Social Media und digitales GlückIntensiver leben durch Posten?

BIKE Redaktion

 · 17.09.2023

Social Media und digitales Glück: Intensiver leben durch Posten?Foto: Julian Wagner
Wer etwas auf sich hält, teilt sein Leben auf Social Media. Doch warum wollen wir Erlebnisse zum Beispiel bei Instagram im Netz teilen? Macht das glücklich? Medienexperte Marcel Beaufils über Sehnsüchte, die Macht der Bilder und die Schattenseiten der sozialen Medien.

BIKE: Woher kommt das Bedürfnis, sich in sozialen Medien zu präsentieren?

MARCEL BEAUFILS: Selbstdarstellung spielt eine immer größere Rolle in unserer Gesellschaft. Jeder ist heute sein eigener PR-Manager. Das funktioniert jetzt mit Instagram, Facebook etc. viel einfacher als früher. Doch auch früher wollten die Nachbarn per Dia-Vortrag oder Fotoalbum zeigen, wie toll der Urlaub an der Costa Brava war. Die Reichweite ist natürlich nicht vergleichbar.

Liegt das steigende Bedürfnis an den technischen Möglichkeiten oder an der heutigen Gesellschaft?

An beidem. Theorien gibt es dazu viele. Posts auf Social Media sind auch deshalb eine so große Versuchung, weil man sein digitales Selbstbild nach den eigenen Wünschen erstellen kann. Ganz im Gegensatz zum realen Leben, das sich unserer Kontrolle oft entzieht.



Gibt es evolutionsbiologische Gründe, warum der Mensch im Mittelpunkt stehen will?

Ich kann nur aus der tiefenpsychologischen Perspektive sprechen: Es geht nicht unbedingt darum, mehr Aufmerksamkeit zu wollen. Sondern eher darum, ein Bild von sich zu zeigen, wie man es sich selbst wünscht– du bist der Schöpfer deines Images. Das macht den Reiz aus.

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Posts sind meist positiv, oft spektakulär. Warum posten Leute nur Dinge, auf die sie stolz sind?

Weil es um Sehnsüchte geht. Man will in eine Rolle schlüpfen, die man im realen Leben nicht hat: Selfie vorm geliehenen Luxuswagen, Foto am Traumstrand, beim Sport. Es ist die versteckte Faszination eines Rockstar-Lebens, das man gerne 24 Stunden am Tag leben würde.

Wenn der Kumpel mir zeigt, wie aktiv er ist, fühle ich mich faul, weil ich selbst vielleicht zu lange im Bett gelegen habe.

Natürlich kann das Neid erzeugen. Doch es kann auch inspirierend wirken. Der Effekt ist der gleiche: Man beeinflusst andere.

Funktionieren nur solche Posts, die die Sonnenseite des Lebens zeigen?

Nein, überhaupt nicht. Profi-Influencer wissen schon lange: Wenn immer alles nur toll und schön ist, dann wirkt das schnell flach und langweilig. Besonders auf der Story-Funktion beweisen Influencer, dass es den Leuten mehr gefällt, wenn auch mal etwas schiefläuft.

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Wie wichtig ist Resonanz? Würden Insta, Facebook etc. auch ohne Likes und Kommentarfunktion ankommen?

Nein, denn in der Resonanz liegt der Reiz solcher Plattformen. Man will wirken mit seinen Posts und damit auch Feedback von seinen Followern und digitalen Freunden bekommen. Allerdings gibt es auch viele User, die Social-Media-Kanäle passiv nutzen. Das ist sogar die Mehrheit. Sie konsumiert, statt zu posten, sie wollen sich inspirieren lassen, statt sich selbst zu exponieren.

Warum besitzt der Mensch überhaupt das Bedürfnis, anderen zu zeigen, dass er etwas Tolles geleistet hat? Zum Beispiel, dass er einen hohen Sprung gewagt hat.

Weil die Resonanz das Gefühl verstärkt. Es gibt den Spruch: Wenn es kein Foto gibt, ist es nicht passiert. Da ist was dran. Denn der Post beweist es und lässt einen im sozialen Ranking steigen. Ein weiterer Effekt: Die Resonanz hilft, die Leistung einzuordnen. Lese ich in den Kommentaren: „Respekt, das ist hoch“, oder schreiben meine Follower möglicherweise: „Das ist ja easy.“

Über letzteren Kommentar freut sich wahrscheinlich keiner.

Natürlich sehnt man sich nach Zustimmung und Anerkennung, weniger nach Kritik. Denn, je mehr Leute sagen, wie hoch es war, umso höher wirkt es auch für einen selbst.

Manche behaupten, man erlebe intensiver oder sogar den Moment zweimal, wenn man das Erlebte poste. Ist da was dran?

Das ist individuell. Doch der Mensch denkt in Bildern. Und daher kann man sich durch Bilder auch besser erinnern. Sie wirken viel stärker als z. B. Texte.

Sehen Sie auch Gefahren beim Posten auf Social Media?

Wie so oft ist der Kontrast das Problem. Wenn aus dem Posten das Posen wird. Wenn die Traumwelt der Online-Person zu weit vom realen Leben wegrückt, läuft man Gefahr, enttäuscht zu sein. Die pure Superlative, mit der wir ständig konfrontiert werden, wirkt sich negativ auf unser eigenes Leistungsbewusstsein aus. Gerade im Sport. Die eigene Fahrt auf dem Hinterrad oder der Sprung im Bikepark erscheint nicht mehr spektakulär, selbst, wenn es eine persönliche Bestleistung ist. Denn das Internet zeigt immer Menschen, die alles noch viel besser können. Da kann man nur verlieren.

Wirtschaftspsychologe Marcel Beaufils vom Rheingold Institut aus Köln beschäftigt sich mit psychologischer Markt-, Medien- und Kulturforschung.Foto: Kai FunckWirtschaftspsychologe Marcel Beaufils vom Rheingold Institut aus Köln beschäftigt sich mit psychologischer Markt-, Medien- und Kulturforschung.

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