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Fürstliche Festkultur in Form des Zwingers

Den Zwinger in Dresden entwarf Matthäus Daniel Pöppelmann. Sein elegant-barocker Stil verlieh dem sächsischen Hof einen Glanz, vor dem sich selbst Voltaire verneigte. Schöpferkraft verband sich beim Baumeister mit dem untrüglichen Sinn für Realisierbarkeit. Am 3. Mai 1662 wurde Pöppelmann geboren.

Von Marianne Werker | 03.05.2012
    Es war ein Prachtschiff in Form einer Muschel, in dem diese Serenade erstmals erklang. Zu Ehren eines Hochzeitspaars: des Sohnes Augusts des Starken und einer habsburgischen Kaisertochter. Im September 1719 schwelgte ganz Dresden über drei Wochen lang im Festrausch. Zentrum der Feierlichkeiten war ein Bauwerk, das als ein Höhepunkt europäischer Architektur gilt: der Zwinger. Sein Schöpfer ist Matthäus Daniel Pöppelmann, einer der größten Barock-Architekten, dessen Hauptwerk bereits bei seinen Zeitgenossen Begeisterung auslöste. Ein Dresdener schrieb:

    "Man könnt vom Paradies nicht angenehmer träumen."

    Dabei war Pöppelmanns Laufbahn keineswegs vorgezeichnet. Am 3. Mai 1662 wird er als Sohn einer verarmten Familie im westfälischen Herford geboren und tritt bereits mit 18 in Dresden in das sächsische Bauamt ein. Hier entwickelt er einen enormen Fleiß, doch es vergehen rund 20 Jahre, bis der Kurfürst Pöppelmanns schöpferische Fähigkeiten, sein organisatorisches Talent und seine enorme Vielseitigkeit entdeckt. Schlossleiterin Andrea Dietrich:

    "Für August den Starken war Pöppelmann eigentlich ein Tausendsassa. Er hat nicht nur den Zwinger entworfen, sondern er hat die gesamte Bauleitung gehabt. Er war verantwortlich bis hin zur Sicherheit auf der Baustelle - für alles, für seine Mitarbeiter, für seine Bauarbeiter letztlich. Und er ist für August auch das ein oder andere Mal in Vorkasse gegangen und hat ihn also auch als Kreditgeber bedient."

    1705 zum Landbaumeister befördert, soll Pöppelmann die höchsten Bauaufgaben des Kurfürstentums übernehmen. Da er aber bislang fast nur in Sachsen tätig war, hält sein Dienstherr eine Erweiterung seiner Stilkenntnisse für geboten und verfügt:

    "dass Landbaumeister Pöppelmann nach Wien und Rom gehen soll umb deren Orthen sich der itzigen Arth des Bauens sowohl an Palaesten alß Gärthen zu ersehen."

    Diese und eine weitere Reise nach Paris werden ihn später vor allem für seine Pavillonarchitektur inspirieren. In intensiver Zusammenarbeit mit dem kunstsinnigen Kurfürsten kristallisieren sich schon früh die Grundtendenzen seines Stils heraus. Anstelle des Pathos und Fassadenprunks des 17. Jahrhunderts, sucht Pöppelmann eine gelöste Formensprache, Leichtigkeit und Eleganz und nimmt so zentrale Ausdruckswerte des Rokoko vorweg. Er ist ein Meister der Synthese - Schloss Moritzburg und die Augustus-Brücke geben Zeugnis davon.
    Eine faszinierende Verbindung europäischer und fernöstlicher Stilelemente gelingt ihm beim Bau von Schloss Pillnitz - die erste architektonische Umsetzung der China-Mode jener Zeit. Andrea Dietrich:

    "Das ganze resultierte natürlich aus dem Wissen, was man über den fernen Osten damals hatte: also Ostasien als ein Land, in dem Milch und Honig fließt. Was Pöppelmann dann tatsächlich daraus gemacht hat, kann man heute sehr schön sehen. Es sind insbesondere die geschwungenen Dächer, die Pillnitz so einzigartig machen."

    Die hohe Festkultur des Kurfürsten, die europaweit Maßstäbe setzte, symbolisiert vor allem die prächtige Anlage des Zwingers. Mehrere Bausolitäre gruppieren sich um einen weiten, mit Gartenanlagen geschmückten Platz. Jedem dieser Bauwerke verleiht Pöppelmann einen ganz eigenen Charakter. Doch ordnet er sie einer klaren, geometrischen Gesamtkomposition unter. Die gewaltigen Baumassen wirken durch die heitere, rhythmische Inszenierung der Fassaden geradezu leicht. Dieser vielstimmigen Anlage des Zwingers liegt ein klares ikonologisches Programm zugrunde.

    "Das ist eigentlich ein Abbild von drei Welten: Die Unterwelt ist verkörpert mit ihrem bacchantischem Treiben. Darüber das heitere, fruchtbare Erdendasein - gekrönt von einem Himmel voller Götter."

    Im architektonisch hoch komplexen Wallpavillon instrumentiert Pöppelmann diese Aussage in genial gesteigerter Form. Doch hier war er nicht allein am Werk.

    "Die höchste Vollendung hat dann sein Bildhauer geliefert, Balthasar Permoser. Er hat nämlich den gewaltigen Götterhimmel geschaffen mit einem ganz reichen plastischen Ornament- und Skulpturenschmuck."

    Eine gebaute Apotheose an August den Starken, den Auftraggeber nahezu aller Werke Pöppelmanns. Gegen Ende seiner Herrschaft wandelt sich der höfische Geschmack und Pöppelmann delegiert wichtige Aufgaben an eine neue Architektengeneration. Erst 1734, zwei Jahre vor seinem Tod, legt er das Amt des Landbaumeisters nieder.