmt,<br />

Sulla bleibt in diesem Zusammenhang unerwähnt.


242 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

haben, gerade dieser mit Lug und Trug errungene Sieg über Iugurtha, der<br />

Marius uneingeschränkt zur Ehre gereicht.<br />

CRUDELITAS<br />

Die durchgehend positive Beurteilung des Marius und die Tatsache, daß<br />

er bei Claudian nirgends in den Kontext der Bürgerkriege gestellt wird,<br />

steht in deutlichem Kontrast zu den Äußerungen dieses Panegyrikers<br />

über Sulla. Sulla ist für ihn eine rundum niederträchtige Natur. Die Invektive<br />

gegen Rufinus von 396/397 38 stellt ihn gemeinsam mit Cinna in<br />

eine Reihe illustrer Exempla für Grausamkeit aus Mythologie und Geschichte<br />

wie z.B. Busiris und Phalaris. 39 Es folgt eine negative Überbietung<br />

– im Vergleich zu Rufinus scheinen die zuvor aufgelisteten Gestalten<br />

geradezu harmlos.<br />

Die Historia Augusta pflegt ein ähnlich negatives Sullabild. In drei der<br />

Viten ist der Name Sulla geradezu eine Metapher für Grausamkeit.<br />

Commodus, so teilt der Verfasser mit, sei unter anderem wegen seiner<br />

mörderischen Umtriebe von den Senatoren sarkastisch als Pius (H.A.<br />

Comm. 8,1) und schließlich sogar als ein „neuer Sulla“ bezeichnet worden.<br />

40 Der Leser ahnt daher vielleicht schon, was noch kommen mag,<br />

wenn er erfährt, daß der porträtierte Caracalla die geschichtlichen Gestalten<br />

Tiberius und Sulla gerühmt habe. 41 In der Tat: Nach einer Schilderung<br />

der zahlreichen Bluttaten des Caracalla folgt deutlich der Hin-<br />

38 Ausführlich zum Hintergrund der Rede Döpp, Zeitgeschichte (1980) 85–101.<br />

39 Sulla und Cinna in Claud. Ruf. 1,253 u. 255; die gesamte Exemplakette: 1,251–<br />

256. Busiris, Sohn des Poseidon, opfert auf seinem Altar alle Fremden, die ihm in<br />

die Hände fallen. Herakles vermag ihn schließlich zu beseitigen, vgl. Friedrich<br />

Hiller von Gaertringen, s.v. Busiris 5, in: RE 3,1 (1897) Sp.1074–1077. Die einzigen<br />

historischen Persönlichkeiten in Claudians Exemplakette neben Sulla und<br />

Cinna sind Phalaris, Tyrann von Akragas (Mitte 6. Jh. v.Chr.) und Auftraggeber<br />

für den berüchtigten „tönenden Stier“, und Spartacus. Sulla und Phalaris sind<br />

beide bei Val.Max. 9,2 (Kapitel De crudelitate) verzeichnet, Sulla ebd. § 1 mit<br />

umfangreichem „Sündenregister“, Phalaris ebd. 9,2, ext.9. Eine Abhängigkeit<br />

kann aber weder von Valerius Maximus noch von anderer Seite her nachgewiesen<br />

werden, zumindest Phalaris und Busiris werden häufig in einem Atemzug genannt,<br />

s. Döpp, Zeitgeschichte (1980) 86 Anm.4.<br />

40 H.A. Comm. 8,1: cum occidisset Perennem, appellatus est Felix, inter plurimas<br />

caedes multorum civium quasi quidam novus Sylla.<br />

41 H.A. Carac. 2,2.


Marius und Sulla 243<br />

weis auf eine zwischen dem Kaiser und Sulla bestehende Geistesverwandtschaft.<br />

42 Im Gegensatz dazu wirkt es wie ein Pluspunkt für<br />

Pescennius Niger, daß Marius sein großes Vorbild als Feldherr gewesen<br />

sein soll. 43<br />

Doch muß zwischen unterschiedlichen Rückbezügen auf Marius und<br />

Sulla in der Pescenniusbiographie wie in der Historia Augusta überhaupt<br />

differenziert werden. Denn in der gleichen Vita erwirbt Septimius<br />

Severus sich den traurigen Ruf nicht nur eines „punischen Sulla“, sondern<br />

auch eines „Marius“ (H.A. Pesc. 6,4) – er hatte blutige Säuberungen<br />

im Kreise der römischen Senatoren durchgeführt, als sich der Bürgerkrieg<br />

zwischen ihm und dem Usurpator Pescennius Niger zuspitzte. 44 Es<br />

stellt sich deshalb die Frage, ob der Autor der Historia Augusta ein einheitliches<br />

Bild von Marius hat.<br />

Für die Pescenniusvita ist festzuhalten, daß der Topos vom grausamen<br />

Wüterich Sulla allein mit Septimius Severus in Verbindung gebracht<br />

wird und sich nicht gegen den eigentlich Porträtierten richtet. Auch kann<br />

die am Ende der Vita ausführlich gerühmte Feldherrenkunst des Marius<br />

durch den Grausamkeitsvorwurf, so wie er sich hier präsentiert, nicht<br />

entscheidend geschmälert werden. Schließlich ist es der vom Verfasser<br />

der Vita sehr wohlwollend beurteilte Pescennius Niger, der sich für<br />

Marius begeistert. 45 Umgekehrt handelt es sich lediglich um die Meinungsäußerung<br />

einer nicht näher bestimmbaren Menge, wenn Marius<br />

ohne Unterschied zu Sulla als grausam hingestellt wird. Ambivalent ist<br />

die Haltung des Kaiserbiographen gegenüber Marius auch in der Vita<br />

des Avidius Cassius, der sich 175 gegen Marc Aurel erhoben hatte. Über<br />

den Drill, dem der als grausam geschilderte Usurpator seine Soldaten<br />

42<br />

H.A. Carac. 4,10: saepe in senatum, saepe in populum superbe invectus est aut<br />

edictis propositis aut orationibus editis, Syllam se etiam ostendens futurum. Die<br />

Passage 2,4–5,2, in der dieser Satz, fällt stellt ein wahres Sündenregister des<br />

Caracalla dar, in dem sich ein Gewaltverbrechen ans andere reiht; vgl. dazu<br />

außerdem 5,7; 6,3 u. 11,5.<br />

43<br />

H.A. Pesc. 12,1 u. 11,1–5.<br />

44<br />

H.A. Pesc. 6,4: tunc cum innumeros senatores interemit Severus et ab aliis Syllae<br />

Punici, ab aliis Marii nomen accepit.<br />

45<br />

Pescennius ruft z.B. selbst einen Panegyriker dazu auf, laudes Marii zu schreiben<br />

(H.A. Pesc. 11,5).


244 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

aussetzte, heißt es: „Übrigens hielt Avidius Cassius unentwegt Manneszucht<br />

als einer, der ein Marius heißen wollte.“ (H.A. Avid. 3,8). 46<br />

Gleich, welche Vorstellung von Marius hierbei zugrunde gelegt wird –<br />

die Ironie der eben zitierten Bemerkung liegt in der Vergeblichkeit von<br />

Avidius’ Versuch, sein Vorbild zu erreichen. Vorausgesetzt werden darf,<br />

daß der Usurpator einer Eigenschaft des Marius nachgeeifert hat, die sowohl<br />

er als auch der Verfasser der Biographie als positiv empfinden.<br />

Gemeint sind wohl – das legt der Kontext der Stelle nahe – die besonderen<br />

militärischen Führungsqualitäten des Marius, der es verstand, seine<br />

Soldaten besonders fest an sich zu binden. 47 Darin allerdings ist Avidius<br />

Cassius im wesentlichen gescheitert. Den Soldaten gegenüber legt er,<br />

wie wir im folgenden erfahren, eine extreme Härte an den Tag. Disziplin<br />

verschafft er sich, anders als Marius, durch drakonische Strafen. 48<br />

Allerdings ist Grausamkeit eine Eigenschaft, die auch Marius nachgesagt<br />

wird, nicht im Umgang mit seinen Soldaten, wohl aber im Umgang<br />

mit seinen Mitbürgern in der Zeit des Bürgerkrieges. Diesen Zusammenhang<br />

stellt die Historia Augusta auch selbst her. In unmittelbarem Anschluß<br />

an die oben wiedergegebene Bemerkung fährt der Autor fort:<br />

„Doch damit haben wir bereits auf seine [sc. Avidius Cassius’] Strenge<br />

angespielt; es bestehen Anzeichen, die eher Grausamkeit als Strenge verraten.“<br />

(H.A. Avid. 4,1). 49 In letzter Instanz bleibt es dann jedoch dem<br />

Leser überlassen, darüber zu urteilen, ob Avidius Cassius mit seiner<br />

Marius-imitatio gescheitert ist oder ob er mit ihr doch, auf unbeabsichtigte<br />

Weise, Erfolg hatte. 50<br />

46<br />

Übers. Hohl – fuit praeterea disciplinae militaris Avidius Cassius tenax et qui se<br />

Marium dici vellet. Negativ zu Buche schlägt für Avidius, den manche einen<br />

Catilina nennen (H.A. Avid. 3,5), neben seiner Grausamkeit und übertriebenen<br />

Strenge (4,1–6; 5,2f; 13,9) auch ein schon frühzeitig an den Tag gelegtes Streben<br />

nach tyrannis (1,4–2,8; hier bes. 1,5).<br />

47<br />

Vgl. Plut. Mar. 7,3–6; Sall. Iug. 100,3ff; dazu auch weiter unten.<br />

48<br />

Zum militärischen Führungsstil des Avidius Cassius H.A. Avid. 4ff; vgl. dagegen<br />

Sall. Iug. 100,5 über Marius.<br />

49<br />

Übers. Hohl – Quoniam de severitate illius dicere coepimus, multa extant<br />

crudelitatis potius quam severitatis eius indicia.<br />

50<br />

Die Entscheidung hierüber fällt schwerer, als es nach den Ausführungen im Text<br />

scheint. Denn am Ende der Biographie wiederholt der Autor zwar nochmals sein<br />

Urteil über die crudelitas des Usurpators, behauptet dann aber vollkommen über-


Marius und Sulla 245<br />

EIN NEUER TYP VON HEERFÜHRER<br />

Das Zeitalter der „Römischen Revolution“ ist durch einen neuen Typ<br />

von Heerführer gekennzeichnet, der in einer besonders engen und langfristigen<br />

Bindung zu seinen Soldaten steht – dies der Hintergrund des<br />

zuletzt behandelten Exemplums. Es war die auf gegenseitigem Geben<br />

und Nehmen beruhende Heeresclientel, die einzelnen erst die Möglichkeit<br />

eröffnete, einen Bürgerkrieg gegen den Rest der römischen Gesellschaft<br />

zu führen. An der Entstehung des neuen Feldherrntypus haben<br />

Marius und Sulla entscheidenden Anteil gehabt. 51 Auf ihren Stil im Umgang<br />

mit den ihnen treu ergebenen Truppen wird außer an der soeben<br />

behandelten Stelle noch öfter Bezug genommen.<br />

Laut Auskunft der Historia Augusta verhielt sich auch Pescennius<br />

Niger sehr streng gegenüber seinen Soldaten. Anders als Avidius Cassius<br />

verdient er dafür aber nach Einschätzung des Kaiserbiographen keinen<br />

Tadel, denn bei seinen Maßnahmen läßt Pescennius Niger sich von Gerechtigkeit<br />

leiten. Darüber hinaus legt er auch mehr Milde an den Tag als<br />

Avidius Cassius. 52 Vor allem aber begnügt sich Pescennius im Felde mit<br />

dem Essen der einfachen Soldaten, er verzichtet ihnen gegenüber auf alle<br />

Erleichterungen oder Privilegien – ganz wie Marius. 53 Der Kaiserbiograph<br />

stimmt denn auch völlig mit Pescennius Niger überein, wenn der<br />

von sich behauptet, se, quamdiu in expeditionibus fuisset essetque adhuc<br />

futurus, non aliter egisse acturumque esse quam militem, Marium ante<br />

oculos habentem et duces tales. (H.A. Pesc. 11,3). 54<br />

raschend, daß Avidius Cassius, wäre er doch an die Regierung gelangt, ein milder<br />

und ausgezeichneter Kaiser geworden wäre (H.A. Avid. 13,9f).<br />

51 Die neuen Clientelverhältnisse sind v.a. eine Folge von Marius’ Heeresreform.<br />

Dieser war im Iugurthinischen und im Cimbrischen Krieg dazu übergegangen,<br />

mittellose Proletarier als Soldaten anzuwerben, womit er ihnen zugleich zu einer<br />

Existenz verhalf. Die Konsequenzen aus dieser und anderen, damit verbundenen<br />

Entwicklungen, etwa das Problem der Veteranenansiedlung oder das zunehmende<br />

Auftrumpfen von Einzelpersönlichkeiten in Politik und Militär, reichen bis hinab<br />

in die Principatszeit. Darauf näher einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit<br />

sprengen. Hier müssen einige Hinweise genügen: Heuß (1987) 160; Bleicken,<br />

Geschichte (1992) 189f; s. darüber hinaus Meier (1997) 100–107, 239ff. Grundsätzliche<br />

Kritik am Konzept der Heeresclientel übt Flaig (1992) 100f u. 168–173.<br />

52 H.A. Pesc. 10; zu Avidius Cassius s. oben.<br />

53 Zur Genügsamkeit des Marius im Krieg s. die oben Anm.47 genannten Stellen.<br />

54 Außer an Marius denkt Pescennius hier außerdem noch besonders an Hannibal,<br />

vgl. den gesamten Abschnitt H.A. Pesc. 11,1–5 sowie 12,1.


246 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Bei Ammian ist es Sulla, dem über ein Exemplum militärische Führungsqualitäten<br />

bescheinigt werden. Zunächst ist von Iulian die Rede,<br />

der es während der Alamannenschlacht bei Straßburg (357) geschafft<br />

hatte, eine zum Teil schon fliehende Reiterei mit viel Einfühlungsvermögen,<br />

reverenter dicendo, noch einmal auf den Kampfplatz zurückzubewegen<br />

(Amm. 16,12,41). 55 Dies nimmt Ammian zum Anlaß für einen<br />

Vergleich mit Sulla, der, im Kampf gegen Archelaos, den Feldherrn des<br />

Mithridates, mit einer ähnlichen Situation konfrontiert war und ebenfalls<br />

seine Soldaten von der Desertion abhalten konnte. 56 Am Mut, mit dem<br />

Sulla voranprescht, wodurch er seine Soldaten wieder zurück in die<br />

Schlacht bewegt, kann es keinen Zweifel geben. Ammian vermerkt ausdrücklich,<br />

daß Iulian Sullas Vorbild gefolgt sei. Dennoch ist es für<br />

Ammian klar der Kaiser, der Sulla und sein schneidiges Auftreten überbietet.<br />

Beide Feldherren unterscheiden sich merklich voneinander in der<br />

Art der Menschenführung. Es sind in erster Linie die wörtlichen Zitate,<br />

über die Ammian erkennen läßt, daß er Iulians Aufruf an die Soldaten<br />

für maßvoller und angebrachter hält als das von Sulla zur Schau gestellte<br />

Draufgängertum. 57 Mit viel Einfühlungsvermögen meidet Iulian in seinen<br />

Worten alles, was die sich ängstigenden Reiter in irgendeiner Weise<br />

davon abhalten könnte, ihm zu folgen und noch einmal mit ihm auf das<br />

Schlachtfeld zurückzukehren.<br />

Die große Nähe zwischen Feldherr und Soldaten in der späten Republik<br />

ist freilich nicht nur Ausgangspunkt für wohlwollende geschichtliche<br />

Vergleiche. Sulla ist unter anderem auch als „der große Heeresverderber<br />

[...] in die römische Geschichte eingegangen“. 58 An entsprechende<br />

Vorwürfe knüpft die Historia Augusta an, die bemerkt, Caracalla<br />

habe seine Soldaten in Raetien nach Art Sullas durch Geschenke motiviert.<br />

59 Daß der Autor den Sullabezug nicht als lobende Erwähnung verstanden<br />

wissen möchte, liegt auf der Hand, auch wenn im Kontext dieser<br />

55<br />

Vgl. auch Amm. 16,12,40: eosdem lenius increpans. Zu der Begebenheit während<br />

der Alamannenschlacht im Jahr 357 auch Lib. or. 18,58f; eine andere Version<br />

bei Zos. 3,3,4f.<br />

56<br />

Vgl. Plut. Sull. 21,3f.<br />

57<br />

Amm. 16,12,41 stellt zu Iulian fest: imitatus salva differentia veterem Sullam.<br />

58<br />

Meier (1997) 240 (ebenso Fröhlich [Anm.30], RE 4,1, Sp.1534) mit Sall. Catil.<br />

11,5f u. Plut. Sull. 12,11–14.<br />

59<br />

H.A. Carac. 5,4: militesque suos quasi Syllae milites et cohortatus est et donavit.


Marius und Sulla 247<br />

Erwähnung Sullas die Erfolge des Caracalla über die Barbaren thematisiert<br />

werden. Denn zuvor hat der Biograph den Porträtierten gerade in<br />

der langen Passage, in der er die Missetaten Caracallas aufgelistet hat,<br />

zweimal mit dem Namen Sulla in Verbindung gebracht. 60<br />

Wenn sich gerade die Historia Augusta und Ammian mit Exempla auf<br />

das enge Verhältnis zwischen Marius, Sulla und ihren Soldaten bezogen<br />

haben, so ist das wohl kein Zufall – bei Ammian, weil es ihn selbst als<br />

Offizier besonders interessiert haben dürfte, im Fall der Historia<br />

Augusta, weil sie mehrheitlich Soldatenkaiser porträtiert. Dabei hat das<br />

enge Verhältnis zwischen Feldherr und Truppen durchaus auch Kritik<br />

hervorgerufen. Die eben behandelten Stellen aus der Historia Augusta<br />

lassen daher Präferenzen sowohl für als auch gegen Marius bzw. Sulla<br />

erkennen. Der Bürgerkrieg jedoch spielt im Kontext dieser Stellen allenfalls<br />

eine mittelbare, nicht direkt zu greifende Rolle.<br />

BÜRGERKRIEG: <strong>DER</strong> UNBESCHOLTENE MARIUS<br />

In der nichtchristlichen Literatur unseres Untersuchungszeitraums ist es<br />

einzig und allein der Panegyriker Pacatus, der Marius, Sulla und einige<br />

andere Protagonisten aus dem Zeitalter der republikanischen Bürgerkriege<br />

gemeinsam zum Gegenstand seiner Betrachtungen macht, ohne<br />

daß er einen unter ihnen besonders, im Guten oder Schlechten, hervorheben<br />

würde. Vielmehr dienen die Genannten gemeinsam als Exempla<br />

für Grausamkeit, als Pacatus im Jahre 389 die Milde des Theodosius<br />

nach dem Bürgerkrieg gegen Maximus preist. Der Kaiser habe sich<br />

wohltuend von ihnen und ihrem Verhalten abgehoben, Roma sei im Gegensatz<br />

zu früher viel Leid erspart geblieben. 61<br />

60<br />

H.A. Carac. 2,4–5,2 verfolgt eine einzige Blutspur, angefangen mit dem Brudermord<br />

an Geta; s. auch oben S.242.<br />

61<br />

Pan.Lat. 2 (12),46,1: Tu, quae experta Cinnanos furores et Marium post exsilia<br />

crudelem et Sullam tua clade Felicem et Caesarem in mortuos misericordem ad<br />

omne civilis motus classicum tremescebas; s. auch den gesamten Abschnitt 45,6–<br />

46,3. Ähnlich schon 313 nach dem Bürgerkrieg gegen Maxentius mit Bezug auf<br />

Constantin auf der einen und Cinna, Marius und Sulla auf der anderen Seite:<br />

Pan.Lat. 12 (9),20,3–21,1.<br />

Die Epitome de Caesaribus greift möglicherweise unmittelbar auf die eben zitierte<br />

Pacatusstelle zurück, wenn sie über Theodosius’ Interesse an den maiorum<br />

gesta berichtet: E quibus non desinebat exsecrari, quorum facta superba crudelia


248 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Ammian bezieht sich nur mit einem Exemplum konkret auf die Situation<br />

der Bürgerkriege. In einem Kapitel, das von der Grausamkeit und<br />

fehlenden Milde des 375 verstorbenen Valentinian I. handelt, stellt er der<br />

Aviditas plus habendi (Amm. 30,8,8) des Kaisers das Verhalten der römischen<br />

Plebs zur Zeit von Cinna und Marius als eines von vielen<br />

exempla continentiae (30,8,9) gegenüber. 62 Bezeichnend ist die Charakterisierung<br />

des Exemplums als „feststehend“. Es sei deshalb in voller<br />

Länge wiedergegeben:<br />

Aber ich will ein feststehendes Musterbeispiel aus der Reihe von vielen für<br />

die Rechtschaffenheit der Menge in alter Zeit anführen. Als Marius und<br />

Cinna die reichen Häuser der Geächteten der römischen Plebs zur Plünderung<br />

überließen, verfuhr das ungebildete Volk, das gleichwohl Rücksicht auf<br />

menschliches Schicksal zu nehmen gewohnt war, schonend mit der Frucht<br />

fremder Arbeit, und es fand sich niemand, auch wenn er noch so bedürftig<br />

oder verkommen war, der sich angemaßt hätte, einen an sich zugestandenen<br />

Vorteil aus dem Leid des Bürgerzwistes zu ziehen.<br />

(Amm. 30,8,9). 63<br />

Deutlich ist, daß das Vorgehen von Marius und Cinna, die beide vergeblich<br />

auf die cupiditas der Plebs gesetzt hatten, hier nur mittelbar einen<br />

Vergleichspunkt zu der an Valentinian I. kritisierten Eigenschaft darstellt.<br />

Eine persönliche Bereicherungsabsicht der Kriegführenden, die<br />

sich als geeigneter Kontrast zu dem vorangegangenen Themistokles-<br />

Exemplum und als direkte Parallele zu Valentinian anböte, deutet<br />

Ammian mit keiner Silbe an. Direkt aufeinander bezogen erscheinen<br />

libertatique infesta legerat, ut Cinnam Marium Syllamque atque universos<br />

dominantium, praecipue tamen perfidos et ingratos. (Aur.Vict. Epit. 48,12).<br />

Theodosius hat „offensichtlich in der Geschichte eine exempla-Sammlung für<br />

Herrschertugenden und Tyrannenwillkür gesehen“, so Schlange-Schöningen<br />

(1995) 23.<br />

62 Namentlich aufgeführt wird aber nur Themistokles, der es von sich gewiesen<br />

hatte, als Feldherr selbst Beute zu machen, s. Amm. 30,8,8. Zu Beginn von § 9<br />

weist Ammian nur global darauf hin, daß solche Beispiele in Fülle auch von römischen<br />

Feldherren erzählt werden könnten. Bei ihnen sei solches Verhalten<br />

indes eine Selbstverständlichkeit, daher der nun folgende Hinweis auf das Verhalten<br />

der römischen Plebs.<br />

63 Übers. Seyfarth – unum ex multis constans innocentiae vulgi veteris specimen<br />

ponam. cum proscriptorum locupletes domus diripiendas Romanae plebei Marius<br />

dedisset et Cinna, ita vulgi rudes animi, sed humana soliti respectare alienis<br />

laboribus pepercerunt, ut nullus egens repperiretur aut infimus, qui de civili luctu<br />

fructum contrectare pateretur sibi consessum.


Marius und Sulla 249<br />

stattdessen das Verhalten des Kaisers und das der Plebs, und zwar als<br />

Gegensatz: Bedingt durch sein moralisches Empfinden hatte das einfache<br />

Volk früherer Tage die sich bietende Gelegenheit zur Bereicherung<br />

nicht ausgenutzt, anders als Valentinian.<br />

Die Wiedergabe des Exemplums ist in Aufbau und Wortgebrauch eng<br />

an Valerius Maximus angelehnt – umso signifikanter die Unterschiede:<br />

Ammian legt im Unterschied zu seiner Vorlage auf eine Akzentuierung<br />

des fehlgeschlagenen Kalküls von Marius und Cinna keinen Wert. 64 Das<br />

entspricht seiner Neigung, die Zeit der Republik insgesamt „als eine Periode<br />

gleichbleibender Sittengröße“ zu zeichnen. 65 Die beiden Bürgerkriegsteilnehmer<br />

sind so auf ein bloßes Mittel zur Zeitangabe reduziert.<br />

Den Eindruck, daß es sich hier überhaupt um ein Exemplum von<br />

Cinna und Marius handeln könnte, sucht Ammian tunlichst zu vermeiden.<br />

Strenggenommen ist ihm das auch geglückt, wenngleich auch er<br />

nicht darüber hinweggehen kann, daß es Marius und Cinna waren, die<br />

dem Volk die Erlaubnis zum Plündern gegeben hatten. Der Schwerpunkt<br />

von Ammians Darstellung liegt auf dem humanen Verhalten eines<br />

Volkshaufens, der durch einen von Valerius Maximus abweichenden<br />

Wortgebrauch als ein wenig tumb (rudes animi) gezeichnet ist. 66 Aber<br />

64 S. Val.Max. 4,3,14 (Kapitel De abstinentia et continentia); Valerius verteilt bei<br />

der Wiedergabe dieses Exemplums Lob und Tadel gleichermaßen, wenn er die<br />

abstinentia populi Romani mirifica als „stillschweigenden Vorwurf“ gegen die<br />

Kriegführenden deutet: Quae quidem tam misericors continentia plebis tacitum<br />

crudelium victorum convicium fuit.<br />

Anders als von Amm. 30,8,9 u. Val.Max. 4,3,14 behauptet, hat genaugenommen<br />

erst Sulla Proscriptionen durchgeführt; näher dazu unten Anm.74.<br />

65 Demandt (1965) 128. Erkennbar ist dies auch an Ammians Bild von Caesar, das<br />

auf Schattenlinien nicht völlig verzichten kann (ambivalente Äußerungen über<br />

dessen Grausamkeit; s. unten 4.2.2), wie an Ammians Tendenz (die er mit Livius<br />

teilt), Niederlagen in dieser Zeit – anders als solche in seiner eigenen Gegenwart<br />

– zu beschönigen, s. Demandt (1965) 127.<br />

66 Val.Max. 4,3,14 spricht zwar ebenfalls von vulgus und plebs, leitet sein Exemplum<br />

aber mit dem wohlwollenderen, weil Herabwürdigung ausschließenden<br />

populus Romanus ein. Besonders auffällig ist die Geringschätzung für die zeitgenössische<br />

Plebs auch innerhalb des zweiten Romexkurses, Amm. 28,4,28–34:<br />

Auch hier wird ihr die vetus illa plebs gegenübergestellt (28,4,32). Die Betonung<br />

der geringen Bildung der Volksmassen durch Ammian ist vor dem Hintergrund<br />

zu sehen, daß der Offizier griechischer Herkunft “certainly a snob” war, für den<br />

Bildung nahezu den einzigen Weg zu sozialem Aufstieg darstellte, s. Blockley<br />

(1975) 159 mit Stellenangaben zur Hochschätzung von Bildung bei Ammian


250 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

auch den Eindruck, es habe sich um Exzesse eines Bürgerkrieges gehandelt,<br />

denen immerhin noch ein gewisser Ausnahmecharakter zugesprochen<br />

werden könnte, sucht Ammian von vornherein zu vermeiden. Er<br />

will nicht zuviel Schatten auf das aus der republikanischen Vergangenheit<br />

strahlende Licht fallen lassen.<br />

Soweit es Marius betrifft, stellt diese Zurückhaltung im Urteil keine<br />

Besonderheit innerhalb der spätantiken Literatur dar. Claudian etwa, der<br />

insgesamt fünfmal auf Marius zu sprechen kommt, bringt ihn kein einziges<br />

Mal mit den Bürgerkriegen in Verbindung. Sulla hingegen dient ihm<br />

zweimal als Exemplum für Grausamkeit. Dieses Anlegen von zweierlei<br />

Maß stellt ein „conventional (and unhistorical) assessment of the two<br />

men“ dar, das nicht Claudians Feder entsprungen ist, sondern in der ganzen<br />

Kaiserzeit gängig war 67 und sich so schon bei Cicero, der um das<br />

Jahr 60 v.Chr. ein nicht erhaltenes Epos über Marius schrieb, und in<br />

Sallusts Bellum Iugurthinum findet. 68 Daß die Primärüberlieferung zu<br />

Marius ursprünglich von den Erinnerungen Sullas und anderer seiner<br />

Gegner wie Catulus ausschließlich und negativ beherrscht worden war, 69<br />

daß sich von dieser sullafreundlichen Sicht aber in der späteren Geschichtsschreibung<br />

kaum etwas erhalten hat, 70 sei hier als Phänomen<br />

(zusätzlich heranzuziehen sind Amm. 28,4,15 u. 30,4,17), die allenthalben zu beobachten<br />

ist; zum Verhältnis des Historiographen Ammian zur Geschichte und zu<br />

historischer Bildung an sich s. auch die Belege bei Demandt (1965) 11 Anm.2ff.<br />

67 Al. Cameron (1970) 338, ebd. auch: “By a curious whim of posterity, Sulla was a<br />

monster of cruelty to the Imperial age, while Marius, guilty of proscriptions far<br />

worse than Sulla’s, was the hero of the day.” Umfangreiches Belegmaterial zu<br />

diesem Phänomen hat Litchfield (1914) 50ff zusammengetragen; zu dem Erklärungsversuch<br />

von Evans (1994) 11f unten im Text.<br />

Zu der von Cameron außer acht gelassenen Unterscheidung von Verfolgung und<br />

Proscription s. unten Anm.74.<br />

68 S. dazu Weynand [Anm.5], RE Suppl. 6, Sp.1363f. Zur Bedeutung Ciceros für die<br />

weitere Marius-Rezeption Carney (1970) 4: “his bias – generally favourable –<br />

usefully off-sets the hostility of the greater part of the tradition”; diesbezüglich<br />

zurückhaltender Diehl (1988) 223ff, der ebd. 120–125 gleichwohl wichtige Aussagen<br />

Ciceros zusammenstellt, die eine Bevorzugung des Marius gegenüber Sulla<br />

erkennen lassen. Über die weitere Entwicklung der Urteile über Marius und Sulla<br />

bis ins 4. Jh. n.Chr. Carney (1970) 4ff.<br />

69 Carney (1970) 4 Anm.13 faßt zusammen: “The primary tradition was thus uniformly<br />

hostile to M[arius].” S. auch ebd. 3f u. Evans (1994) 6f.<br />

70 Diehl (1988) 225 spricht von einem „monströsen Sulla-Mythos, der in unser Geschichtsbewußtsein<br />

eingegangen ist“. Ganz ungemildert kommt dieser noch in


Marius und Sulla 251<br />

lediglich erwähnt, ohne daß darauf im Rahmen unserer Untersuchung<br />

näher eingegangen werden soll.<br />

<strong>DIE</strong> PROSCRIPTIONEN<br />

Das Breviarium De viris illustribus liegt ganz auf dieser Linie. Sulla<br />

wird als Erfinder der Proscriptionen benannt, das Niedermetzeln von<br />

9 000 Soldaten, die sich ergeben hatten, wird ausdrücklich erwähnt. 71<br />

Zwar wird auch Marius als grausam charakterisiert, vom Autor wird dies<br />

allerdings nicht weiter vertieft. 72 Eutrop bildet mit seiner sullafreundlichen<br />

Darstellung wie schon angedeutet eine Ausnahme. Das gilt vor<br />

allem im Hinblick auf den Bürgerkrieg: Sulla trifft nur ein Hauch von<br />

Kritik, 73 Marius dagegen alle Schuld am Ausbruch des Krieges. Ausdrücklich<br />

erhebt Eutrop den (genaugenommen nicht gerechtfertigten)<br />

Vorwurf gegen Marius wie auch gegen Cinna, Proscriptionen durchgeführt<br />

zu haben. 74 Nicht nur rückt Sulla in diesem Zusammenhang in die<br />

Rolle eines Opfers, er wird im Breviarium des Eutrop sogar überhaupt<br />

nicht mit diesem von ihm eingeführten Terrorinstrument in Verbindung<br />

Franz Fröhlichs RE-Artikel aus dem Jahr 1900 ([Anm.30], RE 4,1, Sp.1565f) zum<br />

Ausdruck, wogegen Urteile aus jüngerer Zeit deutlicher um Differenzierung bemüht<br />

sind, vgl. Walter Eder, s.v. Cornelius Sulla Felix, L., in: DNP 3 (1997)<br />

Sp.186–190, hier: 188 u. 190 („Eine abschließende Bewertung der Person und<br />

Leistung Sullas ist kaum möglich“).<br />

71<br />

Vir.ill. 75,10: Proscriptionis tabulas primus proposuit. Novem milia dediticiorum<br />

in villa publica cecidit. Die Formulierung lehnt sich eng an Liv. perioch. 88,2 an:<br />

VIII dediticiorum in villa publica trucidavit; tabulam proscriptionis posuit.<br />

72<br />

Marius’ Sohn sei dem Vater saevitia similis gewesen, heißt es in Vir.ill. 68,2. Das<br />

wird beim Sohn ebd. auch begründet, während das dem Vater gewidmete Kapitel<br />

67 über diese angebliche Eigenschaft des älteren nichts verlauten läßt.<br />

73<br />

Negativ für Sulla schlägt allenfalls zu Buche, daß seine Soldaten am Collinischen<br />

Tor insatiabili ira victorum diejenigen, die sich nicht ergeben haben, vernichten<br />

(Eutr. 5,8,1). Daß Sulla geradezu „zum Bürgerkrieg eilt“ (ad bellum civile<br />

festinans – 5,7,2) ist in Eutrops Augen nur angebracht: Sulla ist noch in Kleinasien,<br />

als Marius und Cinna bereits in Rom wüten, zudem wird er vom Senat um<br />

Hilfe gebeten (5,7,3f).<br />

74<br />

Sofern nicht auch die Rache an alten Gegnern unter dem Begriff subsumiert wird,<br />

war es erst Sulla, der 82/81 v.Chr. „Proscriptionen“ durchgeführt hat; zu dieser<br />

Unterscheidung Meier (1997) 253f sowie Manfred Fuhrmann, s.v. proscriptio, in:<br />

RE 23,2 (1959) Sp.2440–2444, hier: 2441f.


252 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

gebracht. 75 Damit steht Eutrop im Gegensatz zum Großteil der sonstigen<br />

Überlieferung.<br />

Als exemplum virtutis begegnet Sulla ansonsten nur bei Ammian. Er<br />

wählt allein solche Facetten an Sulla aus, die diesen nicht in die Nähe<br />

der Bürgerkriege rücken und damit den Zuhörer oder Leser auch gar<br />

nicht erst an die dunklen Seiten der Republik erinnern. Das hohe Ansehen<br />

dieser Zeit wird so in Ammians Geschichtsdarstellung zu keinem<br />

Zeitpunkt ernstlich in Frage gestellt. Zu Sulla fallen dem Historiker nur<br />

dessen Führungsqualitäten in einer ausweglos scheinenden Situation<br />

während des Mithridatischen Krieges ein, 76 ferner die während seiner<br />

Dictatur erlassenen Sittengesetze gegen Aufwand. Diese, auf Sprüchen<br />

des Spartaners Lykurg beruhend, habe erst Sulla nach und nach wiederhergestellt.<br />

Ammian erwähnt dies ohne weiteren Kommentar. Die alten<br />

Sitten, deren Einhaltung die sullanische Gesetzgebung gefordert habe,<br />

seien für Iulian Leitschnur einer von temperantia geprägten Lebensführung<br />

gewesen. 77<br />

Daß Sulla selbst nicht immer so lebte, 78 erwähnt Ammian nicht, wohl<br />

aber Pacatus 79 und Macrobius. Was als Antiaufwandsgesetz ausgegeben<br />

worden sei, sei geradewegs das Gegenteil davon gewesen, so Furius<br />

Albinus in den „Saturnalien“. Nicht nur habe Sulla die erlesensten, zu<br />

Macrobius’ Zeit unbekannten Delikatessen zugelassen, mit der lex<br />

Cornelia sumptuaria sei auch noch Sorge dafür getragen worden, daß<br />

75<br />

Eutr. 5,7,3: Marius [...] et Cornelius Cinna [...] nobilissimos e senatu et<br />

consulares viros interfecerunt, multos proscripserunt, ipsius Sullae domo eversa<br />

filios et uxorem ad fugam conpulerunt.<br />

76<br />

Amm. 16,12,41; dazu oben S.246.<br />

77<br />

Amm. 16,5,1.<br />

78<br />

Plut. Sull. 35,3f weist darauf hin, daß Sulla sich an die von ihm erlassenen Gesetze<br />

zur Aufrechterhaltung der Sitten und gegen den Speiseluxus nicht gehalten<br />

hat. Hinzu kommen die Ausschweifungen des jungen Sulla, s. Sall. Iug. 95,3;<br />

Val.Max. 6,9,6 (Kapitel De mutatione morum aut fortunae); Plut. Sull. 2,3–6 sowie<br />

Pan.Lat. 2 (12),7,4 (dazu nachfolgend).<br />

79<br />

Pan.Lat. 2 (12),7,4 enthält eine milde Kritik des Pacatus an (später überwundenen)<br />

Jugendsünden von Sulla, Catulus und Scipio Africanus d.Ä., die der Bedeutung<br />

dieser Feldherren für Rom letztlich keinen Abbruch getan hätten (dazu<br />

mit Zitat oben in Kap. 4.1.4).


Marius und Sulla 253<br />

diese Luxusgüter für möglichst viele erschwinglich geblieben seien. 80<br />

Ebenfalls nicht unbedingt vereinbar mit der von Ammian an Iulian gerühmten<br />

temperantia wäre sicher gewesen, daß ein Mann vom Format<br />

Sullas sich als besonders guter Sänger hervortue, etwas, das Furius<br />

Albinus in den Saturnalia ebenfalls erwähnt. 81<br />

Um auf die Vorüberlegungen am Anfang des Kapitels zurückzukommen:<br />

Marius und Sulla werden in der von Nichtchristen verfaßten Literatur<br />

der Spätantike verhältnismäßig selten in Zusammenhang mit dem<br />

Bürgerkrieg gebracht. Das Thema wird, von den Breviarien einmal abgesehen,<br />

weitgehend gemieden. Unter den bis hier untersuchten Autoren<br />

stellt allein Pacatus Überlegungen darüber an, inwieweit eine Bürgerkriegssituation<br />

in der Gegenwart mit derjenigen zur Zeit von Marius und<br />

Sulla vergleichbar ist – mit negativem Ergebnis.<br />

Alles in allem wird Marius in eher hellerem Licht gesehen als Sulla.<br />

Daß es einmal anders war, ist auf einen Wandel der Perspektive in der<br />

frühen Kaiserzeit zurückzuführen, der sich schon bei Cicero angedeutet<br />

hatte. Hinzu kommt, daß es etwa ab dem dritten Jahrhundert, nach<br />

Plutarch und Appian, sowohl an Wissen über als auch an Interesse für<br />

die politischen Rivalitäten der späten Republik gemangelt zu haben<br />

scheint. Infolgedessen war in der Spätantike der Weg frei, Marius<br />

ausschließlich als ungewöhnliche militärische Begabung zu verehren,<br />

80 Macr. Sat. 3,17,11f; der Sprecher, Furius Albinus, stellt ebd. 3,17 auch die Wirksamkeit<br />

anderer Antiluxusgesetze in Frage. Zu dem in Frage stehenden Gesetz<br />

Sullas vgl. auch Gell. 2,24,11, auf den Macrobius hier vermutlich zurückgreift.<br />

Keaveney (1982) 188 Anm.32 deutet die Macrobiusstelle als Polemik gegen ein<br />

Gesetz zur Festsetzung von Höchstpreisen, das von der Intention her allenfalls<br />

indirekt gegen den Speiseluxus gerichtet war. Zur sullanischen Gesetzgebung<br />

auch unten Anm.100.<br />

81 Macr. Sat. 3,14,10: quod apud alios adeo non inter turpia numeratum est, ut L.<br />

Sulla, vir tanti nominis, optime cantasse dicatur. Vgl. damit die heftige Kritik des<br />

Furius Albinus an der Unsitte des Tanzens in den senatorischen Häusern der Republik<br />

im gleichen Kapitel 3,14 (dazu oben in Kap. 4.1.4). Auch, daß der Dictator<br />

Sulla den Schauspieler Q. Roscius für seine Tätigkeit mit der Erhebung in den<br />

Ritterstand und einer täglichen Dotation ehrte, erweckt bei Furius ebd. § 13 nur<br />

Kopfschütteln.


254 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

ganz ungeachtet seiner politischen Haltung oder den aus ihr heraus begangenen<br />

Verbrechen. 82<br />

Die christliche Literatur:<br />

Die Belege zu Marius und Sulla in der christlichen Literatur lassen sich<br />

wesentlich in zwei Gruppen aufteilen. Augustinus und der in seinem<br />

Auftrag schreibende Orosius stellen den Bürgerkrieg, dem sie in ihren<br />

Werken ausführliche Passagen widmen, stark in den Vordergrund. 83 Für<br />

Hieronymus dagegen sind Marius und Sulla als Exempla nicht ungeeigneter<br />

als andere Römer auch. In Zusammenhang mit den Bürgerkriegen<br />

erwähnt er beide nur ein einziges Mal in einem Bibelkommentar. Für<br />

Hieronymus sind die Bürgerkriege der späten Republik und die Kontrahenten<br />

darin, von Cinna über Marius und Sulla bis hin zu Augustus, der<br />

beste Beweis für den Unfrieden der Welt vor Christi Geburt. 84 Erst die<br />

Ausbreitung des Christentums in einem Reich habe „Schwerter zu Pflugscharen“<br />

(Micha 4,3) werden lassen. 85<br />

82 Hierauf weist Evans (1994) 11f hin, der seine Beobachtung u.a. auf die oben behandelten<br />

H.A.-Stellen stützt. Auch Eutr. 4,27–5,8, der Marius, wie wir gesehen<br />

haben, nur wenig gesonnen ist, erörtere dessen politische Ambitionen “only<br />

where they are relevant to his military career” (Evans, 12 Anm.45). Zur Marius-<br />

Rezeption des 1. u. 2. Jh.s n.Chr. auch Werner (1995) 215–219. Auf den Punkt<br />

gebracht wird die verbreitete Aufspaltung des Mariusbildes in eine gute militärische<br />

und eine (in der Spätantike eher übersehene) schlechte politische Seite von<br />

Velleius Paterculus durch die Formulierung: quantum bello optimus, tantum pace<br />

pessimus (2,11,1) – sie bildet den Ausgangspunkt der Untersuchung von Werner<br />

(1995), s. ebd. bes. 2f, 215 u. 369.<br />

83 Ausnahmen bei Augustin sind lediglich die kurzen Erwähnungen von Sullas Lastern<br />

(Aug. civ. 2,18 [CCL 47, Z.56]) und von Marius’ sieben Consulaten (civ.<br />

2,23 [CCL 47, Z.4f]); dazu unten.<br />

84 Hier. Commentarii in prophetas minores. In Michaeam 1,4,1/7 (CCL 76, Z.120–<br />

126): [...] gentes dimicabant adversum gentes. Denique etiam ipsa Romana.<br />

Respublica bellis civilibus lacerabatur Cinna et Octavio et Carbone pugnantibus;<br />

Sylla et Mario, Antonio et Catilina, Caesare et Cneo Pompeio, Augusto et Bruto,<br />

et eodem Augusto et Antonio, in quorum proeliis universa sanguinem regna<br />

fuderunt. Ähnlich Ambr. Explanatio psalmorum xii. psalmus 45, 21 (CSEL 64,<br />

343, Z.22 – 344, Z.13); Marius und Sulla: ebd. § 1 (343, Z.25f).<br />

85 Hieronymus, der hier in der Tradition von Eusebs Geschichtstheologie steht, bezieht<br />

dies primär auf den Frieden im römischen Reich, Kriege mit den auswärtigen<br />

Barbaren kann es indes auch weiterhin geben, vgl. Peterson (1935/51) 140f


Marius und Sulla 255<br />

Ansonsten kommen Marius und Sulla bei Hieronymus nur in Zusammenhängen<br />

außerhalb des Bürgerkriegs vor. Dieser behutsame Umgang<br />

mit der Zeit der späten Republik – Marius wird sogar den stellis Latinae<br />

[...] historiae (Hier. epist. 60,5,3) zugerechnet 86 – erinnert stark an<br />

Ammianus Marcellinus, obgleich der Kirchenvater natürlich unter ganz<br />

anderen Vorzeichen schreibt. Unkonventionell sind indes die Zusammenhänge,<br />

in denen sich Hieronymus gelegentlich auf Marius und Sulla<br />

beruft – im Vergleich zu Ammian und zu den bisher in diesem Kapitel<br />

behandelten Textstellen. Den Aristokraten Pammachius bestärkt Hieronymus<br />

darin, auch weiterhin den Weg der Askese einzuschlagen, zumal<br />

das Consulat auch nicht mehr das sei, was es einmal war: Habe man Marius,<br />

immerhin Sieger über Iugurtha, die Cimbern und Teutonen, seinerzeit<br />

noch für unwürdig gehalten – ob novitatem familiae (Hier. epist.<br />

66,7,3) –, stehe das Amt inzwischen nur noch irgendwelchen Bauernsöhnen,<br />

die in der Armee dienten, offen. 87<br />

Mit dem Exemplum Sullas läßt sich sogar gegen die Ehe streiten. Genüßlich<br />

führt Hieronymus ihn als gehörnten Ehemann vor, der von den<br />

Eskapaden seiner Frau Metella erst erfährt, als seine Feinde es schon in<br />

aller Öffentlichkeit ausposaunen. 88<br />

Anm.147, s. ebd. auch 95ff mit 139ff Anm.145ff (auch zu Ambr. Explanatio<br />

psalmi 45, 21). Anders als Eusebios rückt Hieronymus jedoch den Aspekt des<br />

Friedens gegenüber dem der monarchischen Herrschaft in den Vordergrund<br />

(Augustus wird sogar ausschließlich als Teilnehmer am Bürgerkrieg genannt!),<br />

hierzu Sugano (1983) 97–101, bes. 101.<br />

86 Dazu mit Zitat oben in Kap. 4.1.1.<br />

87 Hieronymus greift hier auf Sall. Iug. 63,6f zurück, den er (ebenso wie Augustinus)<br />

sehr schätzte, s. Hagendahl (1958) 292ff. Zu Hier. epist. 66,7,3 auch oben in<br />

Kap. 4.1.4.<br />

88 Hier. adv.Iovin. 1,48 (PL 23, 279A): L. Syllae Felicis (si non habuisset uxorem)<br />

Metella coniux palam erat impudica: et [...] id Athenis cantabatur, et Sylla<br />

ignorabat; secretaque domus suae primum hostium convicio didicit. Ausführlicher<br />

zu Hier. adv.Iovin. oben in Kap. 4.1.1.<br />

Ausdrücklich in den Argumentationszusammenhang dieser Schrift stellt Hieronymus<br />

auch das Exemplum der teutonischen Frauen in einem Brief an die Witwe<br />

Ageruchia, epist. 123,7,3: 300 Frauen sollten nach dem Sieg bei Aquae Sextiae in<br />

römische Gefangenschaft gehen. Weil sie nicht die Zusicherung erhielten, daß<br />

ihre Keuschheit gewahrt bleibe, gaben sie sich den Tod; vgl. Val.Max. 6,1, ext.3<br />

(Kapitel De pudicitia). Hieronymus legt sein Hauptaugenmerk hier ganz darauf,<br />

daß es Heidinnen (epist. 123,7,1) und Barbarinnen (ebd. 7,2 u. 8,1) waren, die für


256 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Auch Prudentius gehört zur Gruppe derer, die den Bürgerkrieg aus ihrem<br />

Bild von Marius und Sulla ausklammern. Marius wird im Rahmen<br />

der interpretatio Christiana der römischen Geschichte in Contra<br />

Symmachum kurz erwähnt. Sein Triumph über Iugurtha – die Art der<br />

Überrumpelung oder Sulla 89 kommen in diesem Zusammenhang nicht<br />

vor – sei minus utilis urbi gewesen als die Bekehrung der Roma zum<br />

christlichen Glauben (Prud. c.Symm. 1,524).<br />

ROM AUF DEM TIEFPUNKT SEINER GESCHICHTE: MARIUS UND SULLA BEI AUGUSTINUS<br />

Für Augustinus stellt die Zeit der Bürgerkriege den Tiefpunkt der römischen<br />

Geschichte schlechthin dar. Das führt ihn in De civitate Dei zu<br />

durchweg negativen Urteilen über Marius und Sulla. 90 Doch selbst dieses<br />

Werk spiegelt noch das Gefälle zwischen Marius und dessen Gegner<br />

Sulla im Urteil der Nachwelt wider, das sich auch bei den oben behandelten<br />

Autoren großenteils beobachten ließ. Bei Augustin wird die Fixierung<br />

auf das Thema Bürgerkrieg schon dadurch augenfällig, daß er Marius<br />

und Sulla meistens in einem Atemzug nennt. Für keinen von beiden<br />

hat der Bischof ein gutes Wort übrig. 91 Nichtsdestotrotz fällt aber auch<br />

ihre Unberührtheit zu sterben bereit waren. An Marius übt Hieronymus weder<br />

Kritik, noch unterstellt er ihm unsittliche Absichten.<br />

89 Auf Sulla kommt Prud. perist. 9,1 am Rande zu sprechen. Er wird als Gründer<br />

des Marktfleckens Forum Cornelii (Imola) erwähnt, wo sich das Grab des Märtyrers<br />

Cassian befindet.<br />

90 Andernorts erwähnt Augustinus keinen von beiden in seinen Werken, abgesehen<br />

von Fragmenten aus den frühen Werken De grammatica und De rhetorica, deren<br />

Echtheit aber umstritten ist (s. oben Kap. 2).<br />

91 Aug. civ. 3,7 (CCL 47, Z.19–22: Adhuc autem meliorum partium civilium Sulla<br />

dux fuit, adhuc armis rem publicam recuperare moliebatur; horum bonorum<br />

initiorum nondum m a l o s eventus habuit. – Herv. Fy) ist entgegen<br />

Litchfield (1914) 51 Anm.1 nicht als sullafreundliche Äußerung zu werten. Dasselbe<br />

gilt für die ebd. Anm.4. als exemplum virtutis rubrifizierte, jedoch bestenfalls<br />

als wertfrei zu bezeichnende Nennung von Marius in civ. 5,21 (Z.19). Die<br />

guten Anfänge Sullas könnten allenfalls als Demonstration von Augustins Differenzierungsvermögen<br />

verstanden werden, hätte er sich hier nicht ohnehin eng an<br />

die Formulierung in Sall. Catil. 11,4 angelehnt (L. Sulla armis recepta re publica<br />

bonis initiis malos eventus habuit).<br />

Die Stelle kann im übrigen nicht als Beleg für Franz Georg Maiers These gelten,<br />

„daß Augustin manchmal ohne große Umstände aus antiken Quellen Beispiele<br />

ausschreibt, die seine These unterbauen und dabei oft die seiner Tendenz nicht<br />

immer entsprechende Tonart seiner Vorlage übernimmt“ (Maier [1955] 109,


Marius und Sulla 257<br />

sein Urteil über Sulla deutlich ungünstiger aus als das über Marius. In<br />

mehreren Kapiteln der Bücher 2 und 3 des „Gottesstaates“ kommt Augustin<br />

ausführlicher auf die beiden zurück. Dabei ist der Kontext in besonderem<br />

Maße zu berücksichtigen. Denn Marius und Sulla werden nicht,<br />

wie das bei den bis hier untersuchten Autoren der Fall war, als „zeitlose“<br />

Exempla, die für irgendeine (Un-)Tugend stehen, angeführt.<br />

Im zweiten Buch verfolgt Augustin das Ziel, die Sittenlosigkeit des<br />

römischen Staates seit seinen Anfängen zu belegen. Dies ist der Rahmen,<br />

in den die beiden Bürgerkriegsgegner gestellt werden. Das Geschichtsverständnis,<br />

das Augustin innerhalb dieses Buches an den Tag legt, kann<br />

durchaus als prozessual bezeichnet werden. Es handelt sich um eine<br />

chronique scandaleuse, die sich bis in die Urteile hinein bereitwillig an<br />

Sallust anlehnt. 92 Nachdem Augustin in De civitate Dei 2,17 unter anderem<br />

den Raub der Sabinerinnen und die schlechte Behandlung des<br />

Camillus durch die Römer als Beispiele für römische Ungerechtigkeit<br />

angeführt hat, unterbricht er seine eigenen Ausführungen, um im<br />

18. Kapitel mit Sallust als heidnischem Zeugen zu argumentieren. Ein<br />

besonderes Anliegen ist ihm dabei, die von Sallust als sittlich noch relativ<br />

vollkommen charakterisierte Zeit vor der Zerstörung Karthagos mit<br />

dessen eigenen Worten zu entlarven. Umso schlimmer die Zeit danach –<br />

hier befindet sich Augustin wieder in vollem Einklang mit dem römischen<br />

Historiker.<br />

Der Lebemann Sulla ist der erste, an dem dieser Sittenverfall namentlich<br />

festgemacht wird. 93 Marius und seine Parteigänger Cinna und Cn.<br />

ebenso auch 88f), denn die Tendenz des Sallust, der ebenfalls grundsätzlich negativ<br />

über Sulla urteilt, deckt sich hier mit der Augustins. Grundsätzliche Einwände<br />

gegen die von Maier behauptete Uneigenständigkeit Augustins bei wohlwollenden<br />

Äußerungen über die Römer hat m.E. zu Recht Honstetter (1977) 131f<br />

erhoben.<br />

92 Der Grund dafür ist in erster Linie die Augustin ansprechende „Optik Sallusts“, s.<br />

Schindler (1987) 158. Daneben war Sallust ein Historiker, den auch Augustins<br />

„Gegner für nahezu ‚kanonisch‘ ansahen“ (ebd. 156), andere Historiker waren für<br />

ihn deshalb nur dann von Interesse, wenn sie ihm weitere Fakten liefern konnten,<br />

dazu ebd. 158ff; ähnlich Maier (1955) 81: Sallusts „Geschichtsbild mit seiner düsteren<br />

Beurteilung des Römertums“ sei „für Augustins Zwecke wie geschaffen“<br />

gewesen, und Hagendahl (1967) 637 in seinem allgemeinen Überblick über die<br />

Sallustbenutzung Augustins mit genauer Aufschlüsselung (ebd. 631–649).<br />

93 Aug. civ. 2,18 (CCL 47, Z.56), der sich hier auf die nur fragmentarisch überlieferten<br />

Historien Sallusts (hist. 1 frg.16 M.) bezieht, vgl. Hagendahl (1967) 244


258 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Papirius Carbo, so das 22. Kapitel, hätten nicht einmal vor einem Bürgerkrieg<br />

causis iniquissimis (Aug. civ. 2,22 [CCL 47, Z.17]) zurückgescheut,<br />

und Sullas Grausamkeiten seien ohnehin bekannt. 94 Der Grund<br />

dafür ist, daß die Dämonen, die von den Römern als Götter verehrt würden,<br />

nie dazu imstande gewesen seien, diesen ein sittliches Gesetz zu<br />

geben, 95 ein Gesetz, gegen das die Genannten strenggenommen nie verstoßen<br />

konnten. Ein Freispruch für Marius, Cinna und Carbo – solche<br />

Dialektik ist bei Augustin nicht grundsätzlich auszuschließen 96 – soll<br />

dies aber nicht sein, neben ihnen werden nur noch die Gracchen und die<br />

von ihnen ausgelösten Unruhen angeschnitten. 97 Marius, Sulla und ihresgleichen<br />

markieren den Gipfelpunkt sittlichen Verfalls in Rom – umso<br />

mehr muß Augustin es verurteilen, daß nicht einmal gegen ihr Tun ein<br />

göttliches Gebot stand.<br />

Die Kapitel 23 und 24 befassen sich ausführlich mit den Vergehen<br />

von Marius bzw. Sulla unter dem leitenden Gesichtspunkt, daß die Verantwortung<br />

dafür nicht fälschlich verehrten Göttern zukomme. In den<br />

Untaten der beiden Bürgerkriegsgegner erweise sich das sinnlose Walten<br />

von Dämonen, die insoweit tatsächlich Macht besitzen, als ihnen diese<br />

(Nr.582a). Als Ersatz für die nicht erhaltene Passage mit der Auffassung Sallusts<br />

über Sulla sind Sall. Iug. 95,3 sowie Val.Max. 6,9,6 heranzuziehen.<br />

94 Aug. civ. 2,22 (CCL 47, Z.16–20). Augustin spielt vermutlich auf Darstellungen<br />

Sullas in Sallusts Historien, evtl. auch bei Florus, Velleius Paterculus und Livius<br />

an, s. Angus (1906) 101.<br />

95 S. dazu Aug. civ. 2,16: Von den Göttern war eine Ethik nicht zu erwarten, diesem<br />

Mangel mußte durch Solons Gesetze und deren Ergänzung durch Numa<br />

Pompilius abgeholfen werden. Das Kapitel veranschaulicht nebenbei, daß Augustin<br />

die Götter der Römer für durchaus existent hält; er selbst bevorzugt allerdings<br />

die Bezeichnung daemones, deutlich im hier behandelten Kapitel civ. 2,22,<br />

wo beide Begriffe nebeneinander benutzt werden. In civ. 2,23f wird das Wirken<br />

dieser Dämonen dann noch genauer umrissen, näher dazu im nächsten Absatz.<br />

96 Hier ist an die Ansichten des Kirchenvaters zu dem wegen seiner Gelehrsamkeit<br />

von ihm hochgeschätzten Varro zu denken. Freilich ist Varro neben Scipio<br />

Nasica (Aug. civ. 1,31 [CCL 47, Z.24–32]) der einzige, dem Augustin in De<br />

civitate Dei mildernde Umstände im Sinne einer Milieutheorie zukommen läßt,<br />

so in civ. 4,1 (Z.33ff): Varro habe aufgrund seiner römischen Erziehung in Fragen<br />

des heidnischen Götterkultes nicht aus eigener Urteilskraft, auctoritas (vgl.<br />

4,31 [Z.2]: iudicium), argumentiert. In civ. 4,9 [Z.14f] spricht Augustin sogar<br />

vom Druck der Verhältnisse, der auf Varro lastete: perversa consuetudine<br />

premeretur.<br />

97 Aug. civ. 2,22 (CCL 47, Z.13–16).


Marius und Sulla 259<br />

vom christlichen Gott überlassen wird. Sinnhaft ist dieses Agieren der<br />

Dämonen aber doch insofern, als sie secreto omnipotentis arbitrio handeln<br />

(civ. 2,23 [CCL 47, Z.52f]). 98 Die Blutspur, die ein Marius und, so<br />

ganz konventionell Augustin, erst recht ein Sulla hinter sich gelassen haben,<br />

ist demgemäß vom Christen als eine von Gott auferlegte Prüfung zu<br />

verstehen und zu akzeptieren.<br />

Doch zuallererst liegt der Schwerpunkt auf der Sinnlosigkeit des Wirkens<br />

der Dämonen in der Geschichte: Sie haben das Emporkommen eines<br />

Marius, des „ganz und gar blutbefleckten Urhebers der Bürgerkriege“<br />

(Aug. civ. 2,23 [CCL 47, Z.3f]), 99 ermöglicht, ihm sieben Consulate<br />

zugestanden, nur um ihn rechtzeitig sterben zu lassen, damit er<br />

nicht Sulla, dem nächsten Sieger, zum Opfer falle. Daß von diesem<br />

nichts Besseres zu erwarten war, liegt nach Augustins Äußerungen im<br />

vorangegangenen Kapitel auf der Hand und bestätigt sich im 24. Kapitel.<br />

In der blutigen Ära Sullas habe man sich sogar nach den früheren – zu<br />

ergänzen ist: ebenfalls verkommenen – Zeiten zurückgesehnt, als deren<br />

„Rächer“ sich Sulla gefühlt habe. 100 Sulla ist Augustin ein Beleg dafür,<br />

daß die Dämonen nur auf göttliche Verehrung aus sind, sich aber um die<br />

sittliche Besserung des einzelnen Menschen nicht scheren, und das heißt<br />

im Fall Sullas: ihn nie in die Schranken gewiesen haben. 101 So erst<br />

konnte es zu den „horrenden“, aus Maßlosigkeit heraus begangenen<br />

98 Vgl. auch Aug. civ. 2,23 (CCL 47, Z.47–62) u. 2,24 (Z.25–30 u. Z.50–53 mit<br />

Z.57–62), sowie civ. 18,18 (hier bes. CCL 48, Z.26–29: Dämonen auch eine<br />

angelica creatura [Z.27] und damit Gottes Geschöpfe, u. Z.86f: mirandum non<br />

est fieri daemonum instinctu).<br />

99 cruentissimum auctorem bellorum civilium. Blutrünstigkeit, Grausamkeit und<br />

dergleichen werden Marius erneut in civ. 2,23 (CCL 47, Z.45ff) vorgehalten.<br />

Zum Folgenden s. Z.2–6. Die Planlosigkeit im Walten der Götter illustriert in den<br />

Augen Augustins unter anderem auch das Regulus-Exemplum, das er in Z.12ff u.<br />

23–30 der Biographie des Marius als Kontrastfolie gegenüberstellt.<br />

100 Aug. civ. 2,24 (CCL 47, Z.1ff): Sulla certe ipse, cuius tempora talia fuerunt, ut<br />

superiora, quorum vindex esse videbatur, illorum comparatione quaerentur.<br />

Hierin folgt Augustin vermutlich einem Urteil des Livius im verlorenen 77. Buch,<br />

s. Hagendahl (1967) 646 u. 660. Zu dem hier angesprochenen Konservatismus<br />

Sullas, der sich in den aus „reaktionärem Geiste geboren[en]“ leges Corneliae<br />

widerspiegle, vgl. Bengtson (1982) 201 (ebd. das Zitat), Heuß (1987) 179 und<br />

Keaveney (1982) 165; letzterer warnt ebd. 179 freilich davor, innovative Züge<br />

der sullanischen Gesetzgebung zu übersehen.<br />

101 Aug. civ. 2,24 (CCL 47, Z.8f u. 25–28, vgl. auch Z.44–48).


260 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Verbrechen Sullas kommen, der – das transportiert die Figur Sullas vom<br />

Individuellen ins Allgemeine – dabei „sittlich mehr zugrunde ging als er<br />

seine Feinde leiblich zugrunde richtete“ (civ. 2,24). 102<br />

Das erste Kapitel des dritten Buches gibt vor, das Schwergewicht läge<br />

im folgenden mehr auf Kriegen, Hunger und anderen Katastrophen, die<br />

die Heiden trotz ihrer Götter zu durchleiden hatten. In Wahrheit handelt<br />

Buch 3 jedoch vor allem von der politischen Geschichte Roms. Sie wird<br />

mit Naturkatastrophen polemisch in eins gesetzt. Von Hunger und Seuchen<br />

ist außer im Einleitungskapitel nirgends mehr die Rede. Was folgt,<br />

ist vielmehr ein erneuter chronologischer Streifzug durch die römische<br />

Geschichte, von der Gründung Roms bis zur Zeit des Augustus, in dem<br />

dieselben Gestalten und Ereignisse wie im vorangegangenen Buch begegnen<br />

– Raub der Sabinerinnen, Camillus, Regulus, um nur einige zu<br />

nennen. Das Ganze fällt ausführlicher, systematischer und insoweit auch<br />

„historischer“ aus als in Buch 2, was aber nicht darüber hinwegtäuschen<br />

darf, daß die Kritik an Rom vor allem eine Kritik an dessen althergekommener<br />

Staatsreligion und den von ihr vermittelten Werten ist.<br />

Wiederum widmet Augustin den Schandtaten Sullas ein eigenes Kapitel,<br />

die blutige Auseinandersetzung zwischen Marius, Cinna und Sulla<br />

wird zu Beginn des Kapitels 3,27 nur noch kurz angesprochen. Dadurch<br />

steht Marius zwar in einem etwas günstigeren Licht, aber von der vornehmen<br />

Diskretion, mit der andere Autoren Marius’ führende Rolle bei<br />

Ausbruch und Führung des Bürgerkriegs größtenteils übergehen, ist wie<br />

im Kapitel 2,23 nichts zu spüren. Abermals ist Marius der civili sanguine<br />

[...] cruentus (Aug. civ. 3,27 [CCL 47, Z.1]), und Sulla ist es, der der<br />

Grausamkeit des von Marius errungenen Sieges nach seinem eigenen<br />

Erfolg noch eine weitere Stufe der Eskalation mit den Proscriptionen<br />

folgen läßt. 103 Der Rest des 27. Kapitels erzählt dann von Greueln, die<br />

vor allem auf das Konto des Marius gehen, das komplette Kapitel 3,28<br />

102 Übers. nach Thimme – magis ipse periret in moribus, quam inimicos in<br />

corporibus perderet (CCL 47, Z.55f). Dahinter steht dieselbe Denkart einer<br />

strikten Trennung von Körper und Geist wie in Aug. civ. 1,16 u. 18 hinsichtlich<br />

der von den Goten vergewaltigten Jungfrauen: Die Möglichkeit des Gegenteils<br />

unterstellend, äußert Augustin dort die Auffassung, solange sie in ihrer Seele<br />

nicht insgeheim mit der Tat einverstanden gewesen seien, bleibe die Jungfräulichkeit<br />

der Betroffenen unversehrt.<br />

103 Aug. civ. 3,27 (CCL 47, Z.5–8) unter Rückgriff auf Cic. Catil. 3,24.


Marius und Sulla 261<br />

vom blutigen Frieden nach dem Siege Sullas. Wenn man so will, erfolgt<br />

in De civitate Dei 3,29 eine Art Unterbietung, die auf den ersten Blick an<br />

den geläufigen Gebrauch von Exempla erinnert. Die Goten hätten bei<br />

weitem nicht so gewütet wie die Parteiungen des Bürgerkriegs. 104 Um<br />

ein Exemplum im landläufigen Sinne handelt es sich aber deshalb nicht,<br />

weil nicht die Vergangenheit zur Illustration der Gegenwart bemüht<br />

wird, sondern umgekehrt im Rahmen einer historischen Betrachtung<br />

aktuelle Bezüge hergestellt werden.<br />

Auch die letzte Erwähnung von Cinna, Marius und Sulla in Buch 5<br />

entspricht nicht ganz dem üblichen Schema für die Anführung eines Exemplums.<br />

Exempla fließen normalerweise relativ unvermittelt in die jeweilige<br />

Argumentation ein und werden nicht allzu eng mit dieser verknüpft,<br />

sie haben bei keinem Autor leitmotivische Funktion. Auf sie<br />

wird allenfalls einmal über die Grenze eines Kapitels hinweg Bezug genommen.<br />

Hier jedoch, im Schlußkapitel des fünften Buches, kommt Augustin<br />

nach zwei Büchern erstmals wieder auf die drei Bürgerkriegsführer<br />

zurück. Deren Verhalten nach dem Bürgerkrieg, als das große Morden<br />

und die Proscriptionen erst richtig begannen, stellt er der versöhnlichen<br />

Haltung des christlichen Kaisers Theodosius nach dem Sieg über<br />

Eugenius gegenüber. 105 Augustin verschärft so den Kontrast zwischen<br />

der christlichen Gegenwart und der sittlich verkommenen Epoche vor<br />

Christi Geburt, die im Mittelpunkt der Bücher 2 und 3 mit ihren längeren<br />

Abschnitten zu Marius und Sulla gestanden hatte, sehr viel nachhaltiger<br />

als es die gewöhnliche Überbietungsfigur allein vermag. Zum Abschluß<br />

der ersten Pentade, des Teils von De civitate Dei, der sich vor allem mit<br />

dem heidnischen Rom und seiner Religion auseinandergesetzt hat, wird<br />

dem Leser so noch einmal in aller Kürze die sittliche Verkommenheit<br />

der vorchristlichen Ära Roms mit all ihren Auswüchsen ins Gedächtnis<br />

gerufen, ohne daß es dazu vieler Worte der panegyrischen Übersteigerung<br />

bedürfte.<br />

104 Die christlichen Goten werden schon in Aug. civ. 1,1; 4 u. 7 wegen des streng<br />

von ihnen beachteten Asyls christlicher Kirchen den Römern anerkennend gegenübergestellt.<br />

105 Aug. civ. 5,26 (CCL 47, Z.40–43). Zur Usurpation des Eugenius vgl. die Ausführungen<br />

oben in Kap. 4.1.2 zu Claud. OlProb. 147ff.


262 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

OROSIUS: <strong>DIE</strong> UNMÖGLICHKEIT DES BÜRGERKRIEGS <strong>IM</strong> CHRISTLICHEN <strong>IM</strong>PERIUM<br />

Die letzten drei Kapitel von De civitate Dei, Buch 5 zeigen, daß Augustinus<br />

die Rolle der von Augustus etablierten Monarchie auf dem Weg<br />

zu einem christlichen Imperium grundsätzlich anders sieht als Orosius.<br />

Dem Bischof von Hippo geht es allein um die religionspolitische Situation<br />

und um die persönliche Haltung, aus der heraus Christen wie Theodosius<br />

und Constantin das römische Reich regiert haben. Die Monarchie<br />

als solche begründet für Augustinus noch keine wirkliche Besserung im<br />

römischen Staat. 106 Am Fall Gratians sucht er daher nachzuweisen, daß<br />

das christliche Bekenntnis allein einen Kaiser nicht vor dem Sturz durch<br />

einen Usurpator bewahren könne. 107 Wenn Gratian longe quidem mitius<br />

(Aug. civ. 5,25 [CCL 47, Z.18]) starb als der Heide Pompeius Magnus,<br />

dann nur deshalb, weil Gratians Tod nicht ungesühnt blieb: Theodosius<br />

überwältigte den Usurpator Maximus schließlich, Cato hingegen war im<br />

Bürgerkrieg am Ende der Republik nicht mehr dazu gekommen,<br />

Pompeius zu rächen. 108 Für den unmittelbaren Argumentationszusammenhang<br />

bei Augustin spielt der christliche Glaube des Rächers, Theodosius,<br />

keine Rolle, ist also nicht der Grund dafür, daß Gratian ruhiger<br />

hat in den Tod gehen können.<br />

Wenn Augustin sich mit Pompeius und Cato auf eine spätere Phase im<br />

Rahmen der römischen Bürgerkriege bezieht, so tut das einer Gegenüberstellung<br />

mit Orosius keinen Abbruch. Für den Verfasser der<br />

Historiae adversum paganos ist die Zeit des Bürgerkriegs zwischen<br />

Marius und Sulla Anlaß zu der einzigen Erörterung darüber, ob die<br />

Usurpationen der Gegenwart mit den Bürgerkriegen der Republik ver-<br />

106 Zumal die Regierungsaufgabe an sich auch von manchem heidnischen Kaiser gut<br />

erfüllt worden sei, vgl. Aug. civ. 5,24; die zusammenfassenden Bemerkungen<br />

Augustins zum christlichen Kaisertum im allgemeinen und zu Constantin und<br />

Theodosius im besonderen: civ. 5,24ff. Zu Orosius’ „Augustus-Theologie“ s.<br />

Peterson (1935/51) 97–101 mit 142 Anm.154 (der Begriff: 97) sowie unten 4.2.2.<br />

Orosius geht über alle geschichtstheologischen Versuche vor ihm hinaus, indem<br />

er Augustus „christianisiert“ und Christus „romanisiert“ (ebd. 100).<br />

107 Aug. civ. 5,25 (CCL 47, Z.17–22).<br />

108 Aug. civ. 5,25 (CCL 47, Z.19ff): Nam ille vindicari a Catone non potuit, quem<br />

civilis belli quodam modo heredem reliquerat.


Marius und Sulla 263<br />

gleichbar seien. Orosius verneint dies ausdrücklich. 109 Die Charakterisierung<br />

von Marius und Sulla in seinem Geschichtswerk unterscheidet sich<br />

nicht so erheblich von der bei anderen Autoren, als daß sie hier ausführlich<br />

vorgestellt werden müßte. Marius, Sulla und der Bürgerkrieg ihrer<br />

Zeit sind nur einer der zahlreichen Unglücksfälle vor dem Erscheinen<br />

Christi, und Orosius läßt es sich nicht nehmen, das in den entsprechenden<br />

Farben zur Geltung zu bringen. 110 Dabei steht Sulla so wie bei vielen<br />

anderen Autoren auch bei Orosius noch ein wenig schlechter da als<br />

Marius. 111<br />

Orosius vertritt die Auffassung, daß es sich bei den sogenannten Bürgerkriegen<br />

der Gegenwart, meist aus Anlaß von Usurpationen geführt, 112<br />

nicht eigentlich um Bürgerkriege handle. Dazu würden diese Angriffe<br />

109 Oros. hist. 5,22,5–8. Orosius wendet sich v.a. gegen die, die sich zu der Behauptung:<br />

an forte dicetur, etiam in his temporibus bella civilia non fuisse? (§ 5), erdreisten.<br />

In allgemeinerer Form lehnt es Orosius auch in hist. 5,24,9–20 ab, die Gegenwart<br />

mit dieser Epoche römischer Selbstzerfleischung zu vergleichen, als Bürgerkriege<br />

sich mit Bundesgenossen- und zahlreichen auswärtigen Kriegen zu einem einzigen<br />

großen Kriegsgeschehen verbanden (bes. § 16 u. 20: bella civilia externis<br />

ubique permixta). Auch hier werden die von Marius und Sulla ausgelösten Bürgerkriege<br />

als besonders folgenschwer gewertet, s. § 15: de Mariana face rogus<br />

Sullanae cladis accensus est, de isto rogo funestissimo Sullani et civilis belli per<br />

plurimas terrarum partes ardentes sudes sparsi sunt, multaque incendia ex uno<br />

fomite diffuderunt.<br />

110 Die Zeit von Marius und Sulla behandelt Oros. hist. 5,15–24 sowie 6,2. Grausamkeit<br />

bescheinigt Orosius allen beiden: Marius praktiziert omnia [...] genera<br />

libidinis avaritiae et crudelitatis (Oros. hist. 5,19,17; s. ferner 5,19,23). Sulla<br />

wird für über 10 000 Morde verantwortlich gemacht (5,21,1–11) und als Erfinder<br />

der Proscriptionen bezeichnet (5,21,3: primus infamem illam tabulam<br />

proscriptionis induxit); bei seinen Taten beherrscht ihn maßloser Zorn (5,19,4;<br />

6,7,2). Die Dictatur deutet Orosius als Ausweg, um Sullas Gewaltherrschaft mit<br />

dem Mäntelchen der Legalität zu versehen – ut dominationis et crudelitatis libido<br />

honesti praecipuique nominis reverentia et armaretur et velaretur (5,21,12). Zu<br />

einer vorläufigen Beilegung des Bürgerkriegs kommt es nicht zuletzt aus Überdruß<br />

– taedio Sullanae crudelitatis (5,22,17).<br />

111 Sulla kommt beim Sieg über Iugurtha nur eine unterstützende Rolle zu (Oros.<br />

hist. 5,15,18), entscheidend für Orosius ist die astutia des Marius (5,15,8). Auch<br />

den Sieg über die Cimbern und Teutonen schreibt Orosius allein Marius zu<br />

(5,16,22), Catulus wird als Kollege des Marius eher der Vollständigkeit halber<br />

erwähnt (5,16,14).<br />

112 Vgl. Oros. hist. 5,22,7: cum plerumque improbi tyranni temere invadentes<br />

rempublicam usurpatoque regio statu Romani imperii corpus abruperint.


264 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

auf die Integrität des Imperiums zu oft unter Beteiligung von Fremden,<br />

Britanniern oder Galliern etwa, geführt. Orosius möchte solche Konflikte<br />

deshalb lieber als bella socialia verstanden wissen, 113 eine Argumentation,<br />

die auch unter Orosius’ eigenen Prämissen nur wenig überzeugt,<br />

sind doch auch diese Völker Teil des (mittlerweile christlich geprägten)<br />

Romani imperii corpus, von dem Orosius kurz zuvor (hist. 5,22,7) gesprochen<br />

hat. Gleichwohl, die Konflikte der Gegenwart mit tyranni /<br />

Usurpatoren und abfallenden Verbündeten seien von mehr Milde geprägt,<br />

die reverentia Christianae religionis werde in ihnen geachtet<br />

(Oros. hist. 5,22,6), sie würden kürzer und unter weniger Opfern geführt<br />

und, Orosius betont es ganz besonders, es komme nicht mehr zu<br />

Proscriptionen. 114<br />

Noch in einem weiteren Punkt erweist sich Orosius’ Argumentation<br />

als inkonsistent: Eigentlich gebe es den Unfrieden, von dem er selbst gerade<br />

erst gesprochen hat, überhaupt nicht mehr in dem christlichen Imperium<br />

der Gegenwart:<br />

Sollte nicht vielmehr allen bekannt sein, daß im gemeinsamen Frieden alle<br />

vereint sind und in dem gleichen Heil sicher, Besiegte und Sieger in gleicher<br />

Freude (seitdem) frohlockten [...]?<br />

(Oros. hist. 5,22,14). 115<br />

Dergestalt zeugt Orosius mit seinem Bestreben, das christliche Imperium<br />

nicht mit einem bellum civile in Verbindung zu bringen, von der abstoßenden<br />

Wirkung, welche die Bürgerkriege in der Spätantike immer<br />

noch ausübten. Sie wurden, und das nicht von Orosius allein, als Eigentümlichkeit<br />

der Republik empfunden, der Epoche „Republik“ und der<br />

Regierungsform darin.<br />

113 Oros. hist. 5,22,7f, der hier bes. an die Usurpationen von Nichtrömern / Barbaren<br />

wie Magnentius gedacht haben dürfte, so Adolf Lippold in einer Erläuterung zu<br />

seiner Orosiusübersetzung (BAW), Bd.II (1986) 248.<br />

114 Oros. hist. 5,22,10–13; bes. § 11: cui tandem dubium est, quanto nunc mitius<br />

quantoque clementius excitata, ut dicunt, bella civilia geruntur, immo<br />

reprimuntur potius quam geruntur? Zu den Proscriptionen § 13: postremo quis<br />

illas infames interficiendorum tabulas timuerit legerit senserit?<br />

115 Übers. Lippold – ac non potius omnibus notum sit, una cunctos pace compositos<br />

atque eadem salute securos victos victoresque pariter communi exultasse laetitia<br />

[...]? Darauf, daß Orosius die seiner Argumentation inhärenten Widersprüche<br />

auch selbst bewußt waren, deutet die Formulierung zum Abschluß seines Gedankenganges:<br />

ut verbis verba non onerem (hist. 5,22,15).


4.2.2 Ausblick: Caesar und das Ende der Republik<br />

Am Ende der Untersuchungen zu einzelnen Exempla aus der Zeit der<br />

römischen Republik steht eine Betrachtung zu Caesar und zum Ende der<br />

Republik aus spätantiker Sicht. Auf eine Berücksichtigung aller greifbaren<br />

Belege in extenso wird hierbei verzichtet, da unserem Bild vom Exemplagebrauch<br />

in der Spätantike auf diese Weise keine neuen Aspekte<br />

mehr hinzugefügt werden könnten: Auch Caesar kämpft in einem Bürgerkrieg,<br />

erweitert das römische Herrschaftsgebiet um das befriedete<br />

Gallien, und auch um ihn ranken sich verschiedene Anekdoten. Derartige<br />

Vergangenheitsbezüge sollen in diesem Kapitel nur noch in Auswahl<br />

behandelt werden, und zwar besonders bei Ammian und Claudian sowie<br />

Augustin und Orosius. 1<br />

Wichtiger, und darauf richtet sich im folgenden hauptsächlich unser<br />

Interesse, ist, welche Rolle Caesars gleichnamiger Adoptivsohn, der<br />

spätere Kaiser Augustus, für das spätantike Caesarbild spielt, wie weit<br />

der eine in das Bild des anderen hineinwirkt bzw. sogar darin aufgeht.<br />

Bei den spätantiken Autoren stellt sich des öfteren die Frage, ob sie<br />

Caesar überhaupt noch zur Republik gezählt haben. Seit Traians Regierungszeit<br />

war der Beginn des Kaisertums in Rom und das Ende der republikanischen<br />

Zeit gelegentlich mit Caesar und nicht mit seinem Adoptivsohn<br />

Octavian verbunden worden, ersichtlich vor allem aus den Kaiserviten<br />

Suetons, die bereits mit Caesar beginnen. 2 In wenigen Fällen<br />

kann darüber hinaus auch die Namensangabe selbst Verwirrung stiften.<br />

Im allgemeinen wird die Angabe Caesar um den Zusatz Octavianus oder<br />

Augustus erweitert, wenn der erste Kaiser gemeint ist. Doch ist dies nicht<br />

immer der Fall. 3<br />

1 Zumal mit Christ (1994) ein hervorragender Überblick zum Caesarbild von der<br />

Antike bis in die Gegenwart vorliegt, der ebd. 107–114 auf die Spätantike eingeht.<br />

2 Vgl. Geiger (1975) 448f u. passim. Erkennbar wird der Blickwechsel schon bei<br />

Plutarch, der Augustus zumindest in seinen späteren Biographien als zweiten<br />

Herrscher nach Caesar sah, vgl. Geiger, 446 mit Plut. Num. 19,6.<br />

3 Dazu Rubincam (1992) mit dem Appendix ebd. 101f: Danach ist mit Divus Iulius<br />

oder der vollständigen Angabe C. Iulius Caesar immer „Caesar“, der Adoptivvater,<br />

gemeint, während C. Caesar sich daneben auch auf den späteren Kaiser<br />

Augustus beziehen kann.


266 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

Wie bereits ausgeführt wurde (oben 3.3), stellt das Ende der libera res<br />

publica auch eine unsichtbare zeitliche Grenze für die Zitierfähigkeit eines<br />

Exemplums dar. Exempla, die erst danach, in der Kaiserzeit, entstanden<br />

sind, werden in der lateinischen Literatur der Spätantike nur in<br />

Ausnahmefällen angeführt. C. Iulius Caesar steht also nicht nur am Ende<br />

einer Regierungsform, sondern ist unter chronologischem Gesichtspunkt<br />

eine der jüngsten historischen Persönlichkeiten, die in der Kaiserzeit<br />

noch mit einer gewissen Regelmäßigkeit als Exemplum angeführt<br />

werden.<br />

CAESAR <strong>IM</strong> KONTEXT <strong>DER</strong> BÜRGERKRIEGE<br />

Claudian ist Caesar gegenüber mehr als kritisch eingestellt. Im Panegyricus<br />

de sexto consulatu Honorii Augusti wirft Roma im Rahmen eines<br />

Rückblicks auf die (vorläufige) Abwehr der Goten Alarichs im Jahr<br />

402 Caesar vor, er habe Pharsalos, die Entscheidungsschlacht gegen<br />

Pompeius im Jahr 48 v.Chr., verschwiegen und sich lieber seiner gallischen<br />

Erfolge gerühmt. Anders als Caesar habe Honorius kein Bürgerblut<br />

vergossen, sondern die Goten zurückgedrängt. Caesar wird hier<br />

deutlich als Sieger im Bürgerkrieg seiner Epoche angesprochen und kritisiert.<br />

4<br />

Deutlich geteilt ist die Meinung der Breviarien über Caesar. In De<br />

viris illustribus ist Caesar ein Held, der seinen Feinden gegenüber Milde 5<br />

und Ehrerbietung zeigt, etwa wenn er seinen Gegner Pompeius aufrichtig<br />

beweint. 6 Dagegen erachtet der senatsfreundliche Eutrop Caesars Benehmen<br />

als regia et paene tyrannica (6,25). Nach Beendigung der Bürgerkriege<br />

sei Caesar überheblich geworden und habe zunehmend contra<br />

consuetudinem Romanae libertatis verstoßen (Eutr. 6,25). Eine solche<br />

Divergenz zwischen den beiden Breviarien ist nicht einzigartig, überrascht<br />

aber doch bei einer so zentralen Gestalt wie Caesar. 7 Übereinstimmung<br />

zwischen den beiden Breviarien besteht allerdings wieder in<br />

4<br />

Claud. VI Hon. 399f: cum Gallica vulgo | proelia iactaret, tacuit Pharsalica<br />

Caesar. S. auch v.391–402.<br />

5<br />

Vgl. Vir.ill. 78,9.<br />

6<br />

Vir.ill. 77,9 u. 78,6.<br />

7<br />

Vgl. den Boer (1972) 156. Entsprechend weichen die Urteile beider Breviarien<br />

über M. Brutus und die übrigen Caesarmörder voneinander ab.


Caesar 267<br />

bezug auf den Beginn des Kaisertums. De viris illustribus ist von vornherein<br />

nur auf die Zeit bis zum Beginn der Herrschaft des Augustus angelegt,<br />

8 bei Eutrop fällt die Ermordung Caesars mit dem Ende von Buch<br />

6 zusammen. Augustus’ Alleinherrschaft nach endgültigen Ende der<br />

Bürgerkriege wird eigens als principatus bezeichnet (Eutr. 7,8,3).<br />

Ammianus Marcellinus blendet die Beteiligung Caesars am Bürgerkrieg<br />

seiner Tage wie schon bei Marius und Sulla weitestgehend aus.<br />

Nur ein einziges Mal, bei der Anführung eines Briefzitats von Cicero,<br />

scheint durch, daß Caesar auch grausam sein konnte. Das Zitat selbst<br />

gibt keinen Anhaltspunkt dafür, woran Cicero in dem nicht erhaltenen<br />

Brief an Cornelius Nepos konkret gedacht hat. 9 Doch wird es sich mit<br />

großer Wahrscheinlichkeit um irgendeine Begebenheit im Bürgerkrieg<br />

oder allgemein um das von Caesar in dieser Zeit an den Tag gelegte<br />

Verhalten handeln und nicht etwa um Brutalitäten Caesars im Kampf mit<br />

auswärtigen Feinden. Jedenfalls spricht Cicero davon, daß in den perditis<br />

impiisque consiliis, quibus Caesar usus est, nulla potuit esse felicitas<br />

(Amm. 21,16,13 = Cic. epist. frg.2,5). Ammian zitiert Cicero affirmativ,<br />

das beweist das Umfeld des Zitats. Andernfalls würde er, Ammian, sich<br />

selbst bewußt von der Schar der zuvor genannten recte sentientes<br />

(21,16,12) ausschließen, bzw. er müßte sich in irgendeiner Form von der<br />

Aussage Ciceros über Caesar distanzieren. Das geschieht aber nicht.<br />

Wird also im 21. Buch mittels einer anderen Stimme Kritik an Caesar<br />

geübt, kommt in Res gestae 29,2,18 Caesar selbst mit einer Äußerung zu<br />

Wort, die der Meinung seines Zeitgenossen und politischen Gegners<br />

Cicero über ihn diametral entgegengesetzt ist, diese also in gewisser<br />

Weise widerlegt. Der Kontext, in den Ammian Caesars Ansicht einflicht,<br />

ist dem von Kapitel 21,16,13, wo Constantius II. Grausamkeit vorgeworfen<br />

worden war, sehr ähnlich. Wieder übt der Historiker Kritik an der<br />

Grausamkeit und Ungerechtigkeit eines Kaisers. Anlaß diesmal ist die<br />

Flut von Majestätsprozessen unter Valens, die, in ziemlich<br />

8 Verleihung des Namen Divus Augustus erwähnt in Vir.ill. 79,7.<br />

9 Amm. 21,16,13 (= Cic. epist. frg.2,5): ut Tullius quoque docet crudelitatis<br />

increpans Caesarem in quadam ad Nepotem epistula. Es geht hier um die Grausamkeit<br />

Constantius’ II. aus Gründen der Herrschaftserhaltung, die ihn nach<br />

Ammians Auffassung besser zum Rücktritt veranlaßt hätte. Zum Kontext der<br />

Stelle vgl. bereits oben 4.1.2.


268 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

undurchsichtiger Weise mit Anklagen wegen Wahrsagerei, Zauberei und<br />

Giftmischerei verknüpft, den Osten in den Jahren 372–378 schreckten. 10<br />

In indirekter Rede wird Caesar dahingehend zitiert, man müsse „wissen,<br />

daß die Erinnerung an grausame Taten ein erbärmliches Rüstzeug für das<br />

Alter“ sei, „überstürzter Eifer“ sei deshalb fehl am Platze, wo es um die<br />

Entscheidung über ein Todesurteil gehe (Amm. 29,2,18). 11<br />

Bemerkenswert an dieser Art der Ausbreitung von Sentenzen und Exempla<br />

ist neben dem Bildungsdünkel, den Ammian hier ausstrahlt, 12 der<br />

Widerspruch in der Beurteilung Caesars, der aus den beiden Bemerkungen<br />

von bzw. über ihn hervorgeht. Schließlich stimmen die Aussagen<br />

über crudelitas in den Zitaten von Caesar und Cicero im 21. und im<br />

29. Buch von ihrem Grundgehalt her miteinander überein, sind auch zum<br />

jeweils anderen (sehr ähnlichen) Kontext voll kompatibel. Ob der zeitgenössische<br />

Leser derlei Unterschiede nach sieben Büchern ebenfalls<br />

noch registriert hat, scheint fraglich. Wenn ja, darf dennoch bezweifelt<br />

werden, daß ihn solche von uns als Unstimmigkeit empfundenen Abweichungen<br />

in der Beurteilung einer historischen Persönlichkeit interessiert<br />

haben – einer Persönlichkeit, die für Ammians eigentliches Anliegen, die<br />

Historisierung seiner eigenen Vergangenheit bzw. der seiner Vorfahren<br />

in der mittleren und späten Kaiserzeit, eine nur untergeordnete Rolle<br />

spielt. Eine biographische Skizze – sei es von Caesar, sei es von anderen<br />

exemplarischen Gestalten – als Nebenprodukt der zu rhetorischen<br />

Zwecken angeführten facta et dicta lag nicht in der Absicht eines Autors<br />

wie Ammian.<br />

10 S. die Darstellung bei Amm. 29,1ff; vgl. dazu Demandt (1965) 61.<br />

11 Übers. Seyfarth – das vollständige Zitat: ut Caesar dictator aiebat, miserum esse<br />

instrumentum senectuti recordationem crudelitatis ideoque de vita et spiritu<br />

hominis, qui pars mundi est et animantium numerum complet, laturum sententiam<br />

diu multumque cunctari oportere nec praecipiti studio. Damit endet das Zitat von<br />

Caesar, das Exemplum in unmittelbarem Anschluß daran (Amm. 29,2,19) über<br />

den ehemaligen Parteigänger Caesars und Proconsul von Asien (seit Oktober 44<br />

v.Chr. bis zu seinem Tod i.J. 43) P. Cornelius Dolabella kann aus zeitlichen<br />

Gründen nicht mehr auf Caesar zurückgehen, auch Ammian beendet hier die indirekte<br />

Rede. Vorlage für das Exemplum könnte Val.Max. 8,1, ambust.2 sein.<br />

12 Selbst bei einer von Fehlern behafteten Natur wie Valens hätte vieles noch zum<br />

Besseren gewendet werden können, wenn der Kaiser nur jemals etwas von der<br />

praeclara informatio doctrinarum – pathetisch ruft Amm. 29,2,18 sie persönlich


Caesar 269<br />

<strong>DER</strong> FELDHERR CAESAR<br />

In allen anderen Fällen, in denen Ammian auf Caesar zurückkommt,<br />

stellt dieser für ihn den mutigen und erfolgreichen Feldherrn dar. Wenn<br />

der Historiker in seinem zweiten Romexkurs die Römer seiner Zeit karikiert,<br />

sie glaubten sich bereits auf den Spuren der großen Feldzüge eines<br />

Caesar oder Alexander, auch wenn sie nur zu ihren Ländereien unterwegs<br />

seien oder auf die Jagd gingen, gilt das ebenso wie bei der nur beiläufigen<br />

Erwähnung in Ammians Exkurs über Gallien, das Caesar nach<br />

vielen Anläufen endgültig für Rom habe erobern können. 13 Verwegenheit<br />

und Mut zeichnen ihn in dem schon ausgiebig gewürdigten Exemplum<br />

von Kapitel 16,10,3 aus. In Res gestae 25,2,3 bemüht Ammian<br />

den bei ihm und anderen beliebten „Topos ‚Philologe und Soldat‘“ und<br />

vergleicht den schriftstellernden Feldherrn Caesar mit Iulian. 14<br />

Diese Würdigung Caesars als Schriftsteller ist aber nicht nur Topik,<br />

Ammian hätte ihn sonst in Kapitel 29,2,18 kaum in einem Atemzug mit<br />

Philosophen genannt oder gar zitiert. So entwirft Ammian in Exempla<br />

und nüchternen Erwähnungen, wie auch schon bei Marius und Sulla zu<br />

beobachten, ein alles in allem positives Bild von einem Mann, den er<br />

irgendwo an der Schwelle von der Republik zur Kaiserzeit gesehen haben<br />

muß. Eine durchgehende Betonung der Grausamkeit Caesars oder<br />

auch nur der Bezug auf seine führende Rolle im Bürgerkrieg hätte die<br />

von Ammian so betonte sittliche Höhe der römischen Republik<br />

unglaubwürdig erscheinen lassen. 15<br />

C. IULIUS CAESAR ALS ERSTER KAISER<br />

Ammianus Marcellinus dürfte schon in Caesar den ersten Kaiser gesehen<br />

haben, doch läßt sich die Frage infolge widersprüchlicher Angaben nicht<br />

mit letztgültiger Sicherheit klären. In Kapitel 16,10,3 reiht er Caesar<br />

an – mitbekommen hätte. Zur besonderen Bedeutung von Bildung für den<br />

Nichtrömer Ammian auch oben 4.2.1 Anm.66.<br />

13 Amm. 28,4,18 bzw. 15,11,6.<br />

14 ad aemulationem Caesaris Iulii quaedam sub pellibus scribens. Das Zitat im Text<br />

bei Hartke (1951) 56 Anm.1. Vgl. auch Amm. 16,5,4 (dass. mit Alexander) u.<br />

25,4,4f; Symm. or. 3,7 (im Panegyricus auf Gratian) sowie bereits Suet. Aug.<br />

84,1.<br />

15 Vgl. dazu Demandt (1965) 128 m. Anm.163.


270 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

ohne weiteres in eine Exemplakette über die militärischen Leistungen<br />

von veteres principes ein, 16 nennt ihn aber wie die Kaiser Claudius II.<br />

Gothicus und Galerius nicht mit Namen. 17 Andererseits aber betont<br />

Ammian innerhalb des von ihm auf die Geschichte Roms angewandten<br />

Lebensaltergleichnisses (14,6,3–6) den Frieden zu sehr als ein entscheidendes<br />

Merkmal der Kaiserzeit, als daß ihm schon C. Iulius Caesar als<br />

erster römischer Kaiser gelten könnte. Auch sieht er an anderer Stelle im<br />

Augustustitel, der, so ausdrücklich Ammian, erstmals Octavian verliehen<br />

worden ist, den eigentlichen Titel des Kaisers. So können aber weder die<br />

Zeit der Bürgerkriege noch die Person Caesars in die von Ammian im<br />

Rahmen des Lebensaltergleichnisses als senectus charakterisierte Kaiserzeit<br />

eingeordnet werden, darauf hat Alexander Demandt<br />

hingewiesen. 18<br />

M.E. ist jedoch die Anspielung auf Caesar in Kapitel 16,10,3 für eine<br />

Beantwortung der Frage nach dem Kaisertum Caesars in der Sicht<br />

Ammians ausschlaggebend: Caesar wird zusammen mit zwei anderen<br />

römischen Kaisern erwähnt und in keiner Weise von ihnen abgegrenzt.<br />

Wenn Ammian ihn nicht tatsächlich als Princeps gesehen hätte, dann<br />

hätte er genauso gut auch auf ein anderes Exemplum ausweichen können<br />

als das von Caesars Bootsfahrt auf sturmgepeitschter See. Auch sonst<br />

fungiert der Gebrauch von Exempla bei keinem Autor als intellektuelles<br />

Ratespiel. Ammian hätte also dieses Exemplum kaum angeführt, ohne<br />

den Namen Caesars zu nennen, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre,<br />

16 Caesar soll sich demnach trotz eines Sturmes auf hohe See hinausgewagt haben,<br />

als ihn die Schlacht rief. Die Begebenheit wird unter anderem von Val.Max. 9,8,2<br />

(Kap. De temeritate) und ausführlich von Lucan. 476–702 berichtet. Ammian<br />

stellt die drei Exempla über den Mut der veteres principes kritisch Constantius II.<br />

gegenüber, der in Rom triumphiert, obwohl er sich doch nur gegen den Usurpator<br />

Magnentius durchgesetzt hat, nie einen auswärtigen Feind besiegt und sich in der<br />

Schlacht auch nie sonderlich exponiert hat.<br />

17 Beide so identifiziert von de Jonge, Amm. (1972) 113 u. Seyfarth im Kommentar<br />

zu seiner Ammianübersetzung (SQAW), Bd.I (1968) 295 Anm.98f. Nicht einig<br />

sind sich beide Kommentatoren, inwiefern Ammian auf die Decii der Republik<br />

und / oder auf Kaiser Decius (249–251) und seine beiden Söhne anspielt.<br />

18 Demandt (1965) 122f. Zum Frieden unter den Kaisern Amm. 14,6,6 (unmittelbar<br />

im Lebensaltergleichnis!), zur Stelle auch oben 4.2 Anm.4; der Augustustitel als<br />

Kaisertitel schlechthin in Amm. 23,6,5; Octavian erster Augustus: 21,14,5.<br />

Demandt berücksichtigt das Caesar-Exemplum in Amm. 16,10,3 zwar (ebd. 128<br />

Anm.163), nicht jedoch den Kontext, in den es dort gestellt wird.


Caesar 271<br />

daß zumindest einige gebildete Leser Caesar aufgrund mehrfacher Überlieferung<br />

der Begebenheit identifizieren konnten. 19<br />

Der zeitgenössische Ammianleser wird es trotzdem kaum als Widerspruch<br />

empfunden haben, wenn der Teilnehmer am Bürgerkrieg Caesar<br />

einmal als Kaiser angesprochen wird, ein anderes Mal aber ebendiese<br />

Bürgerkriege als vorkaiserzeitliche Erscheinung definiert werden. Denn<br />

in jedem Fall handelt es sich um eine nicht nur von Ammian, sondern<br />

auch von zahllosen anderen Schriftstellern und Rednern als statisch angesehene<br />

Phase der Vergangenheit, die eine ganz andere Qualität hat als<br />

die historisch (gleich, ob in antikem oder modernem Verständnis) untersuchte<br />

Vergangenheit oder die Gegenwart. Wenn man sich auf sie bezog,<br />

dann nicht aus Interesse an einer geschichtlichen Entwicklung, sondern<br />

an den sich innerhalb dieser mythischen Vergangenheit manifestierenden<br />

und mit bestimmten individuellen Persönlichkeiten verknüpften Leistungen,<br />

d.h. den zeitlos gültigen Ergebnissen aus dieser Phase der eigenen<br />

römischen Vergangenheit.<br />

Demandt überschätzt m.E. die Bedeutung des Lebensaltergleichnisses<br />

für den gesamten Text der Res gestae, die Widersprüche gehen indes auf<br />

Ammians Konto. Das Lebensaltergleichnis stellt vermutlich eine intellektuelle<br />

Übung des Historikers im Gefolge von Florus und Seneca 20 dar,<br />

die Schlüssigkeit nur im engeren Bereich des Kapitels 14,6 erforderte.<br />

Denn der Abschnitt der römischen Geschichte, den Ammianus Marcellinus<br />

in Fortsetzung des Tacitus behandelt, fällt vollständig in die<br />

Phase der senectus Roms. Eine scharfe Periodisierung zwischen Republik<br />

und Kaiserzeit stellte deshalb für Ammians Geschichtswerk kein<br />

vordringliches Problem dar. Entscheidender ist: Ammian hat es mit zwei,<br />

genauer gesagt, mit drei Vergangenheiten zu tun, mit denen er jeweils<br />

unterschiedlich umgeht:<br />

19<br />

Vgl. die Forderung von Quint. inst. 5,11,26: Die Exempla des Redners sollen<br />

nota sein.<br />

20<br />

Ausführlicher Vergleich der verschiedenen Versionen des Gleichnisses bei<br />

Demandt (1965) 118–125.


272 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

1. mit der Vergangenheit seit dem Regierungsantritt Nervas 21 im Jahre<br />

96 bis zum Jahr 352, die er in dreizehn nicht erhaltenen Büchern nur<br />

kursorisch abgehandelt haben kann, und<br />

2. mit der rezenten Vergangenheit seit Iulians Regierungszeit.<br />

Lediglich die historische Verarbeitung der letztgenannten Phase der<br />

Vergangenheit, der Zeitgeschichte bzw. des „kommunikativen Gedächtnisses“<br />

22 , das Ammian noch mit seinen Zeitgenossen teilte, galt<br />

einer späteren Zeit als überlieferungswürdig. Der Behandlung dieser<br />

beiden Vergangenheiten liegt ein prozessuales Geschichtsverständnis<br />

zugrunde. Daneben stand Ammian<br />

3. eine weitere Stufe von Vergangenheit als Material für moralische<br />

Betrachtungen und Vergleiche mit der noch relativ ‚flüssigen‘ jüngeren<br />

Vergangenheit zur Verfügung, die sich als „Auswahl von Leistungen<br />

bedeutender Männer“ 23 – nichts anderes sind Exempla in ihrer<br />

Gesamtheit – präsentiert. Für Ereignisse in diesem Stadium der Vergangenheit<br />

bestand aber kein Erklärungsbedarf mehr. Es handelt sich<br />

vielmehr um „Erinnerungsfiguren“ im Rahmen des „kulturellen Gedächtnisses“,<br />

zu denen diese ältere Vergangenheit ‚geronnen‘ ist. 24<br />

21 Vgl. Amm. 31,16,9.<br />

22 Vgl. dazu Assmann (1992) 50ff. Die Zeit Iulians kann im übrigen auch voll dem<br />

„Generationen-Gedächtnis“ zugerechnet werden, das gemeinhin einen Zeitraum<br />

von etwa 40 Jahren umschließt.<br />

23 Portmann (1988) 219, dort hinsichtlich der spätantiken Panegyrik. Demandt<br />

(1965) 113 betont im Hinblick auf den hier behandelten Ammian stärker als<br />

Portmann die Wahllosigkeit bei der Benutzung von Exempla, ein Urteil, das sich<br />

m.E. aber genausogut auch auf die von Portmann behandelten Panegyriker übertragen<br />

läßt: „Er verwendet die geschichtlichen Tatsachen nach sachlichen Prinzipien<br />

klassifiziert, ohne Rücksicht auf ihre jeweilige zeitliche Bedingtheit und den<br />

historischen Zusammenhang. [...] Ammian sieht in der Geschichte ein Arsenal<br />

von Ereignistypen, dem er solche entnimmt und einordnet.“<br />

24 Assmann (1992) 52. Vgl. zum soeben Dargelegten auch das der Untersuchung<br />

von Nixon (1990) über die gallischen Panegyriker in der tetrarchischen und frühconstantinischen<br />

Zeit zugrunde gelegte dreistufige Modell einer “Ancient Past,<br />

‘exemplary and heroic’” (ebd. 2), einer “Recent Past” und einer “Immediate<br />

Past” (ebd. 4). Nach Nixons Definition steht nur “the ancient past” (ebd. 5)<br />

außerhalb der Lebenszeit bzw. des „kollektiven Gedächtnisses“ von Redner und<br />

Auditorium. In unserem Fall macht eine solche Differenzierung wenig Sinn.<br />

“Immediate Past” ist bei Ammian die Zeit der Niederschrift seiner Historien, die<br />

er aus politischen Gründen nicht mehr berücksichtigt und deren Behandlung er<br />

implizit der Panegyrik anheimstellt, wenn er dafür im Schlußsatz 31,16,9 maiores


Caesar 273<br />

Eine solche Erinnerungsfigur ist das Tapferkeit und Entschlossenheit<br />

symbolisierende, mit dem Individuum Caesar verbundene Exemplum.<br />

Dieses Exemplum konnte Ammian nicht umformen, er war nur frei, es<br />

auszuwählen bzw. wegzulassen.<br />

Bei Claudian ist Caesar einer der Monarchen in der Rede auf das vierte<br />

Consulat des Honorius, vor deren superbia (Claud. IV Hon. 305) Theodosius<br />

seinen Sohn Honorius, was dessen eigene Herrschaftspraxis betrifft,<br />

warnen möchte. Die Römer hätten sich weder die Herrschaft eines<br />

Tarquinius noch eines Caesar bieten lassen. 25 Zwar führt Claudian im<br />

folgenden noch die negativ bewerteten Nero und Tiberius an, diese sind<br />

jedoch im fortlaufenden Text von den beiden zuerst Genannten abgesetzt.<br />

26 Das spricht dafür, daß Claudian Caesar noch nicht als ersten<br />

Princeps gesehen hat. 27 Doch der Name Caesar hat auch sonst keinen<br />

guten Klang bei Claudian.<br />

CAESAR AUGUSTUS<br />

In De bello Gildonico 49 ist mit Caesar wahrscheinlich Augustus gemeint.<br />

28 Eine alternde Roma, die in ihrer ganzen Rede vor Iuppiter Niedergeschlagenheit<br />

erkennen läßt, klagt hier über ihre Entmachtung durch<br />

ebendiesen Caesar, der ihren Abstieg in einen gremium pacis servile<br />

stili und / oder ein höheres Lebensalter voraussetzt. Zu dem politischen Druck,<br />

dem sich Ammian in Teilen seiner Darstellung unterwerfen mußte, vgl. Demandt<br />

(1965) 61–69.<br />

25<br />

Claud. IV Hon. 310f. Beide stehen nicht zufällig nebeneinander, weil die<br />

Tyrannei oder superbia beider von einem Brutus gebrochen wurde. Ausführlicher<br />

zum Zusammenhang der Stelle oben in Kap. 4.1.3.<br />

26<br />

Vgl. Claud. IV Hon. 311f: annales veterum delicta loquuntur: | haerebunt<br />

maculae. quis non per saecula damnat.<br />

27<br />

Ein weiteres Argument dafür ist, daß auch Nero entmachtet wurde, Claudian aber<br />

nur auf dessen Morde eingeht (Claud. IV Hon. 313f). Es ist m.E. denkbar, daß<br />

Claudian das gewaltsame Ende von Neros Herrschaft nicht erwähnt, weil sich anders<br />

als bei Tarquinius und Caesar auch nach Neros Ende nichts mehr an der<br />

Alleinherrschaft der Kaiser in Rom geändert hat.<br />

28<br />

So übereinstimmend Al. Cameron (1970) 336, Olechowska, Claud. bellGild.<br />

(1978) 11f, 145 u. Döpp, Zeitgeschichte (1980) 133f Anm.4 (mit ausführlicher<br />

Diskussion). Caesar als Name für Augustus findet sich unzweideutig (Erwähnung<br />

eines Briefes von Augustus an Vergil) in der Epistula ad Probinum (Claud.<br />

carm.min. 40,23).


274 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

(Claud. bellGild. 51) bewirkt habe. Denn Senat und Plebs seien nun ohne<br />

Entscheidungsspielraum und kriegsmüde, zwei wesentliche Voraussetzungen<br />

für Romas Machtlosigkeit gegen Gildos Getreideembargo. 29<br />

Diese kaum relativierte Kritik an der Monarchie ist im übrigen ziemlich<br />

einzigartig in der gesamten Panegyrik. Wohl ist Kritik an früheren Herrschern<br />

möglich, diese fungiert aber normalerweise nur als Kontrastfolie<br />

für den gelobten gegenwärtigen Regenten. 30<br />

In der 404 gehaltenen Rede Claudians auf das von Honorius in Rom<br />

angetretene, sechste Consulat geht der Dichter wiederum recht kritisch<br />

mit einem römischen Kaiser um. Augustus wird kritisiert, weil er aus<br />

falsch verstandener pietas Caesars Ermordung durch das Niedermetzeln<br />

römischer Bürger habe rächen wollen. Die Stelle aus dieser Consulatsrede<br />

(VI Hon. 116ff) sei hier angeführt, nicht weil der Name Caesars in<br />

ihr auftaucht, sondern weil deutlich wird, daß Claudian anders als<br />

Ammian Frieden und Sicherheit nicht grundsätzlich als Kennzeichen der<br />

Kaiserherrschaft auffaßt. Damit ist auch die Frage, ob Claudian in De<br />

bello Gildonico 49 mit Caesar C. Iulius Caesar oder Augustus gemeint<br />

hat, wieder offener als Alan Cameron und andere annahmen.<br />

Die christliche Literatur:<br />

Bei Augustinus wird anläßlich der ersten Erwähnung von Caesar in De<br />

civitate Dei eine mehrfache Untergliederung der Geschichte Roms vor<br />

Christi Geburt deutlich. Caesar gehört demnach der „Neuzeit“ an, wenn<br />

29 Claud. bellGild. 53ff. Die Charakterisierung der römischen Kaiserzeit entspricht<br />

hier im übrigen genau der von Amm. 14,6,4ff, nur daß sie dort gerade umgekehrt<br />

von der Zeit der Republik und den politischen Kräfteverhältnissen in ihr positiv<br />

abgesetzt wird. Bei Ammian wird Roma ruhiger, als das Greisenalter naht, die<br />

Eroberungen abgeschlossen sind (§ 4) und sie deshalb wie eine Mutter den Kaisern<br />

die Herrschaft, ihr Erbe übergeben hat: Caesaribus tamquam liberis suis<br />

regenda patrimonii iura permisit (§ 5). Schließlich betont Ammian den Frieden<br />

und die innere Sicherheit, die nun erstmals wieder seit Numa Pompilius in Rom<br />

eingekehrt seien (§ 6).<br />

30 Dazu Döpp, Zeitgeschichte (1980) 134 Anm.4. Ein Element der Relativierung<br />

von Claudians Systemkritik stellt aber Iuppiters beruhigende Verheißung an<br />

Roma dar, schon bald werde Honorius, mithin der Kaiser, Gildo besiegen (Claud.<br />

bellGild. 205).


Caesar 275<br />

die Apposition recentior ihn nicht nur ganz trivial als „später“ als den<br />

antiquior Romulus kennzeichnen soll. 31 Wegen der Koinzidenz von Geburt<br />

Christi und Regierung des ersten Kaisers in Rom, Augustus, ändert<br />

das aber nichts daran, daß Augustin Caesar der republikanischen Zeit<br />

zuordnen muß. 32 Diese Koinzidenz ist nur äußerlich und für Augustin<br />

kein Grund, sich einer politischen Theologie nach Art des Prudentius,<br />

die in der Pax Augusta den Boden und damit die Voraussetzung für die<br />

Ausbreitung des Christentums sah, anzuschließen.<br />

Eine derartige Verklammerung von christlich-römischem Kaisertum<br />

und dem Christentum an sich war 410 vor aller Augen sichtbar gescheitert.<br />

Sie zu widerlegen ist eines der wesentlichen Anliegen Augustins im<br />

„Gottesstaat“. Mit gleichem Recht wie die Koinzidenz von Christi Geburt<br />

und Regierung des ersten Kaisers in Rom ließe sich auch eine Koinzidenz<br />

mit der Herrschaft des Herodes in Judäa, also des bethlehemitischen<br />

Kindermörders, behaupten. Augustinus vertieft diesen Gedanken<br />

nicht, erwähnt diese doppelte Koinzidenz aber kommentarlos in einem<br />

der hinteren Bücher von De civitate Dei. 33<br />

Wie Augustin im Rahmen seiner Geschichtsdeutung den Umbruch<br />

von Republik zum Principat sieht, wird besonders anschaulich in Kapitel<br />

3,30. Dort verfolgt Augustin die Geschichte der Bürgerkriege seit Sulla.<br />

Im Hinblick auf Augustus liegt die Betonung weniger darauf, daß dieser<br />

die Bürgerkriege beendet hat – das wird nur insofern deutlich, als Augustin<br />

den später Augustus genannten jüngeren Caesar als letzten hochrangigen<br />

Teilnehmer an den Bürgerkriegen nennt. Wichtig ist dem Kirchenvater<br />

vielmehr die Tatsache, daß dieser die Bürgerkriege fortgesetzt hat,<br />

die<br />

ad alium Caesarem, qui post Augustus appellatus est, pervenerant, quo<br />

imperante natus est Christus. Nam et ipse Augustus cum multis gessit bella<br />

civilia, et in eis etiam multi clarissimi viri perierunt, inter quos Cicero,<br />

disertus ille artifex regendae rei publicae.<br />

(Aug. civ. 3,30 [CCL 47, Z.15–19]).<br />

31 Aug. civ. 3,3 (CCL 47, Z.25f). Die Stelle spricht die Herleitung Caesars und des<br />

iulischen Geschlechts von Venus an (vgl. dazu etwa Suet. Caes. 6,1), die eine<br />

Parallele in der von Romulus behaupteten Abstammung von Mars findet.<br />

32 Der eigentliche Titel der römischen Kaiser ist laut Aug. civ. 18,20 (CCL 48, Z.7f)<br />

der Caesarname, dies aber ausdrücklich erst seit Caesar Augustus.<br />

33 Aug. civ. 18,46 (CCL 48, Z.1–5).


276 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

So ist „die Geschichte der Republik b i s z u A u g u s t u s [...] eine<br />

am Ende fast ermüdende Abfolge von mala, bella, discordiae“. 34 Zugleich<br />

deutet sich hier an, daß Augustin den mit Augustus beginnenden<br />

Principat anders als Ammian und Claudian nicht mit einer Zeit des Friedens<br />

gleichsetzt. Dies entspricht dem Nebeneinander von Weltstaat und<br />

Gottesstaat 35 , das unabhängig von einem christlichen oder heidnischen<br />

Kaisertum fortbesteht, 36 und muß nicht als eine besonders harsche Kritik<br />

an Augustus gedeutet werden. 37<br />

CAESAR UND AUGUSTUS BEI OROSIUS<br />

Im Gegensatz zu Augustin gelangt Orosius zu einem positiven Urteil<br />

sowohl über Augustus als auch über Caesar. Über Caesar als Auslöser<br />

eines Bürgerkrieges urteilt Orosius sehr zurückhaltend, anders als über<br />

die Teilnehmer an den früheren Bürgerkriegen Marius und Sulla. 38 Ferner<br />

kritisiert Orosius die Ermordung Caesars als indigne (hist. 6,17,6).<br />

Auch wenn Orosius ausdrücklich erst Augustus als ersten Kaiser bezeichnet,<br />

sieht er dennoch Caesar schon als einen „Vermesser des Imperiums“<br />

(hist. 7,2,14), d.h. als eine Art Vorläufer. Damit stehen beide,<br />

Caesar und Augustus, in einem besonderen Licht da. Denn die entscheidende<br />

Aussage, die Orosius an dieser Stelle trifft, bezieht sich nicht auf<br />

die Frage des Kaisertums, sondern auf die Geburt Christi unter den Bedingungen<br />

desselben:<br />

34<br />

Herv. Fy; Maier (1955) 113. Vgl. dazu neben Aug. civ. 3,30 auch civ. 4,2 (CCL<br />

47, Z.15–19).<br />

35<br />

Erst dieser von Augustin in De civitate Dei entworfenen „Gegengesellschaft“<br />

kommt pax zu, und zwar erst im Jenseits, vgl. Geerlings (1989) 201 u. passim.<br />

36<br />

Vgl. dazu das Kapitel Aug. civ. 5,24.<br />

37<br />

Daß mit Augustus der Abschluß einer Epoche – derjenigen der Bürgerkriege –<br />

erreicht ist, wird am Ende des Kapitels 3,30 nur indirekt ausgesprochen. Die Entstehung<br />

des Principats bewertet Augustin allerdings eher abschätzig: ipsam<br />

libertatem rei publicae [...] dicioni propriae subiugaret (Aug. civ. 3,30 [CCL 47,<br />

Z.36f]). Wohlwollender (mit der angesprochenen libertas sei es nicht mehr allzu<br />

weit her gewesen), aber ebenfalls spürbar distanziert über den Beginn des augusteischen<br />

Principats urteilt Aug. civ. 3,21 (Z.45–50).<br />

38<br />

Z.B. Oros. hist. 6,14,5: der Bürgerkrieg unpersönlich als Feuer, das Rom befällt;<br />

6,15,3: Orosius berichtet unter Hinweis auf Livius, daß Caesar sich nach Überschreiten<br />

des Rubicon über ihm angetanes Unrecht beklagte, ohne hieran Zweifel<br />

oder Kritik zu äußern. Vgl. demgegenüber oben Kap. 4.2.1 zu Marius und Sulla.


Caesar 277<br />

deinde nunc primi istius imperatorum omnium Augusti Caesaris – quamvis et<br />

pater eius Caesar metator imperii potius quam imperator exstiterit – istius<br />

ergo Caesaris, posteaquam imperare coepit, emenso propemodum anno<br />

quadragensimo secundo natus est Christus<br />

(Oros. hist. 7,2,14).<br />

Damit ist C. Iulius Caesar voll in die „Augustus-Theologie“ 39 des Orosius<br />

integriert, was auch darin zum Ausdruck kommt, daß er Octavian<br />

auch dann noch allein unter dem Namen Caesar erwähnt, als dieser<br />

schon Kaiser ist und den Augustusnamen trägt, auf den Orosius, abgesehen<br />

von dem Namen Octavian, theoretisch hätte ausweichen können. 40<br />

CLEMENTIA CAESARIS<br />

Um aber noch einmal auf Augustin zurückzukommen: Im Vergleich zu<br />

den anderen in De civitate Dei 3,30 Genannten kommt Iulius Caesar erstaunlich<br />

gut davon, und zwar gerade auch im Vergleich zu Kaiser Augustus.<br />

Augustin lobt die sprichwörtliche clementia Caesaris, die er positiv<br />

vom Verhalten des Augustus absetzt, wenn er in direktem Anschluß<br />

an das oben wiedergegebene Zitat schreibt: Pompei quippe victorem<br />

Gaium Caesarem, qui victoriam civilem clementer exercuit suisque<br />

adversariis vitam dignitatemque donavit (Aug. civ. 3,30 [CCL 47,<br />

Z.19ff]). Das hebt Caesar zugleich auch von Marius und Sulla und deren<br />

Rachefeldzügen nach ihren jeweiligen Siegen ab, die Augustin in den<br />

Kapiteln 2,23f und 3,28f gegeißelt hatte. 41 Ein ähnliches Lob erfolgt in<br />

De civitate Dei 9,5 (CCL 47, Z.15ff), wo Augustin Cicero zitiert, der die<br />

misericordia Caesars als dessen größte Tugend hervorgehoben hatte. 42<br />

39<br />

Peterson (1935/51) 97, ausführlich dazu ebd. 97–101; zur Bejahung der Monarchie<br />

innerhalb dieser Konzeption s. Goetz (1980) 90f. Vgl. auch oben 3.4.<br />

40<br />

Z.B. Oros. hist. 6,22,5 u. 9: wiederum die Koinzidenz von Augustusfrieden und<br />

Geburt Christi.<br />

41<br />

Ausführlich dazu oben in Kap. 4.2.1 mit weiteren Stellen, in denen auch Caesar<br />

erwähnt wird.<br />

42 Cic. Lig. 12,37.


278 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

CAESAR UND CATO<br />

In De civitate Dei 5,12 dienen Sallusts moralisierende Geschichtsbetrachtungen<br />

dem Bischof von Hippo einmal mehr als Ausgangspunkt<br />

für eigene Erörterungen. Sallust hatte in seiner Coniuratio Catilinae<br />

Cato Uticensis und Caesar als die ersten Fälle eines Auftretens von tugendhaften<br />

Römern in der Geschichte seit langem bezeichnet. 43 Daß<br />

Caesar sich dem Historiker zufolge ein magnum imperium, exercitum,<br />

bellum novom exoptabat, ubi virtus enitescere posset (Sall. Catil. 54,4 =<br />

Aug. civ. 5,12 [CCL 47, Z.41ff]), ist Augustin ein allgemeiner (und nur<br />

ein solcher!) Beleg für die Ruhmsucht und stete Bereitschaft der Römer<br />

zum Kriege, ja sogar für deren Herrschsucht, denn all das steht nach Augustins<br />

Auffassung tatsächlich hinter dem römischen Streben nach<br />

virtus. 44 Den Vorwurf der Herrschsucht hatte Augustin in De civitate Dei<br />

von vornherein in der Praefatio und auch danach schon mehrfach ausgesprochen.<br />

45 Aber auch abgesehen davon treffen die Vorwürfe an der<br />

vorliegenden Stelle bereits nicht mehr Caesar allein, sondern die Römer<br />

im ganzen.<br />

Nach einer längeren Debatte über Herrschsucht und Sittenverfall bei<br />

den Römern unter Aufbietung vieler Zitate aus Sallust, Vergils Aeneis<br />

und anderen heidnischen Schriftstellern kommt Augustin auf Cato zurück.<br />

Er referiert zunächst wieder Sallust, der Cato besser beurteile, weil<br />

dieser nicht aktiv nach Ruhm gestrebt habe, der Ruhm ihn aber aufgrund<br />

seiner Bescheidenheit dennoch geradezu verfolgt habe. 46 Davon ausgehend<br />

lotet Augustin unter Zuhilfenahme zweier Bibelzitate im folgenden<br />

das Verhältnis von gloria, honos et imperium und virtus aus, 47 um festzustellen,<br />

daß es keine vera virtus gibt außer der, die ad eum finem<br />

43<br />

Fast wörtliches Zitat aus Sall. Catil. 53,6 u. 5 in Aug. civ. 5,12 (CCL 47, Z.36–<br />

40).<br />

44<br />

Aug. civ. 5,12 (CCL 47, Z.42–46): Ita fiebat in v o t i s v i r o r u m virtute<br />

magnorum, ut excitaret in bellum miseras gentes et flagello agitaret Bellona<br />

sanguineo, ut esset ubi virtus eorum enitesceret. Hoc illa profecto laudis aviditas<br />

et gloriae cupido faciebat. (Herv. Fy).<br />

45<br />

Den Ausdruck lubido bzw. libido dominandi entnimmt Augustin Sall. Catil. 2,2;<br />

er gebraucht ihn in Aug. civ. 1 praef. (CCL 47, Z.21); 1,30 (Z.29) u. 3,14 (Z.55<br />

bzw. 52: dort vollständiges Zitat von Sall. Catil. 1f).<br />

46<br />

Aug. civ. 5,12 (CCL 47, Z.105f), dort zitiert Augustin Sall. Catil. 54,6.<br />

47<br />

In Aug. civ. 5,12 (CCL 47, Z.110f u. 111ff). Die Zitate aus 2. Korinther 1,12 u.<br />

Galater 6,4.


Caesar 279<br />

tendit, ubi est bonum hominis (civ. 5,12 [CCL 47, Z.113–117]), d.h. die<br />

nach dem Glauben und dem Reich Gottes strebt. 48 Eine, wenn man so<br />

will, einfache virtus streitet Augustin weder Caesar noch Cato ab. Doch<br />

scheine die Tugend des Cato „dem, was in Wahrheit Tugend ist, weit<br />

näher gekommen zu sein als die Cäsars“ (Aug. civ. 5,12). 49<br />

Bei aller Kritik an den Römern – die Gestalt Caesars bewertet Augustin<br />

erstaunlich günstig. 50 Es zeigt sich, daß das Urteil über eine Gestalt<br />

aus der Geschichte ganz wesentlich durch die jeweilige Argumentation<br />

bestimmt wird. Indem Augustin besonders auf die misericordia oder<br />

clementia Caesaris abhebt, kommt es, ohne daß Caesar sein besonderer<br />

Held wäre, dazu, daß Augustins Urteil über Caesar alles in allem sogar<br />

günstiger ausfällt als dasjenige Claudians, der in Caesar vor allem das<br />

Muster eines Tyrannen erkennen will.<br />

Sämtliche Geschichten und Episoden, die sich um die in den vorangegangenen<br />

Kapiteln angesprochenen Gestalten ranken, sind Erinnerungsfiguren<br />

– für Augustin und Hieronymus ebenso wie für Claudian,<br />

Ammian und andere Autoren ihrer Zeit. Mit einem Exemplum kann in<br />

nahezu jedem thematischen Zusammenhang an historische Persönlichkeiten<br />

erinnert werden. So besehen ist die Geschichte der römischen Republik<br />

in der Spätantike trotz der zeitlichen Distanz von einem halben<br />

Jahrtausend noch „lebendig“.<br />

Auf der anderen Seite werden die Gestalten der Vergangenheit dabei<br />

aber stets dem Zweck der jeweils eigenen, aktuellen Argumentation untergeordnet.<br />

Um ein Ergebnis aus diesem Kapitel aufzugreifen: Daß der<br />

Bischof Augustin zu einem günstigeren Urteil über Caesar gelangt als<br />

etwa der Hofdichter Claudian, muß unter der soeben genannten Bedingung<br />

nicht unbedingt verwundern. Betont Claudian einseitig den Aspekt<br />

48 Dies ist aus der Apposition vera zu erschließen, die allein dem göttlichen Bereich<br />

zukommt, vgl. Aug. civ. 19,4 (CCL 48, Z.17ff); näher dazu bereits oben 4.1.3 mit<br />

Literatur im Rahmen der Behandlung von civ. 3,18 (CCL 47, Z.27ff).<br />

49 Übers. Thimme – longe virtus Catonis veritati videtur propinquior fuisse quam<br />

Caesaris (CCL 47, Z.121f). Vgl. damit auch civ. 1,23f, wo Augustin hinwiederum<br />

Regulus den Vorzug vor Cato gibt, weil letzterer sich durch Selbstmord<br />

Caesars Herrschaft entzogen habe (dazu oben in Kap. 4.1.3).<br />

50 So auch Maier (1955) 116 m. Anm.106.


280 4. Die Exempla aus der römischen Republik<br />

der tyrannischen Alleinherrschaft, so steht für Augustin eine andere Eigenschaft<br />

Caesars im Vordergrund, seine clementia. Und dennoch: Beide<br />

Autoren bleiben im Rahmen dessen, was sie an Überlieferung zu Caesar<br />

vorfinden.<br />

Augustin ist wie alle Gebildeten seiner Zeit mit den Erinnerungsfiguren<br />

in dieser Gesellschaft aufgewachsen, den Exempla. Natürlich geht er<br />

auf Exempla ein, weil seine heidnischen Gegner sie so oft im Munde<br />

führen. Doch gibt es Fälle – Camillus, Regulus und alle Gestalten, die er<br />

im Kapitel 5,18 des „Gottesstaats“ christlich deutet –, in denen kaum<br />

unterschieden werden kann, warum er auf ein Exemplum zurückkommt:<br />

weil er sich an den Lektürestoff der Schul- und Lehrjahre erinnert oder<br />

weil er dem kulturellen Gedächtnis der anderen nicht auskommt, dem er<br />

die neuen, christlichen Werte entgegenzusetzen hat.


5. Zusammenfassung: Exempla als Medien römischen<br />

Geschichtsverständnisses in der Spätantike<br />

Es wäre vermessen, eine Geschichte der Spätantike anhand der Exempla<br />

schreiben zu wollen, die in der Literatur dieser Zeit vorkommen – davon<br />

abgesehen, daß sich einfachere und direktere Wege vorstellen ließen.<br />

Dennoch, Exempla werden im 4. und 5. Jahrhundert in zahlreichen Zusammenhängen<br />

eingesetzt, die für ganz zentrale Themen und Diskussionen<br />

dieser Zeit stehen: die heidnisch-christlichen Auseinandersetzungen,<br />

das Barbarenproblem im Inneren (Germanen in Regierung und Militär<br />

wie Eutropius aber auch Stilicho) und von außen, Usurpationen (Wiederherstellung<br />

des gesellschaftlichen Konsenses nach ihrem Scheitern<br />

bzw. Legitimierung nach ihrem Gelingen), theologische Auseinandersetzungen<br />

wie die zwischen Augustin und Iulian von Aeclanum im Rahmen<br />

des Pelagianismusstreits sowie überhaupt die Diskussionen von Christen<br />

angesichts der neuen Fragen, die sich zu Ehe, Keuschheit und Askese<br />

stellten.<br />

Vielleicht kein anderer der in dieser Arbeit behandelten Texte zeigt so<br />

deutlich den Spielraum, den die Spätantike beim Umgang mit den<br />

exempla maiorum hatte, wie das zuletzt noch einmal angesprochene<br />

18. Kapitel aus dem 5. Buch von Augustins De civitate Dei. Es ist eine<br />

Mischung aus „Tradition und Innovation“ 1 , die den Umgang Augustins<br />

mit Exempla, besonders in dem genannten Kapitel, auszeichnet. Ganz<br />

gleich, wie er selbst zu den heidnischen Exempla steht – augenscheinlich<br />

hält Augustin diese immer noch für geeignet, Glaubensbrüder, die unter<br />

dem Eindruck der Ereignisse von 410 ins Schwanken geraten sind, zu<br />

überzeugen. Augustin vereinnahmt diese Exempla argumentativ für die<br />

christliche Sache und trägt damit zugleich der breiten Anerkennung für<br />

diese Exempla Rechnung, einer Anerkennung, die er möglicherweise<br />

selbst auch noch teilte. 2<br />

Ein problematischeres Verhältnis zur heidnischen Überlieferung als<br />

Augustinus hatte Hieronymus. Zeit seines Lebens plagte ihn das<br />

1 Honstetter (1977) 185.<br />

2 Deutlich bejaht von Pöschl (1954/83) 217 (kritisch dazu oben Kap. 3.4 Anm.37);<br />

vgl. auch Straub (1950/72) 257f u. (1954/72) 291–295.


282 5. Zusammenfassung<br />

Gewissen, weil die klassische Literatur eine Anziehungskraft auf ihn<br />

ausübte, der er sich nur schwer und nur phasenweise entziehen konnte. 3<br />

Doch steht gerade er den heidnischen Exempla sehr entspannt gegenüber,<br />

wenn er in einem Brief, in dem er immerhin Paulinus von Nola in<br />

seiner Entscheidung für ein mönchisch geprägtes Leben bestärken<br />

möchte, feststellt, daß als Vorbild jedem das Seine angemessen sei – den<br />

römischen Feldherren die Exempla von Camillus, Fabricius, Regulus<br />

und den Scipionen, den Mönchsvätern aber die Exempla der alttestamentlichen<br />

Prophetensöhne. 4 Man vergleiche demgegenüber die barsche<br />

Ablehnung Augustins, sich mit Iulian von Aeclanum auf das Niveau der<br />

alten Curie hinabzubegeben und gemeinsam mit ihm über Helden wie<br />

Regulus zu schwärmen. 5 Daß diese Ablehnung aber weniger vom Regulus-Exemplum<br />

als von dem erbitterten Streit mit dem Bischof Iulian<br />

herrührt, zeigt die Bewunderung für Regulus, die Augustin unter anderen<br />

Voraussetzungen, vor allem in De civitate Dei, an den Tag legt.<br />

Hieronymus und Augustinus sind unter den hier untersuchten Autoren<br />

sicherlich diejenigen, die sich am weitesten von einem konventionellen<br />

Umgang mit Exempla entfernt und diese zu “commonplaces of a new<br />

dialectic” 6 weiterentwickelt haben. Hieronymus macht Sulla zu einem<br />

Hanswurst, den die Ehefrau betrügt, oder er reduziert die Bedeutung der<br />

beiden Bruti und der Gracchen auf die Keuschheit ihrer Ehefrau bzw.<br />

Mutter. 7 Prudentius’ Verhältnis zu den exempla maiorum ist demgegenüber<br />

im Grunde genommen affirmativ und vielfach überhaupt nicht von<br />

dem heidnischer Schriftsteller zu unterscheiden. Orosius sieht mit Vorliebe<br />

nur das Negative in der Geschichte vor Christi Geburt, aber auch er<br />

entfernt sich ebenso wie alle anderen spätantiken Schriftsteller nicht<br />

grundsätzlich von der anerkannten Überlieferung der geschilderten Ereignisse.<br />

Hier liegt sicher ein signifikanter Unterschied zwischen dem Umgang<br />

der Römer mit ihrer mythisierten Geschichte und dem der Griechen mit<br />

3 Dazu oben in Kap. 2.<br />

4 Hier. epist. 58,5,2f; dazu oben v.a. in Kap. 4.1.2.<br />

5 Aug. c.Iul. 4,17 (PL 44, 745).<br />

6 Carlson (1948) 104.<br />

7 Hier. adv.Iovin. 1,48 (PL 23, 279A): Sulla; 1,49 (PL 23, 282AB): Bruti,<br />

Gracchen.


5. Zusammenfassung 283<br />

ihrem Mythos vor. Während der Mythos in Griechenland sowohl lokal,<br />

in den verschiedenen Gemeinwesen, als auch über die Jahrhunderte hinweg<br />

stets variiert und eigenen Bedürfnissen angepaßt wurde, 8 blieben die<br />

römischen Exempla, wie in dieser Arbeit mehrfach unterstrichen worden<br />

ist, statisch. Vergangenheit war in Rom, anders als in Griechenland, in<br />

viel zu hohem Maße Verpflichtung, als daß ein spielerischer Umgang<br />

mit ihr möglich gewesen wäre. 9 Die Fabel der jeweiligen exemplarischen<br />

Erzählung selbst wurde auch von Christen kaum angetastet. Vor diesem<br />

Hintergrund wird deutlich, daß es gerade die Unveränderbarkeit der<br />

exempla maiorum war, die ihnen als Argument Kraft verlieh.<br />

Wenn hier dennoch an einem funktionalen Konzept von Mythos im<br />

Sinne Jan Assmanns und anderer festgehalten wird (oben 3.5), so deshalb,<br />

weil es uns dabei allein um die Glaub- oder Unglaubwürdigkeit<br />

von fundierenden Geschichten aller Art geht. Unter diesem Blickwinkel<br />

ergeben sich in der Tat keine Unterschiede zwischen griechischem Mythos<br />

und römischem Exemplum.<br />

In der nichtchristlichen Literatur dient das Exemplum meistens einem<br />

Vergleich mit der Gegenwart, der diese gegenüber dem vergangenen<br />

Präzedenzfall in besserem Licht dastehen läßt. Die aus der Rhetorik bekannte<br />

und geforderte Überbietung (ZUJWT]M) wird selbst unter noch so<br />

widrigen äußeren Umständen beibehalten, bei Claudian etwa anläßlich<br />

der durch Gildo verursachten Versorgungskrise oder des Vordringens<br />

der germanischen Völker. Aber auch die inneren Verhältnisse werden als<br />

wohlgeordnet hingestellt und der Unsicherheit der späten Republik gegenübergestellt.<br />

In dieser Form der panegyrischen Selbstdarstellung, wie<br />

8<br />

Vgl. hierzu Graf (1991) 8f u. 130, der diese Veränderbarkeit ebd. 130–135 am<br />

Beispiel des Theseus-Mythos darlegt.<br />

9<br />

Ein ausführlicherer interkultureller Vergleich zwischen Griechenland und Rom<br />

kann im Rahmen dieser knappen Überlegungen leider nicht erfolgen. Hierbei<br />

müßten grundsätzliche Unterschiede in der jeweiligen Wahrnehmung von Wirklichkeit<br />

zur Sprache kommen – hie radikales, keinen Begrenzungen unterworfenes<br />

Philosophieren (z.B. die Kyniker), dort die Selbstbeschränkung auf<br />

protreptische Unterweisung und eine Abneigung gegen allzu radikale Gedankenspiele.<br />

Für Hinweise in diesem Zusammenhang bin ich Herrn Prof. Dr. Jochen<br />

Martin zu Dank verpflichtet, ohne daß ich seiner Kritik an Jan Assmanns<br />

Mythosbegriff zu folgen vermag (dazu im folgenden).


284 5. Zusammenfassung<br />

sie bei Mamertinus, Symmachus, Pacatus und Claudian anzutreffen ist,<br />

lassen sich durchaus verlogene Züge der Panegyrik ausmachen.<br />

So mangelt es dem „Mythos“ der Römer denn auch vollkommen an<br />

der von Jan Assmann als „kontrapräsentisch“ bezeichneten Funktion:<br />

Von Unterlegenheitsgefühlen oder „Defizienz-Erfahrungen der Gegenwart“<br />

10 gegenüber einer übermächtigen Vergangenheit kann in den Verlautbarungen<br />

von Autoren, die ständig mit der Überbietungsfigur auf<br />

Kosten der Vergangenheit arbeiten, nicht die Rede sein. „Mythisch“ ist<br />

in unserem Fall nicht mit „verklärt“ gleichzusetzen. Allzu großen Optimismus<br />

in Hinblick auf die Geschichte sollten wir unseren Autoren allerdings<br />

auch nicht zusprechen. Dem stehen die Elemente der Zeitkritik<br />

in den hier untersuchten Texten entgegen. Ungeachtet aller literarischen<br />

Topik muß die ständige Überbietung der Republik durch eine vor<br />

Selbstbewußtsein scheinbar strotzende Gegenwart wohl in erster Linie<br />

als Kompensationsbestreben einer Zeit gedeutet werden, die permanent<br />

Krisen militärischer, wirtschaftlicher, politischer und religiöser Art ausgesetzt<br />

war.<br />

Besonders hervorstechend ist, daß die Gelobten in der panegyrischen<br />

XZLPWNXNO stets mit jemand aus der Vergangenheit verglichen werden.<br />

Wenn Claudian in der Invektive gegen Eutropius und auch noch im Panegyricus<br />

auf das Consulat Stilichos den Hof des Honorius mit der Lichtgestalt<br />

Stilicho im Westen dem verweichlichten Ostreich mit dem Eunuchen<br />

im Consulat gegenüberstellt, dann begnügt er sich nicht mit diesem<br />

Kontrast allein, sondern greift zusätzlich zu ihm geeignet scheinenden<br />

Vergleichen aus der Geschichte: Der ehemalige Sklave Eutropius wird<br />

als Entsprechung des raffgierigen Chrysogonus diffamiert, den Reichsfeldherrn<br />

Stilicho hingegen ehrt der Vergleich mit Roms Retter aus der<br />

Not Camillus. 11<br />

Der Vergangenheitsbezug muß deshalb als Hauptmerkmal des Exemplums<br />

festgehalten werden, und zwar verstanden als Gegensatz zum<br />

rein literarisch begründeten Bezug. Die Vergangenheit steht im<br />

10 Assmann (1992) 79.<br />

11 Claud. Eutr. 1,440 (Chrysogonus, zu ihm oben in Kap. 4.1.1) bzw. 2,598<br />

(Camillus).


5. Zusammenfassung 285<br />

Mittelpunkt, nicht die Herkunft des Exemplums aus einem bestimmten<br />

literarischen Text. Der von Ulrich Eigler in den Vordergrund gestellten<br />

Bildungsliteratur, insbesondere Vergil, kommt nach allem, was wir beobachten<br />

konnten, in diesem Zusammenhang nur die Rolle eines Katalysators<br />

zu. Steter Umgang mit immer wieder denselben Exempla und das<br />

Hinzuziehen weiterer Exempla um der Variation willen, die der livianischen<br />

Überlieferung entnommen werden mußten, verschafften dem Exemplum<br />

eine Eigenbedeutung, die es über den engeren Bildungszusammenhang<br />

des Grammatikunterrichts weit hinaushebt. Die Schule kann<br />

nicht für jeden Vergangenheitsbezug verantwortlich gemacht werden.<br />

Nicht zuletzt deshalb läßt sich für unseren Untersuchungszeitraum ein<br />

eigenes Interesse an Geschichte, d.h. an geschichtlichen Gegebenheiten,<br />

wenn auch nicht an historischen Zusammenhängen, konstatieren.<br />

In der Einleitung haben wir erwähnt, daß Artefakte wie Statuen und<br />

Kontorniaten ausscheiden, wenn es darum geht, den Stellenwert der römischen<br />

Republik im Geschichtsbild der Spätantike bestimmen zu wollen.<br />

Auf einer allgemeineren Ebene ist es allerdings instruktiv, die<br />

spätantike Verwendung von Überresten früherer, im allgemeinen kaiserzeitlicher<br />

Bauten dem Gebrauch von geschichtlichen Exempla im mündlichen<br />

und schriftlichen Diskurs gegenüberzustellen.<br />

Der 315 fertiggestellte Constantinsbogen ist das erste bekannte Bauwerk<br />

im römischen Bereich, für das in großem Maßstab fertige Bauteile<br />

aus früherer Zeit verwendet wurden. Das Bemerkenswerte hierbei ist das<br />

Nebeneinander von handwerklich gediegenen Reliefs aus der Zeit<br />

Traians, Hadrians und Marc Aurels und den stilistisch und qualitativ<br />

völlig davon abweichenden zeitgenössischen Reliefdarstellungen. 12 Zu<br />

derartigen Verwendungen von Spolien kam es insbesondere auch seit<br />

den 420er Jahren im römischen Kirchenbau. Richard Krautheimer hat in<br />

diesem Zusammenhang von einer “Sistine Renaissance” gesprochen. 13<br />

12 Vgl. Kitzinger (1980) 7.<br />

13 Krautheimer (1961/69), der Begriff ebd. 195. Eine Wiederbelebung klassischer<br />

Formen ist demzufolge an den unter Papst Sixtus’ III. (432–40) begonnenen Kirchen<br />

S. Sabina, S. Maria Maggiore, dem Lateranbaptisterium, S. Paolo fuori le<br />

mura und S. Stefano Rotondo zu erkennen. Sie kommt u.a. in der Verwendung<br />

ausgewählter antiker Säulenschäfte und Kapitelle zum Ausdruck, s. ebd. 181ff,


286 5. Zusammenfassung<br />

Auch die These einer “Theodosian Renaissance” in der Kunst wird vertreten.<br />

14 Hier kann es nicht darum gehen, direkte Verbindungslinien zwischen<br />

den Bezügen auf sehr unterschiedliche Vergangenheiten und in<br />

ganz verschiedenen Bereichen zu ziehen, die sich zudem nur teilweise<br />

mit unserem Untersuchungszeitraum decken.<br />

Eine gedankliche Linie zwischen der Verwendung kaiserzeitlicher<br />

Spolien in der Architektur und dem Einsatz republikanischer Exempla in<br />

der lateinischen Literatur zu ziehen, mag gleichwohl gestattet sein. 15<br />

Parallelen ergeben sich vor allem in der zufälligen Verwendung „herumliegender“<br />

Vergangenheitsmaterialien verbunden mit einem gewissen<br />

antiquarischen Interesse, im bewußten Aufgreifen des Besonderen, Dekorativen<br />

an herausgehobener Stelle, im gelegentlich bewußten Triumphieren<br />

des Christentums über die alte Religion oder im Wiedergebrauch<br />

unter „geschichtstheologischem“ Gesichtspunkt (alles war, wenn auch<br />

unerkannt, schon auf Christus und die Kirche hin angelegt). 16<br />

Wie bei dem am Bau besonders hervorgehobenen Kapitell können<br />

auch in der Rede einzelne Exempla aus der Vergangenheit herausgegriffen<br />

und an zentraler Stelle zur Anwendung kommen. Möglich ist aber<br />

auch, hier wie da, das zufällige Auflesen von „herumliegendem“ Material<br />

aus der Vergangenheit und sein willkürlich scheinender Einbau in<br />

einen (Kon-)Text. Auch Demandt erkennt im selektiven Gebrauch von<br />

Spolien eine Signatur der Epoche, die über sein Beispiel im engeren<br />

Sinn, den Constantinsbogen, hinausweise: „die Vergangenheit als ganze<br />

bes. 183. In einem Nachwort hat Krautheimer seine Auffassung 1969 noch einmal<br />

verdeutlicht (ebd. 194ff), desgleichen ders. (1980/88) 117ff. Die Klassizismusthese<br />

ist zwar z.T. auf heftige Ablehnung gestoßen (v.a. Deichmann [1975]<br />

17 [mit Anm.39], 20, 24 u. 98f), Brandenburg (1996) 37 Anm.79 hat Krautheimer<br />

jedoch erst letzthin gegen überzogene Kritik in Schutz genommen: Im Spoliengebrauch<br />

des fraglichen Zeitraums sei zumindest „ein Element klassizistischer<br />

Grundhaltung“ erkennbar.<br />

14 Kitzinger (1980) 34.<br />

15 Hier kann selbstverständlich nur auf einige Parallelen aufmerksam gemacht werden.<br />

Grundlegend zur Verwendung von Spolien sind Esch (1969) und, speziell<br />

für die Spätantike, Deichmann (1975); für das Folgende ebd. bes. 99f.<br />

16 Den beiden letztgenannten Intentionen entsprechen der „polemische“ sowie der<br />

„theozentrische Zweck“, wie sie Gnilka (1984) 16 allgemein für den Umgang der<br />

Kirchenväter mit der antiken Überlieferung herausgearbeitet hat.


5. Zusammenfassung 287<br />

ist abgetan, einzelne ihrer Leistungen aber erscheinen als musterhaft“. 17<br />

Dabei wird, wie auch am Constantinsbogen mit seinen Reliefs aus unterschiedlichen<br />

Zeiten, durchaus Selbstbewußtsein an den „Objekten“ der<br />

Vergangenheit demonstriert: In der Panegyrik, aber nicht nur dort, ist es<br />

ein Gemeinplatz, daß die Gegenwart die Vergangenheit übertreffe.<br />

Andererseits kommt es sehr wohl auch zum bewußten Aufgreifen des<br />

Besonderen. Hier ist an die sorgfältige Auswahl und Wiederaufnahme<br />

von Exempla zum Komplex des metus Punicus / metus Gallicus zu denken,<br />

die bei Claudian sogar über die Grenze eines Gedichtes hinaus vorhalten<br />

kann. Die Entsprechung dazu wäre das sorgfältige Auswählen von<br />

antiken Säulenpaaren.<br />

Wichtig ist aber vor allem auch die Kehrseite solchen Vergangenheitsbezuges.<br />

So wie auch die spätantike Spolienverwendung häufig eher<br />

aus materiellem und künstlerischem Mangel heraus geboren war, 18 so<br />

entbehrten auch „die Wunschbilder des theodosianischen Zeitalters [...]<br />

geradezu jeglichen realen Fundaments, und die schier mystische Inbrunst,<br />

die aus allen Dokumenten spricht, steht in krassem Widerspruch<br />

zur Realität des spätantiken Zwangsstaates, dessen Kräfte erschöpft waren<br />

und der, weit entfernt, so etwas wie Freiheit zu garantieren, fast allen<br />

Gruppen der Reichsbevölkerung die härtesten Bedingungen auferlegte“.<br />

19 Es kam dennoch immer wieder zu der aus der Panegyrik herrührenden<br />

Überbietung der Vergangenheit durch eine angeblich bessere<br />

Gegenwart.<br />

Ständige Wiederholung der Ereignisse und Taten in der republikanischen<br />

Vergangenheit verfestigte diese Phase der römischen Geschichte<br />

zur „fundierenden Geschichte“ und damit zum „Mythos“ 20 . So besaß die<br />

römische Republik durchaus noch normative Kraft für das Geschichtsbild<br />

der Senatoren und Gebildeten des vierten Jahrhunderts. Allein, die<br />

Zeit der römischen Republik wurde nicht verklärt. Sie war, um das Bild<br />

17 Demandt (1989) 378. Auf die Analogie zwischen der Verwendung von Spolien<br />

und dem Umgang eines christlichen Autors wie Augustin mit der heidnischen<br />

Literatur weist neuerdings auch MacCormack (1998) 37 hin.<br />

18 Vgl. Deichmann (1975) 23f, 97.<br />

19 So das Fazit von Fuhrmann (1968) 560 zu der sog. „zivilisatorischen Romidee“<br />

der Spätantike.<br />

20 Assmann (1992) 76.


288 5. Zusammenfassung<br />

von Ammians Lebensaltergleichnis aufzugreifen, ein neutraler Maßstab,<br />

an dem die „Erben“ – die Kaiser und ihre Untertanen – im „Greisenalter“<br />

der römischen Geschichte gemessen werden konnten. Eine Idealisierung<br />

der eigenen römischen Vergangenheit hat in der Spätantike nicht stattgefunden.


Anhang<br />

Abkürzungen<br />

Von wenigen Ausnahmen abgesehen werden in dieser Arbeit antike Autoren<br />

und ihre Werke der Zitierweise des Lexikon der Alten Welt, Zürich /<br />

Stuttgart 1965 entsprechend abgekürzt. Das folgende Verzeichnis vermerkt<br />

deshalb nur Abweichungen davon und Ergänzungen. Die Dichtungen Claudians<br />

werden weitgehend nach den Vorschlägen von Taegert, Claud.<br />

OlProb. (1988) 255 abgekürzt. Ansonsten sind im folgenden nur Abkürzungen<br />

von Reihen und Lexika sowie von Kirchenväter- und anderen Editionen<br />

aufgeschlüsselt. Für Zeitschriften finden die nach der Année Philologique<br />

üblichen Abkürzungen Verwendung. Bei den Literaturangaben habe ich<br />

mich im Anmerkungsapparat im allgemeinen auf den Verfassernamen und<br />

das Erscheinungsjahr beschränkt. Kurztitel werden darüber hinaus nur bei<br />

Gefahr von Verwechslungen verwendet. Dafür und für die vollständigen<br />

bibliographischen Angaben sei auf das Quellen- und Literaturverzeichnis<br />

verwiesen.<br />

AAWM ......... Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in<br />

Mainz. Geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse.<br />

ANRW .......... Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Geschichte<br />

und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung, hg.<br />

v. Hildegard Temporini u. Wolfgang Haase, Berlin / New<br />

York.<br />

BAW ............. Bibliothek der Alten Welt, Zürich / Stuttgart / München.<br />

BGL .............. Bibliothek der griechischen Literatur, Stuttgart.<br />

BKV .............. Bibliothek der Kirchenväter, Kempten / München.<br />

BT ................. Bibliotheca Teubneriana, Leipzig / Stuttgart.<br />

CAH .............. The Cambridge Ancient History, hg. v. J.B. Bury, S.A.<br />

Cook u.a., Cambridge / New York / Port Chester u.a.<br />

CB ................. Collection Budé, Paris.<br />

CCL .............. Corpus Christianorum. Series Latina, Turnhout.


290 Anhang<br />

CHCL ........... The Cambridge History of Classical Literature, hg. v.<br />

P.E. Easterling / E.J. Kenney u.a., Cambridge / London /<br />

New York u.a.<br />

CIL ................ Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin.<br />

Claud. ........... Claudius Claudianus, carmina, im einzelnen:<br />

OlProb. ....... Panegyricus dictus Olybrio et Probino consulibus<br />

(= Claud. 1), September–Dezember 394.<br />

III Hon. ....... Panegyricus de tertio consulatu Honorii Augusti<br />

(= Claud. 6f), 395.<br />

Ruf. ............. In Rufinum (= Claud. 2–5), 396–Sommer 397.<br />

IV Hon. ...... Panegyricus de quarto consulatu Honorii Augusti<br />

(= Claud. 8), Sommer–Dezember 397.<br />

nuptHon. ..... Epithalamium de nuptiis Honorii Augusti (= Claud. 9f),<br />

Winter 397/98.<br />

fescHon. ..... Fescennina de nuptiis Honorii Augusti (= Claud. 11–14),<br />

Winter 397/98.<br />

bellGild. ..... De bello Gildonico (= Claud. 15), Sommer 398.<br />

MallTheod. . Panegyricus dictus Mallio Theodoro consuli (= Claud.<br />

16f), Oktober–Dezember 398.<br />

Eutr. ............ In Eutropium (= Claud. 18ff), April–Ende 399.<br />

Stil. ............. De consulatu Stilichonis (= Claud. 21–24), November<br />

399–Februar 400.<br />

bellGet. ....... De bello Getico (= Claud. 25f), April–Sommer 402.<br />

VI Hon. ...... Panegyricus de sexto consulatu Honorii Augusti<br />

(= Claud. 27f), September–Dezember 403.<br />

raptPros. ..... De raptu Proserpinae (= Claud. 32–36).<br />

carm.min. ... carmina minora.<br />

CSEL ............ Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum.<br />

DKlP ............. Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike, hg. v. Konrat<br />

Ziegler, Walther Sontheimer u. Hans Gärtner, Stuttgart /<br />

München 1964–1975 (ND: [dtv 5963] München 1979).<br />

DNP .............. Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hg. v. Hubert<br />

Cancik u. Helmuth Schneider, Stuttgart / Weimar.<br />

Entretiens ...... Entretiens sur l’antiquité classique, hg. v. Fondation<br />

Hardt, Vandoeuvres / Genf.<br />

ff ................... folgende (bezeichnet grundsätzlich nur die beiden nächstfolgenden<br />

Seiten, Spalten oder Paragraphen).


Abkürzungen 291<br />

H.A. .............. Historia Augusta, im einzelnen:<br />

Hadr. .......... Hadrianus (= 1 – Aelius Spartianus).<br />

Ael. ............. Aelius (= 2 – Aelius Spartianus).<br />

Pius ............. Antoninus Pius (= 3 – Iulius Capitolinus).<br />

M. Aurelius Marcus Antoninus Philosophus (Marcus Aurelius) (= 4 –<br />

Iulius Capitolinus).<br />

Ver. ............. Verus (= 5 – Iulius Capitolinus).<br />

Avid. .......... Avidius Cassius (= 6 – Vulcacius Gallicanus).<br />

Comm. ........ Commodus Antoninus (= 7 – Aelius Lampridius).<br />

Pert. ............ Helvius Pertinax (= 8 – Iulius Capitolinus).<br />

Did. ............ Didius Iulianus (= 9 – Aelius Spartianus).<br />

Sept.Sev. .... Severus (= 10 – Aelius Spartianus).<br />

Pesc. ........... Pescennius Niger (= 11 – Aelius Spartianus).<br />

Alb. ............ Clodius Albinus (= 12 – Iulius Capitolinus).<br />

Carac. ......... Antoninus Caracalla (= 13 – Aelius Spartianus).<br />

Geta ............ Antoninus Geta (= 14 – Aelius Spartianus).<br />

Opil. ........... Opilius Macrinus (= 15 – Iulius Capitolinus).<br />

Diad. ........... Diadumenos Antoninus (= 16 – Iulius Capitolinus).<br />

Heliog. ........ Antoninus Heliogabalus (= 17 – Iulius Capitolinus).<br />

Alex. ........... Alexander Severus (= 18 – Iulius Capitolinus).<br />

Maximin. .... Maximini duo (= 19 – Iulius Capitolinus).<br />

Gord. .......... Gordiani tres (= 20 – Iulius Capitolinus).<br />

Max.Balb. ... Maximus et Balbinus (= 21 – Iulius Capitolinus).<br />

Valer. .......... Valeriani duo (= 22 – Trebellius Pollio).<br />

Gall. ............ Gallieni duo (= 23 – Trebellius Pollio).<br />

trig.tyr. ....... Tyranni triginta (= 24 – Trebellius Pollio).<br />

Claud. ......... Claudius (= 25 – Trebellius Pollio).<br />

Aurelian. .... Aurelianus (= 26 – Flavius Vopiscus).<br />

Tac. ............. Tacitus (= 27 – Flavius Vopiscus).<br />

Prob. ........... Probus (= 28 – Flavius Vopiscus).<br />

quatt.tyr. ..... Firmus Saturninus Proculus et Bonosus (= 29 – Flavius<br />

Vopiscus).<br />

Carus .......... Carus et Carinus et Numerianus (= 30 – Flavius<br />

Vopiscus).<br />

HdAW .......... Handbuch der Altertumswissenschaft, München.<br />

HLL .............. Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, hg. v.<br />

Reinhart Herzog u. Peter Lebrecht Schmidt, München.<br />

ILS ................ Hermann Dessau: Inscriptiones Latinae Selectae, 3 Bdd.<br />

in 5, Berlin 1892–1916.


292 Anhang<br />

LACL ............ Lexikon der antiken christlichen Literatur, hg. v. Siegmar<br />

Döpp u. Wilhelm Geerlings, Freiburg / Basel / Wien<br />

2<br />

1999.<br />

LCL .............. Loebs Classical Library, Cambridge, Mass. / London.<br />

MGH AA ...... Monumenta Germaniae Historica. Auctores Antiquissimi,<br />

Berlin 1877–1919.<br />

ND ................ Nachdruck.<br />

NHL .............. Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, hg. v. Klaus<br />

von See, Wiesbaden.<br />

OCT .............. Oxford Classical Texts, Oxford.<br />

OGG ............. Oldenbourg Grundriß der Geschichte, München.<br />

or. .................. oratio.<br />

ORF .............. Oratorum Romanorum Fragmenta liberae rei publicae, ed.<br />

Enrica Malcovati, 3 Bdd., (Corpus Scriptorum Latinorum<br />

Paravinanum), Turin / Mailand u.a. 4 1976–79.<br />

Pan.Lat. ......... Panegyrici Latini.<br />

PL ................. Jacques Paul Migne: Patrologiae cursus completus. Series<br />

Latina, Paris.<br />

RLAC ........... Reallexikon für Antike und Christentum, hg. v. Theodor<br />

Klauser, Stuttgart.<br />

RE ................. Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaften,<br />

hg. v. Georg Wissowa u.a., Stuttgart /<br />

München 1894–1980.<br />

rec. ................ recognovit.<br />

rel. ................. relatio.<br />

SBAW .......... Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.<br />

Philos.-Hist. Klasse.<br />

SC ................. Sources Chrétiennes, Paris.<br />

serm. ............. sermo (Predigt).<br />

SQAW .......... Schriften und Quellen der Alten Welt, Berlin.<br />

Suppl. ............ Supplement.<br />

TRE .............. Theologische Realenzyklopädie, hg. v. Gerhard Krause u.<br />

Gerhard Müller, Berlin / New York.


Abkürzungen 293<br />

TTH .............. Translated Texts for Historians, Liverpool.<br />

Tusc. ............. Tusculum Bücherei (Sammlung Tusculum), München /<br />

Zürich / Düsseldorf.<br />

u.d.T. ............ unter dem Titel.<br />

U.T.E.T. ........ Classici Latini. Unione Tipografico-Editrice Torinese,<br />

Turin.<br />

WdF .............. Wege der Forschung, Darmstadt.


Quellen und Literatur<br />

1. Textausgaben, Kommentare und Übersetzungen<br />

AMBROSIUS:<br />

AMBROSE: Les devoirs. Texte établi, traduit et annoté par Maurice<br />

Testard, 2 Bdd., (CB) Paris 1984/92.<br />

[Ambr. off.]<br />

AMBROSIUS: Explanatio psalmorum XII, rec. Michael Petschenig, (CSEL<br />

64) Wien / Leipzig 1919 (ND: New York / London 1962).<br />

AMBROSIUS: Epistulae et acta, 4 Bdd., rec. Otto Faller / Michaela Zelzer,<br />

(CSEL 82.1–4) Wien 1968–96.<br />

[Neue Zählung der Briefe]<br />

KLEIN, Victoriaaltar (1972)<br />

WYTZES (1977).<br />

AMMIANUS MARCELLINUS:<br />

AMMIANUS MARCELLINUS: Rerum gestarum libri qui supersunt, edd.<br />

Wolfgang Seyfarth / Jacob-Karau, L. / Ulmann, I., 2 Bdd., (BT)<br />

Stuttgart 1978.<br />

AMMIANUS MARCELLINUS: Römische Geschichte. Lateinisch u. deutsch<br />

u. mit einem Kommentar versehen v. Wolfgang Seyfarth, 4 Bdd.,<br />

(SQAW 21,1–4) Berlin 1968–71.<br />

AMMIEN MARCELLIN: Histoire. Texte établi et traduit par Édouard<br />

Galletier / Guy Sabbah / Jacques Fontaine / M.A. Marié, bisher 7<br />

Bdd., (CB) Paris 1968–96.<br />

CHIABÒ, Maria (Hg.): Index verborum Ammiani Marcellini, 2 Bdd.,<br />

Hildesheim / Zürich / New York 1983.<br />

DE JONGE, Pieter: Philological and Historical Commentary on Ammianus<br />

Marcellinus, Groningen 1935–82 (Bd.1 1935 u.d.T.: Sprachlicher<br />

und historischer Kommentar zu Ammianus Marcellinus XIV 1–7).<br />

[zit.: de Jonge, Amm. (1935 ...)]<br />

DEN BOEFT, Jan / DEN HENGST, Daniel / TEITLER, H.C.: Philological and<br />

Historical Commentary on Ammianus Marcellinus XXI, Groningen<br />

1991.


Quellen 295<br />

SZIDAT, Joachim: Historischer Kommentar zu Ammianus Marcellinus<br />

Buch XX–XXI, 3 Bdd., (Historia-Einzelschr. 31/38/89) Wiesbaden /<br />

Stuttgart 1977/81/96.<br />

[zit.: Szidat, Amm. I (1977). II (1981). III (1996)]<br />

AUGUSTINUS:<br />

AURELIUS AUGUSTINUS: De civitate dei, ed. Bernhard Dombart / Alfons<br />

Kalb, 2 Bdd., (CCL 47/48) Turnhout 1955.<br />

AURELIUS AUGUSTINUS: Vom Gottesstaat (De civitate dei). Aus dem<br />

Lateinischen übertragen v. Wilhelm Thimme. Eingel. u.<br />

kommentiert v. Carl Andresen, 2 Bdd., (dtv 2160) München 3 1991.<br />

AURELIUS AUGUSTINUS: Contra adversarium legis et prophetarum.<br />

Commonitorium Orosii et Sancti Aurelii Augustini Contra<br />

Priscillianistas et Origenistas, ed. Klaus-D. Daur, (CCL 49)<br />

Turnhout 1985.<br />

AUGUSTINE: Against Julian. Transl. by Matthew A. Schumacher, (The<br />

Fathers of the Church. A New Translation 35) New York 1957.<br />

AURELIUS AUGUSTINUS: Retractationum libri II, ed. Almut<br />

Mutzenbecher, (CCL 57) Turnhout 1984.<br />

AURELIUS AUGUSTINUS: Die Retractationen in zwei Büchern.<br />

Retractationum libri duo. In dt. Sprache v. Carl Johann Perl,<br />

Paderborn 1976.<br />

AURELIUS AUGUSTINUS: Epistulae, 4 Bdd., rec. Alois Goldbacher,<br />

(CSEL 34/44/57/58) Prag / Wien / Leipzig 1895–1923.<br />

AURELIUS AUGUSTINUS: Epistulae ex duobus codicibus nuper in lucem<br />

prolatae, rec. Johannes Divjak, (CSEL 88) Wien 1981.<br />

AUGUSTINE: Select Letters. With an Engl. Transl. by James Houston<br />

Baxter, (LCL 239) Cambridge, Mass. / London 2 1953 (ND: 1993).<br />

AURELIUS AUGUSTINUS: Ausgewählte Briefe. Aus dem Lat. mit Benutzung<br />

der Übersetzung von Kranzfelder übers. v. Alfred Hofmann, 2<br />

Bdd., (BKV) Kempten / München 1917.<br />

Corpus Augustinianum Gissense auf CD-ROM (CAG), hg. v. Cornelius<br />

Mayer, Basel 1995.


296 Anhang<br />

AURELIUS VICTOR / DE VIRIS ILLUSTRIBUS:<br />

SEXTUS AURELIUS VICTOR: Liber de Caesaribus. Praecedunt Origo gentis<br />

Romanae et Liber de viris illustribus urbis Romae. Subsequitur<br />

Epitome de Caesaribus, recensuit Franz Pichlmayr, addenda et<br />

corrigenda iterum collegit et adiecit Roland Gruendel, (BT) Leipzig<br />

1970.<br />

S. AURELIUS VICTOR: Die römischen Kaiser. Liber de Caesaribus.<br />

Lateinisch-deutsch. Hg., übers. u. erl. v. Kirsten Groß-Albenhausen<br />

u. Manfred Fuhrmann, (Tusc.) Zürich / Düsseldorf 1997 (ND:<br />

Darmstadt 1997).<br />

SEXTUS AURELIUS VICTOR, übers. u. mit erläuternden Anmerkungen<br />

versehen v. Albert Forbiger, 2 Bdd., Stuttgart 1866.<br />

CLAUDIANUS:<br />

CLAUDIUS CLAUDIANUS: Carmina, ed. John Barrie Hall, (BT) Leipzig<br />

1985.<br />

CLAUDIUS CLAUDIANUS: Carmina, rec. Theodor Birt, MGH AA 10,<br />

Berlin 1892.<br />

CLAUDIAN. With an Engl. Transl. by Maurice Platnauer, 2 Bdd., (LCL<br />

135/136) Cambridge, Mass. / London 1922 (ND: 1976/72).<br />

BARR, William: Claudian’s Panegyric on the fourth Consulate of<br />

Honorius. Introduction, Text, Translation and Commentary,<br />

Liverpool 1981.<br />

OLECHOWSKA (O(ELHWD 0 &ODXGLL &ODXGLDQL 'H EHOOR *LOGRQLFR 7H[WH<br />

établi, traduit et commenté, Leiden 1978.<br />

[zit.: Olechowska, Claud. bellGild. (1978)]<br />

SCHWECKEN<strong>DIE</strong>K, Helge: Claudians Invektive gegen Eutrop (In<br />

Eutropium). Ein Kommentar, Hildesheim / Zürich / New York 1992.<br />

[zit.: Schweckendiek, Claud. Eutr. (1992)]<br />

S<strong>IM</strong>ON, Werner: Claudiani panegyricus de consulatu Manlii Theodori<br />

(Carm. 16 und 17), eingel., hg., übers. und erklärt, Berlin 1975.<br />

[zit.: Simon, Claud. MallTheod. (1975)]


Quellen 297<br />

TAEGERT, Werner: Claudius Claudianus, Panegyricus dictus Olybrio et<br />

Probino consulibus. Text – Übersetzung – Kommentar, (Zetemata<br />

85) München 1988.<br />

[zit.: Taegert, Claud. OlProb. (1988)]<br />

CHRISTIANSEN, Peder G. (Hg.): Concordantia in Claudianum. A<br />

Concordance to Claudianus, Hildesheim / Zürich / New York 1988.<br />

EUTROPIUS:<br />

EUTROPIUS: Breviarium ab urbe condita, rec. Carlo Santini, (BT) Leipzig<br />

1979.<br />

[Neue Paragrapheneinteilung]<br />

EUTROPIUS: Breviarium ab urbe condita cum versionibus Graecis et<br />

Pauli Landolfique additamentis, rec. Hans Droysen, in: MGH AA 2,<br />

Berlin 1879.<br />

MÜLLER, Friedhelm L.: Eutropii Breviarium ab urbe condita. Eutropius,<br />

Kurze Geschichte Roms seit Gründung (753 v.Chr.–364 n.Chr.).<br />

Einleitung, Text und Übersetzung, (Palingenesia 56) Stuttgart 1995.<br />

[zit.: Müller, Eutr. (1995)]<br />

FESTUS:<br />

EA<strong>DIE</strong>, John W.: The Breviarium of Festus. A Critical Edition with<br />

Historical Commentary, London 1967.<br />

[zit.: Eadie, Festus (1967)]<br />

HIERONYMUS:<br />

HIERONYMUS: Commentarii in prophetas minores, ed. Marcus Adriaen, 2<br />

Bdd., (CCL 76/76A) Turnhout 1969/70.<br />

EUSEBIUS HIERONYMUS: Adversus Jovinianum, in: PL 23, Sp.211 A–<br />

338 B.<br />

EUSEBIUS HIERONYMUS: Ausgewählte historische, homiletische u. dogmatische<br />

Schriften. Aus dem Lat. übers. v. Ludwig Schade, (BKV)<br />

Kempten / München 1914.


298 Anhang<br />

EUSEBIUS HIERONYMUS: Epistulae, rec. Isidor Hilberg, 3 Bdd., (CSEL<br />

54–56) Wien / Leipzig 1910–18.<br />

JEROME: Select Letters. With an Engl. Transl. by F.A. Wright, (LCL<br />

262) Cambridge, Mass. / London 1933 (ND: 1991).<br />

EUSEBIUS HIERONYMUS: Ausgewählte Briefe. Aus dem Lat. übers. v.<br />

Ludwig Schade, 2 Bdd., (BKV) München 1936/37.<br />

HILARIUS VON POITIERS:<br />

HILAIRE DE POITIERS: Contre Constance. Introduction, texte critique,<br />

traduction, notes et index, par André Rocher, (SC 334) Paris 1987.<br />

HISTORIA AUGUSTA:<br />

SCRIPTORES HISTORIAE AUGUSTAE, ed. Ernst Hohl / Christa Samberger /<br />

Wolfgang Seyfarth, 2 Bdd., (BT) Leipzig 5 1971.<br />

HISTORIA AUGUSTA. Römische Herrschergestalten, eingel. u. übers. v.<br />

Ernst Hohl, bearbeitet u. erl. v. Elke Merten, Alfons Rösger u.<br />

Nicole Ziegler, 2 Bdd., (BAW) Zürich / München 1976/85.<br />

LESSING, Carl: Scriptorum historiae Augustae Lexicon, Leipzig 1901–<br />

06.<br />

IULIANOS:<br />

The Works of the Emperor Julian. With an Engl. Transl. by Wilmer<br />

Cave Wright, 3 Bdd., (LCL 13/29/157) Cambridge, Mass. / London<br />

1913–23 (ND: 1992–96).<br />

MÜLLER, Friedhelm L.: Die beiden Satiren des Kaisers Julianus<br />

Apostata. (Symposion oder Caesares und Antiochikos oder<br />

Misopogon). Griechisch und Deutsch mit Einleitung, Anmerkungen<br />

und Index, (Palingenesia 66) Stuttgart 1998.<br />

[zit: Müller, Iul. (1998)]


IULIANUS VON AECLANUM:<br />

Quellen 299<br />

IULIANUS AECLANENSIS: Expositio libri Iob. Tractatus prophetarum<br />

Osee, Iohel et Amos. Accedunt operum deperditorum fragmenta<br />

post Albertum Bruckner denuo collecta, aucta, ordinata, ed. Lucien<br />

de Coninck, (CCL 88) Turnhout 1977.<br />

BRUCKNER, Albert: Die vier Bücher Julians von Aeclanum an<br />

Turbantius. Ein Beitrag zur Charakteristik Julians und Augustins,<br />

Berlin 1910 (ND: Aalen 1973).<br />

LIBANIOS:<br />

LIBANIOS: Opera, rec. Richard Förster, 12 Bdd., (BT) 1903–23.<br />

LIBANIUS: Selected Works. With an Engl. Transl., Introduction and<br />

Notes by Albert Francis Norman, 2 Bdd. (LCL 451/452)<br />

Cambridge, Mass. / London 1969 (ND:1987) / 1977.<br />

LIBANIUS: Autobiography and selected Letters. Edited and translated by<br />

Albert Francis Norman, 2 Bdd., (LCL 478/479) Cambridge, Mass. /<br />

London 1992.<br />

LIVIUS:<br />

T. LIVIUS: Römische Geschichte. Lateinisch u. deutsch hg. v. Josef Feix /<br />

Hans Jürgen Hillen, 11 Bdd., (Tusc.) versch. Aufl. München /<br />

Zürich / Düsseldorf 1974–2000 (ND: Darmstadt 1988–2000).<br />

OGILVIE, Robert Maxwell: A Commentary on Livy. Books 1–5, Oxford<br />

1965 (ND: 1978).<br />

[zit.: Ogilvie, Liv. (1965)]<br />

LUCIFER VON CALARIS:<br />

LUCIFER CALARITANUS: Opuscula, rec. Wilhelm Hartel, (CSEL 14) Wien<br />

1886.


300 Anhang<br />

MACROBIUS:<br />

AMBROSIUS THEODOSIUS MACROBIUS, ed. Jack Willis, 2 Bdd., (BT)<br />

Leipzig 2 1970.<br />

MACROBIUS: The Saturnalia. Translated with an Introduction and Notes<br />

by Percival Vaughan Davies, New York / London 1969.<br />

OROSIUS:<br />

PAULUS OROSIUS: Historiarum adversum paganos libri VII. Liber<br />

Apologeticus, rec. Karl Zangemeister, (CSEL 5) Wien 1882 (ND:<br />

New York / London 1966).<br />

OROSIO: Le storie contro i pagani, a cura di Adolf Lippold. Traduzione<br />

di Aldo Bartalucci e Gioacchino Chiarini, 2 Bdd., o.O. [Florenz]<br />

1976.<br />

PAULUS OROSIUS: Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht, übers.<br />

u. erl. v. Adolf Lippold. Eingel. v. Carl Andresen, 2 Bdd., (BAW)<br />

Zürich / München 1985/86.<br />

PANEGYRICI LATINI:<br />

XII PANEGYRICI LATINI, rec. Roger A.B. Mynors, (OCT) Oxford 1964<br />

(ND: 1990).<br />

NIXON, Charles E.V. / RODGERS, Barbara Saylor: In Praise of later<br />

Roman Emperors. The Panegyrici Latini. Introduction, Translation<br />

and Historical Commentary with the Latin Text of Roger A.B.<br />

Mynors, Berkeley / Los Angeles / Oxford 1994.<br />

[zit.: Nixon / Rodgers, Pan.Lat. (1994)]<br />

PANÉGYRIQUES LATINS. Texte établi et traduit par Édouard Galletier, 3<br />

Bdd., (CB) Paris 1949–55.<br />

PACATUS: Panegyric to the Emperor Theodosius. Translated with an<br />

Introduction by Charles E.V. Nixon, (TTH) Liverpool 1987.<br />

GUTZWILLER, Hans: Die Neujahrsrede des Konsuls Claudius Mamertinus<br />

vor dem Kaiser Julian. Text, Übersetzung und Kommentar, Basel<br />

1942.<br />

[zit.: Gutzwiller, Mamertinus (1942)]


Quellen 301<br />

MÜLLER-RETTIG, Brigitte: Der Panegyricus des Jahres 310 auf<br />

Konstantin den Großen. Übersetzung und historisch-philologischer<br />

Kommentar, (Palingenesia 31) Stuttgart 1990.<br />

[zit.: Müller-Rettig, Pan.Lat. 6 (7) (1990)]<br />

JANSON, Tore (Hg.): A Concordance to the Latin Panegyrics. A Concordance<br />

to the XII Panegyrici Latini and to the Panegyrical Texts and<br />

Fragments of Symmachus, Ausonius, Merobaudes, Ennodius,<br />

Cassiodorus, Hildesheim / New York 1979.<br />

PRUDENTIUS:<br />

PRUDENTIUS. With an Engl. Transl. by H.J. Thomson, 2 Bdd., (LCL<br />

387/398) Cambridge, Mass. / London 1949/53 (ND: 1993/79).<br />

PRUDENCE. Psychomachie. Contre Symmaque. Texte établi et traduit par<br />

Maurice Lavarenne, 4 Bdd., (CB) Paris 1943–51.<br />

[Bd.3 (1948) enthält auch Symm. rel. 3; Ambr. epist. 72 (17) u. 73 (18)]<br />

RUTILIUS NAMATIANUS:<br />

RUTILIUS CLAUDIUS NAMATIANUS: De reditu suo sive Iter Gallicum. Hg.,<br />

eingel. u. erklärt v. Ernst Doblhofer, 2 Bdd., Heidelberg 1972/77.<br />

[zit.: Doblhofer, Rut.Nam. I (1972). II (1977)]<br />

SALLUSTIUS:<br />

C. SALLUSTIUS CRISPUS: Historiarum reliquiae, ed. Bertold<br />

Maurenbrecher, 2 Bdd., Leipzig 1891/93.<br />

SYMMACHUS:<br />

Q. AURELIUS SYMMACHUS: Quae supersunt, ed. Otto Seeck, MGH AA<br />

6,1, Berlin 1883 (ND: 1984).<br />

[zit.: Seeck, Symm. (1883)]<br />

PABST, Angela: Quintus Aurelius Symmachus, Reden, hg., übers. und<br />

erl., Darmstadt 1989.<br />

[zit.: Pabst, Symm. or. (1989)]


302 Anhang<br />

SYMMAQUE: Lettres. Texte établi, traduit et commenté par Jean Pierre<br />

Callu, bisher 3 Bdd., (CB) Paris 1972–95.<br />

MARCONE, Arnaldo: Commento storico al libro IV [/VI] dell’epostolario<br />

di Q. Aurelio Simmaco. Introduzione, commento storico, testo,<br />

traduzione, indici, 2 Bdd., Pisa 1987 [/83].<br />

[zit.: Marcone, Symm. epist. 4 (1981); 6 (1983)]<br />

BARROW, Reginald H. (Hg.): Prefect and Emperor. The Relationes of<br />

Symmachus, A.D.384. With Translation, Introduction and Notes,<br />

Oxford 1973.<br />

[zit.: Barrow, Symm. rel. (1973)]<br />

VERA, Domenico: Commento storico alle Relationes di Quinto Aurelio<br />

Simmaco. Introduzione, commento, testo, traduzione, appendice sul<br />

libro X, 1–2, indici, Pisa 1981.<br />

[zit.: Vera, Symm. rel. (1981)]<br />

KLEIN, Richard: Der Streit um den Victoriaaltar. Die dritte Relatio des<br />

Symmachus und die Briefe 17, 18 und 57 des Mailänder Bischofs<br />

Ambrosius. Einführung, Text, Übersetzung und Erläuterungen,<br />

Darmstadt 1972.<br />

[zit.: Klein, Victoriaaltar (1972)]<br />

WYTZES, Jelle: Die dritte Relatio des Symmachus und Ambrosius’<br />

Briefe 17, 18 und 57 mit Übersetzung, in: Jelle Wytzes: Der letzte<br />

Kampf des Heidentums in Rom, (Études préliminaires aux religions<br />

orientales dans l’empire romain 56) Leiden 1977, 200–261 u. 263–<br />

318 (Kommentar).<br />

LOMANTO, Valeria (Hg.): Concordantiae in Q. Aurelii Symmachi Opera.<br />

A Concordance to Symmachus, Hildesheim / Zürich / New York<br />

1983.<br />

JANSON (1979).<br />

THEMISTIOS:<br />

THEMISTIOS: Orationes quae supersunt, rec. Heinrich Schenkl, opus<br />

consummaverunt Glanville Downey et Albert Francis Norman, 3<br />

Bdd., (BT) Leipzig 1965–74.<br />

SCHNEI<strong>DER</strong>, Hugo: Die 34. Rede des Themistios (UJWNB YM%O FW]M%O).<br />

Einleitung, Übersetzung und Kommentar, Winterthur 1966.


VALERIUS MAX<strong>IM</strong>US:<br />

Quellen 303<br />

VALERIUS MAX<strong>IM</strong>US: Factorum et dictorum memorabilium, ed. Carl<br />

Kempf, Leipzig 2 1888 [Berlin 1 1854, ND: (BT) Stuttgart 1966].<br />

VALERIO MASS<strong>IM</strong>O: Detti e fatti memorabili. A cura di Rino Faranda,<br />

(U.T.E.T.) Turin 1971 (ND: 1987) [enthält außerdem die Epitomen<br />

von Iulius Paris u. Ianuarius Nepotianus].<br />

VALERIO MASS<strong>IM</strong>O: Detti e fatti memorabili. A cura di Rino Faranda.<br />

Testo latino a fronte, (TEA 13) Mailand 1988.<br />

[ND der U.T.E.T.-Ausgabe ohne die Epitomen]<br />

VALERIUS MAX<strong>IM</strong>US: Facta et dicta memorabilia. Denkwürdige Taten<br />

und Worte. Lateinisch / Deutsch. Übers. u. hg. v. Ursula Blank-<br />

Sangmeister, (Reclam Universal-Bibliothek 8695) Stuttgart 1991<br />

[Auswahl].<br />

WARDLE, D.: Valerius Maximus: Memorable Deeds and Sayings. Book<br />

I. Translated with Introduction and Commentary, Oxford 1998.<br />

[zit.: Wardle, Val.Max. 1 (1998)]<br />

VERGILIUS MARO:<br />

P. VERGILIUS MARO: Opera, rec. Roger A.B. Mynors, (OCT) Oxford<br />

1969 (ND: 1989).<br />

ZOS<strong>IM</strong>OS:<br />

ZOS<strong>IM</strong>E: Histoire nouvelle. Texte établi et traduit par François Paschoud,<br />

5 Bdd., (CB) Paris 1971–89.<br />

ZOS<strong>IM</strong>OS: Neue Geschichte. Übers. u. eingel. v. Otto Veh. Durchgesehen<br />

u. erl. v. Stefan Rebenich, (BGL 31) Stuttgart 1990.


304 Anhang<br />

VERSCHIEDENE HILFSMITTEL:<br />

Cetedoc Library of Christian Latin Texts (CLCLT-3). Data Base for the<br />

Western Latin Tradition, 2 CD-ROM, Turnhout 3 1996.<br />

DEKKERS, Eligius / GAAR, Aemilius: Clavis patrum Latinorum, (CCL)<br />

Steenbrugge 3 1995.<br />

Packard Humanities Institute: PHI CD-ROM, 5.3 / 6 / 7, Los Altos, Cal.<br />

1991–96.<br />

Thesaurus Linguae Graecae (TLG), CD-ROM, Irvine, Cal. 1992.


2. Literatur<br />

VON ALBRECHT, Michael: Geschichte der römischen Literatur von<br />

Andronicus bis Boethius. Mit Berücksichtigung ihrer Bedeutung für<br />

die Neuzeit, 2 Bdd., München / New Providence u.a. 2 1994 (ND:<br />

[dtv 4618] München 1994).<br />

ALEWELL, Karl: Über das rhetorische 7(9(+,0.4(. Theorie, Beispielsammlungen,<br />

Verwendung in der römischen Kaiserzeit,<br />

Leipzig 1913.<br />

ALFÖLDI, Andreas / ALFÖLDI, Elisabeth: Die Kontorniat-Medaillons. Teil<br />

1: Katalog, Tafeln (in Zusammenarbeit mit E. Alföldi und C.L.<br />

Clay). Teil 2: Text, Berlin / New York 1976/90 (erstmals u.d.T.: Die<br />

Kontorniaten. Ein verkanntes Propagandamittel der stadtrömischen<br />

Aristokratie in ihrem Kampfe gegen das christliche Kaisertum, I.<br />

[Text] Budapest 1942. II. [Tafeln] Leipzig 1943).<br />

[zit.: Alföldi I (1976). II (1990)]<br />

ALFÖLDI, Andreas: Das frühe Rom und die Latiner, Darmstadt 1977<br />

(erstmals u.d.T.: Early Rome and the Latins, Ann Arbor, Mich.<br />

1965).<br />

ANGUS, Samuel: The Sources of the first ten Books of Augustine’s De<br />

civitate Dei, Diss. Princeton 1906.<br />

ASSMANN, Jan: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in:<br />

Assmann / Hölscher (Hgg.) (1988) 9–19.<br />

ASSMANN, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische<br />

Identität in frühen Hochkulturen, München 1992.<br />

ASSMANN, Jan / HÖLSCHER, Tonio (Hgg.): Kultur und Gedächtnis, (stw<br />

724) Frankfurt/M. 1988.<br />

ASTIN, Alan E.: Scipio Aemilianus, Oxford 1967.<br />

BARNES, Timothy D.: Literary Convention, Nostalgia and Reality in<br />

Ammianus Marcellinus, in: Clarke (Hg.) (1990) 59–92.<br />

BARNES, Timothy D.: Statistics and the Conversion of the Roman<br />

Aristocracy, in: JRS 85 (1995) 135–147.<br />

BARNES, Timothy D.: Oppressor, Persecutor, Usurper: The Meaning of<br />

‘tyrannus’ in the Fourth Century, in: Giorgio Bonamente / Marc<br />

Mayer (Hgg.): Historiae Augustae Colloquium Barcinonense,<br />

(Historiae Augustae Colloquia N.S. IV) Bari 1996, 55–65.


306 Anhang<br />

BAUER, Franz Alto: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Untersuchungen<br />

zur Ausstattung des öffentlichen Raums in den spätantiken<br />

Städten Rom, Konstantinopel und Ephesos, Mainz 1996.<br />

BECKER, Maria: Die Kardinaltugenden bei Cicero und Ambrosius: De<br />

officiis, (>WM%XNO 4) Basel 1994.<br />

BELLEN, Heinz: Metus Gallicus – metus Punicus. Zum Furchtmotiv in<br />

der römischen Republik, (AAWM 1985 /3) Stuttgart 1985.<br />

BELLEN, Heinz: Grundzüge der römischen Geschichte. Erster Teil. Von<br />

der Königszeit bis zum Übergang der Republik in den Prinzipat,<br />

Darmstadt 1994.<br />

BELLEN, Heinz: Babylon und Rom – Orosius und Augustinus, in: Peter<br />

Kneissl / Volker Losemann (Hgg.): Imperium Romanum. Studien zu<br />

Geschichte und Rezeption. Festschrift für Karl Christ zum 75.<br />

Geburtstag, Stuttgart 1998, 51–60.<br />

BENDZ, Gerhard: Eine lateinische Exemplabiographie. Bemerkungen<br />

über den anonymen Liber de viris illustribus urbis Romae, in:<br />

Krister Hanell / Erik J. Knudtzon / Natan Valmin (Hgg.): +WFLRF.<br />

Martino P. Nilsson a. d. IV Id. Iul. anno MCMXXXIX dedicatum,<br />

Lund 1939, 56–66.<br />

BENGTSON, Hermann: Grundriß der römischen Geschichte. Mit Quellenkunde.<br />

Republik und Kaiserzeit bis 284 n.Chr., (HdAW III.5)<br />

München 3 1982.<br />

BINNS, James Wallace (Hg.): Latin Literature of the Fourth Century,<br />

London / Boston 1974.<br />

BLÄTTLER, Pirmin: Studien zur Regulusgeschichte. Beilage zum Jahresbericht<br />

der Kantonalen Lehranstalt Sarnen 1944/45, (Diss.<br />

Freiburg/CH 1945) Sarnen 1945.<br />

BLEICKEN, Jochen: Geschichte der Römischen Republik, (OGG 2)<br />

München 4 1992.<br />

[zit.: Bleicken, Geschichte (1992)]<br />

BLEICKEN, Jochen: Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen<br />

Kaiserreiches, 2 Bdd., (UTB 838/839) Paderborn / München u.a.<br />

4 3<br />

1995 / 1994.<br />

[zit.: Bleicken, Kaiserreich I (1995). II (1994)]<br />

BLOCKLEY, Roger C.: The Panegyric of Claudius Mamertinus on the<br />

Emperor Julian, in: AJPh 93 (1972) 437–450.


Literatur 307<br />

BLOCKLEY, Roger C.: Ammianus Marcellinus. A Study of his Historiography<br />

and Political Thought, (Collection Latomus 141) Brüssel<br />

1975.<br />

BLOOMER, William Martin Shepard: Valerius Maximus and the Idealized<br />

Republic: A Study in his Representation of Roman History, Diss.<br />

Yale Univ. New Haven, Conn. 1987 [Microfilm: Ann Arbor, Mich.<br />

1989].<br />

BLOOMER, William Martin Shepard: Valerius Maximus & the Rhetoric<br />

of the New Nobility, Chapel Hill / London 1992.<br />

BLÖSEL, Wolfgang: Die Geschichte des Begriffes mos maiorum von den<br />

Anfängen bis zu Cicero, in: Linke / Stemmler (Hgg.) (2000) 25–97.<br />

DEN BOEFT, Jan / VAN OORT, Johannes (Hgg.): Augustiniana Traiectina.<br />

Communications présentées au Colloque International d’Utrecht,<br />

13–14 novembre 1986, Paris 1987.<br />

DEN BOER, Willem: Some Minor Roman Historians, Leiden 1972.<br />

BRACHER, Karl Dietrich: Verfall und Fortschritt im Denken der frühen<br />

römischen Kaiserzeit. Studien zum Zeitgefühl und Geschichtsbewußtsein<br />

des Jahrhunderts nach Augustus, (Diss. Tübingen 1948)<br />

Wien / Köln / Graz 1987.<br />

[zit.: Bracher (1948/87)]<br />

BRANDENBURG, Hugo: Die Verwendung von Spolien und originalen<br />

Werkstücken in der spätantiken Architektur, in: Joachim Poeschke<br />

(Hg.): Antike Spolien in der Architektur des Mittelalters und der<br />

Renaissance, München 1996, 11–48.<br />

BRANDT, Axel: Moralische Werte in den Res gestae des Ammianus Marcellinus,<br />

(Hypomnemata 122) Göttingen 1999.<br />

BRANDT, Hartwin: König Numa in der Spätantike. Zur Bedeutung eines<br />

frührömischen exemplum in der spätrömischen Literatur, in: MH 45<br />

(1988) 98–110.<br />

BRÉGUET, Esther: A propos de quelques exemples historiques dans le De<br />

re publica de Cicéron I,3, 5–6, in: Latomus 26 (1967) 597–608.<br />

BRINGMANN, Klaus: Ammianus Marcellinus als spätantiker römischer<br />

Historiker, in: A&A 19 (1973) 44–60.<br />

BRINGMANN, Klaus: Weltherrschaft und innere Krise Roms im Spiegel<br />

der Geschichtsschreibung des zweiten und ersten Jahrhunderts<br />

v.Chr., in: A&A 23 (1977) 28–49.


308 Anhang<br />

BRODKA, Dariusz: Die Romideologie in der römischen Literatur der<br />

Spätantike, Frankfurt/M. / Berlin u.a. 1998.<br />

BROWN, Peter: Aspects of the Christianization of the Roman Aristocracy,<br />

in: Brown (1972) 161–182 (erstmals in: JRS 51 [1961] 1–<br />

11).<br />

[zit.: Brown (1961/72)]<br />

BROWN, Peter: Pelagius and his Supporters: Aims and Environment, in:<br />

Brown (1972) 183–207 (erstmals in: JThS N.S. 19 [1968] 93–114).<br />

[zit.: Brown (1968/72)]<br />

BROWN, Peter: Religion and Society in the Age of Saint Augustine,<br />

London 1972.<br />

BROWN, Peter: Der heilige Augustinus. Lehrer der Kirche und Erneuerer<br />

der Geistesgeschichte (Heyne Biographien 18), München 1975<br />

(erstmals London 1967 u.d.T.: Augustine of Hippo. A Biography).<br />

BROWN, Peter: Die letzten Heiden. Eine kleine Geschichte der Spätantike,<br />

Berlin 1986 (erstmals Cambridge, Mass. / London 1978 u.d.T.:<br />

The Making of Late Antiquity).<br />

BROWN, Peter: The World of Late Antiquity. AD 150–750, New York<br />

1989 (erstmals London 1971).<br />

BROWN, Peter: Die Heiligenverehrung. Ihre Entstehung und Funktion in<br />

der lateinischen Christenheit, Leipzig 1991 (erstmals Chicago 1981<br />

u.d.T.: The Cult of the Saints. Its Rise and Function in Latin<br />

Christianity).<br />

BROWN, Peter: Die Keuschheit der Engel. Sexuelle Entsagung, Askese<br />

und Körperlichkeit im frühen Christentum, (dtv 4627) München<br />

1994 (erstmals New York 1988 u.d.T.: The Body and Society. Men,<br />

Women and Sexual Renunciation in Early Christianity).<br />

BUCHHEIT, Vinzenz: Christliche Romideologie im Laurentius-Hymnus<br />

des Prudentius, in: Richard Klein (Hg.): Das frühe Christentum im<br />

römischen Staat, (WdF 267) Darmstadt 1971, 455–485 (erstmals in:<br />

Polychronion, Festschrift für Franz Dölger zum 75. Geburtstag,<br />

Heidelberg 1966, 121–144).<br />

[zit.: Buchheit (1966/71)]<br />

BURCKHARDT, Leonhard / VON UNGERN-STERNBERG, Jürgen: Cornelia,<br />

Mutter der Gracchen, in: Maria H. Dettenhofer (Hg.): Reine<br />

Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt, Köln /<br />

Weimar / Wien 1994 (ND: [dtv 4689] München 1996), 97–132.


Literatur 309<br />

BURKERT, Walter: Mythisches Denken. Versuch einer Definition an<br />

Hand des griechischen Befundes, in: Hans Poser (Hg.): Philosophie<br />

und Mythos. Ein Kolloquium, Berlin / New York 1979, 16–39.<br />

BURNS, Thomas S.: Barbarians within the Gates of Rome. A Study of<br />

Roman Military Policy and the Barbarians, ca. 375–425 A.D.,<br />

Bloomington / Indianapolis 1994.<br />

CAMERON, Alan: The Date and Identity of Macrobius, in: JRS 56 (1966)<br />

25–38.<br />

CAMERON, Alan: Claudian. Poetry and Propaganda at the Court of<br />

Honorius, Oxford 1970.<br />

CAMERON, Alan: Claudian, in: Binns (Hg.) (1974) 134–159.<br />

CAMERON, Alan: Paganism and Literature in Late Forth Century Rome,<br />

in: Manfred Fuhrmann (Hg.): Christianisme et formes littéraires de<br />

l’antiquité tardive en occident, (Entretiens 23) Vandoeuvres / Genf<br />

1977, 1–30.<br />

CAMERON, Alan: The Latin Revival of the Fourth Century, in: Warren<br />

Treadgold (Hg.): Renaissances Before the Renaissance. Cultural<br />

Revivals of Late Antiquity and the Middle Ages, Stanford, Ca.<br />

1984, 42–58, 182ff u. 212f.<br />

CAMERON, Averil: Christianity and the Rhetoric of Empire. The<br />

Development of Christian Discourse, Berkeley / Los Angeles /<br />

Oxford 1991.<br />

CAMERON, Averil: Das späte Rom, (dtv-Gesch. der Antike / dtv 4621)<br />

München 1994.<br />

CANCIK, Hubert: Reinheit und Enthaltsamkeit in der römischen Philosophie<br />

und Religion, in: Fairy v. Lilienfeld / Erich Bryner / Karl<br />

Christian Felmy / Werner Weismann (Hgg.): Aspekte frühchristlicher<br />

Heiligenverehrung, (Oikonomia 6) Erlangen 1977, 1–15 u.<br />

126–141.<br />

CARLSON, Mary Louise: Pagan Examples of Fortitude in the Latin<br />

Christian Apologists, in: CPh 43 (1948) 93–104.<br />

CARNEY, Thomas Francis: A Biography of C. Marius, Chicago 2 1970.<br />

CHAMBERS, Henry Edmund: Exempla virtutis in Themistius and the<br />

Latin Panegyrists, Diss. Indiana University 1968 [Microfilm: Ann<br />

Arbor, Mich. 1968].<br />

CHRIST, Karl: Caesar. Annäherungen an einen Diktator, München 1994.


310 Anhang<br />

CHRISTES, Johannes: Christliche und heidnisch-römische Gerechtigkeit<br />

in Augustins Werk „De civitate Dei“, in: RhM 123 (1980) 163–170.<br />

CLARKE, Martin L.: The Noblest Roman. Marcus Brutus and His Reputation,<br />

London 1981.<br />

CLARKE, Graeme (Hg.): Reading the Past in Late Antiquity, Rushcutters<br />

Bay, NSW 1990.<br />

CORNELL, Tim J.: Rome and Latium to 390 B.C., in: CAH VII 2 2 (1989)<br />

243–308.<br />

CORNELL, Tim J.: The Beginnings of Rome. Italy and Rome from the<br />

Bronze Age to the Punic Wars (c. 1000–264 B.C.), London / New<br />

York 1995.<br />

CROKE, Brian / EMMETT, Alanna M. (Hgg.): History and Historians in<br />

Late Antiquity, Sydney / Oxford u.a. 1983.<br />

DAVIDSON, Ivor J.: Ambrose’s De officiis and the Intellectual Climate of<br />

the Late Fourth Century, in: VChr 49 (1995) 313–333.<br />

DEICHMANN, Friedrich Wilhelm: Die Spolien in der spätantiken Architektur,<br />

(SBAW 1975 /6) München 1975.<br />

DEMANDT, Alexander: Zeitkritik und Geschichtsbild im Werk Ammians,<br />

Bonn 1965.<br />

DEMANDT, Alexander: Geschichte in der spätantiken Gesellschaft, in:<br />

Gymnasium 89 (1982) 255–272.<br />

DEMANDT, Alexander: Die Spätantike. Römische Geschichte von<br />

Diocletian bis Justinian 284–565 n.Chr., (HdAW III.6) München<br />

1989.<br />

DEMOEN, Kristoffel: Pagan and biblical exempla in Gregory Nazianzen.<br />

A study in rhetoric and hermeneutics, (Corpus christianorum.<br />

Lingua patrum 2) Turnhout 1996.<br />

<strong>DIE</strong>HL, Hermann: Sulla und seine Zeit im Urteil Ciceros, Hildesheim /<br />

Zürich / New York 1988.<br />

<strong>DIE</strong>SNER, Hans-Jürgen: Orosius und Augustinus, in: AAntHung 11<br />

(1963) 89–102.<br />

DIHLE, Albrecht: Die griechische und lateinische Literatur der Kaiserzeit.<br />

Von Augustus bis Justinian, München 1989.<br />

DÖPP, Siegmar: Zur Datierung von Macrobius’ „Saturnalia“, in: Hermes<br />

106 (1978) 619–632.


Literatur 311<br />

DÖPP, Siegmar: Prudentius’ Gedicht gegen Symmachus. Anlaß und<br />

Struktur, in: JbAC 23 (1980) 65–81.<br />

[zit.: Döpp, Prudentius (1980)]<br />

DÖPP, Siegmar: Zeitgeschichte in Dichtungen Claudians, (Hermes-Einzelschriften<br />

43) Wiesbaden 1980.<br />

[zit.: Döpp, Zeitgeschichte (1980)]<br />

DÖPP, Siegmar: Die Blütezeit lateinischer Literatur in der Spätantike<br />

(350–430 n.Chr.). Charakteristika einer Epoche, in: Philologus 132<br />

(1988) 19–52.<br />

DUMÉZIL, Georges: Camillus. A Study of Indo-European Religion as<br />

Roman History. Edited, with an Introduction, by Udo Strutynski,<br />

Berkeley / Los Angeles / London 1980.<br />

EA<strong>DIE</strong>, Festus (1967).<br />

EIGLER, Ulrich: lectiones vetustatis. Römische Literatur und Geschichte<br />

in der Lateinischen Literatur der Spätantike, Habilitationsschrift im<br />

Fach Klassische Philolologie, Bamberg o.J. (1993) [Unveröffentlichtes<br />

Manuskript].<br />

[zit.: Eigler, lectiones]<br />

ELBERN, Stephan: Usurpationen im Spätrömischen Reich, Bonn 1984.<br />

ELBERN, Stephan: Das Verhältnis der spätantiken Kaiser zur Stadt Rom,<br />

in: RQA 85 (1990) 19–49.<br />

ENGELS, Lodewijk J. / HOFMANN, Heinz (Hgg.): Spätantike. Mit einem<br />

Panorama der byzantinischen Literatur, (NHL 4) Wiesbaden 1997.<br />

[zit.: NHL 4 (1997)]<br />

ENSSLIN, Wilhelm: Zur Geschichtsschreibung und Weltanschauung des<br />

Ammianus Marcellinus, (Klio-Beih. 16) Leipzig 1923 (ND: Aalen<br />

1963).<br />

ESCH, Arnold: Spolien. Zur Wiederverwendung antiker Baustücke und<br />

Skulpturen im mittelalterlichen Italien, in: AKG 51 (1969) 1–64.<br />

EVANS, Richard J.: Gaius Marius. A Political Biography, Pretoria 1994.<br />

FELMY, Andreas: Die Bewertung republikanischer Institutionen bei Autoren<br />

des 4. und 5. Jahrhunderts n.Chr., in: Martin Flashar / Hans-<br />

Joachim Gehrke / Ernst Heinrich (Hgg.): Retrospektive. Konzepte<br />

von Vergangenheit in der griechisch-römischen Antike, München<br />

1996, 241–255.<br />

FINKE, Hermann: Ammianus Marcellinus und seine Quellen zur Geschichte<br />

der Römischen Republik, Diss. Heidelberg 1904.


312 Anhang<br />

FLACH, Dieter: Römische Geschichtsschreibung, Darmstadt 3 1998 (erstmals<br />

1985 u.d.T.: Einführung in die römische Geschichtsschreibung).<br />

FLAIG, Egon: Den Kaiser herausfordern. Die Usurpationen im Römischen<br />

Reich, Frankfurt/M. / New York 1992.<br />

FONTAINE, Jacques: Christentum ist auch Antike. Einige Überlegungen<br />

zu Bildung und Literatur in der lateinischen Spätantike, in: JbAC 25<br />

(1982) 5–21.<br />

FORMAN, Robert J.: Augustine and the Making of a Christian Literature.<br />

Classical Tradition and Augustinian Aesthetics, Lewiston /<br />

Queenston / Lampeter 1995.<br />

FUGMANN, Joachim: Königszeit und Frühe Republik in der Schrift „De<br />

viris illustribus urbis Romae“. Quellenkritisch-historische Untersuchungen.<br />

I: Königszeit, Frankfurt/M. / Bern u.a. 1990.<br />

FUHRMANN, Manfred: Die lateinische Literatur der Spätantike. Ein<br />

literarhistorischer Beitrag zum Kontinuitätsproblem, in: A&A 13<br />

(1967) 56–79.<br />

FUHRMANN, Manfred: Die Romidee der Spätantike, in: HZ 207 (1968)<br />

529–561.<br />

FUHRMANN, Manfred: Erneuerung als Wiederherstellung des Alten. Zur<br />

Funktion antiquarischer Forschung im Spätrepublikanischen Rom,<br />

in: Reinhart Herzog / Reinhart Koselleck (Hgg.): Epochenschwelle<br />

und Epochenbewußtsein, (Poetik & Hermeneutik 12) München<br />

1987, 131–151.<br />

FUHRMANN, Manfred: Rom in der Spätantike. Porträt einer Epoche,<br />

München / Zürich 1994.<br />

FUHRMANN, Manfred: Philologie und Rhetorik, in: NHL 4 (1997) 173–<br />

193.<br />

GEBIEN, Kurt: Die Geschichte in Senecas philosophischen Schriften.<br />

Untersuchungen zum historischen Exempel in der Antike, Diss.<br />

Konstanz 1969.<br />

GEERLINGS, Wilhelm: Christus Exemplum. Studien zur Christologie und<br />

Christusverkündigung Augustins, Diss. Tübingen 1977.<br />

GEERLINGS, Wilhelm: Augustin und der antike Friedensgedanke, in:<br />

Gerhard Binder / Bernd Effe (Hgg.): Krieg und Frieden im Altertum,<br />

Trier 1989, 191–203.


Literatur 313<br />

GEHRKE, Hans-Joachim: Mythos, Geschichte, Politik – antik und<br />

modern, in: Saeculum 45 (1994) 239–264.<br />

GEIGER, Joseph: Zum Bild Julius Caesars in der römischen Kaiserzeit,<br />

in: Historia 24 (1975) 444–453.<br />

GNILKA, Christian: Dichtung und Geschichte im Werk Claudians, in:<br />

FMS 10 (1976) 96–124.<br />

GNILKA, Christian: Der Begriff des „rechten Gebrauchs“, (>WM%XNO 1)<br />

Basel / Stuttgart 1984.<br />

GOETZ, Hans-Werner: Die Geschichtstheologie des Orosius, Darmstadt<br />

1980.<br />

GRAF, Fritz: Griechische Mythologie. Eine Einführung, München /<br />

Zürich 3 1991.<br />

GRÜTZMACHER, Georg: Hieronymus. Eine biographische Studie zur alten<br />

Kirchengeschichte, 3 Bdd., Leipzig 1901 / Berlin 1906/08.<br />

[zit.: Grützmacher I (1901). II (1906). III (1908)]<br />

GÜNTHER, Linda-Marie: Gallicus sive Anticus. Zu einem Triumphaltitel<br />

Justinians I., in: Tyche 7 (1992) 89ff.<br />

VON HAEHLING, Raban: Die Religionszugehörigkeit der hohen Amtsträger<br />

des Römischen Reiches seit Constantins I. Alleinherrschaft<br />

bis zum Ende der Theodosianischen Dynastie (324–450 bzw. 455<br />

n.Chr.), Bonn 1978.<br />

HAGENDAHL, Harald: Latin Fathers and the Classics. A Study on the<br />

Apologists, Jerome and other Christian Writers, Göteborg 1958.<br />

HAGENDAHL, Harald: Augustine and the Latin Classics, 2 Bdd.,<br />

Stockholm / Göteborg / Uppsala 1967.<br />

HAGENDAHL, Harald: Von Tertullian zu Cassiodor. Die profane<br />

literarische Tradition in dem lateinischen christlichen Schrifttum,<br />

Göteborg 1983.<br />

HALBWACHS, Maurice: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen,<br />

Berlin / Neuwied 1966 (erstmals Paris 1925 u.d.T.: Les cadres<br />

sociaux de la mémoire).<br />

HALBWACHS, Maurice: Das kollektive Gedächtnis, (Fischer-Tb. 7359)<br />

Frankfurt/M. 1985 (erstmals Paris 1950 u.d.T.: La mémoire<br />

collective).<br />

HAMPL, Franz: Römische Politik in republikanischer Zeit und das Problem<br />

des „Sittenverfalls“, in: HZ 188 (1959) 497–525.


314 Anhang<br />

HARTKE, Werner: Römische Kinderkaiser. Eine Strukturanalyse römischen<br />

Denkens und Daseins, Berlin 1951.<br />

HELM, Rudolf: Valerius Maximus, Seneca und die ‚Exemplasammlung‘,<br />

in: Hermes 74 (1939) 130–154.<br />

HERZOG, Reinhart: Metapher – Exegese – Mythos. Interpretationen zur<br />

Entstehung eines biblischen Mythos in der Literatur der Spätantike,<br />

in: Manfred Fuhrmann (Hg.): Terror und Spiel. Probleme der Mythenrezeption,<br />

(Poetik & Hermeneutik 4) München 1971, 157–185.<br />

HERZOG, Reinhart: Orosius oder Die Formulierung eines Fortschrittskonzepts<br />

aus der Erfahrung des Niedergangs, in: Reinhart<br />

Koselleck / Paul Widmer (Hgg.): Niedergang. Studien zu einem geschichtlichen<br />

Thema, Stuttgart 1980, 79–102.<br />

HERZOG, Reinhart (Hg.): Restauration und Erneuerung. Die lateinische<br />

Literatur von 284 bis 374 n.Chr., (HLL 5 = HdAW VIII.5)<br />

München 1989.<br />

[zit.: HLL 5 (1989)]<br />

VON HESBERG-TONN, Bärbel: Coniunx Carissima. Untersuchungen zum<br />

Normcharakter im Erscheinungsbild der römischen Frau, Diss.<br />

Stuttgart 1983.<br />

HEUSS, Alfred: Römische Geschichte, Darmstadt 1987 (erstmals<br />

Braunschweig 1960).<br />

HIRSCHFELD, Otto: Zur Camillus-Legende, in: ders.: Kleine Schriften,<br />

Berlin 1913, 273–287 (erstmals in: Festschrift zum 50. Doktorjubiläum<br />

L. Friedländers, Leipzig 1895, 125–138).<br />

[zit.: Hirschfeld (1898/1913)]<br />

HOFMANN, Heinz: Die Geschichtsschreibung, in: NHL 4 (1997) 403–<br />

467.<br />

HÖLKESKAMP, Karl-Joachim: Exempla und mos maiorum. Überlegungen<br />

zum kollektiven Gedächtnis der Nobilität, in: Hans-Joachim<br />

Gehrke / Astrid Möller (Hgg.): Vergangenheit und Lebenswelt.<br />

Soziale Kommunikation, Traditionsbildung und historisches Bewußtsein,<br />

(ScriptOralia 90) Tübingen 1996, 301–338.<br />

HONSTETTER, Robert: Exemplum zwischen Rhetorik und Literatur. Zur<br />

gattungsgeschichtlichen Sonderstellung von Valerius Maximus und<br />

Augustinus, Diss. Konstanz 1977.<br />

HOOPER, Finley / SCHWARTZ, Matthew: Roman Letters. History from a<br />

personal point of view, Detroit 1991.


Literatur 315<br />

JOHNE, Klaus-Peter: Kaiserbiographie und Senatsaristokratie. Untersuchungen<br />

zur Datierung und sozialen Herkunft der Historia Augusta,<br />

Berlin 1976.<br />

JOHNE, Klaus-Peter: Das Geschichtsbild in der Historia Augusta, in: Klio<br />

66 (1984) 631–640.<br />

JONES, Arnold H.M.: The Later Roman Empire 284–602. A social, economic,<br />

and administrative Survey, 3 Bdd., Beilage (Karten), Oxford<br />

1964 (ND: 2 Bdd., Baltimore 1986).<br />

[zit.: Jones (1964/86)]<br />

KAH, Marianne: „Die Welt der Römer mit der Seele suchend ...“. Die<br />

Religiosität des Prudentius im Spannungsfeld zwischen ‚pietas<br />

christiana‘ und ‚pietas Romana‘, Bonn 1990.<br />

KEAVENEY, Arthur: Sulla. The Last Republican, London / Canberra 1982.<br />

KELLY, John Norman Davidson: Jerome. His Life, Writings, and<br />

Controversies, London 1975 (ND: Peabody, Mass. 1998).<br />

KENNEY, E.J. / CLAUSEN, W.V. (Hgg.): The Cambridge History of<br />

Classical Literature. II: Latin Literature, Cambridge / London u.a.<br />

1982.<br />

[zit.: CHCL II (1982)]<br />

KIRWAN, Christopher: Augustine, London / New York 1989 (ND: 1991).<br />

KITZINGER, Ernst: Byzantine Art in the Making. Main Lines of stylistic<br />

Development in Mediterranean Art. 3rd–7th Century, Cambridge,<br />

Mass. 2 1980.<br />

KLEIN, Victoriaaltar (1972).<br />

KLEIN, Richard: Das spätantike Romverständnis vor Augustinus, in: BJ<br />

185 (1985) 97–142.<br />

KLEIN, Richard: Die Romidee bei Symmachus, Claudian und Prudentius,<br />

in: François Paschoud (Hg.): Colloque Genevois sur Symmaque, à<br />

l’occasion du mille-six-centième anniversaire du conflit de l’autel<br />

de la Victoire, Paris 1986, 119–144.<br />

[zit.: Klein, Romidee (1986)]<br />

KLEIN, Richard: Symmachus. Eine tragische Gestalt des ausgehenden<br />

Heidentums, Darmstadt 2 1986.<br />

[zit.: Klein, Symmachus (1986)]<br />

KLINGNER, Friedrich: Rom als Idee, in: Klingner (1965) 645–666 (erstmals<br />

in: Die Antike 3 [1927] 17ff).<br />

[zit.: Klingner (1927/65)]


316 Anhang<br />

KLINGNER, Friedrich: Vom Geistesleben im Rom des ausgehenden<br />

Altertums, in: Klingner (1965) 528–578 (erstmals in: Vorträge und<br />

Schriften des Freien Deutschen Hochstifts, Bd.3, Frankfurt 1941).<br />

[zit.: Klingner (1941/65)]<br />

KLINGNER, Friedrich: Römische Geisteswelt, München 5 1965.<br />

KLOTZ, Alfred: Studien zu Valerius Maximus und den Exempla, (SBAW<br />

1942 /5) München 1942.<br />

KOCH-PETERS, Dorothea: Ansichten des Orosius zur Geschichte seiner<br />

Zeit, Frankfurt/M. / Bern / New York 1984.<br />

KORNHARDT, Hildegard: Exemplum. Eine bedeutungsgeschichtliche<br />

Studie, Diss. Göttingen 1936.<br />

KOSELLECK, Reinhart: Historia Magistra Vitae. Über die Auflösung des<br />

Topos im Horizont neuzeitlich bewegter Geschichte, in: ders.: Vergangene<br />

Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, (stw 757)<br />

Frankfurt/M. 2 1992, 38–66 (erstmals in: Hermann Braun / Manfred<br />

Riedel (Hgg.): Natur und Geschichte, Karl Löwith zum 70. Geburtstag,<br />

Stuttgart 1967, 196–219).<br />

[zit.: Koselleck (1967/92)]<br />

KRAUTHE<strong>IM</strong>ER, Richard: The Architecture of Sixtus III: A Fifth-Century<br />

Renascence?, in: ders.: Studies in Early Christian, Medieval and<br />

Renaissance Art, New York / London 1969, 181–196 (erstmals in:<br />

Millard Meiss [Hg.]: De Artibus Opuscula XL: Essays in Honor of<br />

Erwin Panofsky, New York 1961, 291–302).<br />

[zit.: Krautheimer (1961/69)]<br />

KRAUTHE<strong>IM</strong>ER, Richard: Wege und Irrwege im spätantiken Kirchenbau,<br />

in: ders.: Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Kunstgeschichte,<br />

Köln 1988, 109–133 (erstmals in: Kurt Weitzmann [Hg.]: Age of<br />

Spirituality: A Symposium, New York / Princeton 1980, 121–139<br />

u.d.T.: Success and Failure in Late Antique Church Planning).<br />

[zit.: Krautheimer (1980/88)]<br />

KREMER, Bernhard: Das Bild der Kelten bis in augusteische Zeit. Studien<br />

zur Instrumentalisierung eines antiken Feindbildes bei griechischen<br />

und römischen Autoren, (Historia-Einzelschr. 88) Stuttgart<br />

1994.<br />

KRÖN, Martin: Das Mönchtum und die kulturelle Tradition des lateinischen<br />

Westens. Formen der Askese, Autorität und Organisation im<br />

frühen westlichen Zönobitentum, München 1997.


Literatur 317<br />

KRUMEICH, Christa: Hieronymus und die christlichen feminae<br />

clarissimae, Bonn 1993.<br />

KYTZLER, Bernhard (Hg.): Rom als Idee, (WdF 656) Darmstadt 1993.<br />

LANZANI, Carolina: Il mito storico di Camillo, in: Miscellanea Giovanni<br />

Galbiati, Bd.I, Mailand 1951, 129–145.<br />

LAUFS, Joachim: Der Friedensgedanke bei Augustinus. Untersuchungen<br />

zum XIX. Buch des Werkes De civitate Dei, (Hermes-Einzelschriften<br />

27) Wiesbaden 1973.<br />

LEHNER, Jakob: Poesie und Politik in Claudians Panegyrikus auf das<br />

vierte Konsulat des Kaisers Honorius, Königstein/Ts. 1984.<br />

LINKE, Bernhard / STEMMLER, Michael (Hgg.): Mos maiorum. Untersuchungen<br />

zu den Formen der Identitätsstiftung und Stabilisierung in<br />

der römischen Republik, (Historia-Einzelschr. 141) Stuttgart 2000.<br />

LIPANI, Francesco: La controversia sull’ “ara Victoriae”, in: A&R 41<br />

(1996) 75–79.<br />

LIPPOLD, Adolf: Die Darstellung des ersten punischen Krieges in den<br />

„Historiarum adversum paganos libri VII“ des Orosius, in: RhM 97<br />

N.F. (1954) 254–286.<br />

LIPPOLD, Adolf: Consules. Untersuchungen zur Geschichte des römischen<br />

Konsulates von 264 bis 201 v.Chr., Bonn 1963.<br />

LIPPOLD, Adolf: Herrscherideal und Traditionsverbundenheit im Panegyricus<br />

des Pacatus, in: Historia 17 (1968) 228–250.<br />

LIPPOLD, Adolf: Theodosius der Große und seine Zeit, (Beck’sche<br />

Schwarze Reihe 209) München 2 1980.<br />

LIPPOLD, Adolf: Die Historia Augusta. Eine Sammlung römischer Kaiserbiographien<br />

aus der Zeit Konstantins, hg. v. Gerhard H.<br />

Waldherr, Stuttgart 1998.<br />

LITCHFIELD, Henry W.: National exempla virtutis in Roman Literature,<br />

in: HSPh 25 (1914) 1–71.<br />

LONG, Jacqueline: Claudian’s In Eutropium. Or, How, When, and Why<br />

to Slander a Eunuch, Chapel Hill / London 1996.<br />

MACCORMACK, Sabine: Latin Prose Panegyrics, in: Thomas Alan Dorey<br />

(Hg.): Empire and Aftermath. Silver Latin II, London / Boston 1975,<br />

143–205.


318 Anhang<br />

MACCORMACK, Sabine: Latin prose Panegyrics: tradition and<br />

discontinuity in the later roman Empire, in: REAug 22 (1976) 29–<br />

77.<br />

MACCORMACK, Sabine: Art and Ceremony in Late Antiquity, Berkeley /<br />

Los Angeles / London 1981 (ND: 1990).<br />

MACCORMACK, Sabine: The Shadows of Poetry. Vergil in the Mind of<br />

Augustine, Berkeley / Los Angeles / London 1998.<br />

MACLYNN, Neil B.: Ambrose of Milan. Church and court in a Christian<br />

capital, Berkeley / Los Angeles / London 1994.<br />

MAIER, Franz Georg: Augustin und das antike Rom, Stuttgart / Köln<br />

1955.<br />

MARKUS, Robert Austin: The End of Ancient Christianity, Cambridge /<br />

New York u.a. 1990 (ND: Cambridge / New York / Melbourne<br />

1998).<br />

MARROU, Henrí-Irénée: Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum,<br />

(dtv WR 4275) München 1977 (erstmals Paris 1948 u.d.T.:<br />

Histoire de l’éducation dans l’antiquité).<br />

MARROU, Henrí-Irénée: Augustinus und das Ende der antiken Bildung,<br />

Paderborn / München u.a. 2 1995 (erstmals Paris 1938; Übers. aus<br />

dem Frz. basiert auf der erweiterten Ausgabe: Saint Augustin et la<br />

fin de la culture antique, Paris 4 1958).<br />

MARTIN, Jochen: Spätantike und Völkerwanderung, (OGG 4) München<br />

3<br />

1995.<br />

MATTHEWS, John: Symmachus and the magister militum Theodosius, in:<br />

Historia 20 (1971) 122–128.<br />

MATTHEWS, John: The Letters of Symmachus, in: Binns (Hg.) (1974)<br />

58–99.<br />

MATTHEWS, John: Ammianus’ Historical Evolution, in: Croke / Emmett<br />

(Hgg.) (1983) 30–41.<br />

MATTHEWS, John: The Roman Empire of Ammianus, London 1989.<br />

MATTHEWS, John: Western Aristocracies and Imperial Court A.D. 364–<br />

425, Oxford 1998 (erstmals 1975).<br />

MAUSE, Michael: Die Darstellung des Kaisers in der lateinischen Panegyrik,<br />

(Palingenesia 50) Stuttgart 1994.


Literatur 319<br />

MAYER, Cornelius: ‚Pietas‘ und ‚vera pietas quae caritas est‘. Zwei<br />

Kernfragen der Auseinandersetzung Augustins mit der heidnischen<br />

Antike, in: den Boeft / van Oort (Hgg.) (1987) 119–136.<br />

VAN <strong>DER</strong> MEER, Frederik G.: Augustinus der Seelsorger. Leben und Wirken<br />

eines Kirchenvaters, Köln 3 1958 (ND: München 1983).<br />

MEIER, Christian: Res publica amissa. Eine Studie zu Verfassung und<br />

Geschichte der späten römischen Republik, Frankfurt/M. 3 1997.<br />

MELLOR, Ronald: The Goddess Roma, in: ANRW II 17.2 (1981) 950–<br />

1030.<br />

MITTAG, Peter Franz: Alte Köpfe in neuen Händen. Urheber und Funktion<br />

der Kontorniaten, Bonn 1999.<br />

MIX, Erving R.: Marcus Atilius Regulus. Exemplum historicum, Den<br />

Haag / Paris 1970.<br />

MOMIGLIANO, Arnaldo: Camillus and Concord, in: ders.: Secondo<br />

contributo alla storia degli studi classici, Rom 1960, 89–104 (erstmals<br />

in: CQ 36 [1942] 111–120).<br />

[zit.: Momigliano (1942/60)]<br />

MOMIGLIANO, Arnaldo: Ein ungelöstes Problem historischer Fälschung:<br />

Die „Scriptores Historiae Augustae“, in: Momigliano (1998) 313–<br />

349 u. 407–416 (Anm.) (erstmals in: JWI 17 [1954] 22–46 u.d.T.:<br />

An Unsolved Problem of Historical Forgery: The “Scriptores<br />

Historiae Augustae”).<br />

[zit.: Momigliano (1954/98)]<br />

MOMIGLIANO, Arnaldo: Pagan and Christian Historiography in the<br />

Fourth Century A.D., in: ders. (Hg.): The Conflict between<br />

Paganism and Christianity in the Fourth Century, Oxford 1963, 79–<br />

99.<br />

MOMIGLIANO, Arnaldo: Der einsame Historiker Ammianus Marcellinus,<br />

in: Momigliano (1998) 373–386 u. 420f (Anm.) (erstmals in:<br />

ASNP, serie III,4 [1974] 1393–1407 u.d.T.: The Lonely Historian<br />

Ammianus Marcellinus).<br />

[zit.: Momigliano (1974/98)]<br />

MOMIGLIANO, Arnaldo: Ausgewählte Schriften zur Geschichte und Geschichtsschreibung.<br />

Bd.1. Die Alte Welt, hg. v. Wilfried Nippel,<br />

Stuttgart / Weimar 1998.<br />

MOMMSEN, Theodor Ernst: Orosius and Augustine, in: ders.: Medieval<br />

and Renaissance Studies, hg. v. Eugene F. Rice, Ithaca, N.Y. 1959,<br />

325–348.


320 Anhang<br />

VON MOOS, Peter: Geschichte als Topik. Das rhetorische Exemplum von<br />

der Antike zur Neuzeit und die historiae im „Policratus“ Johanns<br />

von Salisbury, Hildesheim / Zürich / New York 1988.<br />

[Die Neuausgabe 2 1996 war mir leider nicht zugänglich]<br />

MORGENSTERN, Frank: Die Briefpartner des Augustinus von Hippo.<br />

Prosopographische, sozial- und ideologiegeschichtliche Untersuchungen,<br />

Bochum 1993.<br />

NÄF, Beat: Senatorisches Standesbewusstsein in spätrömischer Zeit,<br />

Freiburg/CH 1995.<br />

NERI, Valerio: L’Usurpatore come tiranno nel lessico politico della tarda<br />

antichità, in: François Paschoud / Joachim Szidat (Hgg.): Usurpationen<br />

in der Spätantike. Akten des Kolloquiums „Staatsstreich und<br />

Staatlichkeit“, 6.–10. März 1996, Solothurn / Bern, (Historia-Einzelschr.<br />

111) Stuttgart 1997, 71–86.<br />

NEUMANN, Karl-Georg: Taciteisches im Werk des Ammianus Marcellinus,<br />

Diss. München 1987.<br />

NIPPERDEY, Thomas: Kann Geschichte objektiv sein?, in: GWU 30<br />

(1979) 329–342.<br />

NIXON, Charles E.V.: Latin Panegyric in the Tetrarchic and<br />

Constantinian Period, in: Croke / Emmett (Hgg.) (1983) 88–99.<br />

NIXON, Charles E.V.: The Use of the Past by the Gallic Panegyrists, in:<br />

Clarke (Hg.) (1990) 1–36.<br />

OGILVIE, Robert Maxwell: Das frühe Rom und die Etrusker, (dtv-Gesch.<br />

der Antike / dtv 4403) München 1983.<br />

OPELT, Ilona: Hieronymus’ Streitschriften, Heidelberg 1973.<br />

PABST, Symm. or. (1989).<br />

PALMER, Anne-Marie: Prudentius on the Martyrs, Oxford 1989.<br />

PASCHOUD, François: Roma Aeterna. Études sur le patriotisme romain<br />

dans l’occident latin à l’époque des grandes invasions, Rom 1967.<br />

PETERSON, Erik: Der Monotheismus als politisches Problem (1935), in:<br />

ders.: Theologische Traktate, München 1951, 45–147.<br />

[zit.: Peterson (1935/51)]<br />

P�����������, Dionizy: L’apothéose d’Auguste par rapport à Romulus-<br />

Quirinus dans la poésie de Virgile et d’Horace, in: Eos 63 (1975)<br />

273–296.


Literatur 321<br />

PORTMANN, Werner: Geschichte in der spätantiken Panegyrik,<br />

Frankfurt/M. / Bern u.a. 1988.<br />

PÖSCHL, Viktor: Augustinus und die römische Geschichtsauffassung, in:<br />

ders.: Literatur und geschichtliche Wirklichkeit. Abhandlungen und<br />

Aufsätze zur Römischen Prosa und zur Klassischen Philologie.<br />

Kleine Schriften II, hg. v. Wolf-Lüder Liebermann, Heidelberg<br />

1983, 212–218 (erstmals in: Augustinus Magister. Congrès International<br />

Augustinien, Bd.2, Paris o.J. [1954], 957–963).<br />

[zit.: Pöschl (1954/83)]<br />

PÖSCHL, Viktor: Die römische Auffassung der Geschichte, in: José<br />

Miguel Alonso-Núñez (Hg.): Geschichtsbild und Geschichtsdenken<br />

im Altertum, (WdF 631) Darmstadt 1991, 177–199 (erstmals in:<br />

Gymnasium 63 [1956] 190–206).<br />

[zit.: Pöschl (1956/91)]<br />

PRICE, Bennett J.: 7FWFIJNLRF and Exemplum in Ancient Rhetorical<br />

Theory, Diss. Berkeley, Cal. 1982 [Microfilm: Ann Arbor, Mich.<br />

1990].<br />

REBENICH, Stefan: Augustinus im Streit zwischen Symmachus und<br />

Ambrosius um den Altar der Victoria, in: Laverna 2 (1991) 53–75.<br />

REBENICH, Stefan: Hieronymus und sein Kreis. Prosopographische und<br />

sozialgeschichtliche Untersuchungen, (Historia-Einzelschr. 72)<br />

Stuttgart 1992.<br />

[zit.: Rebenich, Kreis (1992)]<br />

REBENICH, Stefan: Der heilige Hieronymus und die Geschichte – Zur<br />

Funktion der Exempla in seinen Briefen, in: RQA 87 (1992) 29–46.<br />

[zit.: Rebenich, Geschichte (1992)]<br />

RIEDL, Petra: Die Romidee Claudians, in: Gymnasium 102 (1995) 537–<br />

555.<br />

RIEGER, Hermann: Das Nachleben des Tiberius Gracchus in der lateinischen<br />

Literatur, Bonn 1991.<br />

ROSEN, Klaus: Ammianus Marcellinus, Darmstadt 1982.<br />

[zit.: Rosen, Ammianus (1982)]<br />

ROSEN, Klaus: Über heidnisches und christliches Geschichtsdenken in<br />

der Spätantike, München 1982.<br />

[zit.: Rosen, Geschichtsdenken (1982)]<br />

RUBINCAM, Catherine: The Nomenclature of Julius Caesar and the Later<br />

Augustus in the Triumviral Period, in: Historia 41 (1992) 88–103.


322 Anhang<br />

SABBAH, Guy: La méthode d’Ammien Marcellin. Recherches sur la construction<br />

du discours historique dans les Res gestae, Paris 1978.<br />

SALZMAN, Michele Renee: Reflections on Symmachus’ Idea of Tradition,<br />

in: Historia 38 (1989) 348–364.<br />

SCHELKLE, Karl Hermann: Virgil in der Deutung Augustins, Stuttgart /<br />

Berlin 1939.<br />

SCHINDLER, Alfred: Augustin und die römischen Historiker, in: den<br />

Boeft / van Oort (Hgg.) (1987) 153–168.<br />

SCHLANGE-SCHÖNINGEN, Heinrich: Kaisertum und Bildungswesen im<br />

spätantiken Konstantinopel, (Historia-Einzelschr. 94) Stuttgart<br />

1995.<br />

SCHLUMBERGER, Jörg: Die Epitome de Caesaribus. Untersuchungen zur<br />

heidnischen Geschichtsschreibung des 4. Jahrhunderts n. Chr.,<br />

(Vestigia 18) München 1974.<br />

SCHMIDT, Peter L.: Zu den Epochen der spätantiken lateinischen Historiographie,<br />

in: Philologus 132 (1988) 86–100.<br />

SCHOLTEN, Helga: Der Eunuch in Kaisernähe. Zur politischen und sozialen<br />

Bedeutung des praepositus sacri cubiculi im 4. und<br />

5. Jahrhundert n.Chr., Frankfurt/M. / Berlin u.a. 1995.<br />

SOLIN, Heikki: Namenpaare. Eine Studie zur römischen Namengebung,<br />

Helsinki 1990.<br />

STEIDLE, Wolf: Die dichterische Konzeption des Prudentius und das<br />

Gedicht Contra Symmachum, in: VChr 25 (1971) 241–281.<br />

STEINBEISS, Heinz: Das Geschichtsbild Claudians, Diss. Halle 1936.<br />

STEMMLER, Michael: Auctoritas exempli. Zur Wechselwirkung von<br />

kanonisierten Vergangenheitsbildern und gesellschaftlicher Gegenwart<br />

in der spätrepublikanischen Rhetorik, in: Linke / Stemmler<br />

(Hgg.) (2000) 141–205.<br />

STRASBURGER, Hermann: Der ‚Scipionenkreis‘, in: ders.: Studien zur<br />

Alten Geschichte, hg. v. Walter Schmitthenner / Renate Zoepffel,<br />

Bd.II, Hildesheim / New York 1982, 946–958 (erstmals in: Hermes<br />

94 [1966] 60–72).<br />

[zit.: Strasburger (1966/82)]


Literatur 323<br />

STRAUB, Johannes: Die Wirkung der Niederlage bei Adrianopel auf die<br />

Diskussion über das Germanenproblem in der spätrömischen Literatur,<br />

in: Straub, Regeneratio imperii I (1972) 195–219 (erstmals in:<br />

Philologus 95 [1943] 255–286).<br />

[zit.: Straub (1943/72)]<br />

STRAUB, Johannes: Christliche Geschichtsapologetik in der Krisis des<br />

Römischen Reiches, in: Straub, Regeneratio imperii I (1972) 240–<br />

270 (erstmals in: Historia 1 [1950] 52–81).<br />

[zit.: Straub (1950/72)]<br />

STRAUB, Johannes: Augustins Sorge um die regeneratio imperii. Das Imperium<br />

Romanum als civitas terrena, in: Straub, Regeneratio<br />

imperii I (1972) 271–295 (erstmals in: HJ 73 [1954] 36–60).<br />

[zit.: Straub (1954/72)] .<br />

STRAUB, Johannes: Regeneratio imperii. Aufsätze über Roms Kaisertum<br />

und Reich im Spiegel der heidnischen und christlichen Publizistik,<br />

Bd. I, Darmstadt 1972.<br />

STU<strong>DER</strong>, Basil: “Sacramentum et exemplum” chez saint Augustin, in:<br />

RecAug 10 (1975) 87–141.<br />

STU<strong>DER</strong>, Basil: “Sacramentum et exemplum” chez Saint Augustin, in:<br />

Elizabeth A. Livingstone (Hg.): Studia patristica. Vol. XVI. Papers<br />

presented to the Seventh International Conference on Patristic<br />

Studies held in Oxford 1975, Part II, Berlin 1985, 570–588.<br />

SUGANO, Karin: Das Rombild des Hieronymus, Frankfurt/M. / Bern /<br />

New York 1983.<br />

SZIDAT, Joachim: Alexandrum imitatus (Amm. 24,4,27). Die Beziehung<br />

Iulians zu Alexander in der Sicht Ammians, in: Wolfgang Will<br />

(Hg.): Zu Alexander d.Gr. Festschrift Gerhard Wirth zum 60.<br />

Geburtstag am 9.12.86, Bd.2, Amsterdam 1988, 1023–1035.<br />

TÄUBLER, Eugen: Camillus und Sulla. Zur Entstehung der Camilluslegende,<br />

in: ders.: Ausgewählte Schriften zur Alten Geschichte,<br />

Stuttgart 1987, 105–119 (erstmals in: Klio 12 [1912] 219–233).<br />

[zit.: Täubler (1912/87)]<br />

THEISSEN, Gerd: Tradition und Entscheidung. Der Beitrag des biblischen<br />

Glaubens zum kulturellen Gedächtnis, in: Assmann / Hölscher<br />

(Hgg.) (1988) 170–196.<br />

THRAEDE, Klaus: Das antike Rom in Augustins De civitate Dei. Recht<br />

und Grenzen eines verjährten Themas, in: JbAC 20 (1977) 90–148.


324 Anhang<br />

TRÄNKLE, Hermann: Ammianus Marcellinus als römischer Geschichtsschreiber,<br />

in: A&A 11 (1962) 21–33.<br />

VON UNGERN-STERNBERG, Jürgen: Romulus-Bilder: Die Begründung der<br />

Republik im Mythos, in: Fritz Graf (Hg.): Mythos in mythenloser<br />

Gesellschaft. Das Paradigma Roms, (Colloquium Rauricum 3)<br />

Stuttgart / Leipzig 1993, 88–108.<br />

UNRUH, Frank: Das Bild des Imperium Romanum im Spiegel der Literatur<br />

an der Wende vom 2. zum 3. Jh. n.Chr., Diss. Tübingen 1989.<br />

UTHEMANN, Karl-Heinz: Die Kunst der Beredsamkeit: Pagane Redner<br />

und christliche Prediger, in: NHL 4 (1997) 265–320.<br />

VITTINGHOFF, Friedrich: Zum geschichtlichen Selbstverständnis der<br />

Spätantike, in: HZ 198 (1964) 529–574.<br />

WARDMAN, Alan E.: Usurpers and Internal Conflicts in the 4th Century<br />

A.D., in: Historia 33 (1984) 220–237.<br />

WERNER, Volker: Quantum bello optimus, tantum pace pessimus. Studien<br />

zum Mariusbild in der antiken Geschichtsschreibung, Bonn<br />

1995.<br />

WILLERS, Dietrich: Das Ende der antiken Idealstatue, in: MH 53 (1996)<br />

170–186.<br />

WIRBELAUER, Eckhard / FLEER, Christian: Totius orbis Augustus. Claudius<br />

Mamertinus als praefectus praetorio der Kaiser Julian und<br />

Valentinian, in: Marlis Weinmann-Walser (Hg.): Historische Interpretationen.<br />

Gerold Walser zum 75. Geburtstag dargebracht von<br />

Freunden, Kollegen und Schülern, (Historia-Einzelschr. 100)<br />

Stuttgart 1995, 191–201.<br />

ZELZER, Michaela: Ambrosius und das Erbe der klassischen Tradition,<br />

in: WS 100 (1987) 201–226.<br />

ZELZER, Michaela: Symmachus, Ambrosius, Hieronymus und das römische<br />

Erbe, in: Elizabeth A. Livingstone (Hg.): Studia patristica,<br />

Vol.XXVIII. Papers presented at the Eleventh International Conference<br />

on Patristic Studies held in Oxford 1991. Latin authors<br />

(other than Augustine and his opponents), Nachleben of the Fathers,<br />

Leuven 1993, 146–157.<br />

ZWIERLEIN, Otto: Der Fall Roms im Spiegel der Kirchenväter, in: ZPE<br />

32 (1978) 45–80.


Register<br />

Adel<br />

– republikanisch 59 A.,155 A., 204,<br />

208 A., 212f, 219, 253 A.<br />

– spätantik 11, 15f, 26, 28 A., 30, 31,<br />

136, 146, 162f, 177 A., 205, 287<br />

– christlich 11, 33, 155 A., 177 A.,<br />

205 A., 223f, 255<br />

– adelige gentes 59, 204<br />

Adrianopel, Schlacht bei (378) 12,<br />

138 A., 236<br />

Aemilii Lepidi 93 A.<br />

Aemilii Paulli 93 A., 198 A., 239<br />

– L. Aemilius Paullus Macedonicus<br />

117 A., 140 A., 216 A., 239<br />

Aemilii Scauri 93 A., 116 A.<br />

Aëtius 12<br />

Ageruchia (gallische Aristokratin)<br />

255 A.<br />

Cn. Iulius Agricola 60<br />

M. Vipsanius Agrippa 60, 134 A.<br />

Menenius Agrippa 210<br />

Alamannen 188 A., 246<br />

Alarich (Kg. der Westgoten) 67,<br />

131 A., 139f, 149, 187, 234, 239, 266<br />

Albina (Mutter Melanies d.J.) 171–<br />

174<br />

Alexander d.Gr. 48 A., 53 A., 201 A.,<br />

209f, 269<br />

Allia, Schlacht an der (390 v.Chr.)<br />

130<br />

Allucius (keltiberischer Fürst) 210 A.<br />

Alpen 139ff, 187 A., 234<br />

Alypius (Bf. v. Thagaste) 171–174<br />

Ambrosius (Bf. v. Mailand) 12, 26,<br />

31, 32, 54, 74, 146–151, 170, 221 A.,<br />

Amerikanische Revolution 90 A.<br />

Ammianus Marcellinus 19, 27f,<br />

42 A., 45, 48, 51, 52f A., 54ff, 59,<br />

62, 73, 75, 77, 106, 128ff, 138 A.,<br />

143, 154 A., 161ff, 199f, 205f, 212,<br />

236, 249f, 255, 267–274, 276, 288<br />

Amt, Bezeichnungen für (potestas,<br />

honos), s. auch Consulat 90f, 99<br />

Anekdote 22, 30, 38, 61 A., 220<br />

M. Antonius 215, 234 A., 254 A.<br />

Anicii 27, 135f, 155 A.<br />

– Anicius Hermogenianus Olybrius<br />

108, 135<br />

– Anicius Probinus 135<br />

Annalistik 130, 170<br />

Antiochos III. 195 A., 224 A.<br />

Antiquarismus 31, 42, 286<br />

Antoninus Pius (Kaiser) 202<br />

Antonius (Mönchsvater) 154, 224<br />

Apologetik, christliche 13, 32, 54,<br />

65, 70, 74, 86, 104 A., 148 A.,<br />

158 A., 175, 177, 181f, 185<br />

Appian 253<br />

Aquae Sextiae, Schlacht bei (102<br />

v.Chr.) 141, 235, 255 A.<br />

Arausio (Orange), Schlacht bei (105<br />

v.Chr.) 238<br />

Arbogast 138, 187 A., 231 A.<br />

Arcadius (Kaiser) 90 A., 97, 127 A.,<br />

132<br />

Archelaos (Feldherr des Mithridates)<br />

246<br />

Arianer 102<br />

Aristokratie, s. Adel<br />

Aristoteles 78 A.<br />

Artefakte (Kapitelle, Säulen, Statuen)<br />

15, 285ff<br />

Arusianus Messius, Quadriga des 62,<br />

167 A.<br />

Askese 33f, 121f, 155f, 185, 223f,<br />

255, 281<br />

Assmann, Jan 57, 78, 83, 209, 228,<br />

230, 283f<br />

Assyrerreich 158<br />

M. Atilius Regulus 49, 51 A., 63 A.,<br />

75 A., 81, 139 A., 147 A., 153f, 156,<br />

158, 160–185, 193, 195, 207, 210,<br />

212, 220, 222, 225f, 228, 229 A.,<br />

259 A., 260, 279 A., 280, 282<br />

Atilius Serranus 63f<br />

T. Pomponius Atticus 38 A.<br />

auctoritas 36, 154, 258 A.<br />

Aurelius Augustinus 13, 17, 31ff, 43,<br />

45, 54f, 65–77, 82, 86, 88, 107–115,<br />

123, 145, 153, 156–159, 164, 169–<br />

185, 221–226, 254, 256–262, 265,<br />

274–282


326 Anhang<br />

– civitas Dei (Gottesstaat) und civitas<br />

terrena (Weltstaat) 13, 65ff, 69, 72,<br />

76, 276<br />

– angebl. Ruhm- und Herrschsucht der<br />

Römer (cupiditas gloriae) 66 A.,<br />

70 A., 112, 115 A., 123 A., 178,<br />

180f, 240 A., 278<br />

– Selbstmordproblematik 47 A.,<br />

75 A., 115 A., 175f, 182, 185, 279 A.<br />

– und Vergil 66f, 73 A., 76 A.113 A.,<br />

114 A.<br />

– veritas-Begriff 153, 178 A., 278f<br />

Augustus (Octavian) (Kaiser) 10, 14,<br />

29, 38, 58, 60 A., 62f, 67f, 70, 76,<br />

80, 111, 116, 119f, 127 A., 134 A.,<br />

152 A., 206, 208 A., 215, 228f,<br />

232 A., 233, 254f, 260, 262, 265–280<br />

– Augustusfrieden (Pax Augusta) 62,<br />

275, 277<br />

– „Augustus-Theologie“ 68, 262 A.<br />

– Augustustitel / –name 270, 275, 277<br />

S. Aurelius Victor 28f, 30<br />

Aurora (Göttin) 130ff<br />

Avidius Cassius (Usurpator) 243ff<br />

Balbinus (Kaiser) 202<br />

Barbaren 12, 64 A., 137f, 141f, 151f,<br />

192 A., 235, 247, 254f A., 281<br />

Beispiel, s. Exemplum<br />

Bestechungen 35, 100<br />

Bibel 31, 33, 38 A., 49, 66, 74, 183,<br />

278<br />

– Altes Testament 116, 154, 282<br />

– Bibelkommentar 86, 254<br />

M. Calpurnius Bibulus 122 A.<br />

Bildung 42f, 51, 73, 76, 200, 207,<br />

217, 268<br />

– historische 42f, 51, 107, 250 A.<br />

– literarische 63 A., 136, 167, 229,<br />

285<br />

– in der Spätantike 33 A., 42f, 45,<br />

107 A., 167, 229, 249f A., 280, 287<br />

Blesilla (Tochter Paulas) 33, 155 A.<br />

Bocchus (Kg. v. Mauretanien)<br />

193 A., 239, 241<br />

Brennus (Fürst der Senonen) 130,<br />

140, 148<br />

Breviarium 17, 28f, 51 A., 64, 69 A.,<br />

106f, 118, 144, 161 A., 168, 188 A.,<br />

253, 266<br />

Britannien 143, 197 A., 264<br />

Brutus 88–124<br />

– C. Iunius Brutus Bubulcus (beide)<br />

95<br />

– D. Iunius Brutus Albinus 107 A.,<br />

120 A.<br />

– D. Iunius Brutus Scaeva (beide) 95<br />

– L. Iunius Brutus 81, 88–124, 126,<br />

145, 158, 160f, 196ff, 225, 228 A.,<br />

273 A. , 282<br />

– – als Begründer des Consulats und<br />

conditor urbis 88ff, 96–100, 105,<br />

108, 115f, 118f<br />

– M. Iunius Brutus 88–124, 254 A.,<br />

266 A., 273 A., 282<br />

Bundesgenossenkrieg (91–89 v.Chr.)<br />

227, 263 A.<br />

Bürgerkriege, römische<br />

Busiris 79 A., 242<br />

Caesar, C. Iulius 26 A., 58, 82 A.,<br />

63 A., 94ff, 117, 119f, 127 A., 130,<br />

144, 152, 176, 192 A., 219f, 228,<br />

237, 249 A., 254 A., 265–280<br />

– als erster römischer Kaiser 119 A.,<br />

265, 269–273, 276f<br />

– Attentat auf 88ff, 95f, 106f, 119f,<br />

124 A., 266f, 274, 276<br />

– clementia, misericordia Caesaris<br />

247 A., 266, 277, 279<br />

– Caesarname als Kaisertitel 275<br />

Caligula (Kaiser) 101 A.<br />

L. Furius Camillus (Sohn von M.)<br />

135, 144<br />

M. Furius Camillus 15, 49, 63 A.,<br />

75 A., 81, 93 A., 95 A., 110 A., 118,<br />

124 A., 125–159, 160f, 165, 170 A.,<br />

175 A., 177 A., 186f, 191, 207, 220,<br />

222 A., 228f, 234–238, 257, 260,<br />

280, 282, 284<br />

– als zweiter Gründer Roms (conditor<br />

urbis) 126ff, 141, 145 A., 151f,<br />

159, 187, 235


Cannae, Schlacht bei (216 v.Chr.)<br />

189 A., 193, 197 A.<br />

Caracalla (Kaiser) 144, 242f, 246f<br />

Cassius Dio 170 A.<br />

C. Cassius Longinus 107 A., 120 A.<br />

Sp. Cassius 101 A.<br />

L. Sergius Catilina 244 A., 254 A.<br />

– Catilinarische Verschwörung 108 A.<br />

Cato / Catones 95 A., 98, 108, 116 A.,<br />

196<br />

– M. Porcius Cato Censorius 37f,<br />

207 A., 218 A.<br />

– M. Porcius Cato Uticensis 47 A.,<br />

49, 58, 75 A., 88 A., 94f, 105,<br />

115 A., 122, 165f, 175f, 184, 185 A.,<br />

197 A., 220 A., 262, 278f<br />

Q. Lutatius Catulus 215, 235ff, 250,<br />

252 A., 263 A.<br />

Censor / Censur 36f, 203<br />

Christentum 11f, 33 A., 55, 69ff,<br />

86 A., 184, 205 A., 275, 286<br />

– christliche Exempla 74, 154<br />

– christliche Panegyrik 10 A., 73f<br />

Christenverfolgungen 16 A., 104 A.,<br />

147ff<br />

Christianisierung 11f, 70f, 108, 116,<br />

149 A., 152 A., 256, 275<br />

Jesus Christus 108, 121 A., 150, 153,<br />

182f, 262 A., 286<br />

– Geburt Christi 33, 55, 68, 76, 115,<br />

153, 221 A., 254, 261, 274ff<br />

Chronik 17<br />

Chrysogonus 93, 284<br />

M. Tullius Cicero 31, 37, 38, 40, 43,<br />

51 A., 62, 85, 87, 108 A., 110, 113,<br />

116ff, 120, 125f, 128ff, 156 A., 161,<br />

164, 167 A., 199, 202, 214, 221f,<br />

250, 253, 267f, 275, 277<br />

Cimbern 140f, 151, 231, 234–238,<br />

245 A., 255, 263 A.<br />

Cincinnatus 51 A.<br />

– L. Quinctius Cincinnatus 163 A.<br />

– Q. Quinctius Cincinnatus 158<br />

L. Cornelius Cinna 176 A., 231, 242,<br />

248f, 251f, 254, 257f, 260f<br />

Claudius (Kaiser) 93<br />

Register 327<br />

Claudius Claudianus 18, 27, 30, 51,<br />

68, 73, 77, 86, 90–98, 105, 117, 119,<br />

126ff, 130ff, 135–142, 154, 151f,<br />

164–168, 187, 189, 192–199, 218f,<br />

234f, 238f, 241f, 250, 265f, 273f,<br />

276, 279, 283f, 287<br />

Claudius II. Gothicus (Kaiser) 142,<br />

186, 270<br />

Clientelverhältnisse 245<br />

Cloelia 93 A.<br />

Collinisches Tor, Schlacht am<br />

(211 v.Chr.) 193, 251 A.<br />

comitia (Wahlversammlungen in der<br />

Republik) 35<br />

Commodus (Kaiser) 101 A., 224, 242<br />

Constantin (Kaiser) 11, 69, 70, 77,<br />

104, 149 A., 176 A., 206 A., 231 A.,<br />

247 A., 262, 285ff<br />

Constantinopel 30, 92, 101, 131, 192,<br />

200 A.<br />

Constantius II. (Kaiser) 25, 100ff,<br />

104f, 128ff, 168, 231 A., 267, 270 A.<br />

– Religionspolitik 101f<br />

Consulat, s. auch Amt 11 A., 88–102,<br />

108, 117, 121, 126f, 135f, 196f,<br />

223f, 228 A., 255, 284<br />

– Consulatsantritte 46<br />

– Jahresconsuln in der Spätantike 92<br />

– Amtsinsignien (insignia, habitus:<br />

fasces, trabea, trabea, secures)<br />

90ff, 93, 94, 96 A., 97 A., 98, 108,<br />

122, 144, 196 A., 199 A.<br />

conversio, Bekehrungen, Mission 11,<br />

31, 69, 73, 108, 147, 150, 152, 177,<br />

180, 184, 256<br />

Cornelii, s. auch Cinna, Dolabella,<br />

Scipio, Sulla, Tacitus 186<br />

– Cornelia (Mutter der Gracchen)<br />

121f, 156 A., 219<br />

L. Licinius Crassus 100 A., 116 A.<br />

Cremutius Cordus 39 A.<br />

Curie (curia) 107, 170ff, 282<br />

Curii 98, 167 A., 196<br />

– M. Curius Dentatus<br />

93 A.,140 A.,166 A., 239<br />

M. Curtius 158, 180f, 190<br />

Cyprian 104 A.


328 Anhang<br />

Damasus (Papst) 33<br />

Dämonen 82, 206, 224, 258f<br />

Dareios I. (persischer Kg.) 35<br />

De viris illustribus 28f, 106f, 144,<br />

164, 169, 205, 210, 216, 237, 251,<br />

266f<br />

Decii 94 A., 135ff, 149 A., 158, 164,<br />

167 A., 180f, 190, 239 A., 270 A.<br />

– P. Decius Mus 137 A., 239 A.<br />

Decius (Kaiser) 270 A.<br />

Dekadenz 10, 37, 42, 43, 71, 133,<br />

209, 214, 232<br />

Demokratie 35 A.<br />

Dictatur 128 A., 130, 252f, 263 A.,<br />

Diocletian (Kaiser) 10, 18, 231 A.<br />

Diodor 170 A.<br />

Dionysios I. von Syrakus 102 A.<br />

P. Cornelius Dolabella 268 A.<br />

Domitian (Kaiser) 47, 101 A.<br />

Aelius Donatus (Grammatiker) 33<br />

Ehe 121 A., 153 A., 156, 255, 281<br />

Eid 160, 171–174, 176, 178, 180,<br />

182, 185 A.<br />

Elagabal (Kaiser) 217 A.<br />

Engel 82, 206<br />

Enkomion, s. Panegyricus<br />

Q. Ennius 128 A., 198, 200, 201<br />

Enthaltsamkeit, sexuelle, s. auch<br />

Jungfräulichkeit, Keuschheitsideal<br />

153 A., 155 A., 210 A.<br />

Epitome 38ff<br />

Epos 36, 82 A.<br />

Erinnerung, s. auch kulturelles<br />

Gedächtnis 14, 17, 57f, 63, 79, 102,<br />

137, 188, 194, 197, 220, 228, 231,<br />

237, 279f<br />

– Distanz zur Vergangenheit, s. auch<br />

Überbietung 44ff, 48, 212<br />

Flavius Eugenius (Usurpator) 136,<br />

138, 140 A., 146, 231 A., 261<br />

Eunapios 27 A., 32 A.<br />

Eusebios 32, 68, 254f A.<br />

Eustochium (römische Aristokratin)<br />

33, 120 A., 155 A., 223<br />

Eutropius (praepositus sacri cubiculi<br />

unter Arcadius) 57 A., 90–98, 126f,<br />

130ff, 144, 192, 194, 196f, 281, 284<br />

Eutropius (Historiker) 28f, 30, 106,<br />

109f, 144, 169, 178, 219f, 235f, 241,<br />

251f, 266f<br />

Exemplum, Exempla 35, 48, 61, 283<br />

– außerrömisch 23, 54<br />

– kaiserzeitlich 23, 49 A., 54–64, 76,<br />

266<br />

– Unterschied Beispiel-Exemplum<br />

35f, 173<br />

– Exemplakanon 63, 143<br />

– Unveränderbarkeit des einzelnen<br />

Exemplums 283<br />

– Exemplareihe / -kette 51 A., 54, 80,<br />

87, 89, 97f, 123, 126, 138, 154, 162,<br />

164, 168ff, 180f, 212, 215, 224,<br />

234 A., 239 A., 242 A., 269f, 287<br />

– Exemplasammlungen 28, 38–41,<br />

213f, 218 A., 248 A.<br />

– Kontrast- und Stützexempla 75f,<br />

86, 175 A.<br />

– interpretatio Christiana 75f, 86,<br />

107f, 256<br />

– nova exempla (zeitgeschichtlich)<br />

56f, 132 A.<br />

– Personifizierung von Exempla 85,<br />

61f, 85 A.<br />

– Tugenden (exemplum virtutis / vitii)<br />

52, 55, 61, 85, 123, 175, 212 A., 228,<br />

257, 277<br />

– Unterschied �����������-exemplum<br />

35f, 41<br />

– Glaubwürdigkeit von Exempla 48,<br />

79, 81, 88, 233, 283<br />

Fabiola (römische Aristokratin) 156,<br />

223<br />

Q. Fabius Maximus Cunctator 93 A.,<br />

140 A., 153, 170, 187, 195, 222 A.,<br />

239 A.<br />

Q. Fabius Pictor 37 A.<br />

C. Fabricius Luscinus 98, 105, 132,<br />

153f, 166f, 170, 177, 196ff, 239, 282<br />

Rufius Festus 28f, 144, 237<br />

Firmus (Usurpator) 240


Florentinus 201 A.<br />

P. Annius Florus 258 A., 271<br />

Fortschritt 10, 33, 62f, 67, 70f, 77,<br />

78, 80, 88, 161, 228<br />

Französische Revolution 88 A., 90 A.<br />

Frauen 122f<br />

Freiheit 25, 47 88f, 96f, 99–104, 110,<br />

115ff, 266, 276 A.<br />

Friedrich Barbarossa 49<br />

Frigidus, Schlacht am (394) 138ff<br />

M. Fulvius Nobilior 200 A., 201 A.<br />

Furia (römische Aristokratin) 155f<br />

Furii, s. auch Camillus<br />

Galerius (Kaiser) 270<br />

Gallien, Gallier / Goten / Kelten 13,<br />

32, 62, 67, 107, 124ff, 128f A., 130f,<br />

134–144, 146–159, 186–192,<br />

196f A., 215, 231 A., 232, 234–237,<br />

239, 260f, 264, 265f, 269<br />

– Rhetorikschulen 18, 45 A.<br />

Gallus (Kaiser) 168<br />

Gattungen, literarische 18, 21, 27,<br />

44ff, 48, 52, 54, 58 A., 85f<br />

Gegenwart 10 A., 22, 36f, 41, 44–49,<br />

56, 60 A., 63 A., 71, 73, 75, 81 A.,<br />

90, 99, 104f, 119, 123, 126, 131f,<br />

135f, 138ff, 142, 162, 165, 188,<br />

190ff, 196 A., 199, 201f, 208f, 213,<br />

224, 229f, 236, 249 A., 253, 261–<br />

264, 271, 274, 283f, 287<br />

Genius, Genien 206, 232 A.<br />

Germanen, s. auch Barbaren 12, 126,<br />

137f, 159, 188, 236 A., 238, 281, 283<br />

Geschichte<br />

– „intentionale Geschichte“ 79<br />

– als Argument 12f, 22, 31, 36, 38,<br />

52, 63f, 72, 75, 126, 134f, 191, 279,<br />

283<br />

– Geschichte (Kollektivsingular)-<br />

(Einzel-)Geschichten 78, 80, 279,<br />

283<br />

– moralisierende<br />

Geschichtsauffassung in Rom 37f,<br />

41<br />

Register 329<br />

Geschichtsbewußtsein,<br />

Geschichtsinteresse 9, 14 A., 29,<br />

39, 42f, 145, 201, 285<br />

Geschichtsbild 9–22, 50, 64–85, 115,<br />

285ff<br />

– in vormodernen Zeiten 80<br />

– statisch 50, 73, 336 A., 283<br />

– teleologisch 32, 62, 67, 69, 148,<br />

150<br />

Geschichtsphilosophie, -denken 10,<br />

37, 50, 62, 69, 80<br />

Geschichtsschreibung<br />

– in Rom 37, 208, 286<br />

– Profangeschichtsschreibung 42<br />

Geschichtstheologie 13, 32, 65,<br />

254 A., 262 A.<br />

Geschichtswissenschaft<br />

– historischer Prozeß, prozessuales<br />

Geschichtsverständnis 9, 50, 67, 70,<br />

74, 80, 97, 217, 257, 272<br />

Geta (Kaiser) 247 A.<br />

Gildo 97ff, 127f, 132, 165, 168, 191–<br />

198, 231 A., 238, 241, 273f, 283<br />

Gordiani (Kaiser) 189f<br />

– Gordian d.Ä. (Kaiser) 232 A.<br />

– Gordian I. (Kaiser) 190<br />

Goten, s. Gallien, Gallier<br />

Götter, heidnische 13, 78, 82f, 146,<br />

148, 150, 157f, 177, 203–207, 222,<br />

224, 258ff<br />

Gracchi 108 A., 121f, 156 A., 226,<br />

258, 282<br />

– C. Sempronius Gracchus 208<br />

– Ti. Sempronius Gracchus 208, 213<br />

– Gracchus (römischer Stadtpräfekt<br />

376/77) 108 A.<br />

Grammatikunterricht 43, 51, 64, 136,<br />

167, 285<br />

Gratian (Kaiser) 11, 26, 104 A., 31,<br />

132f, 200–203, 262<br />

Griechenland<br />

– Geschichte 37 A., 82, 283 A.<br />

– Geschichtsschreibung 27 A., 169f,<br />

199, 282f<br />

– Panegyrik 20, 47, 57 A., 59, 74 A.


330 Anhang<br />

Hadrian (Kaiser) 210, 285<br />

Halbwachs, Maurice 36 A.<br />

Hannibal 94, 137 A., 140f, 146ff,<br />

177 A., 186f, 189 A., 191 A., 193,<br />

196 A., 198, 215 A., 221 A., 224 A.,<br />

226 A., 236 A., 239 A., 245 A.<br />

Häresie 158<br />

Hasdrubal 137 A., 162 A., 211f<br />

Hasta, Schlacht bei (402) 140<br />

Heiden<br />

– heidnisch-christliche<br />

Auseinandersetzungen 11ff, 42, 26,<br />

86, 146, 151, 177, 281<br />

– heidnische Reaktion 16, 26, 205<br />

– heidnische Kulte 12, 26, 69, 146f,<br />

170, 204f, 258 A.<br />

Heilige, „römische“ 185<br />

Heilsgeschichte 13, 68, 71f, 74<br />

Heliodor (Bf. v. Altinum) 116<br />

Herodes 275<br />

Herodot 35, 81<br />

Heros / Heroen 180 A.<br />

Herrscher 52f, 145<br />

– Konzeption vom 25, 60<br />

– Herrscherlob 20, 43–46, 61<br />

Hieronymus, Sophronius Eusebius<br />

31, 33f, 116f, 120–124, 153ff, 159,<br />

170, 223ff, 254f, 281f<br />

– Traumgesicht (epist. 22,30,4)<br />

31 A., 34<br />

Hilarius von Poitiers 102 A., 104 A.<br />

Hippo Regius 171<br />

Historia Augusta 29f, 106, 142, 144f,<br />

186, 188, 190, 202, 210, 237, 242–<br />

247<br />

Historiographie 9f, 18, 36–39, 42 A.,<br />

50, 58<br />

Historismus 80<br />

Historizität 10, 78–82<br />

Homer 206, 208<br />

– Ilias u. Odyssee 78, 82<br />

Honorius (Kaiser) 21 A., 27, 51, 91f,<br />

95f A., 98f, 105, 132, 139, 149–152,<br />

164–167, 192ff, 231 A., 266, 273f<br />

Horatius Cocles 93 A., 164<br />

M. Horatius Pulvillus 110 A., 117 A.<br />

Q. Horatius Flaccus 62, 67<br />

Hyperoche (���������), s. Überbietung<br />

Ianuarius Nepotianus 38ff<br />

Idealisierung 17, 31, 197, 229, 288<br />

imagines (Ahnenbilder) 59 A.<br />

Invektive 21, 27<br />

Iovian (Kaiser) 29, 217 A., 232f A.<br />

Iovinian (römischer Mönch) 121 A.<br />

Iovinus 232<br />

Isokrates 18<br />

Iugurtha 108 A., 137 A., 140 A.,<br />

193 A., 195 A., 201 A., 231, 238–<br />

242, 255f, 263 A.<br />

Iulian (Apostata) (Kaiser) 11, 25,<br />

28f, 45 A., 48 A., 53 A., 56f, 99–<br />

102, 104f, 119, 143 A., 145 A.,<br />

149 A., 153f, 163 A., 188 A., 190f,<br />

199f, 205f A., 209f, 231f A., 246,<br />

252f, 269, 272<br />

Iulian von Aeclanum 32, 153, 170,<br />

222 A., 281f<br />

Iulius Paris 38<br />

Iulius, s. Caesar<br />

Iunius, s. Brutus<br />

Iuno / Hera 106 A., 124<br />

Iuppiter 91, 147 A., 149, 185 A.,<br />

203, 205ff, 221 A., 273f<br />

Jungfräulichkeit (virginitas), s. auch<br />

Keuschheitsideal 121ff<br />

Kaisertum, s. auch Monarchie,<br />

Principat, Republik 12, 91, 117,<br />

120, 276<br />

– Beginn der Kaiserzeit 265ff, 269–<br />

273, 274ff<br />

– Regierungsform 59, 266<br />

– Systemkritik 59 A., 96, 274<br />

– Kaiserzeit als Epoche 9f, 22f, 54–<br />

64, 76, 265ff, 270f, 274<br />

Kanonisierung 48, 63, 74 A., 107,<br />

257 A.<br />

Karthago, Punier 37, 62, 88, 137,<br />

139f, 142, 160–185, 186–227<br />

– Neu-Karthago 198, 209 A.<br />

Kelten, s. Gallien, Gallier<br />

Keuschheitsideal (pudicitia) 106,<br />

120–123, 155, 255 A., 281f<br />

Klassische Autoren, Lektüre 42f, 62f,<br />

229, 280


Königtum (regnum) 89, 92, 103, 108,<br />

110, 114, 116<br />

Kontinuität, Diskontinuität 44, 47,<br />

50 A., 135<br />

Kontorniaten 15f<br />

Krisen 12, 62, 146, 165, 192, 208,<br />

236 A., 238, 283f<br />

kultureller Code 52, 62, 72<br />

kulturelles, kollektives Gedächtnis<br />

36, 57f, 72f, 77f, 83, 137, 188, 195,<br />

228, 272, 280<br />

– Erinnerungsfigur 58, 62, 73, 77,<br />

272f, 279f<br />

– kommunikatives, Generationen-<br />

Gedächtnis 56f, 79, 83, 272<br />

– kontrapräsentisch 209, 284<br />

– zeremonieller Rahmen 19, 58<br />

Kyros (persischer Kg.) 48 A.<br />

Laurentius (Märtyrer) 152<br />

Lebensaltergleichnis 62, 270f, 288<br />

Libanios 101 A.<br />

libertas, s. Freiheit<br />

Libya 98 A., 194ff, 199, 219<br />

Licinius (Kaiser) 11 A., 231 A.<br />

T. Livius 28, 38ff, 42, 62, 64, 67, 79,<br />

87, 109–113, 118, 125, 127, 160f,<br />

165, 178, 203, 205, 218<br />

Lucan 39, 120 A.<br />

Lucifer von Calaris (Cagliari) 102 A.,<br />

104 A.<br />

Lucillianus (Schwiegervater Iovians)<br />

232f<br />

Lucretia 47 A., 51 A., 90, 93, 106,<br />

114f A., 121ff, 175<br />

L. Licinius Lucullus 215, 234 A.<br />

Luther, Martin (Zwei-Reiche-Lehre)<br />

13 A.<br />

luxuria, Sittengesetze gegen Aufwand<br />

215 A., 234 A., 252<br />

Lykurgos 252<br />

Register 331<br />

Macrobius, Ambrosius Theodosius<br />

26, 30f, 105, 201, 212ff, 252f<br />

Sp. Maelius 101 A.<br />

Magna Mater 204<br />

Magnentius (Usurpator) 104, 231,<br />

264, 270<br />

Mailand 31f, 73, 146, 192<br />

Majestätsprozesse 53 A., 101, 267<br />

Claudius Mamertinus (Pan.Lat. 3 [11])<br />

25, 99–105, 119, 284<br />

M. Manlius Capitolinus 101 A., 129<br />

M. Claudius Marcellus 116 A.,<br />

140 A., 187, 239f<br />

Marcia (Ehefrau Catos d.J.) 122<br />

Marcus Aurelius (Kaiser) 57 A., 130,<br />

215, 236 A., 243, 285<br />

C. Marius 48 A., 63 A., 108 A.,<br />

116 A., 127 A., 136, 140 A., 144f,<br />

176f A., 191, 206, 228, 231–264,<br />

267, 269, 276f<br />

– Heeresreform 245 A.<br />

– als dritter Gründer Roms 141ff,<br />

145 A., 151f, 235<br />

Märtyrer / Martyrium 108, 152, 179–<br />

185<br />

Mascezel 193f<br />

Mater Matuta 207 A.<br />

Maxentius (Kaiser) 104 A., 231 A.,<br />

247 A.<br />

Flavius Maximinus (praefectus<br />

praetorio) 229 A.<br />

Magnus Maximus (Usurpator) 25,<br />

104, 140 A., 231 A., 247, 262<br />

Melanie d.J. 171–174<br />

Meliton von Sardes 68<br />

Caecilii Metelli 26 A., 116 A., 135ff,<br />

210 A.<br />

– Caecilia Metella (Ehefrau Sullas)<br />

255<br />

– Q. Caecilius Metellus Numidicus<br />

137 A., 241<br />

– Q. Caecilius Metellus Creticus 225<br />

– Q. Caecilius Metellus Pius 220 A.<br />

– Q. Caecilius Metellus Pius Scipio<br />

218 A., 220<br />

metus Gallicus / metus Punicus 63 A.,<br />

137, 141, 144, 160, 165, 186–192,<br />

212 A., 234, 238, 287<br />

– metus Cimbrorum 141, 234


332 Anhang<br />

– Teutonicus furor 140 A.<br />

Minturnae 232<br />

Mithridates VI. von Pontus 189 A.,<br />

195 A., 200, 246<br />

Mittelalter 13 A., 38 A.<br />

Monarchie, s. auch Kaisertum,<br />

Principat, Republik 35 A., 53,<br />

59 A., 91, 95f, 98 A., 102, 130,<br />

134 A., 228ff, 255 A., 262, 273f,<br />

277 A.<br />

Mönchtum 153f, 224, 282<br />

Monica (Mutter Augustins) 73<br />

mos maiorum 16, 35, 37, 54, 58<br />

Mythos, Mythologie 18, 72, 78–84<br />

– griechischer Mythos 15 A., 46, 78,<br />

81f, 282f<br />

– funktionales Mythoskonzept 78f,<br />

135, 283f, 287<br />

– Mythos und Geschichte, mythisierte<br />

Geschichte 62f, 78f, 228ff, 282f<br />

– römischer Gründungsmythos 62,<br />

163, 212<br />

Naevius 207 A.<br />

Namengebung 14f<br />

Narcissus (Freigelassener des Kaisers<br />

Claudius) 93<br />

Cornelius Nepos 267<br />

Flavius Popilius Virius Nepotianus<br />

(Usurpator) 100f<br />

Nero (Kaiser) 16 A., 47, 71 A.,<br />

96 A., 147, 179 A., 273<br />

Nerva (Kaiser) 272<br />

Neuplatonismus 65f, 153 A., 223f<br />

Flavius Nevitta 101 A.<br />

Nicaener (Anhänger des nicaenischen<br />

Glaubensbekenntnisses) 102 A.<br />

Virius Nicomachus Flavianus 31, 201<br />

Nubel 192<br />

Numa Pompilius 26 A., 53 A.,<br />

115 A., 206, 229 A., 232 A., 258 A.,<br />

274 A.<br />

Numantia 156, 186, 190 A., 201 A.,<br />

208, 210 A., 217 A., 227 A.<br />

Oceanus 156<br />

Octavian, s. Augustus<br />

Odoacer 12<br />

Origines 32, 68<br />

Paulus Orosius 13, 17, 33, 65, 69,<br />

71f, 115f, 119f, 169, 226, 254, 262–<br />

265, 276f, 282<br />

Pacatus Drepantius, Latinus (Pan.Lat.<br />

2 [12]) 25, 77, 103f, 119, 215f, 247,<br />

252f, 284<br />

Pammachius (römischer Aristokrat)<br />

224, 255<br />

Panaitios 199ff<br />

Panegyrici Latini 20, 25, 46, 99<br />

– als Mustersammlung 18f, 45<br />

Panegyrik, Panegyriker, Panegyricus<br />

10 A., 18–21, 25, 26, 27, 43–48, 52,<br />

54, 56–61, 70, 73f, 86, 201 A., 203f,<br />

274, 283f, 287<br />

Cn. Papirius Carbo 254 A., 258<br />

C. Papirius Cursor 143, 156<br />

Paradeigma (�����������), s.<br />

Exemplum<br />

Paula (römische Aristokratin) 33,<br />

120 A., 155 A., 223<br />

Paulinus von Nola 74, 153f, 282<br />

Paulus (Apostel) 68, 225<br />

L. Sergius Paulus 225<br />

Paulus Constantius (Proconsul in<br />

Africa) 240<br />

Pelagianismusstreit 33, 153 A., 170f,<br />

281<br />

Pelagius 11 A.<br />

Perser, Perserreich, Persien 11, 28f,<br />

35, 147 A., 158, 190f, 199, 209<br />

Perseus (Kg.) 195 A., 239f<br />

Pescennius Niger (Kaiser) 135,<br />

217 A., 237f, 243, 245<br />

Petrus (Apostel) 66, 68<br />

Phalaris (Tyrann von Akragas) 242<br />

Philosophie 22, 42, 51, 60, 65 A.,<br />

283 A.<br />

Pinianus (Ehemann Melanies d.J.)<br />

171–174<br />

Pirisabora 199<br />

(Calpurnii) Pisones 116 A.


C. Plinius Caecilius Secundus d.J.<br />

46f<br />

Plutarch 253, 265 A.<br />

politische Theologie 275<br />

Pollentia, Schlacht bei (402) 32,<br />

140f, 149–152, 187, 234<br />

Polybios 198ff, 203, 205, 218<br />

pompa funebris 59 A.<br />

Cn. Pompeius Magnus 82 A., 107,<br />

156, 198 A., 220 A., 239, 254 A.,<br />

262, 266, 277<br />

Pontus 189<br />

Porcia (Ehefrau von M. Iunius Brutus)<br />

120–123<br />

Porcius, s. Cato<br />

Porsenna (Kg. v. Clusium) 93<br />

Praenomen 15 A.<br />

Vettius Agorius Praetextatus 31, 201f<br />

Principat, s. auch Kaisertum,<br />

Monarchie, Republik 14, 39 A., 55,<br />

58f, 63 A., 103 A., 119 A., 208 A.,<br />

228f, 267, 275f<br />

Priscillianisten 33<br />

Probus (Kaiser) 188f<br />

Proskriptionen 59, 151 A., 231,<br />

249 A., 250 A., 251–254, 260–264<br />

Prosopographie 14<br />

Protadius 201 A.<br />

Providenzdenken 10, 150 A.<br />

Aurelius Prudentius Clemens 26, 32,<br />

68ff, 108, 117, 146, 148–152, 156,<br />

159, 256, 275, 282<br />

Punier, s. Karthago<br />

Punische Kriege 188, 190ff, 194,<br />

196 A., 200, 207<br />

– erster Punischer Krieg 160f, 178,<br />

195, 207 A.<br />

– zweiter Punischer Krieg 58 A.,<br />

177 A., 186, 189 A., 212, 214,<br />

221 A.<br />

– dritter Punischer Krieg 186, 212,<br />

219, 221 A., 223 A.<br />

Pupienus (Kaiser) 202<br />

Pydna, Schlacht bei (168 v.Chr.)<br />

140 A.<br />

Pyrrhus 94, 132 A., 140 A., 195f A.,<br />

200 A., 236 A., 239<br />

Register 333<br />

Quinctius, s. Cincinnatus<br />

M. Fabius Quintilianus 81 A.<br />

Quirinus, s. Romulus<br />

Raetien 246<br />

Ravenna 30<br />

Regulus, s. Atilius<br />

Religion / Kultwesen, römische(s)<br />

12f, 16, 26, 42, 69, 146f, 170, 203ff,<br />

260f<br />

– do-ut-des-Charakter 13<br />

Renaissancebestrebungen 285f<br />

Republik, römische, s. auch<br />

Kaisertum, Principat, Monarchie<br />

– Regierungsform 14, 35 A., 59, 101,<br />

228, 264<br />

– staatliche Institutionen 14, 16, 119<br />

– res publica libera 98ff, 266<br />

– res publica restituta 68<br />

Rhetorica ad Herennium 41 A.<br />

Rhetorik 18, 41ff, 45, 51, 283<br />

Richard Löwenherz 49<br />

Ricimer 12<br />

Rom<br />

– Constantinsbogen 104, 285ff<br />

– Kirchen 285<br />

– Tarpeischer Felsen<br />

– Victoriaaltar 12, 26, 31f, 146f, 150f<br />

– kaiserliche Besuche 92 A.<br />

– Fall / Plünderung der Stadt (410)<br />

12f, 65 A., 67ff, 76, 175 A., 177,<br />

275, 281<br />

Roma aeterna 17, 67<br />

– Romidee, Romgedanke,<br />

Romglauben, Romideologie 16f,<br />

65, 68, 197<br />

– – christlich 68f, 71, 74, 148 A.,<br />

189, 275<br />

Dea Roma / personifizierte Roma 15,<br />

62, 67, 92ff, 97f, 127, 135f, 146–<br />

149, 152 A., 168, 192–198, 238, 241,<br />

247, 256, 266, 273f<br />

Römische Revolution / “Roman<br />

revolution” 208 A., 228, 245<br />

Romulus 91, 115f, 127f, 235, 275<br />

Romulus Augustulus (Kaiser) 12<br />

Q. Roscius 253 A.


334 Anhang<br />

Rubicon 276 A.<br />

Flavius Rufinus 242<br />

Rutilius Claudius Namatianus 13, 68<br />

Sabinerinnen, Raub der 82, 109, 157,<br />

257, 260<br />

Sage, s. auch Mythos 15, 78, 81f.<br />

226 A.<br />

Saladin 49<br />

Sallentiner 169 A.<br />

C. Sallustius Crispus 62, 87, 109,<br />

111f, 157, 207, 222, 250, 257, 278<br />

Samniten 94 A., 143, 156, 236 A.<br />

C. Mucius Cordus Scaevola 51 A.,<br />

93 A., 100 A., 116 A., 164, 166f,<br />

177f A., 180f, 190, 222<br />

Schule 63, 136 A., 229, 285<br />

– Schulautoren 51, 62ff, 118, 166 A.<br />

Scipio / Scipiones / Scipiadae 15,<br />

26 A., 63 A., 94 A., 98, 135ff,<br />

139 A., 140 A., 142, 145 A., 153,<br />

154, 160, 170, 177 A., 186, 217–220,<br />

228, 238 A., 282<br />

– Cn. Cornelius Scipio Calvus 162f,<br />

211f, 218<br />

– P. Cornelius Scipio Calvus 218<br />

– L. Scipio Asiagenus (Asiagenes /<br />

Asiaticus) (beide) 189 A., 218,<br />

224f A.<br />

– Scipiones Africani<br />

– – Africanus (Cognomen) 186, 190,<br />

219, 224ff<br />

– – P. Cornelius Scipio Africanus<br />

(maior) d.Ä. 137 A., 147 A.,<br />

163 A., 186–227, 232 A., 234 A.,<br />

239 A., 252 A.<br />

– – P. Cornelius Scipio Aemilianus<br />

Africanus Numantinus 88, 156,<br />

186–227<br />

– P. Cornelius Scipio Nasica<br />

Corculum 218, 229 A., 258 A.<br />

L. Aennaeus Seneca 166f, 182, 210,<br />

271<br />

Selbstmordproblematik bei<br />

christlichen Autoren, s. auch<br />

Augustinus 122ff<br />

Sempronius, s. Gracchus<br />

Senat 53 A., 91, 99 A., 108 A., 130,<br />

160, 162 A., 179, 274<br />

Senatoren, s. Adel<br />

Seniauchus (Tribun) 233 A.<br />

Senonen, s. Gallier<br />

Sentinum, Schlacht bei (295 v.Chr.)<br />

137 A.<br />

Serena (Tochter des Honorius) 218f<br />

Septimius Severus (Kaiser) 144f, 243<br />

Servilia (Mutter von M. Iunius Brutus)<br />

106 A.<br />

Sittenverfall, s. auch Dekadenz 55,<br />

68, 76, 163 A., 207–217, 226, 257f,<br />

278<br />

Silvanus (Usurpator) 101<br />

Sixtus III. (Papst) 285 A.<br />

Spartacus 140 A., 242 A.<br />

Spolien 285ff<br />

Flavius Stilicho 12, 51, 96ff, 105,<br />

119, 127f, 130f, 135, 139–142, 149–<br />

152, 165, 168, 187, 189, 192–199,<br />

234f, 238f, 281, 284<br />

– als erneuter conditor urbis 141f,<br />

152, 187, 235<br />

Straßburg, Schlacht bei (357) 246<br />

C. Suetonius Tranquillus 265<br />

Sulla / Sylla, s. auch Cornelii 26 A.<br />

– L. Cornelius Sulla Felix 56 A., 59,<br />

93, 128 A., 176 A., 215, 220 A., 228,<br />

231–264, 267, 269, 275ff, 282<br />

– L. Cornelius Faustulus (Sullas Sohn)<br />

220 A.<br />

Symmachus<br />

– L. Aurelius Avianus Symmachus<br />

Phosphorius (Vater von Q.) 56,<br />

– Q. Aurelius Symmachus Eusebius<br />

(Redner) 12, 26, 31, 35, 42, 49, 68,<br />

77, 81, 106, 132–135, 146–151, 164,<br />

200–205, 215, 232ff, 240, 284<br />

– – „Symmachuskreis“ 26 A., 42 A.<br />

Synkrisis (����������) 18, 284<br />

Tacitus, P. Cornelius 27f, 77, 271<br />

Tarquinii 93, 97 A., 106, 109f<br />

– Arruns Tarquinius 111, 118


– L. Tarquinius Superbus 89f, 95f A.,<br />

103, 106 A., 109, 111, 113ff, 118,<br />

133, 273<br />

– Sextus Tarquinius (Sohn von<br />

Tarquinius Superbus) 90<br />

– L. Tarquinius Collatinus (cos. 509<br />

v.Chr.) 103 A., 109–115, 118<br />

P. Terentius Afer 51 A., 62, 85,<br />

167 A.<br />

Q. Septimius Florens Tertullianus<br />

104 A., 182<br />

Teutoburger Wald, Schlacht im<br />

(9 n.Chr.) 192 A.<br />

Teutonen, s. auch metus Gallicus /<br />

Punicus 188 A., 234–237, 255,<br />

263 A.<br />

Thagaste 73, 171<br />

Thapsus, Schlacht bei (46 v.Chr.) 58,<br />

220 A.<br />

Themistios 20, 60<br />

Themistokles 248<br />

Flavius Mallius Theodorus 105<br />

Flavius Theodosius d.Ä. 52 A., 143,<br />

240<br />

Theodosius I. (Kaiser) 12, 25, 68ff,<br />

77, 98f, 103f, 108, 132, 135–140,<br />

150, 162, 165, 167, 215–219, 247,<br />

261f, 273<br />

– theodosianisches Zeitalter 286f<br />

Theologische Auseinandersetzungen,<br />

s. Arianer, Priscillianisten,<br />

Pelagianismusstreit<br />

Therasia (Ehefrau Paulinus’ von<br />

Nolas) 153<br />

Theseus 283 A.<br />

Tiber (Flußgott) 91<br />

Tiberius (Kaiser) 39, 42, 58f, 96 A.,<br />

215, 242, 273<br />

Topos, Gemeinplatz 19, 52f, 61, 73f,<br />

87, 104, 184, 189, 200 A., 243, 269,<br />

282, 284, 287<br />

Manlius Torquatus 94 A.<br />

Tradition 10, 16, 28, 74ff, 79, 122f,<br />

133, 205 A., 223 A., 239 A., 281<br />

Traditionalismus 17, 197<br />

Traian (Kaiser) 47, 96 A., 210 A.,<br />

265, 285<br />

Trebia, Schlacht an der (218 v.Chr.)<br />

189 A., 197 A.<br />

Register 335<br />

Trier 203<br />

Troia, Troianischer Krieg 81ff, 111<br />

Tullia (Tochter Ciceros) 116<br />

tyrannus, Tyrannentopik 89, 99–105,<br />

117ff, 124, 149, 266, 279f<br />

– als Bezeichnung für Usurpatoren<br />

104f, 264<br />

– Tyrannenmord 119<br />

Überbietung, rhetorische<br />

Überbietungsfunktion, -figur 45f,<br />

48, 53, 56, 70, 74, 97, 102, 131,<br />

139f, 168, 187, 216 A., 232f, 261,<br />

283f, 287<br />

univira, Ideal der 122, 155 A.<br />

Usurpationen, s. auch Eugenius,<br />

Firmus, Maxentius, Maximus,<br />

Nepotianus, Silvanus, tyrannus<br />

100f, 104f, 117, 136, 138, 146,<br />

231 A., 240 A., 261–264, 281<br />

Valens (Kaiser) 28f, 144, 215 A.,<br />

267f<br />

Valentinian I. (Kaiser) 26, 35, 53 A.,<br />

203, 205, 215, 232f, 248f<br />

Valentinian II. (Kaiser) 26, 31,<br />

104 A., 132, 146<br />

Valerian (Kaiser) 147 A.<br />

Valerius<br />

– M. Valerius Corvus (Corvinus) 94,<br />

219 A., 225 A.<br />

– P. Valerius Publicola 99, 100–103,<br />

133 A., 162, 210<br />

Valerius Maximus 38–42, 62, 79,<br />

82f, 87, 118, 161ff, 166, 203, 210ff,<br />

218, 249<br />

variatio 41, 85, 90, 181, 189 A., 285<br />

M. Terentius Varro 258 A.<br />

P. Quinctilius Varus 192 A.<br />

Veii 125, 127ff, 133f, 143, 158,<br />

191 A.<br />

Velleius Paterculus 254 A., 258 A.<br />

Vercellae, Schlacht bei (101 v.Chr.)<br />

141, 235, 236f<br />

Verfallsdenken, s. Dekadenz


336 Anhang<br />

Verfassungswandel 55, 58f, 63 A.,<br />

229<br />

Vergangenheitsbezug 10, 14, 19f, 22,<br />

27, 44, 51f, 63, 187f, 194, 197, 207,<br />

238, 265, 284ff<br />

Vergessen 57, 186, 188, 195<br />

P. Vergilius Maro 32, 42, 62, 66, 67f,<br />

78, 82, 87, 97f, 113f, 118, 136f, 156,<br />

165ff, 169, 185, 278, 285<br />

Verona, Schlacht bei (402) 140<br />

vetustas 48, 49, 100, 133, 154 A.,<br />

201, 212<br />

virtus, s. Exemplum<br />

vitium, s. Exemplum<br />

Volusianus 205<br />

Wahlen in der Republik 35, 47, 100,<br />

229 A., 234 A.<br />

Warburg, Aby 36 A.<br />

Zama, Schlacht bei (202 v.Chr.) 186<br />

Zeitkritik 162 A., 284


ABSTRACT<br />

Nach der Schlacht von Adrianopel (378 n.Chr.) rückte der Gegensatz zwischen<br />

Heiden und Christen im Imperium Romanum noch einmal in den Vordergrund. Die<br />

Bedrohung der Reichsgrenzen durch die Germanen sorgte für wechselseitige Schuldzuweisungen,<br />

wer für die Misere des Imperiums verantwortlich sei. Dabei beschränkte<br />

sich die Diskussion nicht allein auf den bekannten Streit um den Fortbestand<br />

des heidnischen Kultes. Ein ganz wesentlicher Punkt des zeitgenössischen<br />

Diskurses war die Deutung der eigenen, römischen Vergangenheit, die sich mit dem<br />

Konzept der sogenannten Romidee nur unzureichend erfassen läßt.<br />

In der vorliegenden Studie geht es um die zentrale Rolle der römischen Republik<br />

für das „kulturelle Gedächtnis“ der Spätantike. Untersucht wird der Umgang mit den<br />

exempla maiorum, auf die man zuhauf in den Reden der spätantiken Panegyriker,<br />

aber auch bei einem Geschichtsschreiber wie Ammian und bei christlichen Autoren<br />

wie Augustin und Hieronymus, sogar im Kontext theologischer Kontroversen, stößt.<br />

Eine Untersuchung des spätrömischen Gebrauchs von Exempla ist besonders aufschlußreich<br />

für das Geschichtsbild im Westreich dieser Zeit, bildeten diese doch den<br />

einzigen nennenswerten Zugang zur Vergangenheit. Dabei zeigt sich: Im kulturellen<br />

Gedächtnis der Römer des lateinischen Westens waren Frühzeit und Republik eine<br />

Zeit des Werdens mit geradezu „mythischen“ Qualitäten, die überraschenderweise<br />

aber selten verklärt wurde.<br />

Untersucht werden die Exempla von L. Iunius Brutus (zusammen mit dem<br />

Caesarmörder M. Brutus), Camillus, Regulus, den beiden Scipiones Africani, Marius<br />

und Sulla sowie Caesar (zusammen mit dem jüngeren Caesar, Augustus). In Zusammenhang<br />

mit dem Caesar-Exemplum wird auch die Frage aufgeworfen, ab wann die<br />

Spätantike den Beginn der Kaiserzeit angesetzt und was überhaupt in ihren Augen<br />

das Wesen der Römischen Republik ausgemacht hat.<br />

Andreas Felmy, geb. 1965. Studium der Geschichte, Germanistik, Lateinischen<br />

Philologie und Anglistik, Magister Artium München 1994. Graduiertenkolleg „Vergangenheitsbezug<br />

antiker Gegenwarten“ an der Albert-Ludwigs-Universität<br />

Freiburg. Promotion Freiburg 1999.


ABSTRACT<br />

After the battle of Adrianople (378 A.D.) and with the German threat to the borders<br />

of the empire, the antagonism between pagans and Christians in the Roman Empire<br />

surfaced once again. Each group blamed the other for the miserable state of the<br />

empire. The contention was not limited to the often debated issue of the continuation<br />

of the pagan cult, however. Interpreting their own Roman past was a central component<br />

of the contemporary discourse, and one that can only partly be comprehended<br />

in terms of the so-called Romidee.<br />

The present study is concerned with the central role the Roman Republic played<br />

in the cultural memory of late antiquity. The object of study, the exempla maiorum,<br />

are plentiful in the speeches of the late antique panegyrics but can also be found in<br />

the writings of a historian like Ammianus, and of Christian authors such as<br />

Augustine and Jerome, even in the context of theological controversies. It is especially<br />

informative for grasping the concept of history in the western part of the<br />

Empire in this period to examine the later Roman treatment of exempla, as they constituted<br />

the only real connection to the past. The conclusion drawn by the author is<br />

that the western Romans in late antiquity held early Rome and the Republic to be an<br />

almost “mythical” time of maturation, but surprisingly without glorifying it.<br />

This study examines exempla from L. Iunius Brutus (together with M. Brutus,<br />

Caesar’s murderer), Camillus, Regulus, both Scipiones Africani, Marius and Sulla as<br />

well as Caesar (along with the younger Caesar, Augustus). In connection with<br />

Caesar’s exemplum, the question is raised what date was considered in late antiquity<br />

to be the beginning of the Imperial era, and what was seen as being the defining<br />

characteristics of the Roman Republic.<br />

Andreas Felmy was born in Münster/Westf. in 1965. He studied history, German,<br />

classical philology and English in Munich, where he was awarded a Master’s degree<br />

in ancient history in 1994. He was a member of the Graduiertenkolleg “Vergangenheitsbezug<br />

antiker Gegenwarten” at Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, where he<br />

completed his Ph.D. in 1999.

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